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Zu Adam Antinus Artikel „Krise des Kapitalismus ist nicht nur eine der Ökonomie“

20. Februar 2012

War zuerst ein Kommentar zu Samsons Hinweis auf den Artikel bei den roten notizen.

„In den Medien wird die derzeitige Krise vor allem als eine Krise der Ökonomie, insbesondere der Finanzwirtschaft, dargestellt. Das verwundert aus zwei Gründen nicht. Zum einen steht in dieser Gesellschaft die Jagd nach dem Profit, also das ökonomische Interesse im Vordergrund, zum anderen haben die bürgerlichen Meinungsmacher kein Interesse daran, die Krise als eine politische Krise, oder gar allgemeine Krise des Kapitalismus erkennbar werden zu lassen. Sie müssen die Illusion aufrechterhalten, daß die bürgerliche Politik, der bürgerliche Staat, in der Lage ist, die Probleme zu lösen.“

Diese Illusion würden bürgerliche Medien auch aufrecht erhalten wollen, wenn es auch diesmal eine der „klassischen“ kapitalistischen Krisen wäre. Das Argument zieht also nicht. Zudem es ja nicht nur in bürgerlichen Kreisen sondern auch in der mehr oder weniger linken Linken eine Debatte um den Charakter dieser Krise gibt. Es geht also im Kern erst mal darum, was wirklich ist, und nicht darum, was wer warum gerne hätte.

„Was sich gegenwärtig in der kapitalistischen Welt abspielt, ist aber weit mehr als eine der sich periodisch wiederholenden ökonomischen Krisen, es ist die sich gerade rasant verschärfende allgemeine Krise der kapitalistischen Gesellschaft, die alle, sämtlich alle gesellschaftlichen Bereiche erfaßt hat.“

Der Begriff der „allgemeinen Krise“ ist erstaunlich unpräzise: Soll das heißen, dass für Proletarier schon immer Krise war und ist? Soll es heißen, dass jetzt (erst jetzt??) die kapitalistische Krise wirklich „allgemein“ also die ganze Gesellschaft umfassend geworden ist?
Denn was dann an Konkretem angeführt wird, sind bei Lichte besehen doch gar keine Spezifika dieser Krisensituation sondern schon immer Begleitumstände der kapitalistischen Entwicklung gewesen:

„Sie zeigt sich in der Zerrüttung der Staatsfinanzen, in den politischen „Fieberanfällen“, die zahlreiche bürgerliche Regierungen stürzen lassen und Politiker reihenweise zu Rücktritten veranlaßt (freilich ohne daß dadurch irgend etwas „besser“ wird), es zeigt sich im kulturellen und moralischen Verfall, die die bürgerliche Gesellschaft immer dekadenter erscheinen läßt, in der Zerstörung der inneren sozialen Zusammenhänge. Es zeigt sich in der immer hemmungsloseren Vernichtung der Lebensgrundlagen der Zivilisation im Wettrennen der imperialistischen Mächte um die noch zur Verfügung stehenden natürlichen Ressourcen.“

Schon mit so hilflosen und zudem auch noch falschen Beschreibungen „immer hemmungsloser“ (wann hat es denn Hemmungen gegeben, unter Adenauer, unter Hitler unter Bismarck?) muß der Autor ja implizit zugeben, dass da nichts qualitativ Neues auftaucht, sonder nur die alte Scheiße wieder mal hochkocht.

„Nach uns die Sintflut ist zum Motto einer unübersehbar im Abstieg befindlichen kapitalistischen Gesellschaft geworden.“

Seit wann ist das denn „unübersehbar“ geworden (selber schon wieder blöd, denn außer dem Autor und meinetwegen 27 anderen seiner Genossen sieht das doch überhaupt niemand so), nicht schon seit der Somme-Schlacht, nicht schon in der großen Depression, nicht etwa bei der Befreiung von Bergen-Belsen usw.?

„Die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft tritt somit immer zwingender und dringender auf die historische Tagesordnung.“

Schon wäre es, wenn wenigstens ins Gewicht fallende Kerne der Arbeiterklasse, es „zwingend“ fänden, den Sturz dieser Gesellschaftsordnung auf die Tagesordnung zu setzen.

