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25.04.12 ¦ Bielefeld ¦ Heinrich und Decker zu Klassen – Kämpfe – Kommunismus

6. Mai 2012 2 Kommentare

Endlich der Hinweis eines Genossen: Die Aufzeichnung der Podiumsdiskussion in Bielefeld „Klassen – Kämpfe – Kommunismus“ mit Michael Heinrich und Peter Decker, die am 25.04.2012 stattgefunden hat, ist doch noch online gestellt worden:
http://archive.org/details/2012_04_25_Heinrich-Decker

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Zur leider weitverbreiteten Kritik der Auswüchse des Turbokapitalismus

24. April 2012 9 Kommentare

Auch so kann man den Kapitalismus (nicht) kritisieren: Profit: gut – zu viel Profit: böse
Seit es den Kapitalismus gibt, gibt es viel Unzufriedenheit mit ihm. Heutzutage zum Beispiel bei Attac, bei den Befürwortern eines „Bedingungslosen Grundeinkommens”, bei den „Empörten” in verschiedenen europäischen Staaten oder bei der „Occupy”-Bewegung. Diese Bewegungen kritisieren den Kapitalismus wegen seiner „Auswüchse”, die doch wohl zum Himmel schreien. Es ist ja auch nicht zu übersehen, dass einem ständig wachsenden Reichtum bei den einen eine ebenso ständig wachsende Armut bei den anderen gegenübersteht. Nicht zu übersehen ist auch die notorische Existenzunsicherheit, die für viele Leute bedeutet, dass schon ein unglücklicher Umstand – Entlassung, Krankheit, eine psychische Ausfallerscheinung, ein familiäres Drama, falsch eingekauft, auf einen falschen Rat gehört – zu einer privaten Katastrophe wird. Und auch die gesamtgesellschaftlichen Folgeerscheinungen des Kapitalismus werden angeprangert. Weltweit breiten sich Hunger und sonstiges Elend immer mehr aus; es gibt eine fortschreitende Zerstörung der natürlichen Umgebung und nicht zuletzt: jede Menge Kriege der kleineren und der größeren Art.
Dem Kapitalismus selbst macht das allerdings nichts aus. Er wächst und wächst, all diese Katastrophen haben ihm auf Dauer nicht geschadet, vielmehr hat er sich – wie es bewundernd heißt – als die „überlegene Wirtschaftsweise” durchgesetzt und mittlerweile den ganzen Globus besetzt.
Im Zentrum dieser Wirtschaftsweise steht der Profit. In ihr beruht alles Wirtschaften darauf, dass Kapital vorgeschossen wird; und diejenigen, die das tun – die Kapitalisten, auch „die Wirtschaft” genannt –, tun das mit der Absicht und in der Erwartung, dass ihnen ihr Kapital vermehrt, mit einem Profit eben, zurückfließt. Sehen sie keinen Profit winken, schießen sie auch kein Kapital vor. Dieses Grundprinzip kapitalistischen Wirtschaftens stellen die Kritiker, die sich in dem breiten Spektrum von Attac bis Occupy tummeln, nicht in Frage. Ganz im Einklang mit den Grundsätzen der Volkswirtschaftslehre halten auch sie den Profit für ein unentbehrliches Instrument des Wirtschaftens. Selbstverständlich müsse es Unternehmer geben, die eine Produktion, ein Dienstleistungsgewerbe oder auch eine Bank aufbauen, und da sie das tun, steht ihnen auch zu, persönlich davon zu profitieren. Damit stellen diese Unternehmer, was eben nicht jeder kann, die Dinge her, die „wir alle” brauchen, und damit das weitergehen kann und auch immer mehr produziert werden kann, ist es richtig und sinnvoll, dass das eingesetzte Kapital mit einem Profit darauf zurückkommt. So werde für die Güterproduktion gesorgt und auch für die Ausweitung der Güterproduktion, da aus dem Profit ja auch die Investitionen bezahlt werden. Eigentlich, so sagen diese Kritiker, hat der Profit eine volkswirtschaftliche Funktion: nämlich der Menschheit ein immer besseres Leben zu ermöglichen. Deshalb heißt die Parole der amerikanischen Occupy-Bewegung: „People over profit”. Damit ist gesagt, dass das Volk Dienste des Profits für sich erwartet, und eben nicht: „People against profit”.
Nun beklagen diese Kritiker aber selbst alltägliche Vorkommnisse im Kapitalismus, die doch sehr das Gegenteil von einem immer besseren Leben sind. Das hat Zweifel am Profit hervorgerufen: Erfüllt er denn tatsächlich die nützliche Funktion, die man ihm zuschreibt? Der Zweifel geht freilich nicht so weit, den Profit selbst abschaffen zu wollen, stattdessen besteht die heutzutage sehr verbreitete Kritik darin, dem Profit eine Entartung vorzuwerfen, was sie beklagen, nennen sie „Auswüchse” und haben sich damit ohne jede nähere Untersuchung dazu entschieden, das Beklagte für eine Abweichung vom eigentlich guten Prinzip zu halten. Die Profitmacher würden nicht an ihre volkswirtschaftliche Aufgabe, sondern nur an sich denken, würden daraufhin durch ”Übertreibung”, ”Entfesselung”, ”Gier” die eigentlich gute Sache verzerren, verschandeln, missbrauchen, sie entgegen ihrer eigentlichen Zweckbestimmung pervertieren – so dass der Kapitalismus gar nicht mehr er selbst ist, sondern zu einem ”Turbo-Kapitalismus” geraten ist. Und daraus, so diese Kritiker, würden dann all die skandalösen „Auswüchse” entstehen. Ihre Aufgabe sehen diese Kritiker folgerichtig darin, den Profit sozusagen auf seine nützliche Funktion zurückstutzen, und zwar indem sie diese „entfesselten” Profitmacher anklagen und zügeln. Mehr…

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Peter Deckers Thesen für die Podiumsdiskussion mit Heinrich (25.04.12)

