Folgende Anmerkungen habe ich auf Ingo Stützles Facebook-Seite zur Broschüre der Rosa Luxemburg Stiftung über die Staatsverschuldung gepostet, nachdem er dort folgenden Hinweis gebracht hatte:
“ Endlich ist die überarbeitete Fassung der Broschüre online und in lesbarer Form wieder lieferbar „:
“ Über Schulden finanzierte Ausgaben können zudem die gesellschaftliche Nachfrage stärken, so dass eine Krise schneller überwunden wird“
[und hier auch von mir umformatiert im Doc-Format zum Ausdrucken auf DIN A4]
Ja, warum machen denn dann die Staaten das nicht einfach? Weil sie eben selber wissen, daß „zu viele“ Schulden ihren Ruf ruinieren und sie dann zahlungsunfähig werden können, wie es ja manche Staaten gerade erleben mußten.
Auch der Satz:
„Eine Regierung kann also sehr wohl mehr ausgeben als sie einnimmt, weil sie mit den Ausgaben ihre Einnahmen erhöhen kann.“
ist doch nur eine Behauptung. Es müßte heißen, „solange sie …“ und nicht „Weil sie…“
Ein zentraler Punkt ist die mittlerweile wohl kaum noch zu bestreitende Tatsache:
„Die Staatsschulden mögen zwar nicht die Schulden der Bevölkerung sein. Doch haftet die Bevölkerung letztlich für die öffentlichen Schulden. Wenn Schulden abgebaut werden sollen, so muss die Bevölkerung höhere Steuern zahlen, länger auf die Rente warten, mehr arbeiten, weniger verdienen oder sich mit weniger staatlichen Leistungen begnügen. So macht der Staat aus seinen Schulden «unsere» Schulden.“
Das bedeutet, daß jetzt, wo das internationale Finanzkapital reihenweise bezweifelt, daß die kreditierten Staaten noch gut für weitere Kredite, für Kredite überhaupt sind, diese Staaten Himmel und Hölle in Bewegung setzen müssen, um ihre Bevölkerungen so drastisch zu verarmen, daß das Finanzkapital diesen verlorenen Glauben wieder gewinnt.
„Ohne Eingriffe wie Bankenrettung, Abwrackprämie oder Kurzarbeitergeld wäre die Wirtschaftsleistung in Deutschland viel stärker eingebrochen. Dennoch: Die Schuldenstandsquote stieg. Doch war dies kein Zeichen für staatliche Verschwendungssucht, sondern dafür, dass der Staat mit öffentlichen Geldern die Geschäfte der Unternehmen halbwegs am Laufen hielt.“
“Halbwegs“ ist hier das Codewort: Anders als bei der Nettoneuverschuldung eines Staates für im weitesten Sinne „investive“ Maßnahmen zur Wirtschaftsankurbelung ist die gigantische Zusatzverschuldung der letzten Jahre ja „nur“ das Ergebnis des Versuches, den Untergang der Bankenwelt zu verhindern, also deren aufgeblähten Werte nicht als nunmehr wertlos dastehen zu lassen sondern deren Kapitaleigenschaft zu bekräftigen. Und, Überraschung, jetzt bezweifelt das Finanzkapital, daß dieses Geld „gut“ angelegt wurde.
Wenn es heißt
„[es] wird versucht, über gesetzliche Regelungen das Lohnniveau zu senken, um den Unternehmen bessere Investitionsbedingungen zu schaffen, damit die Wirtschaftsleistung wächst und darüber die Schuldenquote sinkt.(13) In der Konsequenz bedeutet all dies, dass die Lohnabhängigen für die Krise zahlen. Aufgabe der Unternehmen und der Finanzmärkte ist es dagegen, viel Geld zu verdienen und so das Wirtschaftswachstum anzutreiben. Es ist also nicht so, dass «wir alle» sparen müssen. «Sparen» ist ein Umverteilungsprogramm.“
dann ist zu fragen, ja, was denn sonst? Soll wirklich behauptet werden, daß der Reichtum der Reichen wirklich anders vermehrt werden kann als durch die Verarmung der Massen. Diese offensichtliche Massenverarmung ist doch kein bloßer böser Spleen von durchgekanllten Marktfetischisten, die bei ernsthaftem Nachdenken und auf die Linkspartei hören auch vermieden werden könnte.
