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EU-Schulz zur Flüchtlingskatastrophe

20. April 2015 Kommentare ausgeschaltet

„Als konkrete Maßnahmen forderte er [der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz] unter anderem, mit einer Regierung der Nationalen Einheit in Libyen eine Regelung zu treffen, um Flüchtlinge mit Ziel Europa „davon abzuhalten, sich in ein unkalkulierbares Risiko zu stürzen“. Außerdem werde ein effektiver Küstenschutz benötigt, um die organisierten Schleppernetzwerke zu bekämpfen.“

So zitiert die SZ vom 20.04.2015 Schulz, der damit voll auf der bisherigen Linie der Abschottungspolitik der EU liegt.
Dazu nur einige Kernsätze von Arian Schiffer-Nasserie aus dessen Artikel „Flüchtlingspolitik. Ein Jahr nach Lampedusa“:
Die Flüchtenden sind die ebenso unerwünschte wie unvermeidliche Konsequenz der ökonomischen, politischen und militärischen Konkurrenzanstrengungen der EU-Staaten, ihrer Verbündeten und ihrer Unternehmen. Die Flüchtenden sind der auch in den Metropolen wahrnehmbare Ausdruck der Ruinierung weiter Teile der Welt durch die herrschende Weltordnung.
Der Zuzug der Überflüssigen in die EU wird folglich von den EU-Staaten verboten, weil sie in den Zentren nicht gebraucht werden, also nur eine Belastung und Gefährdung der inneren Ordnung darstellen. Die Toten an den EU-Außengrenzen sind die zivilen Opfer dieses Erfolgswegs des Europäischen Staatenbündnisses.
Und Deutschland ist innerhalb der EU deren größter Nutznießer und folglich auch eine treibende Kraft entsprechender Machenschaften.
Die nationalstaatlich verfasste Marktwirtschaft ist also der zwingende politökonomische Grund für jene Maßnahmen, die oben in groben Zügen dargelegt wurden. Es sind also gerade nicht die Einstellungen oder Denkweisen der Regierenden.
Der skizzierte Imperialismus ist ein politökonomisches Funktionserfordernis in nationalstaatlich regierten und erfolgreich wachsenden Marktwirtschaften, das deren Politiker machtvoll gegen andere Staaten durchsetzen und dafür die eigene Bevölkerung rücksichtslos in Anspruch nehmen.
Die steigenden Flüchtlingszahlen sind also ein Resultat der außenpolitischen Durchsetzung des Wachstumsprogramms für den Standort Deutschland.
Die verlogenen Diskurse von Politik und Presse werfen ein Licht darauf, dass die erste und die vierte Gewalt offenbar ein Bewusstsein davon haben, dass es für die Staatsräson der Bundesrepublik keine grundlegende Alternative im Umgang mit Flüchtlingen gibt.
Die EU tut nicht zu wenig beim Flüchtlingsschutz. Die EU produziert die Flüchtlinge. Kein Wunder und überhaupt kein Widerspruch ist es daher zu ihrem Auftrag, wenn sie die Opfer ihrer eigenen Erfolgsstrategie nicht haben will! Im Gegenteil: Die Öffnung der Grenzen für die unendlich vielen Verzweifelten, die der Westen von den Philippinen bis Haiti von Afghanistan bis Mali durch seinen Erfolg global erst in Not bringt, stünde tatsächlich im Widerspruch zum Erfolg dieser Staaten und ihren realen Höchstwerten – Dollar und Euro.

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Pro und Contra Asylrecht (Herrmann Lueer)

11. April 2015 80 Kommentare

In Tröglitz soll, wie anderenorts ebenso, ein Erstaufnahmelager für Asylbewerber eingerichtet werden. Angesichts der zu erwartenden Flüchtlinge entbrennt innerhalb der ortsansässigen Bevölkerung ein sonderbarer Streit zwischen den Befürwortern und den Gegnern des Asylrechts. Bevor man sich in diesen Streit einmischt, ist es ratsam, sich zunächst folgende Frage zu beantworten: Was ist eigentlich ein Asylant?
Ein asylsuchender Mensch ist jemand, der zwischen die Stühle zweier Staatsgewalten geraten ist. Aus seinem Heimatland flieht er beispielsweise vor einem Bürgerkrieg, in dem er für keine Seite Partei ergreifen will und daher von der herrschenden Staatsgewalt als Staatsfeind verfolgt wird. In dem Land, in dem er Asyl sucht, wird er an der Grenze verhaftet und in ein Erstaufnahmelager eingewiesen, bis die örtliche Staatsgewalt darüber befindet, ob ihm Asyl gewährt wird oder ob man ihn in Handschellen an die Staatsgewalt ausliefert, vor der er geflohen ist.
Angesichts dieser unangenehmen Situation sind einige Menschen in Tröglitz der Meinung, das Boot sei voll, es wären schon zu viele da, wir könnten uns das nichts leisten und es bestünde sogar die Gefahr der Überfremdung.
Das falsche Bewusstsein der Gegner des Asylrechts
Wenn andere Menschen z.B. von Harsewinkel nach Tröglitz umziehen, stellt niemand die Frage, ob »wir« uns das leisten können. Angesichts der neuen Nachbarn kommt auch nicht der Gedanke der Überfremdung auf. Es gibt schließlich viele Menschen in Tröglitz, die man nicht kennt. Ob man sie mag, spielt erst eine Rolle, wenn man sie kennenlernt und wenn man sie nicht mag, geht man ihnen einfach aus dem Weg. Dass »uns« die Neuzugezogenen die Arbeitsplätze wegnehmen, würde ebenfalls niemand ernsthaft behaupten. Soviel versteht schließlich noch jeder von der Marktwirtschaft: Nicht der Nachbar, sondern der Unternehmer rationalisiert im Sinne seines Geschäfts den Arbeitsplatz weg.
Wenn fremde Menschen aus einem anderen Land nach Tröglitz kommen, will aber der eine oder andere den gleichen Sachverhalt anders beurteilen. Zwar will auch jetzt keiner ernsthaft kalkulieren, ob »wir« uns zusammen mit den asylsuchenden Menschen die Renten in Zukunft noch leisten können. Ganz unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen soll vielmehr zum Ausdruck gebracht werden, dass in der marktwirtschaftlichen Konkurrenz der deutsche Staat vorrangig den deutschen Bürgern zu dienen habe. Indem ausländerfeindliche Bürger so ihre Abhängigkeit von der staatlichen Regulierung der marktwirtschaftlichen Konkurrenz zum guten Grund für ihren Patriotismus machen, verkennen sie, dass die Gegensätze der Konkurrenz nicht mit den Ausländern in die Welt kommen, sondern mit dem staatlich gewährten Recht, Produktionsmittel zu Privateigentum zu erklären.
Das allen gleichermaßen zugestandene Recht auf Eigentum an Produktionsmitteln, bedeutet nämlich, dass das Eigentum weniger gleichbedeutend mit der Mittellosigkeit der Mehrheit ist. Wenn einem die Fabrik gehört, können die anderen sie nicht benutzen. Das Recht, einen Zaun um fruchtbares Land zu ziehen, bedeutet für die Mehrheit der Landlosen, dass sie höchstens als Arbeitskräfte zur Mehrung fremden Reichtums Zutritt erhalten. Mit den zu Eigentum erklärten Produktionsmitteln beanspruchen die Eigentümer die exklusive Verfügungsmacht über die Produktionsmittel sowie über die mit diesen produzierten Güter und damit zugleich den Ausschluss von deren Verfügung für die Nichteigentümer. Mit der ausschließlichen Verfügung über die Produktionsmittel und der mit ihnen hergestellten Produkte beinhaltet das Recht auf Eigentum an Produktionsmitteln die Gewalt, anderen die Existenz zu bestreiten.
In dieser gegensätzlichen ökonomischen Konkurrenz um die private Bereicherung dient der Staat gleichermaßen allen seinen Bürgern, indem er ihr Eigentum und ihre Person gegenüber unrechtmäßigen Übergriffen ihrer Konkurrenten schützt. Nicht durch seine Parteinahme für das Interesse bestimmter Teile der Gesellschaft wird er so zum Diener der Produktionsmittelbesitzer, sondern praktisch darüber, dass das allen gleichermaßen garantierte Recht auf Eigentum an Produktionsmitteln in der marktwirtschaftlichen Konkurrenz notwendig den Vorteil der Eigentümer und den bleibenden Nachteil der minder bemittelten Bürger bedeutet.
Die berühmten »Ein Prozent«, die auf der Grundlage der marktwirtschaftlichen Gesellschaftsordnung den größten Teil der weltweiten Reichtümer zu ihrem Eigentum erklärt haben, vermehren so ihre gemäß der freiheitlichen Eigentumsordnung rechtmäßigen Reichtümer, indem sie die Mittellosigkeit der Mehrheit zu ihrem Mittel machen. Wie machen sie das? Indem sie die anderen für sich arbeiten lassen. Warum arbeitet die Mehrheit für die Vermehrung fremder Reichtümer und damit für die Bereicherung einer Minderheit? Weil sie über das Recht auf Eigentum an Produktionsmitteln von sämtlichen Produktionsmitteln und den damit erzeugten Gütern ausgeschlossen sind und ihnen daher für den Erwerb der notwendigen Lebensmittel nur noch ein Mittel bleibt: der Verkauf ihrer Arbeitskraft. In einer Gesellschaft, in der sämtliche Lebensmittel im Besitz einzelner Produktionsmittelbesitzer sind, bedeutet das Recht auf Eigentum für die Mehrheit der Bevölkerung nichts anderes als die Notwendigkeit, ihr einziges Mittel, das ihnen in diesem gewaltsamen Ausschlussverhältnis der Eigentumsordnung verblieben ist, auf dem Markt meistbietend zu verkaufen.
Die Gefahr als arbeitsloser Hartz IV Empfänger oder als woorking poor neben den vorhandenen Reichtümern der Gesellschaft leben zu müssen, ist daher nicht die Folge ausländischer Menschen, die ihren Wohnsitz wechseln, sondern das Resultat des globalisierten marktwirtschaftlichen Produktionsverhältnisses, indem die Privatisierung der Produktionsmittel die Mittellosigkeit der Mehrheit bedeutet oder andersherum ausgedrückt: wo die Mittellosigkeit der Mehrheit der Bevölkerung die Grundlage für die private Bereicherung einer Minderheit ist.
Patriotismus und Asylrecht als Mittel der Politik
Den Patriotismus der Bürger wissen die Politiker jeder Nation zu schätzen. Schließlich werden mit dem Bezug auf den »Wohlstand der Nation« die mit der Eigentumsordnung geschaffenen ökonomischen Gegensätze zur Idee einer Gemeinschaft überhöht, an der Arbeiter und Unternehmer, Herrscher und Beherrschte gleichermaßen beteiligt sind. Obwohl die konkreten Lebensbedingungen der Bevölkerung – die Qualität von und der Zugang zu Konsumgütern sowie die Reduktion der Arbeitsbelastung bzw. Arbeitszeit – in der im Geld gemessenen marktwirtschaftlichen Reichtumsproduktion gar nicht vorkommen, gilt in dieser Betrachtungsweise eine Gesellschaft als reich, wenn das Bruttoinlandprodukt absolut bzw. im Durchschnitt pro Kopf der Bevölkerung relativ zu anderen Nationen hoch ist. Der »Wohlstand der Nation« erscheint so – ungeachtet von Alters- und Kinderarmut, woorking poor, Massenarbeitslosigkeit, Bildungsnotständen und schlechter medizinischer Versorgung der mittellosen Bevölkerungsschichten – als Bedingung des eigenen Erfolgs.
Mit dem patriotischen Vorbehalt der Bürger gegenüber ausländischen Menschen wissen die dem »Wohlstand der Nation« verpflichteten Politiker umzugehen. Je nach dem Bedarf der Wirtschaft für zusätzliche Arbeitskräfte wird im Interesse der Nation dem nationalistischen Vorbehalt der eigenen Bürger gegenüber Migranten Recht gegeben oder er wird als übertriebene nationalistische Fremdenfeindlichkeit zurückgewiesen. Ebenso wie der »Wirtschaftsflüchtling« in diesem Sinne im Rahmen der staatlichen Einwanderungspolitik im Hinblick auf seine generelle Nützlichkeit für den nationalen Wirtschaftsstandort begutachtet wird, so werden politisch asylsuchende Menschen im Hinblick auf die nationalen Interessen des jeweiligen Staates beurteilt. Ein Edward Snowden, dem für den Verrat von Staatsgeheimnissen lebenslängliche Haft droht, steht im Rahmen »unserer« freundschaftlichen Beziehung zur USA kein Asylrecht zu, während der eine oder andere russische Oligarch durchaus Aussichten hat, sich auf dieses erfolgreich zu berufen, wenn er mit dem russischen »Regime« in Konflikt gerät. Das Asylrecht fällt schließlich nicht als supranationales Menschenrecht vom Himmel, sondern steht und fällt wie jedes Recht damit, ob eine staatliche Gewalt es in ihrem nationalen Interesse ins Recht setzt.
”Kein Mensch ist illegal!”
Im Streit zwischen den Befürwortern und den Gegnern des Asylrechts demonstrieren viele gegen die drohende Abschiebung asylsuchender Menschen unter dem Slogan: »Kein Mensch ist illegal« Dagegen ist nichts einzuwenden, solange die Demonstranten in ihrer Konfrontation mit den Politikern folgendes nicht vergessen:
• 2 Milliarden unterernährte Menschen sowie elende Arbeitsbedingungen für einen Großteil der Weltbevölkerung sind das Resultat der von unseren Politikern gelobten und geförderten globalen Marktwirtschaft.
• 50 Millionen Menschen fliehen weltweit vor den Kriegen, die mit Waffenexporten geschürt werden, die von deutschen Politikern genehmigt werden.
Dieselben Politiker, die im nationalen Interesse täglich die Gründe für die verzweifelte Flucht von Millionen von Menschen verantworten, sollen nun über den Hinweis auf das »Recht auf Asyl« den flüchtenden Menschen zu Hilfe kommen?
[Dieser Text wurde von Herrmann Lueer auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht.]

