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Polemische Charakterisierung des Meinens

28. Oktober 2011

Wie man sehen kann (nämlich beim Blogger ofenschlot) sind es nicht nur die Anhänger des GegenStandpunkts, die von der hohen Schule des Meinens in unserer Gesellschaft nicht viel halten. Ofenschlot hat jedenfalls in einem Buch »Die idealistische Kritik des Willens. Versuch über die Theorie der praktischen Subjektivität bei Kant und Hegel.« (von einem Andreas Dorschel, ich kenn den nicht, aber ich lese ja auch keine Bücher) ein schönes polemisches Zitat zum Thema gefunden.

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  1. Wal Buchenberg
    28. Oktober 2011, 15:40 | #1

    Hallo neoprene,
    Ofenschlot lässt ja leider keine Kommentare auf seinem Blog zu. Ich hatte ihm schon ohne großen Erfolg angeboten, dass er seine klugen Blogeinträge im Marx-Forum verlinkt, damit man dort Kommentare abladen kann. Nun kann ich meinen Ofenschlot-Kommentar bei dir abladen. So klein ist unsere virtuelle linke Welt! Vielleicht solltest du es dir zur Gewohnheit machen, Ofenschlot bei dir zu übernehmen? 😉
    Mein Kommentar: Von diesem Dorschel wird ein philosophischer Popanz philosophisch elegant erlegt.
    Er sagt: als eigene Persönlichkeit poche „man auf die eigene Meinung, nicht weil man Argumente für sie anzuführen wüßte, sondern weil es die eigene ist“.
    Das ist entweder eine Tautologie oder ein Pappkamerad. Ein Pappkamerad ist es insofern, als Subjekte im wirklichen Leben nie ohne Argumente auskommen und immer Argumente suchen und finden, die ihren Standpunkt stützt. Subjekte mit eigener Meinung aber ohne eigene Argumente kommen im wirklichen Leben nicht vor.
    Es ist andererseits eine Tautologie, weil die „eigene Meinung“ nie auf Argumente gründet, sondern auf mehr oder minder schlecht durchdachte Erfahrung, auf Gewohnheit etc. Die „eigenen“ Argumente kommen immer nachträglich zur „eigenen Persönlichkeit“ hinzu.
    In dem ganzen Gedankengang Dorschels schimmert der der Frust des professionellen Argumentemachers durch, der mit seinen „richtigen“ Argumenten – außerhalb seiner Anhänger – immer nur auf taube Ohren trifft. Darin liegt auch die Gemeinsamkeit die du zwischen Dorschel und den Vertretern des „Gegenstandpunkts“ entdeckt hast. Beides sind Argumentemacher, die außerhalb ihres Anhangs immer nur auf taube Ohren treffen.
    Um noch meine „eigene Meinung“ nachzuschieben: Menschen ändern ihr Verhalten nicht durch neue Argumente. Es ist umgekehrt: Menschen ändern ihr Verhalten und entdecken daraufhin neue Argumente.
    Gruß Wal

  2. Knecht Ruprecht
    30. Oktober 2011, 20:12 | #2

    „In dem ganzen Gedankengang Dorschels schimmert der der Frust des professionellen Argumentemachers durch, der mit seinen „richtigen“ Argumenten – außerhalb seiner Anhänger – immer nur auf taube Ohren trifft. Darin liegt auch die Gemeinsamkeit die du zwischen Dorschel und den Vertretern des „Gegenstandpunkts“ entdeckt hast. Beides sind Argumentemacher, die außerhalb ihres Anhangs immer nur auf taube Ohren treffen.“
    Das spricht für sich weder gegen Dorschel, noch gegen den Gegenstandpunkt.
    „Um noch meine „eigene Meinung“ nachzuschieben: Menschen ändern ihr Verhalten nicht durch neue Argumente. Es ist umgekehrt: Menschen ändern ihr Verhalten und entdecken daraufhin neue Argumente.“
    Begründe die Behauptung mal.

  3. Akazienhonig
    31. Oktober 2011, 00:43 | #3

    > Begründe die Behauptung mal.
    Geht nicht. Ist nur eine Meinung.

  4. eine
    31. Oktober 2011, 10:30 | #4

    @WB
    Deine „Meinung“ klingt wie ein Paradoxon:
    Menschen kämen NIE ohne Argumente aus, während deren Meinung NIE auf Argumente gründe. Was denn jetzt?
    Wenn Argumente zum Meinen dazugehören, ist deren Inhalt auch nicht zu vernachlässigen bei der Meinungsbildung. Der Trick einer Meinungsäußerung besteht vielmehr im Relativieren aller Argumente durch den Hinweis auf deren Herkunft, so dass Inhalte nur noch als Ausdruck der Berechtigung genommen werden können, sie zu äußern. Jedes Meinen hat also sachliche Gründe, welche Rolle denen argumentativ beigemessen wird, hängt vom jeweiligen Interesse ab: Selbst wenn jemand bloß auf Lob für seine großartige Meinung und der damit veredelten Persönlichkeit aus ist, will der seine Geltung nicht beliebig herbeiführen, sondern für SEINE vorgebrachten Argumente anerkannt werden.