„Auch wer die inneren Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge der kapitalistischen Gesell-schaft und ihrer Auswirkungen noch nicht erkennt, spürt an den Erscheinungen, daß die Gesellschaft immer kränker wird. Es ist ja nicht zu übersehen, daß trotz aller Beteuerungen und heuchlerischer Bekundungen, „gegen die Armut“ hierzulande wie in der Welt etwas zu unternehmen, die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden.“

Ausgerechnet dieses Grundprinzip der kapitalistischen Entwicklung, dass „die die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden“ soll nun was Neues sein, kommt von jemand, der sich für einen Kommunisten hält, doch um Jahrzehnte, ja fast schon Jahrhunderte zu spät.

„Die herrschenden Klassen waren schon immer der Ansicht, daß ein aufgeklärtes und gebildetes Volk für sie eine Gefahr darstellt und es daher möglichst dumm zu halten sei.“

So verkürzt ist das falsch. Für eine „Aufklärung“ / “Bildung“ / “Ausbildung“, die der Gewinnemacherei nützt, haben kapitalistische Staaten schon immer Geld ausgeben. Dafür wollen alle selbst jetzt in der Krise weiter Geld ausgeben und Leute beschäftigen, insoweit sie sich durch solche Exzellenz-Initiativen und Forschungsvorsprungkampagnen versprechen, ihre Konkurrenten auf den Weltmärkten besser schlagen zu können. Politisch-ideologisch hat sich aber seit Kaisers Zeiten und den Medien der damaligen Zeit bis heute in der Tat nichts großartig geändert. Nur die Medien sind halt jetzt moderner, statt Marlitt in der Gartenlaube gibt es jetzt eben Pilcher im ZDF.

„Der Imperialismus … kann die Völker, gegen die er Krieg führt, nicht auf Dauer unterjochen. Und obwohl das Beispiel Afghanistan zeigt, daß der Imperialismus diese Kriege letzt-lich nicht gewinnen kann, plant er bereits die nächsten und bedroht so z.B. den Iran, Venezuela, Kuba, die KDVR… „

Sowas klingt nach rund hundert Jahren imperialistischer Kriege und der Ausschaltung von fast allem staatlich organisiertem Willen, sich dem zu widersetzen, geradezu zynisch. Welt-umspannender war die Herrschaft des Imperialismus, der noch die letzte Hütte in Innerafrika bestimmt, noch nie in seiner schrecklich langen Lebenszeit.

„ist es wichtig, den Menschen zu erklären, daß die allgemeine Krise des Kapitalismus unter den heutigen Bedingungen zu einer Existenzkrise der Menschheit wird, wenn sich die antiimperialistischen Kräfte nicht zusammenschließen, um die untergehende kapitalistische Gesellschaft daran zu hindern, die Menschheit in eine vernichtende Barbarei zu stürzen.“

Warum muß es den gleich eine „Existenzkrise der Menschheit“ sein, um die Menschen gegen den Imperialismus aufbringen zu wollen? Gab es z.B. nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, den viele Menschen als eine solche Krise gesehen haben, etwa keinen Grund mehr, dem Imperialismus ein Ende bereiten zu wollen?

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  1. Samson
    21. Februar 2012, 08:50 | #1

    Es geht also im Kern erst mal darum, was wirklich ist, und nicht darum, was wer warum gerne hätte.

    Wenn es dir nicht darum ginge zu belegen, dass MLer eh nur Scheiß verzapfen, würde ich sagen, dann bring doch mal einen Nachweis dafür, dass 1) die „klassische“ Ursache, nämlich ‚Überproduktion‘ als Folge von wachsender gesellschaftlicher Produktivität mit nachfolgender gleichzeitiger Spekulation und Kapitalkonzentration, für die gegenwärtige Krise nicht charakteristisch sind sondern halt irgendwas anderes und 2) weshalb es folglich keinen Zusammenhang gibt zwischen ökonomischer Grundlage und politischem Überbau, also dem, was von ’souveränen‘ politischen Subjekten gedacht und veranstaltet wird.

    Warum muß es den gleich eine „Existenzkrise der Menschheit“ sein, um die Menschen gegen den Imperialismus aufbringen zu wollen?