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Flüchtlingspolitik ein Jahr nach Lampedusa

10. Februar 2015 187 Kommentare

Arian Schiffer-Nasserie hat unter anderem mir einen grundsätzlichen Artikel zur Flüchtlingspolitik, so wie er in der sehr kleinen Hamburger Zeitschrift „standpunkt: sozial“ erschienen ist, gemailed. Er hat dazu geschrieben: „Der Umfang des Beitrages überschreitet die übliche Länge für ein Onlinemagazin. Andererseits werden darin m.E. einige Aspekte angesprochen und erklärt, die in der deutschen Debatte um Flüchtlingspolitik kaum beachtet werden. Sofern Ihr also Interesse habt, den Artikel online zu bringen, so würde ich mich über die Verbreitung sehr freuen.“ Was ich hiermit tue:
Der Artikel fängt so an:

„Weltrekord! Über 50 Millionen Menschen waren laut UNHCR im vergangenen Jahr auf der Flucht – mehr als je zuvor seit Weltkrieg Nummer 2 und allein sechs Millionen mehr als im Vorjahr. Ein kleiner Teil der Flüchtenden erreichte die Außengrenzen der EU und ver¬suchte Mauern, Zäune und Seegrenzen ohne Erlaubnis des Staatenbündnisses zu überwin¬den.
Etwas mehr als ein Jahr liegt die „Flüchtlings¬katastrophe“ von Lampedusa bereits zurück. An öffentlicher Anteilnahme, an zur Schau gestellter Scham, Trauer und Betroffenheits¬bekundungen der europäischen Eliten hatte es danach ja keinesfalls gemangelt. Sogar politische Konsequenzen wurden in Aussicht gestellt: Alles sollte anders werden. Davon will man ein Jahr später kaum noch etwas wissen.
Allein seit dem 3. Oktober 2013 kostete der Versuch der unerlaubten Einreise mehr als 3000 Menschen das Leben. Das ist ebenfalls Rekord. Die meisten von ihnen ertranken im Mittelmeer – und das während einer flücht¬lingspolitischen Sonderphase, in der die itali¬enische Küstenwache die Seenotrettung von Flüchtlingen noch vor deren Abwehr stellte. Innerhalb eines Jahres rettete das Programm „Mare Nostrum“ nach Angaben der Regie¬rung in Rom und gegen den Willen der Bun¬desrepublik, die sich an den Kosten nicht be¬teiligen wollte, zum Preis von ca. 9 Mio. Euro monatlich immerhin 120.000 Menschenle¬ben. Das Nachfolgeprogramm „Triton“ be¬müht sich denn inzwischen auch wieder ganz im Sinne der Bundesregierung um die ge¬wünschte Abschreckung, Abschottung und Abschiebung; mit den bekannten Folgen.
So geht das Sterben rekordverdächtig weiter. Entgegen aller öffentlichen Ver¬lautbarungen hat das Flüchtlingselend also offenbar doch viel mehr mit den vi¬talen Interessen der europäischen Staa¬ten zu tun, als dies Politik-, Presse-, und Kirchenvertreter öffentlich wahrhaben wollen. Wenngleich die vielen Grenztoten der EU – im Unterschied zu den etwa 200 Maueropfern in 40 Jahren DDR-Geschich¬te – nicht zur Verurteilung eines Staats oder gar eines ganzen Staatenbünd¬nisses herangezogen werden dürfen und ein Schluss auf das ökonomische System des Westens unerwünscht ist, so ist Kri¬tik doch erlaubt und wird auch geäußert: Europaweit werfen Flüchtlings- und Kir¬chengruppen, Linke und Menschenrecht¬ler den Verantwortlichen Abschottung vor. Sie konstatieren, dass die EU keinen Schutz für Flüchtlinge, sondern Schutz vor Flüchtlingen betreibe. Öffentlich ver¬urteilt werden die Repräsentanten der EU für ihre angeblich „unterlassene Hilfeleis¬tung“ (vgl. etwa H. Prantl in der Süddeut¬schen Zeitung vom 7. 10. 2013) und ihre „Verantwortungslosigkeit“. Der vorliegende Beitrag will die hier an¬gerissenen Aspekte in zwei Teilen genauer untersuchen. Teil eins geht der Frage nach, warum und wofür die Flüchtlinge und ihr massenhafter Tod an den EU-Außengren¬zen – allen öffentlichen Beteuerungen zum Trotz – offenbar unvermeidlich sind. Teil zwei behandelt die öffentliche Aus¬einandersetzung und Kritik nach der so genannten „Flüchtlingskatastrophe von Lampedusa“ anhand von drei Beispielen.“

Hier der ganze Artikel als PDF.

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Kein Frieden mit der Nato

6. Februar 2015 178 Kommentare

Dei Münchner GSPler von Gegenargumente haben zur jetzt beginnenden „MSC 2015“ (der traditionellen „Sicherheitskonferenz“ in München) ein Flugblatt veröffentlicht unter dem Titel
„„Kein Frieden mit der Nato“ – aber bitte nicht für „wahren Frieden“, „echte Sicherheit“ und „wirklich verantwortungsbewusste“ Politik“
Darauf hatte zwar schon Moritz bei nestormachno hingewiesen, ich nehme aber gerne die Anregung eines Genossen auf, daraus einen eigenständigen Artikel zu machen.

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„Geld hat man zu haben“, sagte die Richterin

4. Februar 2015 6 Kommentare

Einem Hartz IV-Empfänger kann die Wohnung fristlos gekündigt werden, wenn die zuständigen Behörden die fällige Miete über Monate hin nicht bezahlt haben. Selbst bei unverschuldeter Geldnot muss ein Sozialhilfeempfänger für die nicht pünktlich gezahlte Miete haften. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Mittwoch verkündeten Urteil entschieden. (Quelle SZ)

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Zur These, die Juden wurden „immer“ und „überall“ verfolgt