20. April 2012 12 Kommentare

Die Thesen von Peter Decker vom GegenStandpunkt für die Podiumsdikussion mit Michael Heinrich am 25.04.2012 in Bielefeld, die es auf der Webseite des Veranstalter als PDF gibt, hier nochmal in HTML umgewandelt:
Thesen zu den Charaktermasken des Kapitals, den sozialen Klassen – und was für antikapitalistische Politik daraus folgt
1. Die Klassen
a) Wie die Klassen erscheinen, weiß jedes Kind: Nämlich als eine gespaltene Gesellschaft, aufgeteilt in eine extrem reiche Minderheit, eine größere Minderheit extrem armer Bürger und dazwischen eine stufenlose Hierarchie von Einkommen, Konsumniveau, Existenz(un-)sicherheit, Gesundheit, Kultur und sogar Lebensspannen. Dazu braucht man keinen Marx. Diese Fakten beklagen von ihrem Blickwinkel aus auch Kirchen, Gewerkschaften, politische Parteien.
b) Wer von Klassen redet, sagt mehr als die Soziologenphrase von der sozialen Ungleichheit. Er benennt den Grund für die ungleiche Verteilung der Glücksgüter: Mit der Stellung zum Eigentum an den Produktionsmitteln, – ob nämlich einer sie besitzt oder ob er nur sich selbst als Eigentum besitzt, – sind das Erwerbsleben und die Resultate der individuellen Anstrengungen vorentschieden und im Durchschnitt nicht mehr entscheidend veränderbar. Der Besitz „ökonomisch relevanten Eigentums” (Heinrich) erlaubt seinem Besitzer den Arbeits- und Lebensprozess der Gesellschaft als Instrument der eigenen Bereicherung auszubeuten: Nur er hat die Mittel, Arbeit zu organisieren, Produktion zu unternehmen und die für sich hilflose Arbeitswilligkeit der eigentumslosen Masse wirksam werden zu lassen – natürlich unter der Bedingung, dass der Prozess sein Eigentum vermehrt. Die exklusive Verfügung einiger über die Instrumente des materiellen Reichtums legt umgekehrt die große Masse der Bürger darauf fest, Diener am Wachstum fremden Eigentums zu sein und eigenes Einkommen nur erzielen und aufbessern zu können, indem sie den Vermögens-Zuwachs der anderen Seite vergrößert. Die Besitzer der Ware Arbeitskraft können sich aus dieser Lage durch Arbeit nicht befreien. Deshalb ist das Etikett „Klassengesellschaft” eine fundamentale Kritik: Es charakterisiert ein System, das die Vielen auf den Dienst am Wachstum eines fremden Reichtums festlegt, von dem sie nichts haben; ein System, das ferner alle sonstigen Schichten und sozialen Rollen, die nicht Kapitaleigentümer oder Lohnarbeiter sind, diesem die Gesellschaft beherrschenden Gegensatz zuordnen.
c) Die Betroffenen sehen ihre Lage anders. Weil sie nicht per Geburt in einer Kaste oder einem Stand eingesperrt sind, sondern frei mit ihrem Eigentum um ökonomischen Erfolg konkurrieren dürfen, wollen sie auch nichts davon wissen, dass eine durch Eigentumslosigkeit definierte Klassenlage ihr Leben weitgehend vorherbestimmt. Dass es ihnen um sich gehen darf, dass sie von niemandem gezwungen werden, Arbeitsverhältnisse einzugehen, als von ihrem Erwerbsinteresse bzw. ihrer Geldnot, das legitimiert in ihren Augen die Resultate ihres Strebens als Produkte ihrer Leistung: Konkurrenz erzeugt Gerechtigkeit! Ausnahmen – vom Tellerwäscher zum Millionär -beweisen, dass es geht; dass es also bei der Klassenlage nicht darauf ankommt, was sie ist, sondern was einer daraus macht. Die Konkurrenz, zu der sie berechtigt und willens sind, verdeckt ihnen, dass eben diese Konkurrenz freier und gleicher Bürger dem Inhalt nach ein einseitiges Dienstverhältnis vermittelt zwischen einer herrschenden Klasse, die sich die Früchte der gesellschaftlichen Arbeit aneignet und einer dienenden Klasse, die dauerhaft in Existenzunsicherheit und relativer oder absoluter Armut lebt.
d) Da gibt es für die kapitalismus-kritische Linke also etwas zu tun: Die Kritik des falschen Bewusstseins der Opfer des Systems. Denn wenn sie ihre Klassenlage sehen würden, wie sie ist, würden sie sich die nicht gefallen lassen. Sie kennen sich als „Wir da unten, ihr da oben”, halten sich für „sozial schwach”, schwanken zwischen Selbstzweifeln, weil sie es „nicht weit bringen” und durchsichtigem Größenwahn. Aber eines wissen und billigen sie nicht: Dass sie die Deppen des Laden und auf der Welt sind, um zu arbeiten und andere reich zu machen, und dass sie sie Macht, sie auszunutzen, durch ihre Dienste auch noch selbst herstellen.
2. System – Charaktermaske – Mensch
a) Wenn man mit Marx vom Kapital als einem „automatischen Subjekt” spricht und von den Menschen als Charaktermasken und Personifikationen des Kapitals, formuliert man zunächst einmal ein Rätsel, das aufgelöst werden muss. Die Akteure sind nämlich keine Marionetten, sondern selbstbewusste Menschen, die ihre Interessen haben und wissen und Mittel einsetzen, um sie zu realisieren. Man muss erklären, wie es dazu kommt, dass sie die Gesetze des Kapitals exekutieren, die sie gar nicht kennen; und dass sie durch Betätigung ihrer bewussten Interessen ökonomische Sachzwänge in die Welt setzen, an denen manche scheitern.
Die erste Quelle der „subjektlosen” Macht des Kapitals und seiner Sachzwänge ist die gar nicht subjektlose Macht des Staates. Verfassungsgemäß etabliert und garantiert die politische Gewalt das Privateigentum, ein Recht auf ausschließendes Verfügen über bearbeitete und unbearbeitete Natur wie über eigene Arbeit. Das private Verfügen erstreckt sich auf Mittel der Konsumtion, die jeder braucht, wie auf die Mittel der Produktion, die erst recht jeder braucht. Die Staatsgewalt setzt vor alles Benutzen das eigentumsrechtliche Besitzen und definiert dadurch, was in dieser Gesellschaft Reichtum ist: Nicht nämlich ein Haufen von nützlichen Dingen, sondern die im Geld quantifizierte Verfügungs- und Zugriffsmacht auf sie. Und sie macht diese gesellschaftliche Zugriffsmacht – ein Rechts-, also ein Gewaltverhältnis – zum ökonomischen Hebel, zur Quelle von neuem Reichtum: Zugang zu dem, was einer besitzt, gewährt er anderen, die es brauchen, nämlich nur, wenn die ihm dafür einen Gegenwert liefern oder Dienst leisten, dessen Größe sich aus dem Grad ihrer Angewiesenheit auf das Eigentum des anderen ergibt. Nur unter der politischen Gewalt des Eigentums werden Arbeitsmittel zu Instrumenten der Aneignung fremder Arbeitsleistung, nur unter dieser Bedingung verwandeln sich die Lebensbedürfnisse der Habenichtse für sie zum Zwang, sich fremden Geldinteressen dienstbar zu machen.
b) Auf Basis des politischen Zwangs zum Verkehr als Privateigentümer zwingen die Akteure einander die Logik und die Konsequenzen ihrer Erwerbsquellen dadurch auf, dass sie sie in Konkurrenz zu einander betätigen: Anbieter der gleichen Warenart konkurrieren um dieselben Nachfrager und bekommen von der Gesamtheit der Anbieter und Nachfrager, „dem Markt”, mitgeteilt, was ihr Angebot wert ist. Die Rückwirkung des eigenen Interesses auf den kapitalistischen Akteur, dadurch, dass andere dasselbe Interesse verfolgen, bringt dabei weder neue oder noch andere Zwecke in die Welt, als in den Erwerbsquellen, die die Akteure betätigen, selbst schon stecken. Mit dem Zweck der Geldvermehrung durch Einsatz seines Eigentums tritt der Kapitalist, mit dem Zweck des Geldverdienens durch Arbeit tritt der Arbeiter schon in die Konkurrenz ein, weil andere mit denselben Interessen ihm aber den Markt, die Arbeitskräfte, den Arbeitsplatz streitig machen, zwingen sie einander, nicht den Zweck, aber die Messlatte des Erfolgs ihrer Zweckverfolgung auf und machen dadurch die „inner tendencies” des Kapitals (bzw. der Lohnarbeit) zu äußeren, jedem Akteur gegenüber verobjektivierten Gesetzen. [Marx, Grundrisse, MEW 42, S. 550f, 558f, 644] Jedem einzelnen treten so die Erfolgsbedingungen seines kapitalistischen Interesses und die Mittel, die er dafür ergreifen muss, als äußere Fakten und Sachzwänge gegenüber, denen er genügen muss, um Erfolg zu haben.
Der Unternehmer z.B. will durch Einsatz eines Kapitalvorschusses einen Überschuss erzielen, eine Gelddifferenz – und zwar eine möglichst große. Dieser Zweck ist weit hinaus über den bescheidenen Gesichtspunkt von Bedürfnis und Lebensunterhalt. Der Bedarf nach Geld ist – anders als der nach allen anderen Gütern – per se maßlos; und der nach Geldquellen ist es erst recht. Was der Kapitalist will, ist Wert und Wertsteigerung. Was er nicht kennt und nicht will, ist das Wertgesetz, das er und seinesgleichen durch ihre allseitige Aktion erzeugen und dem sie unterliegen.
Die Konkurrenz zwingt die Wirtschaftssubjekte nur zu den Konsequenzen, die in ihren ökonomischen Mitteln schon eingeschlossen sind – und das heißt für die gegensätzlichen Klassen Gegensätzliches: Sie zwingt die Kapitalisten zum Einsatz der Mittel ihres Zwecks: Um den angestrebten Überschuss über ihre Kosten zu erzielen, müssen sie die Kosten ihrer menschlichen und sachlichen Produktionsfaktoren senken und die einmal bezahlten Faktoren möglichst ausgiebig nutzen. Sie müssen gar nichts wissen vom Unterschied zwischen dem lebendigen Arbeitsvermögen und den technischen Anlagen: Sie machen automatisch das für sie Richtige, wenn sie beide billigst einkaufen und intensiv nutzen. Sie haben Mittel ihres Erfolg, die Konkurrenz zwingt sie, sie auf dem gesellschaftlich gültigen Niveau einzusetzen.
Für Arbeitskräfte sieht die Sache anders aus: Sie sind selbst die Mittel ihres Erfolgs; auch sie zwingt die Konkurrenz zur Kostensenkung. Nur sind sie selbst diese Kosten: Sie müssen sich billiger anbieten, länger arbeiten, sich mit Fähigkeit und Willigkeit dem Kapital nützlicher machen als der Mitbewerber um den Arbeitsplatz. Den Kapitalisten zwingt die Konkurrenz zum effizienten Einsatz seiner Mittel, um seinen Geldmaterialismus zu befriedigen, den Lohnarbeiter zum Verzicht auf seinen Materialismus.
3. Klassenbewusstsein und Klassenkampf, wie es sie gibt – und wie wir sie brauchen.
a) Kapitalismuskritik wendet sich an die lohnabhängige Mehrheit. Denn erstens bleibt im diesem System deren Materialismus auf der Strecke, während die reiche Minderheit ihren Materialismus als Abfallprodukt der Kapital-Akkumulation außerordentlich gut bedient sieht. Die Lohnabhängigen haben also guten Grund, den ruinösen Dienst am Kapital abzuschütteln. Zweitens haben auch nur sie die Macht dazu: Mit ihrer Arbeit reproduzieren und vergrößern sie beständig die Macht des Kapitals über sich. Die endgültige Verweigerung ihres Dienstes entzieht dem Kapital die Macht über die Gesellschaft und dem Staat die Mittel ihrer gewaltsamen Sicherung.
b) Dabei ist es nicht so, dass es kein Klassenbewusstsein gäbe – nur was für eines! Der Gegensatz von Lohn und Profit ist kein Geheimnis. In den Gewerkschaften ist das Bewusstsein organisiert, dass der Arbeiter nur einerseits als freier Eigentümer seiner Einkommensquelle für sich sorgen und um seinem Vorteil konkurrieren kann. Damit seine Arbeit als Einkommensquelle überhaupt funktioniert, braucht er auch das Gegenteil, die Aufhebung der Konkurrenz, den Zusammenschluss mit seinesgleichen: Nur kollektiv kann er der beherrschenden wirtschaftlichen Macht, den Kapitaleignern, als Verhandlungspartner gegenüber treten und steht nicht gleich als hilfloser Bittsteller da. Freiwillig – soviel Einsicht steckt in diesem Zusammenschluss – zahlt die andere Seite gar nichts.
c) Das Bewusstsein des Gegensatzes wird allerdings ergänzt durch sein Gegenteil: Genau die Profitgeier, die ihm nichts gönnen, braucht der Lohnarbeiter in der Rolle der Arbeitgeber: Nur sie können mit seiner Arbeitsbereitschaft etwas anfangen und ihm einen Lohn zahlen. Die widersprüchliche Stellung führt dazu, dass die Lohnabhängigen den Gegensatz der Interessen von vornherein nur unter dem Gesichtspunkt der angestrebten Versöhnung zur Kenntnis nehmen. Sie treten den Interessen der anderen Seite nicht ebenbürtig mit den eigenen Interessen entgegen, sondern mit einem Antrag auf Kompromiss, der doch möglich sein sollte, weil sie das Recht der Kapitalisten auf Profit ja nicht bestreiten. Sie pflegen eine „personalisierende Kapitalistenkritik”: Nicht in dieser Klasse und ihrem objektiven Interesse sehen sie ihren Gegner, sondern im einzelnen „raffgierigen Egoisten”, der nach „Maximalprofit” statt Normal-Profit strebt, dem es „nur um Profit und nicht um die Menschen geht”; eben in dem schlechten Menschen, der den Kompromiss verweigert, den er sich doch leicht leisten könnte.
d) Was es braucht und was fehlt, ist die moralfreie Einsicht, dass das Kapital und seine Agenten sich nicht eine Versündigung an einer eingebildeten Gemeinsamkeit und auch keinen Verrat an einer sozialen Verantwortung zu schulden kommen lassen, sondern dass ihr Interesse eben das Allgemeininteresse dieser Gesellschaft ist, von dem alle anderen Interessen abhängen, dem sie alle nachgeordnet sind. Kapitalisten erfüllen ihre soziale Pflicht, wenn sie ihren Profit mehren, denn Volks- und Gemeinwohl, soziale Verantwortung etc. haben zur Voraussetzung, dass die Mittel dafür erst einmal – kapitalistisch natürlich – erwirtschaftet sein müssen. Die Arbeiterschaft hat zu erkennen, dass die ganze Ordnung ein zum System gewordenes feindliches Interesse gegen sie und dass ihre eigene Erwerbsquelle kein Besitzstand ist, sondern nichts als die freiheitliche Form der Dienstbarkeit für fremde Zwecke.