    Womöglich 1) weil diese Gefahr tatsächlich besteht, und zwar vollkommen unabhängig davon, ob Leute, die sich „der mehr oder weniger linken Linken“ zugehörig zu sein einbilden, einen kommunistischen Reim drauf machen oder nicht, 2) weil es den Bewohnern der „letzte(n) Hütte in Innerafrika“ herzlich wurscht sein wird, ob diese von gewinnorientierten Ressourcenschürfern abgerissen und/oder ob freihandelsorientierte Obst-, Gemüse-, Getreidemonopolisten die Dorfmärkte noch um die letzte Hütte herum mit ihrem genmanipulierten Dreckszeug derart überschwemmen, dass die Hüttenbewohner nichtmal mehr von bischen Ackerbau ihren Lebensunterhalt bestreiten könn(t)en, weswegen sie füher oder später von ’souveränen‘ politschen Subjekten als Plünderer, Terroristen etc. bekriegt werden, während für die der Arbeitklasse zuzurechnenten Angehörigen der ‚Reservearmee‘ immer noch Bett, Kochtopf, Fernseher nebst ‚Gelegenheitsjobs‘ bereitgestellt werden.

  2. 21. Februar 2012, 09:20 | #2

    Samson, in Bezug auf den Charakter der Krise und deren ideologische Begleitung durch die bürgerlichen Medien hast du mich mißverstanden: Es gibt einerseits die grundlegende Frage, was überhaupt passiert (ist). Da vertrittst du wie viele andere Marxisten (Sandleben ist mir neulich aufgefallen) eine sozusagen klassische Krisentheorie, eben eine Überproduktionskrise als besonders schwere Form aller zyklischen Überakkumulation. Und da hält der GegenStandpunkt bekanntlich entgegen, daß diesmal oder genauer inzwischen die „Eigengesetzlichkeit“ des weitgehend emanzipierten (was übrigens nicht identisch ist mit deiner Überziehung „weshalb es folglich keinen Zusammenhang gibt zwischen ökonomischer Grundlage und politischem Überbau“) Finanzkapitals den Grund und auch den Anfang der Krise (seit 2007) abgibt.
    Eine zweite, davon, meine ich schon, unabhängige Frage ist die der bürgerlichen Krisenpropaganda. Das sollte man also auseinanderhalten.
    Ja, seit es den Imperialismus gibt, gibt es im Kern eine Existenzkrise der Menschheit („Sozialismus oder Barberei“). Und die ist mit den Megatonnen, die die Imperialisten in den Silos haben, auch nicht geringer geworden. Nach Hundert Jahren Imperialismus (und reihenweiser mehr oder weniger großer Katastrophen, die das für die Menschen bedeutet hat) klingt es für mich nur verdammt nach religiöser Bauernfängerei („Das Ende naht, rettet euch rechtzeitig zum Hernn, ehe das Fegefeuer kommt!“) zumindest wird es vom typischen Adressaten dieser These als solches gesehen, denn der sieht doch gar nicht Fundamentales an der Krise, nicht mal an dieser

  3. Samson
    21. Februar 2012, 11:18 | #3

    Und da hält der GegenStandpunkt bekanntlich entgegen, daß diesmal oder genauer inzwischen die „Eigengesetzlichkeit“ des weitgehend emanzipierten (was übrigens nicht identisch ist mit deiner Überziehung „weshalb es folglich keinen Zusammenhang gibt zwischen ökonomischer Grundlage und politischem Überbau“) Finanzkapitals den Grund und auch den Anfang der Krise (seit 2007) abgibt.