3. Februar 2015 2 Kommentare

Bei Facebook habe ich einen kurzen (für Facebook natürlich langen) Essay gefunden zur These, daß in Europa die Juden „immer“ und „überall“ verfolgt wurden:
Seth, I started to write this as a response to someone on one of your threads who was claiming that Jews have always and everywhere been oppressed and that this is the reason Israel had to be created. I elaborate on the point you made, that the oppression of Jews leading to the Holocaust was a result of capitalism, a specific set of relationships that evolved out of earlier class society. My reply turned out way too long to be a comment, so I am posting it here instead.
If the Jews had been oppressed at all times and places, they wouldn’t have survived in Europe for 2,000 years before the Holocaust. This is the approach to Jewish history promoted by Zionism, however: it claims to honor the lives of the Jews who were killed, but in fact remembers nothing about them or their lives except the ghettos and the gas chambers and a few Zionist founding fathers… just about everything before that is blacked out going back to about the year 74 AD. The oppression of the Jews in modern Europe did not arise out of some ageless prejudice, but was intimately tied to the rise of capitalism, just like the oppression of Blacks in this hemisphere.
Far from being outsiders or marginalized, the Jews played a critical part in the shaping of Europe. After the collapse of the Roman system in the West, as a legacy of that cosmopolitan civilization, many diverse peoples and faiths continued to coexist within its former borders, of which the Jews were only one group, and not even the most important in the positions with which they would later come to be identified — for example, Syrians arguably occupied the dominant position in long-distance commerce in Western Europe during the early Middle Ages.
The position of the Jews began to take on a more institutionalized form – but *not* as an oppressed group – at the very same time that the feudal system was coming into being (around the 900s and 1000s AD) for a number of reasons. On the one hand, this was because communities of Jews continued to exist on both sides of the Mediterranean, and were able to preserve channels of commerce and communication better than other, larger groups because 1) Muslim and Latin Christian fleets were fighting each other over control of the sea trade; 2) although Eastern Christians, like the Jews, were given explicit protections by the new Muslim dynasties, the relationship between Eastern and Western Christians was breaking down over the question of church authority as the ecclesiastical institutions of the West increasingly looked to Rome for leadership after the fall of the Carolingian empire.
Set against these broader developments, the new feudal monarchies emerging in Western Europe consciously cultivated the Jews as group that was completely vital to their interests. Nascent feudalism during these centuries was marked by the complete elimination of collective representation of the peasantry and other commoners, and the consolidation of authority on the local level in the hands of local church bodies and a landed aristocracy that was much more autonomous of court politics than before. This accumulation of power and the economic surplus in the hands of the feudal landlords helped to stimulate commerce – but it also made the position of kings and their ability to command the nobility more precarious. The court needed to cultivate a base of support that wasn’t under the control of the landlords; they did this by institutionalizing different orders, of which the Jews were one – in effect, the order in charge of long-distance commerce and owing direct allegiance to the king rather than to the landlords or church.
In the civilization of Medieval Europe, the Jews were the only group legally permitted by the monarchies to enter most commercial professions. This era saw a huge number of conversions by Christians to Judaism in order to enter these professions; and at the same time, the majority of Jews converted to Christianity as they became peasants or took up other positions in the economy that were dominated by the landlords. Being a Jew was not at all a racial category during this period, but almost entirely an occupational one, in which the religious hierarchy merely played a mediating role in representing its interests to the king, just as it did for the other orders of society that were Christian.
The persecution of Jews in the West really began in the Late Middle Ages, with the rise of the urban bourgeoisie. When the system of orders was institutionalized, the population of the old Roman towns had dwindled, and in many places survived only because they were the seat of the Bishops and other old church institutions. Part of the creation of feudal orders was assigning these rump-towns separate, parallel administrations and rights that were under the control of the church and not the landlords. But as commerce revived, and the towns once again became the sites of production and refuges for peasants fleeing the countryside, the church lost control – starting already in the 11th century the most developed regions of Italy and Flanders were racked by uprisings of the new urban populations. The monarchies were forced to negotiate with this new interest group to preserve its precarious balance in feudal society – but this was always a fluid, make-shift relationship, changing by the century and decade. Gradually the towns muscled their way to a bigger share of commercial interests, but in the process they ran up against the part of the population which was officially supposed to be the king’s commercial agents, the Jews. By the 14th century, when the bourgeoisie became powerful enough in a few kingdoms, it began to put enough pressure on the rulers to pass legislation against the Jews and recognizing the urban communes‘ total privileges over the Jews‘ former commercial prerogatives… a process which was greatly intensified after the conquest of the Americas.
The same process did not unfold uniformly across Europe, however. In the East, the large-scale maritime commerce that was the hallmark of the Early Modern epoch did not become dominant until much later. While the fortunes of the Jews declined in the Western kingdoms, they reached new heights in Europe’s two biggest states – the Ottoman Empire and the Polish-Lithuanian Commonwealth. In neither country was there anything even close to systematic persecution of the Jews; instead they formed one of the largest and most important parts of the urban population, especially in Poland-Lithuania, where there was literally only a handful of instances of anti-Jewish violence during the entire 1500s and 1600s, all of which were prosecuted. By the 1700s, over 90% of the world’s Jews lived in these two states, and their population grew much faster and reached a higher quality of life than any other part of the population.
The position of the Jews in Eastern Europe did begin to erode during the 1700s, but by no means in a systematic way. As large parts of the Polish economy during this period became oriented towards the large-scale export of grain to England and other maritime powers, new commercial interests arose which saw the Jews as an obstacle to their advance, as had occurred centuries earlier in the West. But other parts of the vast Commonwealth remained less connected to global trade, and in these regions, like in the Middle East, the Jews continued to prosper. An English traveler to Lithuania in the 1780s, for example, observed that the Jews „seem to have fixed their headquarters in this duchy. If you ask for an interpreter, they bring you a Jew; if you come to an inn, the landlord is a Jew; if you want post-horses, a Jew procures them, and a Jew drives them; if you wish to purchase, a Jew is your agent: and this is perhaps the only country in Europe where Jews cultivate the ground“.
The modern history of the Jews, which leads to the Holocaust, really began only at the very end of the 1700s and during the 1800s. Two important developments occurred at this time: 1) the overwhelming majority of the world’s Jews fell under the domination of the Russian Empire, which conquered and annexed Lithuania and most of Poland – this was a much more centralized, autocratic state, which was threatened by the extensive communal privileges and institutional autonomy under which the Jews of Eastern Europe had prospered during the Early Modern era; 2) the French Revolution proclaimed the liberty and legal equality of all individuals regardless of their group-identity, a message which was subsequently carried as far east as Lithuania by the bayonets of Napoleon’s Grande Armée.
The French Empire was defeated and Russian rule was restored over the Eastern European Jews, which continued to have no use for a people with strong local leaders and institutions, and continued to grind the Jews into poverty and oppression as it channeled trade and industry into hands more directly subordinate to the Tsar’s court. But the memory of the principles of the French Revolution was kept alive, and in Western Europe (in stark contrast to Russia) the small Jewish populations saw their legal equality reaffirmed during the 19th century, and were increasingly assimilated and accepted as part of the various „national communities“. As a result, the Jews in Eastern Europe, especially the youth, flocked to the rising revolutionary movements that sought to overthrow Tsarist autocracy and radically remake society.
Even old feudal elites in Eastern Europe felt the need to support industrialization during the 19th century, because this was their only hope of being able to survive in battle against the modern armies of bourgeois France and England. To afford the creation of the industry needed to modernize the army, the rulers had to abandon their old insular economic focus and instead enter the global market on a competitive basis. Initially eastern states like Russia were competitive by suppressing the wages of their new working class well below the level in Western Europe. But this approach quickly provoked backlash in the form of revolutionary uprisings and a powerful and militant labor movement.
Therefore, like all capitalist ruling classes, those in Eastern and Central Europe faced a life-and-death need to impose new divisions on the working class to undermine their ability to combine. It could not afford to grant enough to satisfy the demands of the working class for higher wages and shorter hours; maybe a few small concessions could be granted, but this risked raising even more demands, threatening the vital position of super-low-wage labor in these economies. Granting more political liberties, the demand of the broader middle and lower classes, also carried too much risk of emboldening the working class further. This was all reinforced by the accomplishments of the dominant global capitalist classes in Western Europe and America, who were beginning to develop an insulated caste of workers stuck in the worst jobs using their global colonial empires in the former case and racism in the U.S.
The Russian state and capitalists sought to introduce the same divisions in the face of pressure by their own working class by hardening the dividing lines between Russians and the myriad of minority peoples in the empire. But to fit this requirement, ethnicity and group identity had to be transformed from what it had been in the Early Modern, pre-industrial era. A category wasn’t effective to divide the working class if you could escape it by changing your religion or learning to speak Russian — because the proletariat was already formed from the part of the population that had lost or was quickly losing its support from the traditional communal bodies and, being without property as well, was compelled to assimilate into industrial society to survive. Therefore the earlier categories – which had been filled with various different content over the long centuries of European history – were *racialized* during the capitalist era, becoming a permanent divide supposedly rooted in genetics, taking on the very same imagined characteristics first used to divide labor in the colonial world.
Jewish identity was most effectively racialized in Eastern Europe (even though Poles, Ukrainians, etc etc etc were also oppressed under the Tsars) for a number of reasons, but mainly because as a consequence of the preceding centuries they were already the most educated part of the population and most active in the revolutionary movements, and therefore the biggest targets of the police and the bosses and pogroms used to disorient the masses.
1917 was a turning point in European Jewish history just as much as the French Revolution had been, arguably even more so. In Russia, after tumultuous months of mass uprisings and protests against the government and the World War, the revolutionary socialists gained the majority of the labor movement and led a revolution that overthrew the state institutions and transferred all power to the organizations of the workers and peasants. The revolutionary socialist Party, the Bolsheviks, included a composition of Jews well disproportionate to their numbers in the empire as a whole, including in the highest leadership positions. Won over to Lenin’s position, the Bolshevik Party declared that formal equality of individuals as proclaimed by the French Revolution was not enough, and that the institutionalized oppression of national minorities, women, Jews, etc. in the economy, politics and culture had to be tackled head-on, and that the most oppressed had a leading role to play in the struggle against capitalist exploitation by the working class around the world.
The Russian Revolution was an inspiration to the Jews across Europe, even though most wound up outside the borders of the workers‘ state. Large numbers joined the new Communist Parties, and millions of the younger generations of Jews believed that the key to their liberation in Europe lay in socialist revolution, and poured their energies into the labor movement. Shortly before the Holocaust, the Jews were even more entwined with the history of Europe than they had ever been, and Zionism enjoyed the sympathies of only a small minority.
This is why the tragedy of mid-20th century Europe crashed down on the heads of the Jews more than any other group. The First World War ended prematurely under the impact of revolutions in Europe. The underlying crisis of capitalist profits that had provoked the conflict was not resolved, and returned multiplied ten-fold during the Great Depression. This hit hardest in Germany and the other states of Central Europe, which had been left without colonial empires after the war. They suddenly faced greater pressure than ever before to drive down wages to stay afloat in the global economy, and to revive and reimpose the racial categories that had been developing in the East before 1917. The position of the Jews at the bottom of the proletariat had to be reinforced to divide and conquer the broader working class and implement austerity. That is why anti-Semitism was a necessary component of fascism across the region.
The Depression also provoked the return of mass protests and revolutions across Europe – but these were crushed, often with the collusion of their own leaders loyal to the new, Stalinist regime in Moscow, which at the same time was shooting dead hundreds of thousands of Bolsheviks in Russia, including the Bolsheviks from Jewish backgrounds. With these obstacles removed, the crisis pushed Europe back into the war, of which the Jews would be the principle victims.
Although anti-Semitism had always been an important component of Nazism and the drive to expand super-exploitation in Europe, it was only under the conditions of the Second World War that it needed to exterminate the most oppressed. Hitler began the war in 1939 because his earlier efforts at economic recovery were failing, and Germany was sliding back into Depression. Even after the rapid conquest of France the next year, the economic crisis was only deepening under the impact of the British embargo of the Atlantic. German/European capitalism needed three things to survive… 1) the establish a large internal market to make it possible to compete with the British/American economies of scale; 2) to secure access to vital raw materials being kept out by the British (namely grain and oil) but abundant in Russia and the Middle East; 3) to create a large low-wage labor force.
Each of these needs brought the ruling class into collision with the Jewish proletariat. A war for land, markets, and resources in the East would require the mobilization of a massive industrialized army in a backwards regions, with poor infrastructure and distribution networks. The German military planners knew from the beginning that if the war against Russia continued for more than a few months millions of civilians in Eastern Europe would starve to death because it would be impossible to support both the population and the military needs simultaneously. The Jews were singled out as the first group to be deprived, not only because Nazi racial ideology classified them the lowest but because they were predicted to be the most rebellious — as indeed they were, playing a prominent role in the anti-German partisan movements and leading uprisings against the occupation in dozens of ghettos.
The Jews were also exterminated because of the calculation that, due to their revolutionary politics, they were not a reliable candidate for the super-exploited labor force German capitalism needed. During the war, carried out by a government preaching German racial superiority, many millions of Eastern Europeans from the Soviet Union were brought to factories in Germany to work as ultra-low-wage migrant labor. This migrant work force, which had already been demoralized with socialism because of its experience of Stalinist rule, had to be completely insulated from the low-wage workers already in place in Central Europe, the Jews, who still actively believed in revolutionary socialism.
Understanding these causes of the Holocaust under the impact of capitalist Depression and Imperialist world war — and not in ancient prejudices or unchanging forms of oppression — is important if we take seriously the vow „never again“. 80%+ of the Jewish population of Eastern Europe was wiped out because they had already been cultivated by capitalism to serve as the most oppressed section of the proletariat. The Second World War extended capitalism’s lease on life globally by destroying competitors, dragging down the living standards of the masses in the most vicious way, *and* exterminating the most oppressed part of the working class, which was actively rebelling against the system. Zionism has to suppress Jewish history, just like it suppressed most other aspects of the culture of the remnants of that population, because this history makes it clear that capitalism will be driven in the same way to commit mass atrocities in future crises, and that Israel in particular will and already has begun to do this to the Palestinians.
[Der Autor unterstützt die staatskapitalistisch/trotzkistische US-Organisation LRP (League for the Revolutionary Party – Communist Organization for the Fourth International]

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Kritik an der Kritik des GegenStandpunkts

31. Januar 2015 166 Kommentare

Am 29.01.2015 haben die Falken Thüringen in Kooperation mit dem AK Politische Bildung der Universität Jena eine Veranstaltung gemacht: „Kritik des GegenStandpunkts anhand seiner psychologischen Theorien“.
Sie hatten das so angekündigt:

„Derzeit erfährt eine politische Gruppe Zulauf, die vierteljährlich eine Zeitschrift heraus gibt, Vorträge, Schulungen und Diskussionsrunden zu gefühlt allen Themen – ob Demokratie, Lohnarbeit, Dummheit, Psychoanalyse, Heidegger oder Kafka – veranstaltet und dabei die kapitalistische Gesellschaft und das bürgerliche Denken kritisiert: Der GegenStandpunkt.
Zu den besprochenen Themen zählt auch die ‘bürgerliche’ Psychologie. Ein Kritikpunkt lautet, dass sie das Denken und Handeln der Menschen zirkulär mit dahinter liegenden Kräften oder Faktoren begründet. Der Grund für das, was Menschen tun und wollen, liege laut GegenStandpunkt aber einzig in den Gedanken, denen sie dabei anhängen, und den Zwecken, die sie sich in Bezug auf eine kapitalistische Realität setzen und nicht irgendwo dahinter im Verborgenen. Folglich widmen sie sich dem Inhalt von Gedanken und kritisieren ihn, wenn sie Fehler entdecken. Das wird von psychologischen Erklärungen wirklich ausgeblendet, wo sie Urteile und Intentionen – gleichgültig gegen den Inhalt – nur als Ausdruck von etwas anderem deuten. Trotzdem ist das, was Menschen denken, auch Ausdruck von vorbewussten und unbewussten Wünschen und Ängsten und bleibt immer auf Wünsche bezogen. Wille und Denken sind in ihrem Verhältnis zu Wünschen weder völlig frei, noch unfrei. Statt diesen Widerspruch zur Kenntnis zu nehmen, wird auf der Freiheit beharrt und die andere Seite ausgeblendet. Das hat zur Folge, dass die Theorie nicht mehr fassen kann, dass Wünsche und auch Gesellschaft jenseits der bewussten Verarbeitung in die Form und den Inhalt von Denken und Willen hineinwirken. Der GSP nimmt dadurch die Rationalität der kapitalistischen Gesellschaft als natürlich hin und reproduziert sie dadurch in seiner Theorie. Das ist ein Widerspruch zur Intention des GegenStandpunkts: die Gesellschaft so zu organisieren, dass es um Bedürfnisbefriedigung geht.“

Die Mitschnitte des Vortrags und der anschließenden Diskussion (wenn man das so nennen will) wurde mittlerweile vom audioarchiv veröffentlicht. Dort heißt es zu dieser Veranstaltung:

„Auf Einladung der Falken Jena hat am 29.01.2015 ein Genosse aus Leipzig einen Vortrag zur Kritik des GegenStandpunkts vorgetragen. Dabei konzentriert er sich vor allem auf die psychologischen Theorien des GSP, die er als charakteristisch für dessen Grundausrichtung bezeichnet. So kritisiert er bspw. die Rückführung jeglichen Handelns und aller psychologischen Phänomene auf den freien Willen bzw. auf eine Entscheidung und versucht aufzuzeigen, dass Wille und Bewusstsein immer auf Unbewusstes, Triebe und Wünsche bezogen bleiben. Er beharrt auf dem realen Widerspruch, dass ein Wille sowohl frei, als auch bedingt ist. In der Diskussion dreht es sich dann vor allem um die Frage der Moral und die Basierung von Kritik auf Interessen. Eine ausgearbeitete schriftliche Version des Vortrags haben die Falken Erfurt zur Verfügung gestellt. Die Aufnahme ist leider etwas verhallt.“

Ich habe mir bisher beides noch nicht angehört, zumindest aber bei dem Diskussionsteil feststellen müssen, daß die Anwesenden überhaupt kein Interesse an den ja vorgestellten Thema hatten sondern sich verwundert die Augen gerieben haben, wieso sich nicht alle in diesen Verhältnissen einreichten, denn wenn es „nur“ um materielle Interessen geht, dann geht das doch hier. Dagegen ankommen kann man sowieso nur mit Moral, aber da sind die GSPler ja leider entschieden dagegen.
Nach den zum Teil ja recht hitzigen Wortgefechten um Krölls Psychologiekritik vor einigen Jahren und Christine Zunkes Thesen „Moral und Gesellschaftskritik: Es gibt nur einen vernünftigen Grund, Freiheit gesellschaftlich verwirklichen zu wollen: Moral“, die ich im Thread „Update zu Moral-Vorträgen: Erfurt online“ sogar abgeschrieben habe, ist das jetzt nur ein recht schaler Aufguß solcher alten Thesen gewesen, die GSPler in der Gegend scheint die Veranstaltung so wenig interessiert zu haben, daß sie sich da nicht mal mit ein paar vernünftigen Quellenverweisen haben sehen lassen. Ich befürchte, zu Recht.

