Weil mit dem Begriff des „interessierten Denkens“ allgemein recht viel Schindluder getrieben wird, hier ein wie ich meine interessanter Wortwechsel von contradictio aus dem Thread über Lars Quadfasels MG-Kritik
Jona am 6. Oktober, 10:03 Uhr
Apple behauptet:
“Diese Frage beantwortet man, so meine ich, indem man sich die Theorien der PÖ anschaut, ihre Fehler – so sie denn welche hat – aufzeigt und dann am Lauf ihrer Argumentation, theorieimmanent nachweist, dass da interessiert gedacht wurde. Smith fragt sich z.B. gar nicht, was der Wert ist, sondern wie der Wert – und damit meint er den produzierten Gewinn – auf die drei Klassen Kapitalbesitzer, Arbeiter und Grundeigentümer zu verteilen ist. ”
In der Tat ist es so, dass man erklären muss, warum die einen dem Fetisch aufsitzen, der Marx aber dahinterkommt. Dass Apple das gleich mit dem cui-bono-Argument macht, zeigt nur, dass GSP-Denke nichts als bürgerliche Ideologie ist. Man lese Holbach und man hat die ganze GSP-Priestertrugtheorie. Ihr kennt’s ja ohnehin nur “Interessen”, alles andere ist Euch Schmu. Warum fragt Smith nicht (ich dachte, man könne nicht erklären, warum einer was nicht denkt?)? Weil er interessiert ist! Das ist Apples Antwort. Aber warum ist er nicht interessiert? Weil er böse ist. Das wäre die neuerliche Antwort. Weil sein Interesse innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft geprägt wird und nicht rational durchblickt, was diese Gesellschaft ist, also dem Fetisch erliegt (innerhalb der fetischisierten Formen überhaupt erst gebildet wird) ist meine Antwort (und die von Marx)
Marx wirft der PÖ glücklicherweise nicht bloß “interessierte” Denke vor – das macht er vornehmlich mit der Vulgärökonomie. Er wirft Smith u.a. tatsächlich methodische Fehler vor (Smith hat sich im Material verloren, hat die Abstraktionen in der Analyse nicht weit genug getrieben, hat verschiedene Abstraktionsstufen der Erklärung vermischt) und zeigt, dass sie diese Fehler machen, weil sie den nur schwer zu entziffernden Erscheinungsformen der bürgerlichen Gesellschaft aufsitzen (das ist doch der Sinn der drei Bände, dass Marx auf jeder Ebene immer auch zeigt, wie hier der Reichtum in Gestalten erscheint, die sein wahres Wesen verdecken). Dass der Empirismus, entgegen Apples Behauptungen (“Smith hat natürlich nicht einfach nur “die Oberfläche” wiedergegeben, sondern versucht Erklärungen dafür zu bieten, warum die Dinge auf der Oberfläche so sind, wie sie sind.”), auf allen Ebenen der Smithschen Theorie wirksam wird, liegt einfach daran, dass Smith a) gar nicht beansprucht, “Erklärungen dafür zu bieten, warum die Dinge auf der Oberfläche so sind, wie sie sind” (Apple), weil er gar keine Unterscheidung von Wesen und Erscheinungsform hat (denn er hat ein empiristisches Selbstverständnis) und b) die – von außen als nichemprisch behaupteten – Aussagen von Smith anthropologisch sind (und so wieder Effekt des Fetischs, dass die Reichtumsformen als natürlich erscheinen). Althusser hat das irgendwo einen paradoxen “Empirismus des Wesens” gennant. Am besten zeigt sich das bei Smiths Wertbegriff und Arbeitswerttheorie, die rein empiristisch ist (Tausch resultiert aus Neigung zum Tausch; bewusste Arbeitsleidmengenrechnungen haben den Austausch in der Vergangeheit geregelt usw.) und gar keine Wesensebene kennt.
Also ist der GSP-Hinweis: “Die machen einen Fehler” richtig, aber der Fehler ist nicht nur durch schlechtes Nachdenken, sondern auch durch die Erscheinungsformen des Reichtums bedingt (nicht determiniert). Im Übrigen finden sich solche Fehler auch noch bei Marx und noch mehr bei Engels. Waren also offenbar bürgerlich-interessiert die Herren, oder was? Oder haben einen Fehler gemacht, weil sie zu blöd waren, oder was? Nein, weil es schwierig ist, sich dem Fetischismus zu entwinden. Warum das so ein nur voluntaristisch zu lösendes (“interessiertes Denken”) Rätsel sein soll, dass man nicht hinter die Frage der Wertentstehung kommt, das kann man nur behaupten, wenn man meint, die Menschen seien mit Marx’ ‘Kapital’ im Kopf geboren.