  5. Knecht Ruprecht
    31. Oktober 2011, 14:55 | #5

    @ Akazienhonig. Werd bitte nicht polemisch! 😀

  6. Wal Buchenberg
    31. Oktober 2011, 15:52 | #6

    Oben hatte ich „gemeint“: „Menschen ändern ihr Verhalten nicht durch neue Argumente. Es ist umgekehrt: Menschen ändern ihr Verhalten und entdecken daraufhin neue Argumente.“
    Nur ein Scherzkeks kann meinen, ich könne das nicht begründen.
    Ich stelle die Frage mal anders: Wie kommen die Menschen zu neuen/richtigeren Argumenten? Die Antwort der Argumentemacher lautet: Durch neue/richtigere Argumente.
    Die Argumentemacher wollen mithilfe von neuen/richtigeren Argumenten das Verhalten von Leuten ändern.
    Heißt: Die Argumentemacher wollen die Menschen vom Kopf her ändern. Das halte ich für eine fromme Idee.
    Argumente blamieren sich immer, soweit sie von den Interessen der Menschen unterschieden sind. Es sind nicht Argumente, die das Leben der Menschen (ihre Gewohnheiten und Interessen) bestimmen, sondern es ist das Leben der Menschen (ihre Gewohnheiten und Interessen), die ihre Argumente bestimmen.
    Tatsächlich ändern sich die Menschen durch geänderte Umstände und durch verändertes Verhalten, das auf veränderte Umstände reagiert. Die Menschen ändern sich nicht durch neue Argumente.
    Um es platt zu sagen: Die Menschen handeln, bevor sie argumentieren. Das Handeln der Menschen stärker als Argumente.
    Das jedenfalls ist mein Verständnis von Marx’ Meinung: „Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein (ihre Praxis), sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein (ihre Praxis), das ihr Bewusstsein (ihre Theorie) bestimmt.“ K. Marx, Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, 8f.
    Mag sein, dass mein Verständnis dieser These von Marx falsch ist, mag sein, dass diese These von Marx falsch ist.
    Alle Argumentemacher seien aufgefordert, mich mit Argumenten von meiner Meinung zu „befreien“.
    Nachträglich angefügt:
    Ich will aber noch eine Sache für Alle nachtragen:
    Meine Auffassung zu dem Sachverhalt habe ich (hoffentlich) hinreichend deutlich gemacht. Eine Fragestellung fehlt noch: Wie bin ich zu dieser meiner Meinung gekommen?
    Jedenfalls nicht durch Argumente. Die Argumente der Anderen sprachen und sprechen tausendmal gegen mich.
    Dass ich mich für die Gedankenwelt von Marx interessierte, war wohl zeitbedingter Zufall. Dass ich aus dieser Gedankenwelt nicht herausgewachsen bin, sondern sie mir ans Herz gewachsen ist, war Resultat meines Handelns und des Handelns Anderer.
    Ich wurde mein Leben lang von den Machthabern immer genügend „geprügelt“, dass mir mein Widerstandswille wach blieb, aber nie so viel, dass mein Widerstandswille und Geist gebrochen wären.
    Ebenso anders herum: In meinem Handeln war ich genügend erfolgreich, dass mein widerborstiges Selbstbewusstsein erhalten blieb, aber nie annähernd so erfolgreich, dass es sich für mich „gelohnt“ hätte, auf Marx und Widerständigkeit zu verzichten.
    Gruß Wal

  7. eine
    31. Oktober 2011, 16:23 | #7

    „es ist das Leben der Menschen (ihre Gewohnheiten und Interessen), die ihre Argumente bestimmen“
    Welche Gewohnheit denn, welche Interessen? Und wieso bestimmen die über dasselbe Denken, was Ausgangspunkt von Interessen und Gewohnheiten ist? Das Interesse z.B. am Ausländerklatschen soll für die Argumente sorgen, die der Grund von Ausländerfeindschaft sind? Das ist ein Zirkel: Ohne Einsicht in irgendwas können Leute sich mit keinem Interesse bewaffnen und im nachhinein auf Argumentsuche für etwas gehen, wovon sie nichts wissen.
    Bei Marx ist das übrigens eine Kritik am bürgerlichen Bewusstsein, das nicht mit „gesellschaftlichem Zwang zum opportunen Denken“ erklärt ist.