Besonders blauäugig, ja geradezu zynisch klingt für mich der folgende Passus:
„Anders als ein Unternehmen kann ein Staat im Falle einer Pleite aber nicht vom Erdboden verschwinden. Insolvenz bedeutet daher, dass eine Regierung mit ihren Gläubigern eine Erleichterung der Schuldenlast verhandelt: Schulden werden verlängert, gestrichen oder die Zinsen gesenkt. „
Diese „Erleichterungen“ gibt es doch nur, wenn der Schuldnerstaat noch seinen letzten Rentner mit den Füßen zum Fenster raushängt, wenn noch das letzte Staatssilber verscherbelt wurde und der „aufgeblasene“ Staatsapparat durch Massenentlassungen „saniert“ wurde. Mit einer bloßen „Feststellung“ ist es also wahrlich nicht getan.
“der Staat [ist]ein verlässlicher Schuldner, da er – im Gegensatz zu Unternehmen oder Privathaushalten – Geld einfach per Beschluss bei seiner Bevölkerung eintreiben kann.“
Wieder meine unschuldige Frage, warum hapert es denn dann an der Verläßlichkeit des einen und des anderen Staates?
Warum treiben die Problemkinder der internationalen Staatenwelt denn nicht „einfach“ die paar Milliarden bei ihren Bevölkerungen bei?
Ach, richtig, weil dann ihre nationalen Wirtschaften in den Keller fahren und die Staatseinnahmen zukünftig zusammenschnurren.
Wenn es heißt
„Selbst in normalen Zeiten bewerten Investoren die Staaten der Welt anhand eines schlichten Maßstabs: möglichst sichere und hohe Rendite. Sie behandeln Menschen, Betriebe, Länder und ganze Kontinente wie eine Maschine zur permanenten Geldvermehrung und unterwerfen sie diesem Maßstab. Das ist zwar in der Logik der Profitmaximierung rational, aber was soll daran vernünftig sein?“
dann bin ich geneigt, zu sagen, ja genau so ist es! Und unvernünftig ist es in der Tat auch! Aber, diese unerbittliche Logik gilt doch in diesem unserem System. Das ist doch die erklärte Logik, nach der sich alle richten und richten müssen. *In* diesem System geht es doch auch gar nicht anders. Denn das hinter der Frage stehende „Eigentlich müßte das Alles doch gar nicht sein, ihr braucht nur uns zu wählen und schon werden wir – natürlich mit der SPD zusammen – all das wieder zurückdrehen, was den Massen an Tort angetan wurde“, das stimmt doch gar nicht. Um das weg zu kriegen, müßte man leider erst mal den ganzen Kapitalismus wegkriegen. (und dazu muß man wahrscheinlich erst mal die Linkspartei und die SPD wegkriegen.)
“die EU [sehen] in den Lohnstückkosten einen wichtigen Indikator für «Wettbewerbsfähigkeit». Der Pakt sieht nun vor, dass die Lohnbildung in allen Staaten überprüft wird. Ziel sind moderate Lohnabschlüsse (vor allem im öffentlichen Sektor), steuerliche «Entlastung» des «Faktors Arbeit» und Arbeitsmarktreformen, die die Arbeit «flexibilisieren», also verbilligen sollen. Durch den Euro-Plus-Pakt wirken diese Lohnsenkungen nicht mehr wie (kritisierbare) politische Beschlüsse, sondern schlicht wie eine (zwangsläufige) Folge der Rechtslage.“
Wieder die Frage, wie anders soll den die Wettbewerbsfähigkeit, also die Profitabilität des Kapitals wieder hergestellt werden? Diese Politik ist/wäre doch nicht nur eine zwangsläufige Folge einer Rechtslage sondern zwangsläufige Folge aus dem Prinzip dieser Wirtschaften, daß es um Kapitalakkumulation gehen soll. Nur mit dem Wegräumen dieses Prinzips eröffnet sich eine „Alternative“, vorher, in diesem System nicht.