Hammacher on Oktober 6th, 2010 at 10:36:
Also Leute! Die einen sagen, die Fehler resultieren aus dem, Interesse, die anderen, sie resultieren aus dem Fetisch. Der GSP tut so, als gäbe es ein wie auch immer zu erklärendes blankes Interesse und dann kommen da Denkverbote an bestimmte Hirnregionen raus. Klar klar! So wird’s sein. Nur, dass dann noch mehr Determinismus waltet, als im Fetischismusansatz. Die Alternative wäre es, eine bewusste Boshaftigkeit anzunehmen (und damit wieder bei der Sündenfallgeschichte zu landen). Irgendwie unbefriedigend. Dann doch lieber das Argument: „Es liegt ja auf der Hand so zu denken, weils erstmal so aussieht“ und auch wenn man sich begrifflich abmüht, schießt einem die „Evidenz“, wie sich der Elbe vornehm ausdrückt, dazwischen.
Andererseits: Wenn man so mit VWLern zu tun hat, dann ist da auch massives Interesse, einfach karriereschädliches Denken anzuwehren, erst gar nicht in solche „Spinnerkreise“ wie GSP oder so zu geraten und außerdem führt das doch alles in de Gulag. Aber dass Smith kein wissenschaftliches Interesse hatte, das ist eine schöne psychologische Einsicht, die man erstmal gewinnen muss. Wo kann man das lernen, beim GSP? Und dass was böse interessiert ist, weils Falsch ist, ist eine ex-post-Konstruktion, wie sie in der VWL gang und gäbe ist, nur mit dem Nutzensteigerungsargument.
Apple on Oktober 11th, 2010 at 16:28:
@ Jona:
“In der Tat ist es so, dass man erklären muss, warum die einen dem Fetisch aufsitzen, der Marx aber dahinterkommt. Dass Apple das gleich mit dem cui-bono-Argument macht, zeigt nur, dass GSP-Denke nichts als bürgerliche Ideologie ist”
Wo steht bei mir das cui-bono-Argument? Bitte belege. Wo habe ich geschrieben, dass Smith so argumentiert, weil es jemandem nützt? Und wem soll das nützen? Irgendwelchen Kapitalisten? Oder Smith selbst? Inwiefern? Dergleichen habe ich nie behauptet. Weil du interessiertes Denken nicht von einer Lüge um eines (materiellen?) Vorteils Willen unterscheiden kannst – hättest ja mal nachfragen können, wenn es dir nicht klar war – soll ich ein cui-bono-Agument verwendet haben. Pfft.
“Warum fragt Smith nicht (ich dachte, man könne nicht erklären, warum einer was nicht denkt?)?”
Und wo habe ich diese Frage gestellt? Wiederum: belege das bitte mal. Sich zu fragen, was Menschen daran hindert das Richtige zu denken, ist die Suche nach einer Revolutionsverhinderungstheorie, die Leuten unterstellt, dass sie eigentlicheigentlicheigentlich den Verhältnissen kritisch gegenüber stehen sollten und dann wird danach gesucht, was diese eigentliche kritische Haltung behindert. Damit habe ich nichts zu schaffen und das habe ich auch schon kritisiert.
“Weil er interessiert ist! Das ist Apples Antwort. Aber warum ist er nicht interessiert? Weil er böse ist. Das wäre die neuerliche Antwort.”
Und das steht wo? Beleg? – Aber nein, warte. Das ist ja gar nicht meine wirkliche Antwort. Das ist nur die Antwort, die du dir ausgedacht hast und die “neuerlich wäre”, damit du mich als Idioten darstellen kannst. Das ist wirklich unterstes Niveau. Anstatt nachzufragen, wenn du dir unsicher bist, was ich meine, unterstellst du mir einfach irgendeinen Scheiß, der dir in den Kram passt, um meine Theorie schlecht zu machen. Blödmann!