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18.04.12 ¦ Berlin ¦ Dillmann: China und der Weltmarkt – Ein dritter Weg zum Sozialismus?

20. April 2012 Kommentare ausgeschaltet

Der Mitschnitt der Auftaktveranstaltung vom 18.04.2012 des Fachschaftsrats Sozialwissenschaften der HU Berlin seiner Veranstaltungsreihe „kritische Sozialwissenschaften“ 2012 mit Renate Dillmann vom GegenStandpunkt als Referentin zum Thema „China und der Weltmarkt – Ein dritter Weg zum Sozialismus?“ ist bei www.archive.org als Download verfügbar.

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Grass: Deutscher Großdichter als Weltgewissen – national abgewatscht

8. April 2012 1 Kommentar

Freerk Huisken hat einen Kommentar zur im Augenblick in allen medialen Kanälen geführten Abwehrschlacht gegen den zumindest moralischen Verbrecher Günter Grass unter seiner Rubrik „Lose Texte“ veröffentlicht.

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18.04.12. ¦ Berlin ¦ China und der Weltmarkt – Ein dritter Weg zum Sozialismus?

3. April 2012 1 Kommentar

18.04.2012 in Berlin, Humboldt-Universität, Vortrag/Debatte
„China und der Weltmarkt – Ein dritter Weg zum Sozialismus?“
Referentin: Renate Dillmann
Ort: HU Berlin, Universitätsstr. 3b, Raum 002
Beginn: 18.00 Uhr

Renate hat ihren Ankündigungstext nochmal überarbeitet:

Für die Frage, ob sich das moderne China auf so etwas wie einem dritten Weg zum Sozialismus befindet, bietet der unübersehbar kapitalistische Alltag dieser Nation eigentlich nicht den geringsten Anhaltspunkt. Dass sie trotzdem immer wieder gestellt und gerne debattiert wird, liegt insofern nicht an China, sondern an einem Bedürfnis der links-alternativen Öffentlichkeit.
Man will darüber reden, ob das große asiatische Land mit seinen vehementen Veränderungen so etwas wie ein Hoffnungsträger sein könnte – in der ein oder anderen Weise.
Das war auch in Maos Zeiten schon einmal so, als man in den Großen Vorsitzenden, die Volkskommunen und die Kulturrevolution eigene Hoffnungen und Wünsche hineinprojiziert hatte. Immerhin sollten diese Fantasien den damals durchaus existierenden linken Aufbruch beflügeln. Von „der Bewegung“ dieser Zeit ist nicht viel übrig geblieben. Aber eines scheint ziemlich zählebig zu sein: Das Bedürfnis, die guten oder schlechten Bedingungen zu reflektieren, mit denen es die „sozialistische Sache“ zu tun kriegt – obwohl diese selbst nur noch in Spurenelementen vorhanden ist. In diesem Sinne ist man „als Linker“ von China entweder bitter enttäuscht, wirft dem Land Verrat am Sozialismus vor und prangert es als Ausbund rohester kapitalistischer Verhältnisse an. Linke Reportagen und Analysen werden in vielen Fällen von Millionen hungernder Wanderarbeiter bevölkert – fast so, als wäre man in seiner Kapitalismuskritik entwaffnet, wenn es auch in China nach 30 Jahren Marktwirtschaft schon etwas gesitteter zuginge und als gäbe es an Chinas langem Marsch in den Kapitalismus nicht mehr zu erklären. Oder man bleibt einfach stur und schenkt der Kommunistischen Partei und ihren Interpretationen Glauben, denen zufolge sich das Land noch immer auf dem Weg zum Sozialismus befindet – nur dass dieser etwas länger ausfällt als angenommen und kleine kapitalistische Umwege zur Erhöhung der gesellschaftlichen Produktivkraft einschließt.
Das Interesse, das dieser Sicht auf China zugrunde liegt, wird dabei meist sehr deutlich ausgesprochen: man ist schlicht und einfach froh, dass es noch einen Staat gibt, der sich kommunistisch nennt – da ist es fast schon egal, was das bedeutet. Und man meint zumindest außenpolitisch einen antihegemonialen Hoffnungsträger ausfindig gemacht zu haben – dafür macht man dann ohne großes Federlesen aus Chinas Konkurrenzanstrengungen auf dem Weltmarkt eine angebliche Alternative zur amerikanischen Dominanz.
Gegen diese Art von gedanklichem Umgang mit China wendet sich der Vortrag.
Nicht, was China „für uns Linke“ bedeutet bzw. bedeuten könnte, soll zum Thema werden. Sondern, was dieses Land, seine Ökonomie, sein politisches System ist. Das beinhaltet
• einen kurzen Rückblick auf das sozialistische China und die Gründe für seinen Wechsel ins kapitalistische Lager,
• die Besonderheiten des chinesischen Kapitalismus und seines rasanten Weltmarkterfolgs,
• die Klärung der Frage, warum die ökonomische Öffnung des Landes nicht mit einer politischen Liberalisierung einhergeht und warum sich die chinesischen Führer ungerührt als „Kommunistische Partei“ bezeichnen…
Vortrag und Diskussion mit Renate Dillmann, Autorin des Buchs: China – Ein Lehrstück über alten und neue Imperialismus, einen sozialistischen Gegenentwurf und seine Fehler, die Ge-burt einer kapitalistischen Gesellschaft und den Aufstieg einer neuen Großmacht. 3. Auflage, Hamburg 2009, VSA-Verlag

Für diejenigen, die sich im Vorfeld über das Buch informieren wollen, sind Inhaltsverzeichnis und Vorbemerkung downloadbar.

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Die Entwicklung der Häftlingszahlen der USA seit 1920

26. März 2012 40 Kommentare

rhizom hat auf seinem Blog auf folgende Charts zur Häftlingsentwicklung in den USA seit 1920 hingweisen („Die große Einsperrung der Subalternen„:
Haftzahlen USA absolut
USA Häftlingsquote im Zeitablauf
Muß ich noch darauf hinweisen, daß die Häftlingspopulation in den USA zunehmend schwärzer geworden ist in den letzten Jahrzehnten?

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„Gute Arbeit, gute Löhne, gute Rente“ ???

19. März 2012 Kommentare ausgeschaltet

Auf dem Blog Gegen die herrschenden Verhältnisse ist ein Beitrag erschienen, der sich mit dem „Dreiklang“ der LINKEn auseinandersetzt: „Gute Arbeit, gute Löhne, gute Rente“. Dies spiegele ich hier auch, denn schon immer war mein „Lieblings-Wahl-Slogan“ der Linkspartei „Lohnarbeit Ja – Ein-Euro-Jobs Nein!“ (PDS in den 2000ern, hab es jetzt leider nicht mehr gefunden). (Dazu passend ein Interview mit Mathias W. Birkwald, dem rentenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE)