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Stichwort: Lügenpresse

21. Januar 2015 11 Kommentare

Mit einiger Genugtuung melden die Sender, Zeitungen und Magazine des Landes, dass das Wort „Lügenpresse“ von einer Jury zum „Unwort des Jahres 2014“ gewählt wurde. Die Formulierung gilt damit ab sofort als geächtet. Sie sei ein Un-Wort, ein Wort also, das am besten gar nicht mehr benutzt werden soll. Wer künftig – aus welchen Gründen und mit welchen Argumenten auch immer – die Meinungsbildner im öffentlich-rechtlichen Auftrag oder im privaten Gewinninteresse von Medien-Mogulen der Lüge, also der absichtsvollen Verfälschung der Wirklichkeit bezichtigt, stellt sich damit selbst ins Abseits. Und zwar, ob er will oder nicht, in’s rechtsextreme, denn „das Schlagwort habe schon den Nationalsozialisten zur Diffamierung unabhängiger Medien gedient“ (aus der Begründung). Erlaubt ist folglich nur „differenzierte“ Kritik, die in Auswahl, Darstellung und Deutung der Medieninhalte im schlimmsten Fall Versäumnisse, Einseitigkeiten und unbeabsichtigte Fehler entdecken kann. Germanistische Sprachpolizei und Pressezunft konstruieren damit Hand in Hand einen neuen Maulkorb für grundsätzlichere Kritik.
Sie werden es wohl nötig finden am Ende des Jahres 2014. Beispiele? Putin als „Brandstifter“, Völkermord in Gaza als „Verteidigung Israels“, Putsch und Krieg in der Ukraine als „Regierungswechsel“ und „russische Expansion“, drei Millionen Arbeitslose und ein immer weiter ausufernden Niedriglohnsektor als „deutsches Jobwunder“, der GdL-Streik als „Erpressung“, „Machtgier“ und „Größenwahn“ usw. usf. – von der ganz banalen Desinformation über die beflissen staatskonstruktive Deutung der Welt bis hin zur offenen Kriegshetze nach außen und innen haben die Leitmedien alles im Programm.
Pressefreiheit – das ist offenbar die Freiheit der Presse, zu schreiben, was sie im Interesse der deutschen Regierungs- und Wirtschaftselite für nötig hält. Nun hat das im Jahr 2014 nicht so reibungslos geklappt wie bisher. Das Unwort „Lügenpresse“ gibt es ja gerade deshalb, weil eine gewisse Entzweiung zwischen den professionellen Meinungsmachern und einem Teil ihrer Adressaten nicht zu übersehen ist – siehe allein die Flut von Leserkommentaren und Blog-Debatten zu den oben zitierten Fällen. Die Reaktion der Presse darauf ist allerdings bemerkenswert. Die Unzufriedenheit mit ihrer Berichterstattung löst weder eine Untersuchung aus, die Druckerzeugnisse und Sendungen auf ihren Wahrheitsgehalt, ihre Richtigkeit bzw. ihre Intention und Parteilichkeit prüft. Noch kommt offenbar eine Auseinandersetzung mit Inhalt und Gründen der (meist nationalistisch motivierten) Unzufriedenheit, die auf der Straße und vor den Bildschirmen geäußert wird, in Frage. Stattdessen werden die Kritiker bezichtigt, einen Anschlag auf die Pressefreiheit zu verüben, und in die Nazi-Ecke gestellt – damit will man dem Volk seine groben Sprüche abgewöhnen.
So bestehen Tagesschau, Bild und FAZ nicht nur auf ihrem Recht, über Inhalt, Auswahl und Darstellung von „relevanten“ Nachrichten und vor allem über deren Beurteilung zu entscheiden. Vielmehr verlangt die Lügenpresse dafür auch noch die aufrichtige Anerkennung des deutschen Publikums.
[Artikel von Renate Dillmann, zuerst erschienen in trend -onlinezeitung]

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Verklärt & Vergessen: Die Räte und ihre Macht

15. Januar 2015 3 Kommentare

Zur Kritik einer beliebten linken Phrase
Die linken Auseinandersetzungen mit der Demokratie, sind meist geprägt von Vorstellungen, es muss ja eine „echte”, „wirkliche” Demokratie geben. Bei der Suche danach kommt die Rede immer wieder auf die Idee einer „Arbeiterdemokratie” – und damit auf die historische Erfahrung der Räte. Seit im Frühling 1905 die streikenden russischen ArbeiterInnen zum ersten Mal die sog. „Sowety” (Räte) zum Zweck der Streikkoordination bildeten, ranken sich bei der Linken zahlreiche Mythen um die Geschichte und das Potential dieser Institutionen. Im Folgenden sei nur zu den am häufigsten auftauchenden Themen der linken Diskussionen über die Räte kurz etwas gesagt.
Räte als Regierungsform?
Die Räte der Ersten russischen Revolution (1905-1907) waren zunächst einmal Streikkomitees, aber im Verlauf der Streiks haben sie die Verwaltung der (oft riesigen) Streikgebiete übernommen. Dass Räte ein Modell zum Regieren nach der Revolution werden sollten, wurde erst später von TheoretikerInnen wie Trotzki und Luxemburg postuliert. Von den damaligen russischen Linken haben zuerst Menschewiki (gemäßigte SozialdemokratInnen) und Teile der SozialrevolutionärInnen (sog. MaximalistInnen) die Idee der/einer „Rätemacht” übernommen, Lenin und die Bolschewiken schlossen sich dem erst später an. Lenin schrieb jedoch kurz vor Oktober 1917 sein Werk „Staat und Revolution”, in dem er die Rolle der Räte als Organe der Staatsmacht nach der Revolution beschreibt. Auch wenn Lenin später einige Aussagen aus diesem Buch revidierte – es blieb eine wichtige Quelle der linken Kritik an der real existierenden Sowjetmacht unter der Kontrolle der bolschewistischen Partei.
Authentische Proletarier versus Parteiintellektuelle?
Gerade die von RätekommunistInnen gepflegte Gegenüberstellung von Räten und Parteien lässt sich bei den russischen Räten so nicht finden. Räteorgane wurden zwar von streikenden ArbeiterInnen gewählt, aber sehr schnell wurden VertreterInnen von sozialistischen Parteien in Exekutivkomitees kooptiert. Um zu wählen, musste man zwar „Werktätiger” sein, aber gewählt werden durfte jeder, dem die Wählerschaft das Vertrauen ausgesprochen hatte. Zwar war ein gewählter Bolschewik oder Sozialrevolutionär offiziell Delegierter des Betriebes, wo er gewählt wurde, aber selbstverständlich waren seine Handlungen auch mit den Organen seiner Partei abgestimmt. Das Exekutivkomitee etwa des Petrograder Rates nach der Februarrevolution, faktisch des wichtigsten Räteorgans des Landes, bestand vor allem aus PolitikerInnen diverser linker Parteien, von denen die wenigsten proletarischen Hintergrund hatten.
Räte – Gegenentwurf zum Parlamentarismus?
Die Gegenüberstellung von Räten und Parlamenten lässt sich vor allem in den Schriften von bolschewistischen, rätekommunistischen, aber auch konservativen Autoren finden. Weder in Russland 1917, noch in Deutschland nach dem November 1918 waren Räte per se gegen Parlamentarismus. Die sog. Doppelherrschaft der Räte und der Provisorischen Regierung zwischen Februar und Oktober/November 1917 in Russland war in Wirklichkeit vor allem ein Petrograder Phänomen. In der Provinz arbeiteten Räte und Organe der provisorischen Regierung oft zusammen. Die Forderung nach der Wahl (wohl bemerkt nach dem allgemeinen Wahlrecht – also ohne Ausschluss der „besitzenden Klassen”) der Konstituierenden Versammlung (eines „Vorparlaments”, welches über die zukünftige Staatsform entscheiden sollte) wurde von den Räten und zwischendurch auch von den Bolschewiki unterstützt. An die Macht gekommen betonten die Bolschewiki aber den Gegensatz von Räten und Parlamentarismus. Wer nach „allgemeinen Wahlen” oder Konstituierender Versammlung (die zwar gewählt, aber 1918 gleich nach dem ersten Tag wieder aufgelöst wurde) verlangte, wurde ungeachtet der sozialistischen Partei- oder der proletarischen Klassenangehörigkeit als „Feind der Sowjetmacht” aus den Räten ausgeschlossen. In Deutschland konnte sich die radikale Fraktion in den Räten nicht durchsetzen – die Mehrheit stimmte für die Wahl zur Nationalversammlung und lehnte die Räte als Grundlage der neuen Staatsform ab. Es waren vielfach Vorstellungen vertreten, die Räte als Ergänzung und nicht als Negation des Parlamentarismus sahen.
Räte = direkte Demokratie?
Wenn die liberale Philosophin Hannah Arendt bei aller Verurteilung des Kommunismus die Räte lobte, hatte sie vor allem die Parallelen zur griechischen Polis und frühamerikanischen Vorstellungen von „Urrepubliken” vor Augen. Das bedeutet die Idee von der Demokratie der „kleinen Räume”, wo die Entscheidungen auf überschaubaren Vollversammlungen getroffen werden. Auch heute sind solche Vorstellungen von Rätepraxis verbreitet. Mal davon abgesehen, dass es eine fragwürdige Vorstellung ist, dass sich Entscheidungen nur mit einer begrenzten Zahl von Menschen treffen lassen, hat es mit den historischen Räten herzlich wenig zu tun. Die Räte in Russland wurden mehrstufig gewählt, auch die obersten Gremien und Organe wurden nicht direkt gewählt. Das Allrussische Zentrale Exekutivkomitee wurde vom Allrussischen Rätekongress gewählt – nicht viel anderes, als wenn die Regierung vom Parlament gewählt wird, aber mit Unterschied, dass das „Bundesparlament” nicht von WählerInnen, sondern von den Abgeordneten der „Landesparlamente” gewählt wird. Zwar waren die obersten Organe nach unten rechenschaftspflichtig, aber deren Beschlüsse waren bindend für alle unteren Organe. Außerdem waren russlandweite Strukturen der Arbeiter- und Soldatenräte von denen der Bauernräte getrennt. Der 2. Allrussische Rätekongress 1917, welcher die Oktoberrevolution quasi legitimierte, vertrat nicht die BäuerInnen, die aber die Bevölkerungsmehrheit bildeten. Der Allrussische Kongress der Bauerndelegierten verlief getrennt – und spaltete sich rasch in AnhängerInnen und GegnerInnen der neuen Machthaber, wobei die Bolschewiki den linken Flügel als einzig legitimen ansahen.
Räte als genuin proletarische Organisationsform?
Da viele Bevölkerungsgruppen von Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräten nicht repräsentiert wurden, kam es in Russland zu ad-hoc-Gründungen von Angestelltenräten, Studentenräten, Offiziersräten. Manchmal wurden Soldaten- und Offiziersräte gegründet, welche von den rein soldatischen Räten nicht als legitim angesehen wurden. Es gibt auch Berichte über Versuche, „Räte der Adelsdelegierten” oder „Rat der Pastorendelegierten” (im Baltikum) zu gründen. In Deutschland gab es auch zahlreiche „Bürgerräte”. Der Status solcher nichtproletarischer Rätegebilde blieb völlig ungeklärt, da sie von den Arbeiterräten meist nicht anerkannt wurden.
Räte links der Bolschewiki?
Bereits in Frühling 1918 verloren die Bolschewiki massiv an Sympathien unter den BäuerInnen. Die Räte auf dem Land waren oft von wohlhabenden BäuerInnen dominiert. Die Interessen der Bauern, als Privateigentümer ihren neuerhaltenen Boden zu nutzen, kollidierten mit den Beschlüssen der obersten Räteorgane über Lebensmittelrequirierungen. Die Bolschewiki regierten zwar im Namen der Räte und über die obersten Räteorgane, aber auf dem Land versuchten sie den Widerstand der Räte durch die Schaffung neuer Organe, wie z.B. „Komitees der landlosen Bauern”, zu brechen. In Frontgebieten konnten „Revolutionäre Komitees” Entscheidungen der lokalen Räte aufheben. Das Kalkül, wenn in einem Gremium nur Arbeiter und Bauern sitzen, werden die Beschlüsse schon für den Sozialismus ausfallen, scheiterte deutlich. Vielfach kamen aus den Räten Forderungen nach der Konstituierenden Versammlung, Freihandel mit Brot, Einstellung der antireligiösen Aktivitäten, nicht selten waren nationalistische und antisemitische Forderungen. Ohne Zweifel haben die Bolschewiki im Laufe des Bürgerkrieges die Räte der Partei untergeordnet, aber es gibt keinen Grund anzunehmen, Räte hätten per se für ein wie auch immer geartetes linkeres Sozialismusmodell gestanden. „Für Räte ohne Kommunisten” bzw. „Räte ohne Parteien” waren Slogans, auf die sich sehr unterschiedliche politische Kräfte beziehen konnten.
Räte genuin links?
Auch außerhalb von Russland waren Räte keineswegs nur von linken Kräften die favorisierte Regierungsform. Der Chef der norwegischen Faschisten Vidkun Quisling war seit seiner Reise nach Sowjetrussland ebenfalls Anhänger von „Räten ohne Kommunisten”, während die exilrussische Jugendbewegung der „Maldorossy” für eine Verbindung von Räten und Monarchie plädierte. Gründe für eine solche Begeisterung für die Räte waren vor allem Ablehnung von Parlamentarismus und Parteien als Faktoren, die die Nation spalten.
Bestimmt die Form den Inhalt?
Abschließend lässt sich sagen, dass allein die Entscheidungsform nicht die Entscheidungen vorwegnimmt. Auch brechen die Räte nicht mit dem Mehrheitsprinzip – das demokratische Entscheidungsprozedere bedeutet Herrschaft der (wahlberechtigten) Mehrheit über die bei der Abstimmung unterlegene. Ausschlaggebend ist sowohl bei Räten als auch bei Parlamenten die Kräftezusammensetzung bei der Abstimmung. Die linke Suche nach einer „echten Demokratie”, die immer wieder auf die Räte Bezug nimmt, verläuft sich in einem Dilemma – einerseits propagiert man eine bestimmte Entscheidungsform, will damit aber auf eine bestimmte inhaltliche Entscheidung hinaus. Wenn die Mehrheit mal wieder nichts von linken Zielen hören will, kommt die Linke auf die Forderung nach mehr Mitgestaltung für die Mehrheit, in der Hoffnung, dass wenn die Leute alles selber entscheiden, würden sie schon auf andere Inhalte kommen.
von Ewgeniy Kasakow, zuerst erschienen in Grundrisse.