“Weil sein Interesse innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft geprägt wird und nicht rational durchblickt, was diese Gesellschaft ist, also dem Fetisch erliegt (innerhalb der fetischisierten Formen überhaupt erst gebildet wird) ist meine Antwort (und die von Marx)”
1) Dass das Interesse innerhalb der bürgerlichenn Gesellschaft geprägt wird und nicht einfach nur “böse” ist, habe ich im Gegensatz zu deiner Unterstellung nie bestritten. Das ist aber überhaupt gar kein Einwand gegen meine Bestimmungen des ideologischen Denkens bei Smith, weil es zwei verschiedene Gegenstände sind, die da angesprochen werden. Der eine ist, wie in der bürgerlichen Gesellschaft Interessen gebildet und formuliert werden, EIN ANDERER ist aber, wie durch die bornierten praktischen Interessen der bürgerlichen Subjekte auch ihre Theoriebildung affiziert ist. Um den zweiten Gegenstand ging es aber in der Diskussion. Dass du alles zusammenschmeißt und gar keine Unterschiedungen und Vermittlungsschritte kennen willst – Hauptsache es kommt ein “Fetisch! Fetisch! Die Verhältnisse beeinflussen das Bewusstsein!” raus – ist nicht auf meinem Mist gewachsen, also schieb es mir nicht in die Schuhe.
2) Die Antwort darauf, dass Smith die Verhältnisse nicht rational, sondern falsch “durchblickt”, sit also die, dass er “nicht rational durchblickt, was diese Gesellschaft ist, also dem Fetisch erliegt”. Echt schlau. Jemand denkt nicht rational, weil er nicht rational denkt. Sowas hätte ich Marx nicht zugetraut.
“Marx wirft der PÖ glücklicherweise nicht bloß “interessierte” Denke vor – das macht er vornehmlich mit der Vulgärökonomie.”
Na, wenn Marx das nicht macht, schweige ich nun auch betreten. Wieso sollen sich der Nachweis von methodischen und inhaltlichen Fehlern und der des interessierten Denkens ausschließen? Erklär das mal.
“Dass der Empirismus, entgegen Apples Behauptungen (“Smith hat natürlich nicht einfach nur “die Oberfläche” wiedergegeben, sondern versucht Erklärungen dafür zu bieten, warum die Dinge auf der Oberfläche so sind, wie sie sind.”), auf allen Ebenen der Smithschen Theorie wirksam wird, liegt einfach daran, dass Smith a) gar nicht beansprucht, “Erklärungen dafür zu bieten, warum die Dinge auf der Oberfläche so sind, wie sie sind” (Apple), weil er gar keine Unterscheidung von Wesen und Erscheinungsform hat (denn er hat ein empiristisches Selbstverständnis) und b) die – von außen als nichemprisch behaupteten – Aussagen von Smith anthropologisch sind (und so wieder Effekt des Fetischs, dass die Reichtumsformen als natürlich erscheinen).”
Es stimmt nicht, was du Smith unterstellst. Ein großer Teil vom Anfang des “Wealth of Nations” dreht sich z.B. darum, dass Smith zeigen will, was den ständig wechselnden Preisen der Waren zugrunde liegt. Die auf der “Oberfläche” scheinbar chaotisch steigenden und fallenden Preise der Waren changieren, so Smith, um ihren “natürlichen Preis”, also ihren Wert und wie dieser Wert zustande kommt und wie seine Größe bestimmt ist – darum geht es im weiteren Verlauf des Buches. Smith hat also sehr wohl den Anspruch, “Erklärungen dafür zu bieten, warum die Dinge auf der Oberfläche so sind, wie sie sind” und deine Unterstellungen werden ihm nicht gerecht und sind deshalb gar keine richtige Kritik an ihm. Er hat sich für eine lange Zeit hingesetzt, um ein Buch zu schreiben, dass anderen Leuten was über die Ökonomie erklärt, also war sich sehr wohl dessen bewusst, dass dem Normalsterblichen die Dinge anders scheinen, als ihm, dem Wissenschaftler. Das ist eigentlich offensichtlich, wenn man das Buch liest, und das habe ich auch schon in meinem letzten Beitrag gepostet. Du gehst aber gar nicht auf mein Argument ein und wiederholst stattdessen lieber die hohlen Sprüche, die cuccurucucu und du von Heinrich gelernt haben.
Grade der Verweis auf den anthropologischen Gehalt der Smith’schen Ideologie ist eine Kritik an deiner Interpretation der Fetischkritik. Zu sagen, dass hier alle Leute unentwegt miteinander tauschen, ist gewiss der unittelbaren Anschauung des kapitalistischen Alltags entnommen – das ist die “Evidenz”, die einem sofort ins Auge springt. Diese Aussage ist aber auch keine ideologische. Sie stimmt voll und ganz. Zu sagen, die Menschen würden miteinander tauschen, weil es ihrem natürlichen Tauschtrieb entspricht, der allen hochentwickelten und vernunftbegabten Lebenwesen gemeinsam ist (so sagt es Smith), ist Ideologie, ist falsch – ist aber wiederum ganz bestimmt nicht der unmittelbaren Anschauung entnommen. In der unmittelbaren Anschauung erscheinen weder die Umgangsformen der kapitalistischen Gesellschaft noch die Reichtumsformen “als natürlich”. An der Weinflasche hängt ein Preiszettel, man legt Geld hin, wenn man sie mitnehmen will – eine einfache Sache, wo erscheint da bitteschön die Natur des Menschen o.ä.? “Natürlichkeit” ist eine gedankliche Leistung, die ein Phänomen als den Menschen für immer und ewig angehörigen behauptet. Wie sollte so etwas auf der “Oberfläche” erscheinen? Das tut es nicht, “Natürlichkeit” springt einem nicht ins Auge.
