Home > (1) MG + GSP > Ein Hoch auf das Wachstum!

Ein Hoch auf das Wachstum!

21. Oktober 2010

Auf FAZ.NET hat sich Georg Meck, stellvertretender Ressortleiter Wirtschaft sowie „Geld & Mehr“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, die aktuelle Riege der Wachstumskritiker vorgenommen und hält denen „Ein Hoch auf das Wachstum“ entgegen.
In schöner Mischung von Zynik und Optimismus nimmt er sich da die Prechts et. al. vor:

Wir vergiften die Atmosphäre, plündern den Planeten.“ So oder ähnlich gehört das zum Standardrepertoire aller Katastrophenpropheten seit dem Club-of-Rome-Aufschrei (“Die Grenzen des Wachstums“) vor bald 40 Jahren. Nun ist der Weltuntergang bisher gottlob ausgefallen, auch Wälder und Flüsse halten sich tapferer als befürchtet.

Leider ist es reihenweise beliebt, dem Kapitalismus vorzuwerfen, daß er in eine Katastrophe führen würde und ihm nicht vorzuhalten, daß er schon Tag für Tag eine Katastrophe ist. Insofern hat Meck es leicht, wenn er schreibt:

Die Welt ist schlecht. Die Welt ist ungerecht. Und alles endet böse. Ganz bestimmt.

Jedenfalls denkt (auch) er, daß mit dem bisherigen Ausbleiben des finalen Untergangs die Ausgangsdiagnose gleich mit hinfällig sei. Insofern denkt er da grundsätzlich nicht anders als Millionen von ehemaligen Realsozialisten, denen es auch gereicht hat, daß der Sieger der Geschichte nun eben der Kapitalismus ist und man sich dann nur darin einrichten kann und deshalb jegliche Grundsatzkritik verkneifen sollte.
Wie schön für jemand wie Meck, daß seine Zeitung in Deutschland erscheint. Seine Jubelmeldung:

Die Abgesänge auf die Marktwirtschaft waren voreilig, die Fabriken brummen wieder, Auto- und Chemieindustrie ziehen Deutschland aus der Krise, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wächst, die Menschen finden Beschäftigung, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Löhne steigen.

könnte er nämlich nur in einer handvoll Staaten des weltweit herrschenden Systems genauso rausposaunen.
Andererseits gebe ich zu, wo er Recht hat hat er Recht:

Sie bezweifeln, dass das BIP, die Summe aller Waren und Dienstleistungen, als Maßstab für Wohlstand taugt. Die Zufriedenheit der Leute werde nicht erfasst, wenden sie ein, was stimmt, aber nie der Anspruch war: Das BIP bemisst das Volkseinkommen, nicht das Volksglück

Nur, wieso ein Wachstum des Volkseinkommens sprich des Kapitals für und nicht gegen diese Welt sprechen soll, das bleibt er schuldig.
Geradezu ignorant bezüglich der systematischen Auswirkungen kapitalistischer Reichstumsproduktion formuliert er zynisch:

wer wollte den Hungernden und Ausgebeuteten in Afrika oder Asien die Möglichkeit nehmen, aufzuholen? Wie soll das Elend sich lindern ohne wirtschaftliche Dynamik? Es geht auch ohne Wachstum, Schluss damit, fordert dagegen eine wohlstandsverwöhnte Fraktion im Westen. Richard David Precht setzt sich offen dafür ein, das „künstlich befeuerte Wachstumsrad zum Stillstand“ zu bringen: „Ein Mehr an materiellem Wohlstand muss nicht sein und darf nicht sein.“ Was wohl der chinesische Wanderarbeiter dazu sagen würde? Oder der indische Bauer? Oder nur der Hartz-IV-Empfänger in Lüdenscheid?

Das seine wunderschöne „wirtschaftliche Dynamik“ genau dieses Massenelend sowohl voraussetzt als auch perpetuiert, das würde er als Argument nie und nimmer zulassen.
Es ist ja nicht so, daß unser welterfahrener Journalist weltfremd wäre, er sieht schon auch, was sein Wachstum so Alles produziert:

Überfischte Meere, Lecks auf der Bohrinsel, die bildungsferne Unterschicht, trostlose Talent-Shows, die Abholzung der Regenwälder – alles verrühren die Wohlstandskritiker zu einer trüben Suppe: Schuld ist im Zweifel die „Ökonomisierung“, die „Gewinnmaximierung“, die angewiesen ist auf Wachstum.

um dann geradezu irre ausgerechnet das als Lösung anzubieten, was die von ihm ja gar nicht bestrittenen Scheiße erst hervorgebracht hat: Noch mehr (Kapital-)Wachstum!

Kategorien(1) MG + GSP Tags:
Kommentare sind geschlossen