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„Ich bin nicht Charlie“ sagen französische Anarchisten

10. Januar 2015 20 Kommentare

Auf der anarchistischen Webseite kommunisierung.net wurde eine Übersetzung eines französischen Textes veröffentlicht mit dem Titel „Ich bin nicht Charlie und du kannst mich mal“.
Der Tenor gefällt mir im großen Ganzen. So bringen sie als abschreckendes Beispiel für den nun beinahe alle umgreifenden nationalen Konsens folgendes:

„Kleines Ratespiel, sind diese Aussagen aus dem Communiqué der Gruppe J.B. Botul der anarchistischen Föderation oder aus der Rede von François Hollande? „Unsere Genossen von Charlie Hebdo haben ein schweres Tribut für die Meinungsäusserungsfreiheit gezahlt. Mehrere Polizisten sind auch unter den Opfern. Wir erweisen all diesen Opfern die letzte Ehre. […] die Anarchisten respektieren die Glaubensfreiheit im Rahmen einer laizistischen Republik.“

Ich bin aber über eine Stelle gestolpert:

„Alles in allem nur Scheisse für uns, wir, die wir alle Religionen zerstören wollen und die Meinungsäusserungsfreiheit all jenen verweigern, welche eine Krawatte, einen Priesterrock oder jegliche
andere Uniform oder Adelstitel tragen.“

Das mit dem „Zerstören“ von Gedanken, Ideologien und sonstigem Unsinn im Kopf von Menschen ist so eine Sache. Es hat gern den Charakter, den ganzen Menschen zu zerstören statt den blöden Gedanken. Dazu paßt dann auch die ganz alternative Zensur. Als wenn all die herrschenden Gedanken (die in in dieser Gesellschaft in der Tat Gedanken der bzw. für die Herrschenden sind) dadurch aus den Köpfen der vielen Menschen, die die teilen und verbreiten, vertrieben werden könnten, indem man den „Krawatten“, „Priestern“ oder „Bullen“ und ihrem noch viel zahlreicherem Anhang einfach eins aufs Maul gibt. So geht das nicht.
Und ob der Schluß so weise ist, möchte ich auch bezweifeln:

„Unsere Wahl kann nur von uns selbst kommen, es ist jene der Freiheit.“

Wird nicht gerade im Namen der Freiheit der Kreuzzug der Demokratie gerade verschärft?

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Wendy zu PEGIDA

21. Dezember 2014 253 Kommentare

Auf dem Blog „Wendy. Diskurshooliganismus seit 2007“ wurde ein Artikel „Das „Skandal-Interview“ des Prof. Dr. Stöcker / Kommunistische Argumente gegen Pegida“ veröffentlicht.
Hierzu hat es auf diesem Blog Kommentare gegeben, die ich hier rausgezogen habe.

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Decker zum „korrupten“ Staat und TTIP

9. Dezember 2014 1 Kommentar

[aus der Diskussion bei Veranstaltung in Berlin zu TTIP (ungefähr 20 Min vor Ende:]

„Der Staat ist kein „Geist”, ja das kann man gern unterschreiben. „Da sind Personen, die sind auf Positionen gesetzt und die sind total korrumpierbar und die machen, was „man” ihnen sagt”, diese Formulierungen aufgegriffen:
Interessant ist ja schon die ganze Geschichte mit den „Positionen”: Ja offenbar gibt es da eine Institution der Macht. Es sind Personen, aber gar nicht, weil sie Personen sind, bewirken sie, was sie bewirken. Sondern weil sie Positionen innehaben, Positionen des Entscheiders, Positionen derart, daß wenn er entscheidet, dann gelten seine Entscheidungen für den Rest der Welt. Diese Positionen zeugen ja schon davon, daß es eine Institution der Macht gibt, die diese Gesellschaft überhaupt schafft, formt und verwaltet, bewacht usw. Und ohne diese Gewalt würde es den ganzen Laden, so wie er existiert, gar nicht geben.
Wenn wir jetzt weitermachen mit „die sind total korrumpierbar!”, naja, vielleicht sind sie es ja. Die tun, was „man” ihnen sagt. Wer ist der „man”, der ihnen das sagt. Dann muß es ja doch irgendwo jemand geben, der weiß, was er will. Jetzt denkst du dir wahrscheinlich, das sind die Konzerne. Und da muß man erst mal sagen, der Gedanke, die politische Macht dieser Gesellschaft wäre der Hampelmann der Firmen, wäre der selbstlose Diener der Firmen, oder der korrumpierte Interessenvertreter der Firmen. Gerade damit trennt man in Gedanken den Staat von dieser Ökonomie, die er einrichtet. Wenn er überhaupt nur durch Bestechung dazu kommt, das zu machen, was den Firmen nützt, dann drückt derjenige, der so redet, ein großes Vertrauen in die eigentlich gute Aufgabe des Staates aus, von der er eben der Meinung ist, die wird verlassen und verletzt dadurch, daß man sich von den Kapitalisten bezahlen und damit in Dienst für die nehmen läßt.
Die Verhältnisse sind aber schlimmer: Die politische Gewalt dieser Gesellschaft, der Staat und seine Institutionen, hat den Zweck – und übrigens auch den Auftrag – die Welt des Privateigentums zu organisieren, zu verwalten und zur Blüte zu bringen. Und das ist sein Zweck. Da muß er nicht bestochen werden, das zu tun, das ist sein Zweck und das ist tatsächlich der demokratische Zweck seiner Wähler. Der Auftrag heißt auch vom Wähler her: Schaff Arbeitsplätze! Manchmal auch, schaff gute Arbeitsplätze. Aber immerhin heißt es, schaff Arbeitsplätze, schaffe für Leute in der Eigentümergesellschaft, die selber kein Eigentum haben, schaff solche Firmen, die soviel Geschäft machen, daß die den armen Wichten auch Lebensgrundlagen anbieten können, nämlich: Arbeite für mich, mach mich reich, dann kannst du einen Lohn heimtragen. Das will der Wähler! Demokratie ist gar keine Bremse gegen so was, sondern die Organisationsweise dieser Abhängigkeit von aller und allen vom Erfolg des Kapitals. Und der Staat selber organisiert den Erfolg des Kapitals und er braucht ihn weil auch alle seine Ressourcen auf ihm beruhen. Dazu muß er nicht bestochen werden. Das ist kein Dienst, den er an den Unternehmen und den großen Privateigentümern tut, im Gegensatz zu seinem „eigentlichen” Auftrag. Sondern das ist sein eigentlicher Auftrag und Zweck. Deshalb ist die Demokratie da gar kein Hilfsmittel, sondern die organisiert haargenau das!
Jetzt ist das Argument, der Staat wäre auf dem Rückzug. Im Gedanken „Rückzug” kriegt umgekehrt das, wovon er sich zurückzieht, ein Plus. Wovon zieht es sich denn zurück? Er zieht sich zurück von Regelungen, die er anders getroffen hat als sie in den USA getroffen worden sind…. Es geht um die Vereinheitlichung der Bedingungen unter denen Unternehmen, Firmen konkurrieren auf dem zukünftigen großen Binnenmarkt. Das wollen die Staaten, weil sie Wachstum wollen. Das hat erstmal die Seite, Das Wort ist eine Gleichung mit wir alle und das Kapital. Jeder weiß, bei „Wachstum” soll die Wirtschaft wachsen halt die Firmen, deren Geschäft, deren Erträge, die sollen wieder investiert werden, dann wächst das Bruttosozialprodukt. Und zugleich hat „Wachstum” nicht den Charakter, daß das das Privatinteresse von Kapitalisten ist, sondern es hat den Ton: Das ist die Lebensbedingung für uns alle, ohne Wachstum geht nix. Also ist „Wachstum” auch schon so eine Gemeinwohlfassung von kapitalistischem Erfolg.
Einwurf: Ich möchte trotzdem kritisieren können, daß strukturell ich als Bürger verarscht werde. Wenn er sich noch nicht einmal an die Regeln hält, die wir vereinbart haben mit unserer sozialen Marktwirtschaft. Daß dieser Rest außer Kraft gesetzt wird.
Decker: Denk noch mal daran, was das für eine Rolle in meiner Geschichte gehabt hat: Die Staaten vereinbaren gegeneinander, daß sie auf Regelungen, die die Geschäftsinteressen der Firmen des anderen Verhandlungspartners betreffen, die behindern, daß sie auf die verzichten. Im Wissen drum, daß der andere Staat das gar nicht gerne tut, weil er ja tatsächlich die protektionistischen Wirkungen seiner Regelungen durchaus kennt und auch schätzt. Weil er ja nicht einfach sich dem Geschäftsinn der anderen ausliefern will, sondern weil wer mit dem Geschäft, die die anderen auf seinem Boden machen, selber Gewinn machen will und das mit einem Niedergang seiner Wirtschaft nicht verbunden sehen will. Deswegen mißtrauen beide Seiten dem jeweils anderen, daß er sich auch an die Vereinbarungen des Vertrages hält. Die Schiedsgerichte haben jetzt den Stoff, der anderes soll sich an den Vertrag halten, auch wenn es ihm mal nicht schmeckt. Das ist die Bedingung dafür, daß die jeweils andere Seite sich auch dran hält. Und jetzt kommt das Schiedsgericht: Es ist die Institution, die den Staat auf die Einhaltung der im Vertrag vereinbarten Konditionen verpflichtet. Wenn es die Konditionen erst mal gibt, dann sind sie ein Recht und dann ist der Staat auch dem Unternehmen, dem Privatsubjekt verpflichtet, das dieses Recht in Anspruch nehmen will, und er kann sich dem nicht entziehen. Im übrigen ist das nichts, was durch die Schiedsgerichte in die Welt käme. Der kapitalistische moderne heutige Staat tritt selber als ein rechtssetzendes Subjekt und zugleich als ein dem Recht unterworfenes Subjekt jetzt schon auf. Auch jetzt kann eine Firma die Regierung verklagen mit dem Argument, du machst mir zustehende rechtlich zugesicherte Geschäftsbedingungen kaputt durch eine Rechtsänderung, da ist wenigstens ein Schadensersatz fällig. Vattenfall klagt gegenwärtig gegen die Energiewende, durchaus ohne TTIP. Dafür braucht es das nicht, das gibt es ja längst (unter deutschem Recht)!“

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[online] Berlin 3.12.14 – TTIP: Ein Kampfprogramm zur Neuordnung des Weltmarkts

8. Dezember 2014 39 Kommentare

Von der Veranstaltung der GegenStandpunkt am 3.12.2014 in Berlin zum Thema „TTIP: Ein Kampfprogramm zur Neuordnung des Weltmarkts“ gibt es jetzt ein Video bei YouTube und ein MP3 bei archive.org zum runterladen.