Ist dir eigentlich schon aufgefallen, dass wenn du die Fehler von Smith erklären willst, dir nicht mehr einfällt, als den Sachverhalt, dass Smith Fehler gemacht hat, zu widerholen. “Positivismus” und “Anthropologisierung” sind nichts anderes als Abkürzungen dafür, dass da jemand “nicht rational”, nicht tief genug unter die “Oberfläche” gedacht hat, dass er historisch-gesellschaftliche Verhältnisse als natürlich Ausstattung des Menschen beschreibt. Ich dachte gerade diese Fehler wollte man erklären, man wollte erklären, warum Smith die Sache nicht richtig wiedergibt, sondern naturalisiert. Du dazu: Dass er das macht “liegt einfach daran, dass […] die – von außen als nichemprisch behaupteten – Aussagen von Smith anthropologisch sind”. Das ist überhaupt keine Erklärung dessen, woher seine Fehler kommen, sondern eine Verschlagwortung seiner Theorie.
“Im Übrigen finden sich solche Fehler auch noch bei Marx und noch mehr bei Engels. Waren also offenbar bürgerlich-interessiert die Herren, oder was? Oder haben einen Fehler gemacht, weil sie zu blöd waren, oder was? Nein, weil es schwierig ist, sich dem Fetischismus zu entwinden.”
Du wolltest doch erklärt haben, warum Smith es im Gegensatz zu Marx nicht hingekriegt hat. Jetzt sagst du: weil es schwierig ist. Und was soll das jetzt erklären? War es zu Smith Zeiten schwieriger? Oder hat Marx nicht so viel Fetisch abbekommen wie Smith? Oder war Smith einfach “zu blöd”, um mit der Schwierigkeit umgehen zu können? Wie erklärt deine “Es-ist-schwierig”-Theorie den Unterschied zwischen Wissenschaft und Ideologie?
“Warum das so ein nur voluntaristisch zu lösendes (“interessiertes Denken”) Rätsel sein soll, dass man nicht hinter die Frage der Wertentstehung kommt, das kann man nur behaupten, wenn man meint, die Menschen seien mit Marx’ ‘Kapital’ im Kopf geboren.”
Bitte? Nochmal: “Interessiertes Denken” bedeutet nicht, dass man in seinen Büchern die Welt wegen persönlichen Nutzens bescheißt oder dass man unverbesserlicher Opportunist ist oder sowas. Interessiertes Denken bedeutet, dass man an den zu erforschenden Gegenstand mit sachfremden Fragen (= Interessen) heran tritt. So eine Theorie wie bei Smith kommt heraus, wenn man sich nicht fragt: Was ist Profit? – sondern: Wie lässt sich der Profit für den Wohlstand der Nation am nützlichsten unter den Klassen aufteilen. Und das ist keine ex-post-Feststellung, sondern das lässt sich anhand seine Theorie nachvollziehen und nachweisen, dass ihn diese Frage umtreibt. Wenn man – bevor man den Gegenstand wissenschaftlich bestimmt hat – an ihn mit Fragen a la, wie er für das nationale Gemeinwesen richtig handhaben soll o.ä., herantritt, dann kommen keine richtigen, sondern ideologische Bestimmungen raus. So etwas nennt man auch Instrumentalisierung der Theorie und es gibt sogar im bürgerlichen Wissenschaftsbetrieb Leute, die davon eine vage Ahnung haben. Das soll nicht heißen, dass jeder Fehler einen ideologischen Ursprung hat. Ideologien und Fehler sind nicht automatisch dasselbe.
Zum Schluss: Es gibt eine Mindestanforderung an jede Diskussion, nämlich die, dass man sich damit auseindersetzt, was der Diskussionspartner wirklich von sich gegeben hat, und nicht mit seinem eigens wild erfundenen Zeug. Beherzige das mal, dann klappt es in Zukunft besser mir dem Kritisieren.