Die LINKE weiß mit einem „Dreiklang“ um Wählerstimmen zu werben: Gute Arbeit soll den Lohnabhängigen gute Löhne bringen, und diese wiederum sollen zu guten Renten führen. Doch was ist eine gute Arbeit, was ein guter Lohn, und was eine gute Rente?
„Gute Arbeit“:
„Bei guter Arbeit handelt es sich um einen gesicherten Arbeitsplatz und geregelte Beschäftigungsverhältnisse. Das ist in der Regel Vollzeitarbeit, denn nur diese kann sichere Verhältnisse und später eine gute Rente garantieren. Das bedeutet auch keine Leiharbeit und möglichst wenig befristete Arbeitsverhältnisse usw..“
Darüber, was Arbeitsplätze sichert, mag der LINKE nicht sprechen. Gerade deshalb soll es hier erwähnt werden: Rendite. Einen Arbeitsplatz gibt es in der Marktwirtschaft — sozial hin, sozial her — nur, wenn Unternehmen diesen bereitstellen. Und das tun Unternehmen nicht, weil sie so nett sind und ihnen die LINKE so gut zugeredet hat, sondern weil es Gewinn verspricht: unter dem Kommando des Unternehmens stehend soll der Lohnabhängige mehr reinwirtschaften, als er kostet. Das heißt, Gewinn stellt sich dar als die Differenz zwischen Lohnkosten (und Materialkosten, die sich allerdings wiederum auf Lohnkosten zurückführen lassen) und den Preisen, die das Unternehmen mit den von dem Lohnabhängigen produzierten Waren oder Dienstleistungen erzielen kann (d.h. auch: Lohnkosten sind immer ein Abzug vom Gewinn und daher stets zu drücken). Nur eine solche Gewinnaussicht, zu erzielen durch Ausbeutung der Beschäftigten, rechtfertigt in der Marktwirtschaft überhaupt die Schaffung eines Arbeitsplatzes. Und „gesichert“ ist ein solcher Arbeitsplatz eben auch nur solange, wie damit Gewinne gemacht und gesteigert werden können — also durch fortgesetzte Ausbeutung.
Das ist auch der LINKEN klar, weshalb sofort die Einschränkung formuliert wird: Es soll „möglichst wenig befristete Arbeitsplätze“ geben. Mit dieser Einschränkung tut die LINKE kund, dass sie durchaus weiß, dass das erfolgreiche kapitalistische Geschäftemachen des Öfteren erfordert, Lohnabhängige auf die Straße zu setzen. Womit auch abgenickt wäre, dass das Proletariat seine Existenz als Verschubmaterial des Kapitals fristet. – Nur nicht zu oft sollten sie herumgeschoben werden, bitteschön.
„Guter Lohn“:
Den guten Lohn hat die LINKE auf den Cent genau berechnet: „9,98 Euro pro Stunde brutto“, das macht 1596,8 Euro brutto / Monat. Die Rede ist also von einem Lohn von 1130 Euro netto / Monat (Steuerklasse I, Berlin). Das ist also der Beitrag, ab dem der Lohn seine segensreiche Wirkungen für Lohnabhängige entfaltet – laut LINKE. Dass man mit diesem Lohn nicht weit kommt, man sich dafür nur ein mittelmäßiges bis schlechtes Mietloch ergattern kann, und es danach an allen Ecken und Enden fehlt — abgenickt.
Denn auch hier verfügt die LINKE über den notwendigen kapitalistischen Realismus: zu hoch darf so ein Mindestlohn auch wieder nicht sein. Denn wenn Arbeitsplätze immer nur geschaffen werden, wenn Gewinnaussichten für die Eigentümer des Unternehmens bestehen und hierbei der Lohn als Abzug vom Gewinn auftaucht, ist natürlich klar: ein zu hoher Mindestlohn vernichtet Arbeitsplätze und schadet damit dem Standort.
So wird dem umworbenen Wähler also klargemacht: kapitalistische Standortbetreuung, bei der die Lohnabhängigen das billige Verschubmateriel liefern: ja; aber nicht zu billig, bitteschön.
„Gute Rente“:
Der „gute Lohn“ begründet sich mit der „guten Rente“: Der „gute Lohn“ soll dafür sorgen, dass man in der Rente nicht mit Altersarmut konfrontiert ist. Angesichts dessen, dass man als ProletarierIn sowieso durchs Recht auf Privateigentum verarmt ist und da auch so „großzügige“ Mindestlöhne nichts helfen, ist das schonmal ein guter Witz. Doch wie kommt die LINKE dann auf ihre Armutsdefinition? Als arm gilt für die LINKE, wer im Alter auf die sogenannte „Grundsicherung im Alter“ angewiesen ist — durch den Mindestlohn soll das in Zukunft verhindert werden. Das sorgt zwar vielleicht für die Entlastung der sozialen Sicherungssysteme des Staats, aber vor Armut schützt das natürlich nicht — wir reden hier schließlich von Renten, die etwas über Hartz-IV liegen, nämlich bei 900 Euro. Damit ist die LINKE bereits rundum zufrieden.
So ist das eben bei der Neuauflage der Sozialdemokratie und ihren Dreiklängen.

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Krölls: Polemik gegen den Sozialstaat und seine kritischen Liebhaber

15. März 2012 4 Kommentare

Skript eines neueren Vortrags von Albert Krölls:
Hartz IV – Soziale Gerechtigkeit – Menschenwürde
– Polemik gegen den Sozialstaat und seine kritischen Liebhaber –
Vortrag Hamburg 26.01.2012
[Dank an Heinrich für den Hinweis, es gibt auch ein update bei contradictio zur Veranstaltung]

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Peter Decker on „60 years of the DGB: Cooperation or class struggle?“

12. März 2012 Kommentare ausgeschaltet

The supporters of GegenStandpunkt in the USA Ruthless Criticism have translated and adapted the remarks by Peter Decker, the editor-in-chief of the marxist newspaper GegenStandpunkt, (my German transcription is here) that he had given on a panel with Mag Wompel, a well known labornet activist, in Berlin, May 2011, titled “60 years of the DGB: Cooperation or class struggle?” that also should have been a dispute also with a leftist trade union activist (a supporter of the SAV/CWI) and strike leader in ver.di in Berlin who unfortunately did not manage to show up.

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LORA: Warum und Wie die USA den Iran im Ernstfall mit Krieg von seinem Atomprogramm abbringen wollen

6. März 2012 3 Kommentare

Weil die USA und die von ihnen angeführte schöne freie Welt des demokratischen Imperialismus die Islamische Republik Iran in dieser Weltordnung als Störenfried betrachten und entsprechend behandeln, d. h. einen Regime Change nicht bloß befürworten, sondern seit dem ungenehmigten Sturz des Schah durch die Mullahs aktiv betreiben, halten sie nicht bloß eine iranische Atombombe für inakzeptabel, sondern bereits den Aufbau einer Kernenergietechnik, die der Natur der Sache nach immer auch die Möglichkeit bereitstellt, neben Atomkraftwerken auch Atomwaffen zu betreiben. Das ist im übrigen der Status Deutschlands, das ebenso wie die Ayatollahs offiziell und für alle absehbaren Umstände auf Kernwaffen verzichtet hat, gleichwohl aber eine waffenfähige Kerntechnologie vom Feinsten unterhält.
Anhören kann man sich die Radiosendung hier: http://www.freie-radios.net/46928
(ursprünglich ein Kommentar von Klaus U)

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„Patria o Muerte“? Zur Rettung ihres Staates ist für die KP Kubas der Sozialismus gestorben

6. März 2012 313 Kommentare

Nachdem der GegenStandpunkt zuletzt Veranstaltungen zur jüngsten Entwicklung in Kuba noch so angekündigt hatte: „Kubas neu­es­ter “Auf­bruch zum So­zia­lis­mus” „, klingt das jetzt schon in der Ankündigung deutlich schärfer:
„“Patria o Muerte“? Zur Rettung ihres Staates ist für die KP Kubas der Sozialismus gestorben“.
So jedenfalls wird ein Vortrag zum Thema angekündigt, den H.L. Fertl am 15. März 2012 in Wien halten will.

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GSP 1-11: Das Finanzkapital IV (als PDF)

27. Februar 2012 Kommentare ausgeschaltet

Im Down­load­be­reich steht jetzt auch der letzte der Ar­ti­kel aus dem Gesamtwerk des GegenStandpunkt über das Fi­nanz­ka­pi­tal zur Verfügung: „IV. Das internationale Finanzgeschäft und die Konkurrenz der Nationen“ erschienen in Heft 1-11, wieder von mir ein­ge­scannt und in ein zi­tier­fä­hi­ges PDF kon­ver­tiert.

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Wo bleibt denn die Moral?

26. Februar 2012 375 Kommentare

@ Neoprene
Ich würde gern mal deinen Blog missbrauchen, weil „Juli“, der Betreiber des Blogs „Emanzipation oder Barbarei“ meinen abschließenden Kommentar (noch?) nicht frei geschaltet hat.

„Juli:
„ja, tatsächlich geht es in dem Text nicht direkt um Wertkritik. Aber trotz alledem wird dort die Kritik des Gegenstandpunkt an formtheoretischen Kritikvarianten zur Kenntlichkeit gebracht. Diese Kritik lautet: ,Wo bleibt denn die Moral‘ und drückt sich aus in Zitaten wie diesen:
Er will nicht die Ausbeutung als den entscheidenden Skandal herausstellen, ( … )
Wichtig am Kapitalismus ist also der ,Skandal der Ausbeutung‘. Und das ist kein Argument, sondern Moral. Was dem GSP fehlt, ist die „Feindschaft gegen Kapitalisten“.
Lustig finde ich das deshalb, weil gerade der GSP und sein Umfeld sich immer über moralische Argumentationen aufregt, wir hatten das ja auch hier im Blog vor kurzem: Hitler ist kein Argument etc. Nun denn: Ausbeutung auch nicht.
Darüber hinaus ist das Schema simplifizierend: durch die moralische Betonung des Skandals der Ausbeutung muss sich die kritisierende nicht mehr mit der eigenen Verstrickung in gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse beschäftigen. Und auch das kann ein Interesse sein, sich nicht auf Kritik einzulassen. Ein in diesem Fall allzu offensichtliches…“

Antwort KHM:

„Juli:
„Diese Kritik lautet: ,Wo bleibt denn die Moral‘ und drückt sich aus in Zitaten wie diesen:
Er will nicht die Ausbeutung als den entscheidenden Skandal herausstellen, ( … )
Wichtig am Kapitalismus ist also der ,Skandal der Ausbeutung‘. Und das ist kein Argument, sondern Moral.“

GS-Artikel:

„Dass unsere Gesellschaft von Ausbeutung und Klassenherrschaft bestimmt ist, hält der Autor für einen alten Hut. Wie das funktioniert, findet er spannend. Dabei ist das Dass keineswegs Gemeingut (…) Im Kapitalismus, Heinrich sagt das selbst an anderer Stelle, liegt Ausbeutung eben nicht offen zu Tage wie bei der Sklaverei oder der feudalen Fronarbeit. Sie muss bewiesen werden; und das Urteil über diese Gesellschaft ist gesprochen, wenn sie bewiesen ist. Ihr Nachweis fällt zusammen mit der Erläuterung, wie in der wechselseitigen Benutzung freier Bürger ein einseitiges Dienstverhältnis steckt, wie also der freie Austausch ein Ausbeutungsverhältnis vermittelt. Unser Interesse ist es daher im Wie des Funktionierens aufzuzeigen, was da funktioniert, welche Konsequenzen der herrschende ökonomische Zweck des Geld-Machens mit sich bringt, welche weiteren Zwecke und ökonomische Formen aus ihm folgen, und welche negativen Wirkungen das für die Betroffenen hat.
Heinrich dagegen findet es „entscheidend, wie Ausbeutung und Klassenherrschaft in einer Gesellschaft funktionieren“, ohne dass er das Faktum selbst für beweiswürdig hält. Er will nicht die Ausbeutung als den entscheidenden Skandal herausstellen, sondern das seiner Meinung nach erstaunliche Funktionieren dieses Systems. Seine Aufmerksamkeit gilt nicht so sehr der Absurdität dieser Wirtschaftsordnung und ihrer Schädlichkeit für die große Mehrheit, sondern dem Kapitalismus als funktionierendem System. Er will aufklären, wie es dieses System trotz seines „destruktiven Potenzials“ schafft, seine (menschlichen) Elemente zu integrieren und sein Bestehen in der Welt zu sichern. Kapitalismuskritik besteht für ihn nicht in der Klärung von Argumenten, warum dieses Ausbeutungssystem abgeschafft gehört, sondern in Erläuterungen, die die Haltbarkeit der kapitalistischen Gesellschaft zum Thema haben: Ihm geht es um das Aufdecken von Mechanismen unbewusster Präformation des Handelns und Denkens durch das „System“, die dafür sorgen, dass seine Insassen zuverlässig funktionieren und nicht auf kritische Gedanken kommen. „Das System“ ist bei ihm das alles beherrschende Subjekt der kapitalistischen Welt.“

Wer diese Erläuterungen mit „Wo bleibt denn die Moral“ zusammenfasst ist entweder ein funktioneller Analphabet oder ein interessierter Wertkritiker. Aber sei’s drum. Mir war natürlich schon vorher klar, dass jede Diskussion zu diesem Thema mit Leuten wie Juli reine Zeitverschwendung ist – da geht’s nämlich an deren theoretische Substanz! Deshalb zum Abschluss nur noch einmal die nachdrückliche Empfehlung an Mitlesende, den Artkel selbst zu studieren und so zu überprüfen, welches der hier geäusserten Urteile zutrifft. That’s all.
Dazu passender Nachtrag:

„Am Rand bleibt für Kenner eine Abgrenzung zu den Marxologen nachzutragen, die sich ausgerechnet, weil es keinen Sozialismus in der Realität mehr gibt, zu einer „Neuen Marxlektüre“ befreit und herausgefordert sehen. Sie wollen nichts mehr zu tun haben mit der Arbeiterklasse und dem Anprangern der Ausbeutung; entdecken vielmehr in allen Gegenständen und Themen des dreibändigen Werkes eintönig immer dasselbe: „Fetischisierte Vergesellschaftung“. Sie studieren Marx, aber weniger, um der ausgearbeiteten Kritik des Kapitalismus seine Kritik zu entnehmen; sie lesen das Buch mehr als eine gelungene Antwort auf ihre Frage, warum die praktische Kritik, die der Kapitalismus verdient hätte, immerzu ausbleibt. Sie erklären nicht sich und anderen, warum die kapitalistische Wirtschaftsweise nicht zu ihnen passt und abgeschafft gehört, sondern warum sie in Gedanken und Praxis so gut zu ihr passen.
Damit wollen wir nicht verwechselt werden.“

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Anmerkungen zum Programm der KKE

21. Februar 2012 11 Kommentare

Die langjährige Generalsekretärin der griechischen KKE, Aleka Papariga, hat im Dezember 2011 bei einer „Beratung von kommunistischen und Arbeiterparteien“ in Athen die Eröffnungsrede gehalten, die ich im folgenden ausführlich zitiere und kommentiere als versuchten Einstieg in eine Auseinandersetzung mit einer Partei, auf die offensichtlich dieser Tage recht viele schauen, teils besorgt, teils hoffnungsfroh, und nur zu einem ganz geringe Teil kritisch:

„Es ist eine Tatsache, dass die gesammelten Erfahrungen die Notwendigkeit der Machtausübung durch die Arbeiterklasse, die Notwendigkeit der Vergesellschaftung der Produktionsmittel und der zentralen Planung entgegen der Auffassung vom „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ oder „Marktsozialismus“ bekräftigen, welche nichts mit dem wissenschaftlichen Sozialismus und der Erfahrung aus dem sozialistischen Aufbau zu tun hat. Als die Marktgesetze beim sozialistischen Aufbau gefördert wurden und die sozialistischen Produktionsverhältnisse geschwächt wurden, begann für die Macht der Arbeiterklasse der Count-Down hin zur Konterrevolution.“

Mehr hat die KKE zu Untergang und Selbstauflösung des RGW nicht zu sagen??

„Kein bürgerlicher politischer Vorschlag, weder von den Liberalen, noch von den Sozialdemokraten, noch von den Linken, keinerlei „Erneuerung“ kann einen Ausweg im Interesse des Volkes darstellen und das Volk vor seiner kurzfristigen und noch weniger vor seiner Mittellosigkeit auf lange Zeit schützen. Es sei denn, man macht den Bruch mit den Monopolen in der Industrie, im Bankwesen, bei den Reedereien, im Handel zu einer Grundsatzangelegenheit, was im Klartext den Bruch mit dem kapitalistischen Eigentum, seinen staatlichen Einrichtungen, seinen internationalen Bündnissen bedeuten würde.“

Bei MLern habe ich immer ein komisches Gefühl: Es fängt an mit dem Kampf ganz bewusst nur gegen die „Monopole“ in der Industrie, im Bankwesen, bei den Reedereien, im Handel, nicht gegen das kapitalistische Eigentum an Produktionsmitteln überhaupt, um dann doch „Klartext“ zu reden: „Bruch mit dem kapitalistischen Eigentum, seinen staatlichen Einrichtungen, seinen internationalen Bündnissen“.

„Die Arbeiter in Griechenland, in der Eurozone, müssen die Theorie zurückweisen, wonach der Schutz des Staates vor dem Bankrott eine nationale Sache wäre und deswegen die Opfer für so ein Anliegen notwendig seien, was in der Tat ein umgetaufter moderner Patriotismus ist. Die Arbeiter sind nicht verantwortlich und sollten nicht für die öffentlichen Schulden zahlen. Die Wut des Volkes ist nicht genug, um zum Gegenangriff des Volkes zu führen, wenn sie nicht ein antimonopolistisches Wesen erreicht und einen antikapitalistischen Inhalt bekommt.“

„Heute brechen in Griechenland eine Menge Tabus und Mythen zusammen, die das Volk beeinflusst hatten. Und wir glauben, dass dies für andere kapitalistische Länder ebenfalls gilt, vor allem in der alten kapitalistischen Welt Europas. Ihr Hauptschwerpunkt besteht darin, dass die EU eine Unvermeidlichkeit darstellen würde, dass es unvorstellbar für ein Volk wäre, nicht den Beitritt zur EU anzustreben oder gar aus ihr auszutreten. Oder dass die EU in ein Europa der Völker umgewandelt werden könne, und zwar durch das Aufkommen von Linksregierungen oder durch Koalitionen von linken und fortschrittlichen Kräften.“

Es bleibt hier erstmal recht vage, was für ein Griechenland nun aus der EU austreten soll: Ein weiterhin kapitalistischer Staat oder die neue Arbeitermacht zerreißt alle vorgefundenen imperialistischen Bande, so auch den EU-Vertrag. Andererseits heißt es gleich darauf:

„Nur die Macht des Volkes kann die Souveränität des Volkes und den wirklichen Austritt aus solchen imperialistischen Blöcken wir der EU und der NATO gewährleisten. Wir propagieren die folgende Plattform mit diesen drei Achsen: Macht des Volkes, Austritt, einseitige Schuldenlöschung. Der Austritt ohne Vergesellschaftung würde auch zerstörerisch für das Volk sein, während die Vergesellschaftung ohne Austritt unmöglich wäre.“

Interessant, wie Papariga mit dem gerade in Griechenland so vorherrschenden Nationalismus umgeht:

„erwirbt der Begriff Heimatland einen wesentlichen Inhalt für das Volk allein in der Macht des Volkes, mit den Organen der Teilnahme der Arbeiter und des Volkes, der Verteidigung und des Schutzes.“

Dann kann man – wie Stalin schon – problemlos zum Großen Vaterländischen Krieg blasen, so „internationalistisch“ sind Stalinisten seit eh und je.