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Komplett im Arsch – Die Ukraine ein Jahr nach Beginn des „EuroMaidan“

28. November 2014 1 Kommentar

Ein Jahr nach dem Beginn der Proteste auf dem Kiewer Maidan lassen sich die Ergebnisse der großartigen prowestlichen „Revolution” kurz zusammenfassen: Die ukrainische Volkswirtschaft ist ruiniert, den Menschen geht’s schlechter denn je und noch nie waren so viele Nazis und Oligarchen an den Hebeln der politischen Macht.
Gleich fünf von sechs im Parlament vertretenen Parteien haben sich vergangene Woche in Kiew zu einer neuen Koalition zusammengeschlossen: Der Block von Präsident Petro Poroschenko, die Volksfront von Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk, die Partei Samopomitsch (Selbsthilfe) des Bürgermeisters von Lwiw, Andrij Sadowi, die Vaterlandspartei von Julia Timoschenko und die Radikale Partei des Populisten Oleg Ljaschko. Bei der Erklärung der Schwerpunkte der kommenden Koalition kam es zu wenigen Überraschungen: NATO-Beitritt, EU-Annäherung, IWF-Kredite und – ohne das geht ja nicht – „schmerzhafte Reformen”, vulgo: Sozialabbau bis die Schwarte kracht (obwohl man sich ein wenig fragt, was da denn noch abzubauen sein soll).
Sieht aus wie der nette Nerd von nebenan, chillt aber mit ner Menge Neonazis in seiner „Volksfront” – Arsenij Jazenjuk (hier links im Bild mit seinem Homie Barack Obama)
Die Zusammensetzung des neuen Parlaments und die ersten programmatischen Äußerung dieser Fünferbande wirken wie die konzentrierte Zusammenfassung dessen, was in den vergangenen zwölf Monaten in der Ukraine geschehen ist. Es sind dieselben grauenhaften Politikergestalten mit ihren Verbindungen zum Großkapital, die die Ukraine regieren. Neoliberale Programme wurden eingeleitet, Neonazis sind in der „Mitte” der Gesellschaft akzeptiert und parteiübergreifend will man so schnell wie möglich in die NATO und die EU. Zeit für eine kleine Bilanz.
Oligarchenmacht ausgedehnt
Als wir im Februar 2014 den Maidan besuchten, bemerkten wir, dass die DemonstrantInnen dort auch vernünftige Gründe hatten, auf die Straße zu gehen, auch wenn diese durch chauvinistische und nationalistische Gedanken überlagert waren. Einer der vernünftigen Gründe war die Einsicht, dass mit den Oligarchen, die seit dem Ende der Sowjetunion die Ukraine wie kaum ein anderes Land im Griff haben, zu brechen ist. Am Ende brach der Maidan auch mit Oligarchen, allerdings nicht mit allen, sondern nur mit der Clique des früheren Präsidenten Viktor Janukowitsch, die von den Futterstellen der Macht vertrieben wurde.
Aber weil der Aufstand eine nationalistische Form hatte und sich der Volkszorn auf die „prorussischen” Oligarchen beschränkte, bedeutete er zugleich einen großen Machtzugewinn für die nationalistischen, chauvinistischen Eliten, also für die „pro-ukrainischen” Oligarchen. Der Maidan, der einst – zumindest im Bewusstsein einiger seiner TeilnehmerInnen – dazu antrat, die Macht der Oligarchen in der Ukraine zu beschränken oder gar zu brechen, hat so zu deren Ausweitung beigetragen.
Eine „Revolution” gegen Oligarchenmacht, die mit einem Oligarchen als Präsidenten endet, ist wohl irgendwo falsch abgebogen: Schokozar und Waffendealer Petro Poroschenko auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2010
Das lässt sich schon daran ablesen, dass der gegenwärtige Präsident ein Vertreter dieser Zunft ist. Poroschenko, im Westen liebevoll „Zuckerkönig” genannt, lässt nicht nur etwa 450 000 Tonnen Süßwaren jährlich produzieren, sondern macht auch in Automobilen, Landwirtschaft und Waffen. Auch wenn westliche Medien ihn gerne zum „Unternehmer” bagatellisieren, er bleibt – das zeigt seine gesamte Erwerbs- und Politbiographie – ein typischer Vertreter der ukrainischen Oligarchen. Neben Poroschenko gewann durch den Maidan vor allem einer: Der Multimilliardär und für seine skrupellosen Geschäftspraktiken bekannte Bankier Igor Kolomoiski. Kolomoiski, dessen Imperium über 100 Firmen umfasst, hatte sich sehr früh für den Euro-Maidan eingesetzt und ihn auch mit seinen eigenen Massenmedien gefeatured. Das hat sich gelohnt, er konnte – auch durch die Finanzierung rechter Militäreinheiten – seinen Einfluss enorm erweitern.
Neonazis im Staatsapparat
Igor Kolomoiski unterstützt auch die stärkste Partei der Ukraine, die zugleich die im Westen beliebteste ist: Die „Volksfront” des US-Lieblings und Premierministers Arseni Jazenjuk. Selbige vertritt nicht nur eine radikal neoliberale Position und einen kriegstreiberischen Kurs gegenüber den Aufständischen im Osten der Ukraine. Sie ist vor allem auch das zentrale Vehikel zur Integration bewaffneter Neonazis in den „regulären” Staatsapparat. Vor der Wahl formierte Jazenjuk einen sogenannten „Militärrat”, in den er die Führer mehrerer militärischer Formationen einband, darunter viele Rechte. Mit dabei auch der Führer des faschistischen Azov-Bataillons und der Neonazi-Organisationen „Sozial-Nationale Versammlung” (SNA) und „Patriot der Ukraine”, Andrij Biletzki.
Hitler-Gruß, Schwarze Sonne und schwere Waffen: Diese Jungs arbeiten für das ukrainische Innenministerium, einer von ihnen ist Polizeichef Kiews, einige andere kandidieren auf der Liste des Premierministers. Aber ne, die haben keinen Einfluss mehr.
Im Programm der SNA heißt es: „Unser Nationalismus ist nichts als ein Schloss aus Sand, wenn er nicht auf den Grundfesten des Blutes und der Rasse beruht.” Biletzki und seine Kämpfer meinen das ernst. Deshalb sieht er das Azov, das mittlerweile vom ukrainischen Innenministerium zu einem offiziellen „Regiment” ernannt wurde, in einem „Kreuzzug gegen die von Semiten geführten Untermenschen”, in dem „die weißen Rassen der Welt” um ihr Überleben kämpfen. In hochrangigen Funktionen in der „Volksfront” finden sich zudem langjährige Neonazi-Aktivisten wie der frühere Gründer der Sozial-Nationalen Partei der Ukraine, Andrij Parubij, oder die früher in der rechtsterroristischen UNA-UNSO aktive Tetjana Tschornowol.
Faschisten und Neonazis sind – obwohl sowohl Rechter Sektor wie Svoboda, also die beiden im Westen bekanntesten faschistischen Formationen bei den Parlamentswahlen schlecht abgeschnitten haben – im Parlament über sämtliche Fraktionsgrenzen hinweg und als Direktkandidaten zahlreich vertreten. Das lohnt sich für die Faschisten. In den Formationen der Nationalgarde, in Armee und Geheimdienst haben sie bereits Machtpositionen inne. Nun bauen sie diese auch in den regulären Polizeieinheiten aus. So wurde das SNA-Mitglied Vadim Trojan (eigentlich ein Pseudonym) zum Kiewer Polizeichef ernannt, vom Innenminister Arsen Awakov, der selbst Mitglied der „Volksfront” ist, in der Trojans Chef Biletzki eine zentrale Rolle spielt.
Privatisierung und Sozialabbau
Was diese Koalition aus neoliberalen Politikern, Großkapital, Nationalisten und Faschisten nun durchsetzt, lässt sich kurz in drei Bereichen umreissen. Außenpolitisch wirkt man auf eine schnellstmögliche Westbindung hin, samt (unrealistischer) EU- und NATO-Mitgliedschaft. Innenpolitisch ist der Hauptfokus der Sieg im Krieg gegen die Aufständischen in Donezk und Lugansk sowie die Ausschaltung jedweder Opposition zu den neuen Machthabern, sei sie bewaffnet oder nicht, sei sie separatistisch oder nicht. Und sozialpolitisch wird ein harter Kurs der Privatisierung, Austerität und weiteren Verarmung durchgesetzt.
Die wirtschaftlichen Folgen des Euromaidan sind enorm: Die Hrywna hat abgewertet, viele Güter des alltäglichen Bedarfs sind teurer geworden. Die Industrieproduktion ging zurück, 2014 befindet sich die Ukraine in einer Rezession. Verschiedenen Schätzungen zufolge wird in diesem Jahr die ukrainische Wirtschaftsleistung zwischen 6 und 10 Prozent zurückgehen.
Als Gegenleistung für Kredite westlicher Geldgeber, vor allem des IWF, sind bereits weitgehende Maßnahmen beschlossen, deren Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und die Lebensverhältnisse der ärmeren Teile der Bevölkerung verheerend sein könnten. Bereits im Juli 2014 verkündete Jazenjuk den Start des größten Privatisierungsprogramms in der Geschichte des Landes. Gehandelt wird nach der IWF-typischen Devise: „Alles muss raus!” Hunderte Betriebe will der Staat in den nächsten Jahren an die bestbietenden verscherbeln.
Klitschko, Poroschenko, Kerry und Jazenjuk bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 – Die Annäherung an den Westen wird für die Ukraine vor allem teuer werden. Privatisierungen, Sozialabbau, Kürzungen – Welcome to the West.
Die Gaspreise sollen erhöht werden, eine Katastrophe für Privathaushalte. Das Pensionsalter wird angehoben, zahlreiche staatliche Unterstützungsleistungen, etwa im Elektrizitäts- oder Bildungssektor, sollen wegfallen. Wir können uns eine genauere Analyse sparen, es reichen zwei Feststellungen: Zum einen sind die Kredite, die die ukrainische Regierung aufgenommen hat, gebunden an weitreichende Austeritätsmaßnahmen, die das Land weiter in den Abgrund führen werden. Die „Bedingungen für die Kredite zusammen mit der politischen und ökonomischen Krise, in der sich die Ukraine befindet, sind ein Rezept für ein Desaster”, kommentiert Josh Cohen in Foreign Policy.
Und unter diesen Bedingungen einer völlig abgefuckten Volkswirtschaft möchte die ukrainische Regierung ihr Land dann in den gemeinsamen Wirtschaftsraum – und damit in die offene Konkurrenzsituation – mit den wesentlich stärkeren Nationen der Europäischen Union führen. Wir brauchen keine Hellseher zu sein, um uns ausmalen zu können, dass der Großteil der Bevölkerung der Ukraine von dieser Strategie nichts Gutes zu erwarten hat.
Unsere neuen Hurensöhne
Soweit, so schlecht. Wir als in Deutschland tätige Linke konnten in diesem einen Jahr Euromaidan aber noch etwas anderes lernen. Wir konnten beobachten, wie schnell sich Medienberichterstattung und politische Willensbekundungen neuen Gemengelagen anpassen, wenn es um ökonomische und geostrategische Interessen geht.
Die Verharmlosung von Faschismus und Neonazismus wurden im Zuge der Ukraine-Krise deutsche Staatsräson. Wer nicht glauben wollte oder konnte, dass Neonazis, Bandera-Fans und Rassisten in der Ukraine keine Rolle spielen, wurde kurzerhand zum „Putinisten” erklärt.
Demokratische Maidan-Aktivisten mit Wolfsangel-Armbinde kurz vor dem Sturz Janukowitschs
Am Ende doch ein wenig verwundert mussten wir feststellen, dass aus der Mitte des liberalen, demokratischen und aufgeklärten Bürgertums kein Einspruch dagegen zu hören war, dass nun auch Swoboda, Rechter Sektor, Azov, Bandera-Fans oder jene Julia Timoschenko, die bekundete am liebsten die gesamte russischsprachige Bevölkerung der Ukraine ausrotten zu wollen, ganz offiziell zu den Rettern „europäischer Werte” stilisiert wurden. Im Gegenteil: Es war die bürgerliche „Linke”, SPD und Grüne, die sich als die Vorhut neu-deutscher Einflussnahme in der Ukraine, präsentiert haben.
Das Ergebnis: Keine 70 Jahre nach dem Sieg der Anti-Hitler-Koalition über den deutschen Faschismus bilden heute deutsche Bullen in Kiew Neonazis an der Waffe aus, im Rahmen einer EU-Mission. „Er ist ein Hurensohn, aber er ist unser Hurensohn”, hat US-Präsident Franklin D. Roosevelt über den nikaraguanischen Verbrecher und Tyrannen Somoza einmal gesagt. „Unsere Hurensöhne” laufen heute mit Wolfsangel, Keltenkreuz und Kalaschnikow durch die Ukraine.
-Von Peter Schaber
gespiegelt von lowerclassmagazin vom 25.11.2014

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Law and Order Without Racism?