    Die „Eigengesetzlichkeit“ kann der GSP aber nicht nachweisen, es sei denn, er schmeißt die Marxsche Erklärung des Kapitals als Produktionsverhältnis in die Tonne. Dann muss der GSP aber auch mit einer anderen Erklärung dessen aufwarten, was der Inhalt von Geld sein soll. Dass Staaten Geld drucken, dieses also inflationär genauso aufblasen wie die Finanzmärkte, die Ansprüche auf Wertzuwachs generieren und ihre Unterabteilungen ‚raten‘ (was man durchaus im deutschen Wortsinn auffassen kann) lassen, inwieweit Staatsorgane in der Lage sind, in ihrem jeweiligen Herrschaftsbereich die dafür ‚geeigneten‘ Produktionsbedingungen zu ’schaffen‘, die dann wieder Gegenstand von ‚Latschdemos‘ oder wirklichen Streiks bis zum Generalstreik ist (was wiederum vom ‚Organisationsgrad‘ der Arbeiterklasse abhängt), als das ändert an der Bestimmung herzlich wenig, Geld sei Ausdruck von Warenwert, und dieser entstammt nunmal ausschließlich der materiellen Produktion.
    Im Gegenteil, je mehr Geldansprüche von genau jenen Regierungen angemeldet werden, die andererseits die größte jemals dagewesene Militärmaschinerie gegen allles in Stellung bringen, was sich diesen Ansprüchen auch nur scheinbar in den Weg stellt, um so mehr deutet das darauf hin, dass die Geldansprüche niemals realisierbar sind, weder in naher noch in ferner Zukunft. Um sich das ‚auszurechnen‘ bedarfs nicht mal eines Taschenrechners geschweige denn ‚höherer Bildung‘. Im ‚klassischen‘ ökonomischen Sinne handelt es um Kapital, welches längst nicht mehr existieren dürfte, weil es entwertet sein müsste, genauso wie die von ‚Shareholdern‘ in den letzten Jahrzehnten zerlegten und verscherbelten wirklichen Produktionsmittel.
    Dass die Geldansprüche anders als die Produktionsmittel immer noch existieren, und das ist womöglich was qualitativ Neues, hat seine Ursache ganz offensichtlich eben nicht in ökonomischer sondern in militärischer Überlegenheit. Dies freilich, wie man von Afghanistan bis Libyen sehen kann, auf meinetwegen zwischenstaatlicher Ebene. D.h. die imperialistischen Staaten sind in der Lage, irgendwo mittels militärischer Gewalt eine ihnen (ge)hörige Regierung zu etablieren. Aber sie sind offenbar nicht in der Lage, weder mittels derart installierter Administration (deren Angehörige bis zu Provinzpolizeipostenvorstehern i.d.R. irgendwo im Westen ‚ausgebildet‘ wurden) noch gar mittels ihrer eigenen Militärmaschinerie die jeweilige Bevölkerung unter Kontrolle zu bringen, i.d.S. etwa, dass dort ‚geordnet‘ Ressourcen abtransportiert oder auch nur die eigene Logistik ’schadensfei‘ installiert werden könnte. Im Gegenteil, die Militärmaschinerie der Imperialisten taugt nur dazu, alles in Schutt und Asche zu legen, was notwendig zu ‚Kollateralschäden‘ unter den Zivilisten führen muss, und folglich deren Hass gegen die Besatzer auch ohne religiöse oder politische Propaganda befördert.
    Diesen Hass der Bevölkerungen mittel Propaganda in eine Richtung ‚kanalisieren‘ zu wollen, es doch zu Abwechslung mal mit Kommunismus zu probieren, halte ich für ein derzeit aussichtsloses Unterfangen. Eher wahrscheinlich erscheint mir, dass größere Teile des ‚globalen Südens‘ auf staatlicher Ebene versuchen werden, in Organisationen wie ALBA mehr oder weniger zu kooperieren, um „durch wirtschaftliche Kooperation zwischen den Ländern der Region unabhängiger von den USA und Europa zu werden“. Mit Kommunismus hat das sicher nicht viel zu tun, aber was wäre dagegen einzuwenden, wenn statt Banken-Rettungsschirmen bspw. „Programme zur Alphabetisierung und Gesundheitsversorgung“ Gegenstand von Regierungsinteressen wären.
    Ob und was daraus wird, muss man abwarten, allerdings denke ich nicht, dass die Griechen plötzlich ganz alleine da stünden, wenn die sich eine nicht-EU-konforme Regierung verschafften, die Schulden tatsächlich einseitig streichen und von sich aus aus der EU verschwinden täten. Die EU würde das andererseits nicht gleich zum Einsturz bringen, aber andere, denen ähnlich drangsaliert zu werden droht wie den Griechen, vielleicht zum Nachdenken …

  4. pöbelnder Zwischenrufer
    25. Februar 2012, 00:00 | #4

    Samson du solltest dich einfach mal in Ruhe hinsetzen und die Fk-Artikel vom GSP lesen. Da gibt es nämlich lauter schöne Erklärungen in den Fußnoten warum mit dem was sie schreiben kein Wort Marx revidiert wird.

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