„Wir setzen uns systematisch mit Auffassungen wie jenen auseinander, wonach „das Problem der griechischen Wirtschaft die akkumulierten Superprofite im Banksystem oder in den Warenbörsen im Gegensatz zu den Profiten in der Industrie, in der Produktion waren“. Jenen Auffassungen, die die Profite in „rechtmäßige“ und in „unrechtmäßige“ einteilen. Jenen Auffassungen, die vorgeben, dass der angeblich gesunde Kapitalismus sich zu einem „Casino-Kapitalismus“ entwickelt hätte. Die Reduzierung des Imperialismus auf eine Außenpolitik und auf einen Typ der zwischenstaatlichen Beziehungen anstelle eines sozialökonomischen Systems bzw. der Monopolkapitalismus muss ganz besonders angepackt werden.“

Damit käme Papariga in der deutschen Linken hingegen nicht sehr weit.
Andererseits würde folgende Zusammenfassung des Programms selbst in der Linkspartei eine ganze Reihe von Anhängern finden:

„Die KKE ruft das Volk dazu auf zu kämpfen, damit die konzentrierten Produktionsmittel in der Industrie Volkseigentum werden, damit der Boden vergesellschaftet wird, damit die großen Unternehmen in der Landwirtschaft und im konzentrierten Großhandel vergesellschaftet werden. Auf der Grundlage dieser Verhältnisse muss die Landwirtschaft gemäß Anreizen für ihre Konzentration umgestaltet werden, und zwar anfänglich zu Genossenschaften.“

Auch hier wieder die ganz bewusste Beschränkung auf „große“ Kapitale, sei es in der Industrie, im Handel oder im Agrobusiness.
Wenn es dann heißt:

„Die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und die zentrale landesweite Planung, gegründet auf wissenschaftliche Instrumente, werden große ungenutzte produktive Fähigkeiten freisetzen. Sie wird die wissenschaftlich kombinierte Vorrangigkeit und die Befriedigung der sozialen Bedürfnisse gewährleisten, weil sie die ausgeweitete Kontrolle der Arbeiter und des Volkes für die vollständige Befriedigung der sozialen Grundbedürfnisse bei z.B. Nahrung, Wohnstätte, Bildung, Gesundheitsfürsorge, Sozialwesen, Aufbau von Infrastruktur aktiviert.“

Wird auf diesem allgemeinen Level wohl kaum ein Kommunist widersprechen wollen (außer all den Antizentralisierungsanarchisten darunter).
Komisch fand ich folgende Stelle:

„Nur die Macht des Volkes kann gegenseitig vorteilhafte Handelsvereinbarungen mit den anderen Völkern, den anderen Volkswirtschaften erbringen und die Erscheinung der imperialistischen Konkurrenzkämpfe bei der Nutzung der Bodenschätze im Seegebiet und an Land auslöschen“

Mit „anderen Völkern“ kann es doch nur Handel(?) geben, wenn auch dort eine Revolution erfolgreich war, bis dahin hat man es doch als antikapitalistische Insel weiterhin mit den „imperialistischen Konkurrenzkämpfe“ zu tun. Und wenn erst mal auch anderswo antikapitalistische Revolutionen erfolgreich waren, dann wird man doch nicht mehr Handel mit denen treiben, sondern das gemeinsam beherrschte Gebiet mit den vorhandenen Ressourcen gemeinsam beplanen und versorgen. Oder soll doch wieder ein RGW, gott habe ihn selig her?
Ich weiß nicht, was ihre Einschränkung soll, denn auf den puren Fakt hätte sie ja nun wirklich nicht hinweisen müssen:

„Natürlich gibt es keine revolutionäre Situation in Griechenland, um den Sturz der kapitalistischen Gesellschaftsordnung sofort auf die Tagesordnung zu setzen.“

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Griechenland: „Volk muß aufhören, sich wie Opfer zu fühlen“ (KKE)

21. Februar 2012 35 Kommentare

In der jungen Welt vom 10.02.2012 stand ein kurzer Ausschnitt aus einer Stellungnahme der Generalsekretärin der Kommunistischen Partei Griechenlands KKE, Aleka Papariga:

Heute zeigt sich zuallererst die individuelle Verantwortung des Arbeiters und Angestellten, des Arbeitslosen, egal, ob der privaten Wirtschaft oder dem öffentlichen Dienst zugehörig, die persönliche Verantwortung des Selbständigen und des kleinen Bauern, des Jugendlichen, der Frau, der Mutter, die den werktätigen Schichten, den Volksschichten angehört. Sie alle müssen aufhören, sich wie Opfer zu fühlen und sich dazu entschließen, Täter zu werden. Dazu, die Kapitalisten, die Großunternehmer und den Teil der mittleren Schichten, der an einem Einvernehmen und einer Zusammenarbeit mit den Monopolen interessiert ist, zu Opfern zu machen. Das ist die tatsächliche Trennlinie in Gesellschaft und Politik. Damit die, die für die Krise verantwortlich sind, PASOK, Nea Dimokratia, LAOS zusammen mit den Kapitalisten für die Schulden bezahlen, die ihre sind und nicht unsere. (…)
Wir stellen klar: Wenn das Volk sich vor der Troika retten will, dann muß es bewußt und methodisch, entschlossen und organisiert für die Loslösung von der EU kämpfen. Wenn das Volk sich vom Joch der Schulden befreien will, dann muß es mit seiner Kraft deren einseitige Annullierung erzwingen. Wenn es eine volksfreundliche Politik will, dann muß es für die Herrschaft der Arbeiter und des Volkes kämpfen. Wer Entwicklung zu seinen Gunsten will, muß für die Vergesellschaftung der Produktionsmittel kämpfen, jede Form von Reichtum, die der kapitalistischen Ausbeutung entstammt, in Volksvermögen verwandeln. Sonst wird man ihm sein persönliches Vermögen nehmen, das er mit Schweiß und Arbeit, mit Krediten und Zinsen aufgebaut hat. (…)
Schulterschluß mit der KKE und ihrem politischen Angebot, unabhängig von einzelnen Differenzen, die man in bezug auf den Sozialismus hat. (…)

Als in Berlin beim Roten Freitag am selben Tag über „Krisenagitation – Wie das Volk geistig die Krise bewältigen soll, für die es praktisch in Haftung genommen wird“ und die dementsprechende Hetze gegen die Griechen warf die Referentin dieses Zitat in den Raum und erntete prompt eine halbe Generaldiskussion. Auf jeden Fall zeigt dieses Zitat, warum einerseits mittlerweile alle möglichen Linken auf die KKE schauen, und wenn man genau hinschaut, leider auch wieder, wo diese Partei ideologisch/historisch herkommt bzw. immer noch verwurzelt ist.

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Zu Adam Antinus Artikel „Krise des Kapitalismus ist nicht nur eine der Ökonomie“

20. Februar 2012 4 Kommentare

War zuerst ein Kommentar zu Samsons Hinweis auf den Artikel bei den roten notizen.

„In den Medien wird die derzeitige Krise vor allem als eine Krise der Ökonomie, insbesondere der Finanzwirtschaft, dargestellt. Das verwundert aus zwei Gründen nicht. Zum einen steht in dieser Gesellschaft die Jagd nach dem Profit, also das ökonomische Interesse im Vordergrund, zum anderen haben die bürgerlichen Meinungsmacher kein Interesse daran, die Krise als eine politische Krise, oder gar allgemeine Krise des Kapitalismus erkennbar werden zu lassen. Sie müssen die Illusion aufrechterhalten, daß die bürgerliche Politik, der bürgerliche Staat, in der Lage ist, die Probleme zu lösen.“

Diese Illusion würden bürgerliche Medien auch aufrecht erhalten wollen, wenn es auch diesmal eine der „klassischen“ kapitalistischen Krisen wäre. Das Argument zieht also nicht. Zudem es ja nicht nur in bürgerlichen Kreisen sondern auch in der mehr oder weniger linken Linken eine Debatte um den Charakter dieser Krise gibt. Es geht also im Kern erst mal darum, was wirklich ist, und nicht darum, was wer warum gerne hätte.

„Was sich gegenwärtig in der kapitalistischen Welt abspielt, ist aber weit mehr als eine der sich periodisch wiederholenden ökonomischen Krisen, es ist die sich gerade rasant verschärfende allgemeine Krise der kapitalistischen Gesellschaft, die alle, sämtlich alle gesellschaftlichen Bereiche erfaßt hat.“

Der Begriff der „allgemeinen Krise“ ist erstaunlich unpräzise: Soll das heißen, dass für Proletarier schon immer Krise war und ist? Soll es heißen, dass jetzt (erst jetzt??) die kapitalistische Krise wirklich „allgemein“ also die ganze Gesellschaft umfassend geworden ist?
Denn was dann an Konkretem angeführt wird, sind bei Lichte besehen doch gar keine Spezifika dieser Krisensituation sondern schon immer Begleitumstände der kapitalistischen Entwicklung gewesen:

„Sie zeigt sich in der Zerrüttung der Staatsfinanzen, in den politischen „Fieberanfällen“, die zahlreiche bürgerliche Regierungen stürzen lassen und Politiker reihenweise zu Rücktritten veranlaßt (freilich ohne daß dadurch irgend etwas „besser“ wird), es zeigt sich im kulturellen und moralischen Verfall, die die bürgerliche Gesellschaft immer dekadenter erscheinen läßt, in der Zerstörung der inneren sozialen Zusammenhänge. Es zeigt sich in der immer hemmungsloseren Vernichtung der Lebensgrundlagen der Zivilisation im Wettrennen der imperialistischen Mächte um die noch zur Verfügung stehenden natürlichen Ressourcen.“

Schon mit so hilflosen und zudem auch noch falschen Beschreibungen „immer hemmungsloser“ (wann hat es denn Hemmungen gegeben, unter Adenauer, unter Hitler unter Bismarck?) muß der Autor ja implizit zugeben, dass da nichts qualitativ Neues auftaucht, sonder nur die alte Scheiße wieder mal hochkocht.