27. November 2014 1 Kommentar

What the Public Debate over Ferguson Leaves Out
Law and Order Without Racism?
by GEOFFREY McDONALD
The public debate raised by events in Ferguson Missouri asks: is America still a racist country? Obama weighs in with the question: is the justice system meeting its own standards? Everyone is invited to form an opinion on whether or not a police killing contradicts the American system of justice – and not what this says about it.
Proportionate force
When somebody is killed by the police for stealing cigars, everybody knows that’s not justice. But every year in the USA, hundreds of people are killed by the police in the process of enforcing the law. These cases never make it to the level of news, at least in a negative way. If a suspect runs out of a liquor store with a hundred bucks and doesn’t stop when told or pulls a gun, nobody protests when the police shoot him dead.
So how do people know when a police killing is unjust? There is a presumption in which the question arises. Did the police overreact, use inappropriate force, incorrect methods? It presumes a legitimate, positive use of force. Everyone recognizes that maintaining law and order requires force, so it is always a question of the right use of force. It takes the perspective of the state and asks: did the police act lawfully?
The criteria for judging police activity is that if there is a breach of the law, then the police must act. If that’s not the case and an innocent person is victimized, then that is a case of illegal use of force which is not justified. This criteria sees it as self-evident that the police protect law and order. This entails looking for law breakers and taking care of any and all illegal activities. But if an innocent person is punished, then the issue of misconduct or bad management comes into play.
Part of the legal definition of justice is „the punishment must fit the crime.” This is taken for granted, but the logic behind it is strange: why and in what sense can the punishment fit the crime, since they have nothing to do with each other? What is the relation between robbing a bank and 10 years in prison? Or shoplifting and a $1000 fine? How do they get connected?
In the mind of the ordinary citizen, the connection is immediate: a moral sense of justice establishes a scale of law breaking and a scale of punishments and their interconnection. But it is a political decision which crimes are more serious because more damaging to the legally-protected social order; which crimes are just nuisances; and everything in between.
It is also said that justice is not served when there is not enough punishment. Or: he got away with murder! The idea is that when crime and punishment match, everybody knows that state purposes are at work. When a measure of justice doesn’t correspond, the suspicion is that other purposes are being carried out. A rogue cop is not serving what is defined by the society as justice, but doing his own thing, acting on his racial biases. He is suspected of just wanting to get somebody.
So the police are criticized – along with prosecutors, judges, and juries – according to a pro-law critique of the workings of the law. When the police shoot a suspect or administer a beating, they must apply only the legally justified quantum of brutality; anything that steps over the line into personal sadism is condemned. Objectively, this line is hard to discern. Then the debate rages over where it is drawn.
Disproportionate poverty
When a white police officer kills a black man, the protest this ignites is about a lot more than the individual case. It is said to prove that blacks are not full Americans. The law stipulates equality, but the police treat blacks differently. Wealthy and powerful blacks take the occasion to testify to their experiences being racially profiled. Racism in terms of treating people based on appearance is no longer tolerated in modern America. If somebody has money, they are entitled to respect and service, regardless of skin color. If a homeless white person is eyed suspiciously in a boutique, nobody calls that racism – it’s fair! If a black person really is poor and receives bad treatment, then that’s also ok. In the modern, enlightened way of thinking, people like Obama and Oprah Winfrey don’t deserve to be associated with the blacks in the ghetto. Racial racism is unacceptable, but social racism is unobjectionable.
What makes the former type of racism taboo in American public life? It implies that a person’s fate is not just determined by just what they can achieve in competition. The tone now is: decades after the Civil Rights Act, America has done more than enough to allow blacks into the competition. Now the outcome is the outcome. If blacks end up disproportionately in the streets or in jail, that’s a reflection on them because this is the land of opportunity. Competition is the breeding ground of racism; it’s the reason that racism is rampant at the same time everybody condemns it.
So what are the racial considerations on the part of the police? It may be that they are „racist pigs,” but this does not explain what happened in Ferguson or anywhere else. In the USA, poverty has a skin color: black. The police are not looking for blacks, but for possible law breakers and disobedience. Criticizing the police in the name of fair policing accepts the reason police take their attitude towards the poor and asks whether there was a racial bias in it or not. It considers it correct and normal that police suspect poor people of wrong-doing – that’s what law and order is all about. It turns a social question into a question of respect towards race. This only affirms the reason law enforcement looks especially at blacks in substandard neighborhoods.
All class societies know that the lower class has reasons to violate the class order because of the condition they are in. In the USA, this can be seen in the well-defined neighborhoods of rich and poor, the methods used to protect them, and the readiness of the police to act in certain ways. Policing itself is supposed to correspond to the crime being committed, so the pursuit of white collar crime seldom turns lethal. But where there is more desperation, people act in more desperate ways, so the police are more ready to act with violence.
”Community”
Even in neighborhoods where the police are viewed with hostility and suspicion, people complain that the police do not come when they are needed; that the gangs take over the neighborhood. If the police kill people in these neighborhoods and nobody complains, that tells you something: there are players in these neighborhoods who everybody regards as trouble.
The media take it for granted that police force is necessary to protect people against all the different kinds of actions people take to pursue their interests, but the reasons for law and crime are not in the public debate. It is never asked why police are necessary for the functioning of this society. Crime is thought to originate in a human nature that divides into good and bad; or good people in bad situations make bad decisions. Both views are ideological. Everybody expects crime and knows that crime makes sense in this society. Criminals do the same thing as everyone else, only illegally. When someone steals a car and makes it their property, they are interested in property; it is just somebody else’s. They are not against the system of property.
When the police are criticized, it is said they are not „serving and protecting” the community. The very use of the word „community” is an idealism — as if common interests were at stake. Obama, for example, was a „community organizer.” It’s a strange concept: I am going to organize a community; everyone is in the same boat, but there are specific interests in it that need organizing: somebody needs to be hooked up with a job, an education, or social services in order to be able to compete better so they can get something for themselves.
A community of competitors requires an outside force to maintain their competition because the law of property sets them into a hostile, antagonistic relation. This is what is meant by „serving and protecting the community.” People as competitors need the law. They need to be protected because of the antagonism they are in; private property owners tend to use private force to pursue their goals against others. They are out to get wealth and use whatever they have to get it. This competition is fierce.
This is not a community of common interests, but competing interests. Some have private property and some do not. What’s protected is the property of those who have it. The basis for a competitive society is that most people, black and white, are forced to start off without any means of livelihood and have to compete with whatever means they have to get one. And most people have only a lousy means. So it should not be a big mystery that the children of sub-proletarians end up losers in the competition. Or that the few good paying jobs that exist in the society go to people whose advantages or connections help them circumvent the competition. Free and equal competition ensures that the poor stay poor and that blacks remain at the bottom.
Racist police in a non-racist system?
Obama assures people that after all the progress America has made on the race question, only one argument remains: if you are innocent, you should be treated as such, regardless of whether you are white or black. If you disobey, then you should be punished to the fullest. Just to make this clear, the National Guard is always on standby.
Modern liberals say: but Michael Brown wasn’t doing anything! He didn’t deserve it! They think this was an injustice because Michael Brown was black. But the cops don’t know if someone is innocent or not. They are looking for law breakers, not skin color; they are responding to the social despair in black neighborhoods, not creating it. It is the weakest critique possible of class society to ask: „are the poor being treated fairly?”
Liberals miss the real reason Michael Brown got into trouble with the law and affirm everything else leading up to it. They know discrimination is illegal, but believe that the police are doing more than they are asked to do by over-willingly doing their jobs in black neighborhoods. Liberals don’t question this job because they are more bothered by crime than by the poverty they know leads to crime. And they are more upset about the policing of ghettoes than by the existence of ghettoes.
Geoffrey McDonald edits Ruthless Criticism.
[der Artikel erschien zuerst in counterpunch einem politischen Newsletter in den USA]

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Felix Klopotek: Unbequeme Fragen zur PKK

