Einige Anmerkungen zum Disput zwischen dem Genossen von farbeRot und der IKS:
Die Formulierung “ Als „Lohnarbeiter“ sind(!) die Proletarier die nützlichen Idioten des Kapitals“ ist für mich auch problematisch. Lohnarbeiter sind in der Tat überhaupt nur solche, solnage sie nützlich sind fürs Kapital also profitabel. Idioten sind sie insofern nicht, als sie in allzu großer fast überwältigender Zahl sich zu dieser Existenz bekennen und kommunistischer Kritik regelmäßig entgegenhalten, daß daß eben ihr Weg ins individuelle Glück sei, bzw. wenn sie „realistischer“ sind, sein müßte. Das diese Auffassung ihnen nichts Gutes tut, das wollen sie zumeist nicht zur Kenntnis nehmen. Und aus Verärgerung über diese Halsstarrigkeit kriegen sie dann von GSPlern den Vorwurf zu hören, sie seien Idioten, weil sie auf die „Lüge“ der kapitalistischen Sichtweise hereinfallen.
Es ist mir aufgefallen, daß der GSP-Genosse sehr beschränkt ist, in der Benennung falscher linker Kritik:
„Folglich kritisieren wir die falsche Kapitalismuskritik und die daraus folgende Praxis von Sozialdemokratie und auch von den meisten kommunistischen Strömungen (Revisionisten, Revis)“
. Gibt es da, vor allem bei jungen Linken außerhalb des Gewerkschaftsmillieus und selbst da nicht auch noch andere, vielleicht sogar einflußreichere (die SPDler und Linksparteiler mal ausgenommen, denn die stellen sicherlich insgesamt die meisten „Linken“)?
Zu den Gewerkschaften schreibt der GSPler:
„Wenn das z. B. die Forderungen des DGB sind, dann kann das für die Arbeiterklasse nichts Gutes bedeuten. Denn die berücksichtigen schon immer, dass die Gegenseite davon keinen Schaden nimmt“.
Schon immer habe ich da den GegenStandpunkt gefragt, seit wann denn das „immer“ gilt. Denn es gab ja nun länger Gewerkschaften als es den DGB gibt, der war in der Tat seit seiner Gründung 1949 eine Säule der imperialistischen BRD. Und immer wieder betonen Wortführer des GegenStandpunkt, daß „früher“ Gewerkschaften schon ein wenig anders aufgetreten sind. So wie sie das „heute“ ja auch anderswo ab und an tun.
Der Punkt
„Wenn man nicht genug Leute beisammen hat, um diesen Kampf [ein Kampf der „diese Verhältnisse angreift“] aufzunehmen, dann kann doch daraus niemals der Schluss folgen, dann alle Kämpfe sein zu lassen.“
der stimmt sicherlich. Und die Intervention in den Eisenbahnerstreik der GDL zeigte glaube ich am besten, wie der GegenStandpunkt das umsetzen will. Es ist damit aber immer noch nicht allzu viel Konkretes über diese begrenzten Abwehrkämpfe manchmal ja sogar Kämpfe für kleine Verbesserungen gesagt. Von daher finde ich es zwar grundsätzlich positiv, wenn die IKS antwortet, auch sie sei für Kämpfe mit
„Durchführung ohne Rücksicht auf die Verluste (des Kapitals) bis zur letzten revolutionären Konsequenz“, wenn sich bei den konkreten aktuellen berüchtigten „Kräfteverhältnissen“ sowas eben nur fordern aber nicht die Bohne umsetzen läßt, weil so gut wie niemand dabei mitmachen will.
Zentraler Streitpunkt ist unstrittiger Weise die berühmte Frage nach der Entstehung und Förderung des für einen Umsturz der Verhältnisse notwendigen revolutionären Bewußtseins. Die IKS schreibt dazu:
„Wir stimmen den Ausführungen des Genossen hier in zwei ganz wesentlichen Punkten zu. Erstens darin, dass die Unterschiede in der Auffassung darüber, wie proletarisches Klassenbewusstsein entsteht und sich entwickelt, eine der Hauptdivergenzen zwischen unseren beiden Gruppen darstellt. Zweitens darin, dass für die IKS dieser Prozess ganz entscheidend ein historischer und kollektiver Prozess ist, wobei diese beiden Dinge für uns unzertrennlich zusammen gehören.“
Daran stört mich schon mal dieses inhaltsleere und deshalb diffuse „historisch“ und „kollektiv“. Stimmt es denn wirklich wenn sie sagen daß der Proletarier „erst durch den Zusammenschluss mit Anderen ein bewusster, zielgerichteter Kämpfer/In, ja im vollen Sinne ein menschliches Wesen wird“? Zusammenschluß per se ist doch völlig beliebig und beileibe nicht per se vernünftig/fortschrittlich/gar revolutionär. Die Arbeiter sind doch schon zusammengeschlossen in ihren jeweiligen Betriebsgemeinschaften, DGB-Gewerkschaften und nicht zuletzt als Staatsbürger. Und leider jeweils mit dem dazu passenden lausigen Bewußtsein. Das gibt der IKSler ja selber zu:
„wird unser Lohnarbeiter bereits in die Klassengesellschaft hineingeboren, wächst in einer Familie, in einer Nachbarschaft auf, die bereits von der Lohnsklaverei abhängig ist – oder eben in eine andere Familie und eine andere Nachbarschaft, wo er bereits die Furcht davor kennengelernt hat, proletarisiert zu werden. Kurzum: Unser Lohnarbeiter ist kein Einzelner, sondern wächst in der bestehenden Gesellschaft auf und wird davon entscheidend geprägt.“
(Das „entscheidend“ wäre übrigens noch weiter zu bereden, das sehen viele GSPlerja leider auch so.)