„Nach uns die Sintflut ist zum Motto einer unübersehbar im Abstieg befindlichen kapitalistischen Gesellschaft geworden.“

Seit wann ist das denn „unübersehbar“ geworden (selber schon wieder blöd, denn außer dem Autor und meinetwegen 27 anderen seiner Genossen sieht das doch überhaupt niemand so), nicht schon seit der Somme-Schlacht, nicht schon in der großen Depression, nicht etwa bei der Befreiung von Bergen-Belsen usw.?

„Die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft tritt somit immer zwingender und dringender auf die historische Tagesordnung.“

Schon wäre es, wenn wenigstens ins Gewicht fallende Kerne der Arbeiterklasse, es „zwingend“ fänden, den Sturz dieser Gesellschaftsordnung auf die Tagesordnung zu setzen.

„Auch wer die inneren Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge der kapitalistischen Gesell-schaft und ihrer Auswirkungen noch nicht erkennt, spürt an den Erscheinungen, daß die Gesellschaft immer kränker wird. Es ist ja nicht zu übersehen, daß trotz aller Beteuerungen und heuchlerischer Bekundungen, „gegen die Armut“ hierzulande wie in der Welt etwas zu unternehmen, die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden.“

Ausgerechnet dieses Grundprinzip der kapitalistischen Entwicklung, dass „die die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden“ soll nun was Neues sein, kommt von jemand, der sich für einen Kommunisten hält, doch um Jahrzehnte, ja fast schon Jahrhunderte zu spät.

„Die herrschenden Klassen waren schon immer der Ansicht, daß ein aufgeklärtes und gebildetes Volk für sie eine Gefahr darstellt und es daher möglichst dumm zu halten sei.“

So verkürzt ist das falsch. Für eine „Aufklärung“ / “Bildung“ / “Ausbildung“, die der Gewinnemacherei nützt, haben kapitalistische Staaten schon immer Geld ausgeben. Dafür wollen alle selbst jetzt in der Krise weiter Geld ausgeben und Leute beschäftigen, insoweit sie sich durch solche Exzellenz-Initiativen und Forschungsvorsprungkampagnen versprechen, ihre Konkurrenten auf den Weltmärkten besser schlagen zu können. Politisch-ideologisch hat sich aber seit Kaisers Zeiten und den Medien der damaligen Zeit bis heute in der Tat nichts großartig geändert. Nur die Medien sind halt jetzt moderner, statt Marlitt in der Gartenlaube gibt es jetzt eben Pilcher im ZDF.

„Der Imperialismus … kann die Völker, gegen die er Krieg führt, nicht auf Dauer unterjochen. Und obwohl das Beispiel Afghanistan zeigt, daß der Imperialismus diese Kriege letzt-lich nicht gewinnen kann, plant er bereits die nächsten und bedroht so z.B. den Iran, Venezuela, Kuba, die KDVR… „

Sowas klingt nach rund hundert Jahren imperialistischer Kriege und der Ausschaltung von fast allem staatlich organisiertem Willen, sich dem zu widersetzen, geradezu zynisch. Welt-umspannender war die Herrschaft des Imperialismus, der noch die letzte Hütte in Innerafrika bestimmt, noch nie in seiner schrecklich langen Lebenszeit.

„ist es wichtig, den Menschen zu erklären, daß die allgemeine Krise des Kapitalismus unter den heutigen Bedingungen zu einer Existenzkrise der Menschheit wird, wenn sich die antiimperialistischen Kräfte nicht zusammenschließen, um die untergehende kapitalistische Gesellschaft daran zu hindern, die Menschheit in eine vernichtende Barbarei zu stürzen.“

Warum muß es den gleich eine „Existenzkrise der Menschheit“ sein, um die Menschen gegen den Imperialismus aufbringen zu wollen? Gab es z.B. nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, den viele Menschen als eine solche Krise gesehen haben, etwa keinen Grund mehr, dem Imperialismus ein Ende bereiten zu wollen?

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Peter Decker bei „Sechs Jahrzehnte DGB: Kooperation oder Klassenkampf“

11. Februar 2012 22 Kommentare

Im Thread über die Kommunistische Agitation und den Willen, zurecht kommen zu wollen, hat Samson nicht nur sein Verständnis der Sichtweise des Gegenstandpunkt zum „Klassenkampf“ wie folgt ausgedrückt:

“ die praktische Notwendigkeit von Lohnkämpfen zu bestreiten (resp. so zu tun als wäre das kein Klassenkampf), mit dem Argument, damit würden die Proleten ihren Willen ausdrücken, für Lohn zu arbeiten, folglich hätten sie gegen das System nichts einzuwenden, weswegen man sie als wackerer Kommunist erstmal tüchtig kritisieren müsste, das halte ich nun wieder für fadenscheinig bis ignorant.“

Das nehme ich zum Anlaß, nun doch einen ersten Teil meiner Abschrift der Veranstaltung vom Mai 2011 mit Mag Wompel von Labournet und Peter Decker vom GegenStandpunkt zur Verfügung zu stellen (noch recht roh, weil ich aus den bekannten Gründen, die mir ja auch von mehreren Genossen vorgehalten wurden, davon eigentlich schon Abstand genommen hatte), weil ich sonst eh nur Samson und den Seinen mit ähnlichen Argumenten hätte entgegentreten müssen. Dann wäre es aber lange nicht so ausführlich und wohl auch nicht so (hoffentlich) überzeugend geworden:

Wir haben jetzt, natürlich wie so oft, die Situation, dass die Kontroverse nur zwischen linken Gewerkschaftskritikern abläuft. Oder, dass das, was Diskussion sein sollte mit denen, die so richtig einfach für die Gewerkschaft, so wie sie es gibt, was sie auf dem Programm hat, eintreten würden, die sind ja wieder gar nicht da. Jetzt schimpfen also zwei linke Gewerkschaftskritiker auf verschiedene Weise auf die Gewerkschaft. Und es geht ein bisschen darum, dass man die Feinheiten dieses Unterschiedes, wie die darauf schimpfen, ein bisschen herausarbeitet, das ist jetzt halt die Lage. Also geht es dann auch darum. Natürlich wäre es viel interessanter, mit einem Gewerkschafter, der einfach das Programm vertritt, dass die auch wirklich betätigen, über dieses Programm zu reden, aber man muss halt die Diskussionspartner nehmen, die man kriegt.
Ich will ein paar harte klare Thesen machen, dann hört man auch den Unterschied raus, zwischen dem, wie die Mag argumentiert und wie ich das mache. Z.B. Überschriften zu machen wie zum Beispiel über die heutige Veranstaltung „Kooperation oder Klassenkampf“: Die Überschrift ist nahezu trivial in der heutigen Situation: Jeder weiß doch dass die Gewerkschaften sozialpartnerschaftlich orientiert sind, dass sie Klassenkampf für absurd halten und für vorgestrig. Dieses „oder“ ist also gar keine wirkliche Frage, sondern es ist eigentlich der Wunsch der Veranstaltung, man möge statt Kooperation Klassenkampf auf die Tagesordnung setzen. Von da aus ist es einerseits furchtbar leicht, den Gewerkschaften, dem DGB, wie der existiert, vorzuwerfen, dass er lauter wirtschaftliche Vernunft an den Tag legt, wenn er im Konflikt mit dem Kapital um Tarife und Löhne streitet, dass seine eigenen Vertretern im Betrieb Ko-Management betreiben und selber die Belegschaft verwalten im Sinne des Betriebes. Der DGB-Chef Sommer steht ein bisschen dafür, dass die Gewerkschaft saugut ist im Jammern und Betteln und darüber zu klagen, dass die Gerechtigkeit ausbleibt. Ja das ist alles leicht festzustellen, und es ist auch berechtigt, das festzustellen. Dem allen sieht man die Unterordnung der Interessen derer, die die Gewerkschaften vertreten unter die Erfordernisse und Bedürfnisse und Interessen der anderen Seite, unter die Interessen des Kapitals, leicht an. Mehr…

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Freerk Huisken: „Der Angriff auf das „Wir“ ist fällig“

9. Februar 2012 3 Kommentare

Die Jungle World (nicht gerade eine Zeitschrift, die man in diesem Zusammenhang erwartet hätte) sprach mit Freerk Huisken (vom GegenStandpunkt) über seinen vieldiskutierten Aufsatz »Was ist ›brauner Terror‹ und wie kommt es dazu?«, die nationalistische Sorge um das Ansehen Deutschlands und die Kritik am demokratischen Antifaschismus. Das folgende Interview ist der Jungle World online entnommen:

Sie behaupten, von »braunem Terror« könne keine Rede sein. Wie passt das zu den Morden der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund?
Das ist ein Missverständnis. Natürlich lassen sich diese Mordanschläge unter das subsumieren, was gemeinhin als Terror gilt. Nur sollte man sich darüber im Klaren sein, dass die allgemeine Empörung aller Parteien bis hin zur Kanzlerin und aller Medien und der sonstigen Öffentlichkeit gar nicht in erster Linie dem Umstand galt, dass mörderischer Ausländerhass zehn Todesopfer ge­fordert hat.
Das klingt nach einer Unterstellung.
Nein, denn offensichtlich standen für Politik und Öffentlichkeit zwei ganz andere »Opfer« im Vordergrund: Deutschlands Ansehen in der Welt und die nationale Staatssicherheit, wegen des »Versagens« der Sicherheitsorgane. Warum hat sich Frau Merkel wohl geschämt? Und warum hat die Süddeutsche Zeitung gar eine Staatskrise ausgerufen, wie Heribert Prantl es nannte? Es hat eben wieder einmal niemanden ernsthaft interessiert, wie der mörderische Hass des NSU mit der demokratischen Ausländerpolitik zusammenhängt, die Ausländer generell zum Problem erklärt, sie als störend empfindet und selbst dann noch als Störung behandelt, wenn man sie als Arbeitskräfte holt.
Wie hängen Ihrer Meinung nach die staatliche Ausländerpolitik und die Morde zusammen?
Die staatliche Ausländerpolitik gründet auf einer Sortierung von Menschen nach Inländern und Ausländern, »wir« und »die anderen«. Dies passiert nicht nur in Deutschland, sondern in jedem demokratisch regierten, kapitalistischen Nationalstaat. Diese Sortierung macht sich frei vom Willen der betroffenen Menschen, den als Staatsvolk einverleibten und den als fremdes Volk per Krieg oder Gesetzesakten ausgegrenzten Menschen. Es gilt dann nichts anderes als das jeweilige staatliche Interesse an einer unter seinem Kommando zusammengefassten Menschenansammlung, die sich als Deutsche, als Franzosen oder Schweden ihrem Staat als einheitliches nationales Volk verbunden fühlen sollen – gegen alle Gegensätze der Klassen und Schichten, die den Alltag bestimmen.
Staatliche Ausländerpolitik besteht auf dem Loyalitätsanspruch des »eigenen Volkes« – der leider nur allzu sehr erfüllt wird – und bestimmt jeden Ausländer erst einmal umgekehrt als loyalen Anhänger seines Heimatstaates. Daher der prinzipielle Verdacht ihnen gegenüber, sie würden sich hier als Fünfte Kolonne ihrer Heimat aufführen. Das lässt sich an den Härten der Ausländerpolitik auch gegenüber jenen Menschen mit fremdem Pass ablesen, die man hier unter Auflagen leben lässt. Es sind erst diese vom Staat zugelassenen Ausnahmen von seiner prinzipiellen Ausgrenzung, die die Nazis dem demokratischen Staat als Zerstörung der völkischen Substanz, als Verrat am deutschen Volk vorwerfen. Das menschenverachtende, völkische Prinzip der Menschensortierung teilen jedoch beide.
Aber gibt es nicht einen Unterschied zwischen einer staatlichen, nach Nützlichkeitskriterien begrenzten Zuwanderung und der Ausgrenzung und Verfolgung von Ausländern nach völkischen Prinzipien?

Selbst bei Ausländern, die sich hier nützlich machen dürfen, hören doch Ausgrenzung und Verfolgung durch den Staat nicht auf. Sie werden zwar als Ausnahme von der politischen Verdachtshaltung zugelassen. Aber wenn sie nicht mehr nützlich sind, werden sie wieder ausgewiesen. Das nenne ich übrigens eine vollständige Reduktion des Menschen auf nichts als die Verkörperung von Nützlichkeit.
Wenn so ein Mensch den Aufforderungen der Ausländerbehörde nicht nachkommt, beginnen Verfolgung, Kasernierung und der gewaltsame Abtransport. Daneben hat er während der ganzen Zeit die Verfolgung durch brave deutsche Nationalisten zu ertragen, die den »Fremdlingen« alle Beschädigungen anlasten, die ihnen deutsche Sozialbehörden und hiesiges Kapital bereiten. Die in ihrer Heimat verfolgten, vertriebenen, ihrer Subsistenz beraubten Ausländer, das sind dann »Wirtschaftsflüchtlinge«, die von vornherein als Schädlinge und Schmarotzer eingestuft werden. Die hätten mit ihrer fremden Kultur und ihrem fremden Wesen im deutschen Volkskörper erst recht nichts zu suchen, lautet der Standpunkt der Ausländerpolitik.
Lässt sich dies in der altbekannten Formel »Nazis morden, der Staat schiebt ab, das ist dasselbe Rassistenpack« zusammenfassen?

Nein. Denn Nazis gehen davon aus, dass die staatlich hergestellte Volkseinheit der Natur, dem Wesen, der Art des Deutschen entspricht, dass per Staatsakt zum Volk nur zusammengeführt wird, was natürlicherweise zusammengehört. Daran lässt sich für sie nichts ändern. Deswegen ist jeder Ausländer hierzulande für sie ein Anschlag auf die deutsche Art. Demokraten dagegen billigen den Ausländern zu, sich mit Wille und Bewusstsein etwas über ihre Art hinwegsetzen und sich dem Deutschtum anpassen zu können – etwa bei der Integrationspolitik. Damit gibt die Ausländerpolitik ihren völkischen Ausgangspunkt nicht auf. Sie relativiert ihn nur aus einem nationalökonomischen Kalkül heraus. Deshalb wird selbst der eingedeutschte Ausländer zum Deutschen mit Migrationshintergrund gestempelt und bleibt das über Generationen.
Doch etwas ist an der Parole zu halten: Denn die Nazis und der Staat gehen gegenüber Ausländern über Leichen. Nur darf man das natürlich so nicht sagen, denn Gewalt ist eben hierzulande nicht gleich Gewalt. Es gibt die böse, unerlaubte. Das ist die von Privatpersonen ausgeübte. Deren Opfer sind dann »sinnlos« gestorben. Die Staatsgewalt gilt als die notwendige Gewalt, die Ordnung stiftet, Recht durchsetzt und immer nur Opfer mit »Sinn« produziert. Merkwürdig ist das schon: Ausgerechnet das mit Macht durchgesetzte und behauptete staatliche Gewaltmonopol fällt hierzulande nicht unter Gewalt.
Aber Demokraten haben doch nicht zwingend ein völkisches Staatsverständnis. Cem Özdemir und Jürgen Rüttgers sind diesbezüglich sicher nicht einer Meinung.
Im Kern schon. Denn erstens ist beiden die ganz und gar nicht gemütliche Ausländersortierung völlig selbstverständlich, zweitens teilen auch die Grünen im Prinzip den Standpunkt, dass diejenigen hier nichts zu suchen haben, die man abfällig als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnet, und drittens wollen auch sie Ausländern nur dann eine Aufenthaltsberechtigung zuerkennen, wenn sie sich für Deutschland nützlich machen; wobei sie dazu ursprünglich auch mal eine »kulturelle Bereicherung« – Multikulti hieß das – gerechnet haben.
Zivilgesellschaftliche Organisationen, die gegen den Rechtsextremismus kämpfen, fordern nun als Reaktion auf die Taten des NSU mehr Geld für ihre Arbeit. Kann mehr Aufklärung solche Taten verhindern?
Es kommt immer auf die Art der Aufklärung an. Richtig sind Bemühungen, den durchgesetzten alltäglichen Nationalismus zu kritisieren, jene auch für die Demokratie funktionale Geisteshaltung, aus der sich auch der Neofaschismus speist. Da wäre der Angriff auf das »Wir« fällig, in dem sich Menschen, die eher Opfer des demokratisch regierten Kapitalismus sind, der politischen Sorgen der Herrschaft annehmen. Darunter fällt auch die kritische Befassung mit der demagogischen Behauptung, dass Ausländer uns die Arbeit wegnehmen, Sozialschmarotzer sind, die Jugend mit Drogen verwirren usw. Und schließlich gehört dazu auch die Zurückweisung der Unterscheidung zwischen einem guten, harmlosen Patriotismus und einem bösen, gefährlichen Nationalismus. Für falsch, irreführend und kontraproduktiv halte ich zum Bespiel die Aufklärung über Symbole, Kleidung oder Musik der Rechtsextremen. Es verhält sich eben nicht so, dass man nur wissen muss, wie Nazis aussehen, um gegen ihre politische Programmatik gewappnet zu sein. Dafür stehen alle Untersuchungen, die bei deutschen Bürgern heftige Ausländerfeindlichkeit und zugleich die Verurteilung des Neofaschismus festgestellt haben. Und schließlich habe ich auch Einwände gegen all jene Formen des kritischen Antifaschismus, deren Kampf gegen Neonazis sich in die unkritische Parteinahme für die Herrschaftsform der Demokratie auflöst.
Sie gehören also nicht zu den über 1 000 Gruppen und Einzelpersonen, die angekündigt ­haben, auch in diesem Jahr den Naziaufmarsch in Dresden zu verhindern?

Sie irren sich. Ich halte die Beteiligung daran für richtig, würde aber mit einem Flyer an die Adresse der Gegendemonstranten auftreten, der unter anderem folgende rhetorische Fragen enthielte: ›Ihr wollt Dresden nazifrei machen? Aber wer herrscht in Dresden, wenn es nazifrei ist? Wollt ihr Dresden für die Herrschaft der Hartz-IV-Verarmung von den Nazis befreien? Für das Regime des Mietwuchers oder der Inflation der Benzinpreise? Für das Regime der Staatsgewalt mit Polizei und Justiz, über das ihr euch übrigens noch bei jeder Antinazidemo selbst beschwert? Für die Herrschaft des Kapitals, die günstigen Ausbeutungsbedingungen in den neuen Bundesländern? Für das Bildungswesen, das die Mehrheit des Nachwuchses von weiterführender Ausbildung ausschließt? Und wer herrscht eigentlich jetzt, wo Dresden offensichtlich erst noch von Nazis befreit werden muss? Kein Nazi-Regime, sondern: Dasselbe demokratisch eingerichtete Hartz-IV-Regime! Derselbe Mietwucher! Dieselbe Polizeigewalt! Dieselben Ausbeutungs- und Ausbildungsbedingungen! Kürzt sich da nicht irgendwas heraus? Und bedeutet das nicht, dass man Dresden, und nicht nur Dresden, eher von den hier tatsächlich herrschenden Regimes befreien müsste? Ihr baut Nazis mit euren Gegendemonstrationen erst so richtig als Thema auf und lenkt damit von den Beschädigungen ab, die euch das herrschende System des demokratisch regierten Kapitalismus bereitet.‹

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Zum Harmoniestreben (Auslagerung)

6. Februar 2012 158 Kommentare

Weil es doch ein eigenes Thema ist, habe ich hier den Streit um die Harmonie(en) herausgezogen.

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