24. November 2014 Kommentare ausgeschaltet

Die euphorische Solidarität der hiesigen Linken mit der PKK und dem Rojava-Kanton verstellt den Blick auf drängende offene Fragen. Vielleicht ist das ja auch gewollt.
Nach den pathetischen Aus- und Aufrufen der vergangenen Wochen, bei dem Kampf um Kobanê handele es sich um die Wiederkehr von »Warschau« (gemeint ist das Ausbluten des Warschauer Aufstandes 1944 vor den Augen der Roten Armee) oder um das »Stalingrad« dieser Tage oder »unser« revolutionäres Spanien, mehren sich jetzt die Reiseberichte auch von hiesigen Linken. Interviewbände mit kurdischen Kämpferinnen und Kämpfern sind angekündigt. Natürlich ist das alles zu begrüßen – wenn es denn die ersten Schritte wären, alle die Fragen zu klären, die in der überhitzten Euphorie, endlich gebe es eine genuin linke Partei im endlosen syrischen Bürgerkrieg, oder in der überwiegenden Sorge um das Überleben von religiösen Minderheiten und Frauen angesichts der IS-Schlächter nicht gestellt wurden. Offen gesagt, ich sehe das nicht, weil der allererste Schritt immer noch ausbleibt: die Fragen zu stellen. Das soll hier nachgeholt werden.
Am 27. Oktober veröffentlichten Spiegel online und andere Medien die Nachricht, im bereits wochenlang andauernden Kampf um das weitgehend entvölkerte Kobanê habe es bis dahin 800 Tote gegeben, 500 IS-Kämpfer und 300 kurdische. Was können diese Zahlen mit »Warschau« zu tun haben? Warum gibt es so wenig Unbehagen an den hochdramatischen Endkampf-Berichten, die nicht zuletzt von PKK-Seite gestreut wurden? Was ist an der Meldung dran, PKK-Kämpfer würden nachdrücklich auf die Unterstützung größerer Einheiten von irakisch-kurdischen Kämpfern verzichten, um die politische Hoheit zu behalten? Wäre dem so, hieße das dann nicht, ihr politisches Ränkespiel ginge der PKK über das Wohl der Bevölkerung? Warum sind die linken Blogs voll von PYD-Jubelberichten, warum wird so wenig auf das Blog kurdwatch.org verwiesen, wo die (Kriegs-)Verbrechen auch von PYD-Kämpfern erwähnt werden?
Warum wird die in den vergangenen Jahren – trotz »libertärer« Wende Abdullah Öcalans – nicht abreißende Kritik an der (Auslands-)PKK als Organisation, die für Schutzgeld-Erpressungen und menschenverachtenden Druck auf ihre Mitglieder und Anhänger verantwortlich sein soll, nicht aufgearbeitet, sondern offensichtlich ignoriert? Wieso werden uns eigentlich Fotos nur von Soldatinnen als Symbole für Frauenemanzipation in Rojava gezeigt? Wer befehligt die Soldatinnen? Gibt es Politfunktionärinnen in den höheren Rängen?
Vor zwei, drei Jahren mangelte es nicht an Medienberichten, die der PKK und ihrem syrischen Ableger PYD eine – mindestens – De facto-Kollaboration mit dem Regime Bashar al-Assads unterstellten. Die PKK beteiligt sich nicht an einer gemeinsamen Front gegen Assad, dafür wird ihr ein begrenzter Separatfrieden zugestanden: kantonale Selbstverwaltung. Wieso ist von diesen Berichten nicht mehr die Rede? Sind sie widerlegt? Ist das, was ein großer Teil der Linken als Hort der Stabilität und der Menschenrechte inmitten des gnadenlosen Bürgerkriegs ansieht, nicht nur ein Produkt dieses Bürgerkriegs, sondern hat – indirekt – dazu beigetragen, ihn zu brutalisieren, eben weil die PYD eine gemeinsame, schlagkräftigere Front gegen Assad hintertrieben hat? Steht der »Kommunalismus« (Murray Bookchin) als Befreiungsperspektive nicht noch unter dem Nationalismus?
Eine überkonfessionelle, interethnische Lösung für ganz Syrien ist wohl zerstampft und vernichtet worden, so sagen die Beobachter. Wäre demnach der kurdische Separatismus, so schändlich seine Ursprünge gewesen sein mögen, nicht das kleinere Übel (zur Logik der »kleineren Übels« später)? Aber was wären die Aussichten der kurdischen Kantone? Eingezwängt zwischen Assads Rest-Syrien, der Türkei, dem IS (machen wir uns nichts vor, die werden ihren Staat auch real gründen) bliebe nur die Kollaboration mit einer regionalen, und dann internationalen Schutzmacht. Würde die nicht Einfluss nehmen auf die Verhältnisse an Ort und Stelle? Könnte es einen kurdischen Sozialismus von Assads oder Obamas Gnaden geben?
Was heißt überhaupt Selbstverwaltung und darauf aufbauend Selbstbestimmung? Was wird dort eigentlich selbstverwaltet? Wie sehen die ökonomischen Strukturen aus? Nur zur Erinnerung: Ökonomische Selbstverwaltung und Privateigentum stehen in keinem Widerspruch zueinander, die Abschaffung des Kapitalismus ist keine Verwaltungsfrage. Bedeutet nicht Sozialismus eine nicht mehr in Produzenten und Nichtproduzenten zergliederte Gesellschaft? Und ist, daran gemessen, der Maßstab für Sozialismus nicht etwa der Grad der Autonomie, Kontrolle oder (Produktions-)Leitung auf Seiten des Proletariats, sondern dessen Selbstaufhebung? Zeigt nicht die jüngere Geschichte Jugoslawiens, wie wenig Selbstverwaltung ein Bollwerk gegen nationalistisches Handeln und Denken ist, wollten doch die »produktiven« Kroaten und Slowenen die »unproduktiven« Serben nicht länger durchschleppen? War nicht die unmittelbare Einbeziehung etwa der kroatischen Arbeiterinnen und Arbeiter in die (Verwaltungs-)Abläufe ihrer Betriebe – und damit auch ihr Profitieren von der jeweiligen Rentabilität – ein Katalysator des Nationalismus? Allgemeiner gefragt: Steht nicht schon bei Marx und Engels, dass der Sozialismus kein Zurück zu selbstgenügsamen Produktions- und Konsumtionsinseln bedeuten kann (»Duodezausgabe des neuen Jerusalems«, spotteten sie über die Kommune-Projekte ihrer Zeit), dass das angesichts des Weltmarktes und imperialistischer Großmächte eine gefährliche Illusion ist?
Wenn also die Begriffe und auch die historische Praxis der Selbstverwaltung und des Kommunalismus so problematisch sind, warum wirken sie wie ein Zaubermittel auf die hiesige Linke und führen zu mannigfaltigen Solidaritätsbekundungen mit dem PYD-Regime? Die Taz berichtete vor einigen Wochen von Todesschwadronen in Bagdad, die 40 Frauen ermordet haben, weil sie der Prostitution verdächtigt wurden. Die Meldung ging unter, die Frauen stehen nicht für »Selbstverwaltung« und paritätisch besetzte politische Organe, sie stehen einfach für sich selbst. Ist die Linke wirklich so borniert, Solidarität in erster Linie jenen Bedrohten angedeihen zu lassen, die eine uns genehme »westliche« Gesinnung vor sich hertragen?
Wenn die inhaltlichen Positionen, die zur überschwenglichen Solidarität mit der »Kommune von Rojava« (Kommune … noch so eine brachiale Analogie, die offensichtlich mehr vernebelt als erhellt) führten, nicht mehr haltbar wären, was bliebe dann übrig? Dass die PKK angesichts des IS das kleinere Übel wäre? Aber liegt nicht in der Logik des »kleineren Übels« schon die Aufgabe einer allgemeinen, übergreifenden, verbindlichen, man würde wohl sagen: universalistischen Perspektive? Wenn wir uns für ein kleineres Übel entscheiden, dürfen dann die »anderen« nicht auch ihres wählen? Ist aus der Sicht von sunnitischen Arabern, von denen in Syrien 200 000 abgeschlachtet wurden und auf die in Bagdad schiitische Todesschwadronen Jagd machen, ist aus deren Sicht nicht der IS das »kleinere Übel«? Führte die Wahl eines »kleineren Übels« nicht schnurstracks in Sackgassen, an deren Ende schon die Großmächte warten – ob die Türkei, der Iran, Saudi-Arabien, Russland oder die USA –, die schließlich ihr Spiel spielen werden?
Und was wäre dann die Perspektive? Natürlich – und an dieser Stelle keine Frage – die Selbstorganisation des Proletariats, der Frauen und Subalternen, wie sie schon ansatzweise im »arabischen Frühling«, über den das letzte Wort noch nicht gesprochen ist (so wie, um auch mal eine Analogie zu bemühen, die blutig gescheiterte russische Revolution von 1905 auf 1917 verweist) zu beobachten war. Das klingt total irre – weltfremd –, aber fragt sich die Linke, was genau daran weltfremd wäre? Ist es nicht so, dass gerade im Nahen und Mittleren Osten keine Macht – ob regional oder imperial – ihre Hegemonie durchdrücken kann, dass die Menschen lieber fliehen, als sich in gigantischen Schlachten aufreiben zu lassen (auch dem IS hauen mehr Arbeitskräfte aus seinem zukünftigen Staatsgebiet ab, als ihm auf längere Sicht lieb sein kann; und gerade der IS muss auf Söldner-Truppen zurückgreifen), dass ein Chaos der rasch wechselnden Kriegskoalitionen und Intrigen herrscht, dass also als einzige Konstante wirklich nur die Selbstorganisation der Menschen bliebe? Sollte, wer als Linker diese Frage und ihre naheliegende Antwort als weltfremde ablehnt, nicht gleich alle Moralismen und Idealismen fahren lassen und direkt Politikberatung für die Bundesregierung oder umgekehrt Lobbyarbeit für wahlweise Assad, Öcalan oder Erdogan betreiben, mithin die eine gegen die andere Machtpolitik abwägen? Ist das nicht, ganz nebenbei, der Standpunkt Jürgen Elsässers?
Man mag dem Verfasser vorwerfen, er würde bloß Suggestivfragen stellen. In einigen Fällen ist dem so, in vielen nicht. Anstatt die abgegriffene Floskel von der internationalen Solidarität zu bemühen, könnte die Linke ihren Zwangsaufenthalt im welthistorischen Off dazu nutzen, sich diese, und andere, meinetwegen bessere, Fragen vorzulegen.
von Felix Klopotek, zuerst erschienen in Jungle World Nr. 47, 20. November 2014

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Haslbauer: Zur Notwendigkeit rechtlicher Subjektivität

15. November 2014 104 Kommentare

Harald Haslbauer hat vor einer Weile ein Buch publiziert „Eigentum und Person – Begriff, Notwendigkeit und Folgen bürgerlicher Subjektivierung“, wozu man auf seiner Webseite einige Reaktionen und Diskussionen nachlesen kann.
Er hat mir nun zu diesem Thema folgende Mail geschickt: „Das Unverständnis, das mir doch oft entgegenschlägt, hat mich veranlasst, den Inhalt, um den es mir geht, noch einmal anders zu formulieren, und vor allem seine entscheidende Bedeutung extra heraus zu streichen. Hier also ein neuer Text, zur Kenntnisnahme und Diskussion gestellt…“
Den kann man in RTF-Version hier und als PDF hier runterladen.

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GegenStandpunkt zum Islamischen Staat

14. November 2014 187 Kommentare

Ich habe die Kommentare zum jour fix des GSP zum IS hierher rausgezogen.

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Hermann Lueer: Argumente gegen die Liebe zur Nation (Bern 9.10.14)

13. November 2014 7 Kommentare

Ein Mitschnitt der Veranstaltung vom Donnerstag,dem 09.10.2014 in Bern im Rahmen der „Kampagne 2014“ des Bündnis Alle gegen Rechts mit Hermann Lueer als Referenten ist jetzt bei archive.org verfügbar
Der Ankündigungstext lautete:
„Wer stolz darauf ist und damit seine Besonderheit darin schätzt, Schweizer zu sein, ist froh, kein Türke, Russe oder Franzose zu sein. Wer sich etwas darauf einbildet, Türke zu sein, ist froh, kein Schweizer, Franzose oder Russe zu sein. Was ist eigentlich ein Schweizer? Was unterscheidet einen Deutschen von einem Russen oder einem Amerikaner? Warum beginnt die Gründung einer Nation oft mit einer »ethnischen Säuberung«? Wo fängt übertriebener Nationalismus an und wo hört gesunder Nationalismus auf? Warum machen Untertanen sich den »Wohlstand ihrer Nation« zum eigenen Anliegen, wo doch nicht nur in den sogenannten Entwicklungsländern, sondern selbst in den reichsten Industrie- und Handelsnationen die Mehrheit der Bevölkerung über weniger als 10% der nationalen Reichtümer verfügt. Wie kommt ein nationales Wir-Gefühl zustande, in dem die Menschen von ihren praktischen Interessen absehen und alle tatsächlichen Unterschiede und Gegensätze für belanglos erklären? Warum verteidigen sie ihre Nation im Krieg, in dem sie als Kanonenfutter vorkommen?
Wer angesichts von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus Völkerfreundschaft fordert, hat den Grund für die »Ausländer raus«-Rufe nicht verstanden. Der hat nicht verstanden, wieso von einer anerkennenden Achtung der nicht dem eigenen Volk zugeordneten Menschen, über die herabsetzenden Betonung der vermeintlichen Andersartigkeit fremder Völker, bis zu ihrem physischen Ausschluss, ihrer kriegerischen Bekämpfung oder sogar einer gezielten Vernichtung alles nur ein fließender Übergang ist. Der hat nicht verstanden, wieso die Liebe zur Nation der Same ist, der aufgeht, wenn er mit der nationalistischen Hetze begossen wird.
Im Rahmen des Vortrages wird mit den Antworten auf die aufgeworfenen Fragen erklärt werden, warum Untertanen in Anerkennung der Herrschaft zum parteilichen Verfechter der nationalen Interessen werden. Mit dem Grund des Nationalismus ist dann auch der einzige Ansatz zu seiner Überwindung benannt.“

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TTIP und die nationale Souveränität

13. November 2014 1 Kommentar

Das GSP-Flugblatt hat ganz am Schluß folgende kleine Passage:

„Genau an dem Versprechen macht sich die härteste Kritik fest, die in Sachen TTIP in Deutschland zu vernehmen ist: Die privaten „Schiedsgerichte“ sind der große Stein des Anstoßes. Denn da droht ein Sieg des ökonomischen Eigennutzes über demokratisch beschlossene Regelungen, da droht überhaupt der Verlust der staatlichen Handlungsfähigkeit, heißt es. Das darf nicht passieren -da sind sich die schärfsten Kritiker von unten mit dem dicksten TTIP-Anwalt der Regierung auf einmal einig!
Da treffen sich im Etikett „demokratisch beschlossen“ am Ende die Macht- und Freiheitsillusionen wahlberechtigter Regierter mit dem Souveränitätsanspruch der gewählten Regierenden in dem einen entscheidenden „Punkt“: National muss die Geschäftsordnung sein, der wir alle gehorchen. National und souverän muss die Herrschaft agieren, nach innen über allen bloß partikularen Interessen stehend und keiner auswärtigen Macht hörig: Das ist sie vor allem anderen sich und ihren Bürgern schuldig.
So verpasst man gründlich, worum es bei TTIP wirklich geht.“

Auch bei der jüngsten Veranstaltung zum Thema (in Tübingen am 6.11.2014) kam das erstaunlich spät vor. Erstaunlich für mich deshalb, weil die durchgesetzte Handlungsmaxime auch in Deutschland ist, daß es für alle Staatsbürger gut ist, wenn es Deutschland gut geht, und daß es Deutschland nur gut gehen kann, wenn den deutschen nationalen Interessen weltweit Geltung verschafft wird. Von daher ist noch vor jeder Befassung mit den Inhalten der angestrebeten TTIP-Regelungen bei jedem deutschnationalen Denker klar, daß es so nicht gehen kann. Ein bißchen wurde das von Theo Wentzke und Wolfgang Rössler konterkariert, man kann sich das in den Mitschnitten nachhören.

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