Wenn die IKS dem GSP entgegenhält:
„Damit die moderne Produktion überhaupt vonstatten gehen kann, muss er lernen, Teil eines Kollektivs zu werden, Bestandteil einer gemeinsamen Intelligenz und eines Zusammenhaltes“
dann scheint mir dabei erstaunliche Blindheit vorzuliegen, was die harten Konkurrenzbedingungen bis Ausschlußklauseln sind, die diesen „Kollektiven“ und „Zusammenhalten“ eigen sind. Ich erkenne in sowas jedenfalls nicht wie der GSPler „konsequente Ablehnung von Nationalismus“ sondern die Dummheit diesen Zwangskollektiven „Intelligenz“ zu unterstellen.
Herzlich wenig kann ich anfangen mit solch transzendenten Formulierungen der IKS wie:
„Es ist nicht so, dass das kollektive Bewusstsein „getrennt“ wäre von dem individuellen Bewusstsein der einzelnen Lohnabhängigen, sondern dass das Proletariat mehr ist als die Summe seiner Bestandteile, und dass sein Klassenbewusstsein weitaus mehr ist als das Bewusstsein der einzelnen ArbeiterInnen.“
Was ist denn bitte schön das „mehr“, wenn ich es bei einem einzelnen kommunistischen Arbeiter nicht in der Diskussion mitkriege?
Ähnliche Bauchschmerzen habe ich mit der These
„Die assoziierte Arbeit im Rahmen der kapitalistischen Ausbeutung ist gewissermaßen der Sockel, die permanente materielle Grundlage des Klassenbewusstseins“.
Wenn man nicht dazu sagt, daß da knallharte Konkurrenz diese Assoziation bestimmt, dann kriegt das leicht etwas total Beschönigendes, dann bleibt unverständlich wo gerade wegen der weltweiten Vernetzung der Grund für diese offensichtlich mörderische imperialistische Konkurrenz herkommt.
Wenn die IKS dem GSPler zustimmt:
„Dieses Klassenbewusstsein ist, wie der Genosse unsere Position richtigerweise beschreibt, „latent“ vorhanden, und findet seinen klarsten und dauerhaftesten Ausdruck im Vorhandensein der revolutionären Theorie und der revolutionären Organisationen.“
dann halte ich dagegen: Die Arbeiter haben das Bewußtsein, das sie haben. Das mag einem passen (wenn man Reformist ist) oder auch nicht. Es ist aber ein sich in die Tasche lügen, wenn man den Arbeitern, die sich ja aus für sie guten Gründen für ihre Haltung zu und sichtweise auf die herrschenden Verhältnisse entscheiden haben, damit kommt, daß sie „eigentlich“ ein ganz anderes Bewußtsein hätten. Nein, es ist einfach nur die zugegebenermaßen schwierige Aufgabe, die Lohnabhängigen dazu zu bewegen, ihr bisheriges Bewußtsein fallen zu lassen und sich ein revolutionäres zuzulegen. Dafür die Erkenntnisse und damit Gründe zu liefern, das muß kommunistische Agitation und Propaganda leisten.
Die IKS meint:
„Damit dieses Potential sich entfalten kann und zu einer materiellen Kraft wird, muss aber der Klassenkampf sich entfalten.“
Ich bin eher geneigt den Satz umzudrehen und zu postulieren, daß es zu Klassenkampf im revolutionärem Sinne, der uns die Revolution näher bringt, nur dann kommt, insofern dieser von Arbeitern mit revolutionärem Bewußtsein geführt wird. Wenn nicht dann nicht. Und deshalb halte ich auch für falsch, wenn die IKS meint:
„Für uns hingegen ist der Marxismus selbst ein Produkt des kollektiven Klassenkampfes. Die revolutionäre Organisation selbst ist ein Teil der Klasse, Ausdruck von und aktiver, vorantreibender Teil des Klassenkampfes.“
Das klingt danach, als wenn kollektiver Klassenkampf per se, automatisch das bis dahin noch fehlende Klassenbewußtsein hervorbringen würde. Das zumindest sollte doch die Geschichte der Arbeiterbewegung der letzten 150 Jahre gezeigt haben, daß Erfahrungen (im Guten wie auch im Schlechten) den Menschen überhaupt nicht Bestimmtes beibringen. Den Reim auf seine Erfahrungen macht sich doch jeder selber. Wenn er falsche Erklärungen annimmt, dann landet er überall, nur nicht bei den Kommunisten. Es ist eben Unsinn, wenn die IKS vollmundig behauptet „ist der Kampf selbst nicht die große Schule der Befreiung der Arbeit?“ Genausowenig, wie Niederlagen und Katastrophen die Menschen klüger machen, genausowenig führen erkämpfte Verbesserungen zu einer „Verbesserung“ des Klassenbewußtseins, wie der nachhaltige Erflog von Reformisten eigentlich zeigen müßte.
Besonders offensichtlich wird dieser Fehler in der These der IKS:
„Das Klassenbewusstsein ist nicht nur mehr als die Summe der einzelnen Bewusstseinszustände, es ist auch mehr als der Bewusstseinsstand einer einzelnen Generation der Klasse, ist somit ein kumulativer Prozess“.
Schön wäre es, wenn das revolutionäre Bewußtsein so schön anwachsen würde wie ein Sparbuch von Oma zur Erstkommunion.