  8. Wal Buchenberg
    31. Oktober 2011, 16:38 | #8

    @eine,
    reden wir hier über bürgerliches Bewusstsein? Reden wir hier über „Zwang zum Opportunismus“? Das nennen Argumentemacher gewöhnlich „Themenwechsel“. Jedenfalls ist es eine Themeneinengung.
    Das Marx-Zitat bezieht sich auf Denken der Menschen, nicht nur auf „Denken der bürgerlichen Menschen“.
    Der Zusammenhang von Denken und Handeln bzw. von Theorie und Tun ist bei allen Menschen mehr oder minder gleich. Der Zusammenhang ist fundamental und hängt an ihrem Menschsein und nicht an ihrer Klassenzugehörigkeit.
    (So jedenfalls mein Verständnis von Marx und von diesem Sachverhalt).
    Gruß Wal

  9. _nobody
    31. Oktober 2011, 17:15 | #9

    Wal hat in einer bestimmten Hinsicht recht.
    Das könnten die Leute, die er „Argumentemacher“ nennt daran merken, dass die Idee, der sie nachlaufen – nämlich durch die Vermittlung von Argumenten die Gesellschaft zu ändern – durch ihre Praxis überhaupt nicht bestätigt wird! Seit Jahrzehnten laufen sie durch die Gegend, behaupten und tun so, als könnten sie mit ihren Arguemnten irgendwas bewegen und zeien alle, die sie darauf hinweisen, dass der Zusammenhang so wie sie ihn behaupten wohl nicht gelten kann der Benutzung des schlimmen, bösen Erfolgsarguments, das nichts weiter als eine Durchhalteparole für Leute ist, die nicht bereit sind der Nichtbestätigung ihrer Idee durch ihre Praxis die Frage zu entnehmen, was das Bewusstsein wohl dann bestimmt, wenn ihre Argumente das offensichtlich nicht können.

  10. _nobody
    31. Oktober 2011, 17:30 | #10

    @eine: Na so, wie Dein Interesse daran eine Revolution zu machen Deine Argumente bestimmt. Das gibt Dir vor, was ein Gegenstand von Interesse ist, wie, in welcher Form er sich für Deinen Zweck eignet usw.. Was Du tust bringt also zu einem wesentlichen Teil erst die Argumente hervor, die Du dafür entwickelst. angefangen als Linker hast Du vielleicht mit einer Idee davon, dass es den Leuten in der Gesellschaft nicht gut geht und dann hast Du dich nicht etwa gefragt, woher das kommt (das ist ein frommer Glaube), sondern hast gesucht und vielleicht auch selbst darüber nachgedacht welche Wahrheiten denn Dein Interesse bestätigen könnten.

  11. eine
    31. Oktober 2011, 18:27 | #11

    „Der Zusammenhang von Denken und Handeln bzw. von Theorie und Tun ist bei allen Menschen mehr oder minder gleich.“
    Du hast vergessen diesen Zusammenhang hinzuschreiben, wie soll man jetzt wissen, ob der wirklich immer gleich ist? Vielleicht diktiert dir ja bloß dein sachfremdes Interesse diesen immer gleichen methodischen Inhalt. Merkst du nicht, dass du selbst von „allen Menschen“ die Ausnahme sein willst, sobald du mehr als Babylaute von dir gibst?
    „nichts weiter als eine Durchhalteparole“
    Als wenn du irgendwas gegen Durchhalteparolen hättest! Dir kauf ich sofort ab, dass dein opportunistisches Interesse dein Denken bestimmt. Aber nicht einmal du gelangst ohne falsche Argumente oder verkehrte Schlussfolgerungen zu deinen Denunziationen – sonst würdest du dir selbst den Maulkorb verpassen, den du anderen nicht müde wirst anzuempfehlen.

  12. Knecht Ruprecht
    31. Oktober 2011, 18:32 | #12

    Wal widerspricht sich selbst. Einerseits soll das Verhalten die Argumente bestimmen, andererseits bemüht er sich hier, für diese Auffassung (untauglich) zu streiten mit dem Verweis auf ein von ihm missverstandenes Marx-Zitat. Der meint damit nämlich das Bewusstsein derjenigen, die in einer (kapitalistischen) Klassengesellschaft leben, nicht den Lebensalltag bestimmt. Man kann schuften und schuften und kommt trotzdem als Prolet zu nix. Man muss sich dem Kapital unterordnen und sich daran einrichten – auch mit dem Bewusstsein. Beispielsweise, wenn man Konkurrenten aussticht o.ä. – Eine Erkenntnistheorie des Denkens legt Marx an der Stelle nicht dar – das kann man dem Vorwort zu den Grundrissen nicht entnnehmen. Das hat nur der gesamte Ostblock und ein paar Wessimarxisten hingekriegt.
    Anyway: Wals Theorie widerlegt er selbst, weil er die Argumentemacher zu einem anderen Handeln, aber nicht zum Überdenken ihrer Argumente (mit Argumenten) hätte bewegen müssen.

  13. _nobody
    31. Oktober 2011, 21:37 | #13

    @Eine

    Als wenn du irgendwas gegen Durchhalteparolen hättest! Dir kauf ich sofort ab, dass dein opportunistisches Interesse dein Denken bestimmt.

    Sammle Dich und kehre ein! Selbstverständlich habe ich etwas gegen Durchhalteparolen, ich habe sogar etwas gegen jegliche Art v. Parolen. Dein Argument: Wenn ich nichts gegen Durchalteparolen hätte, könnte ich auch nichts gegen die Durchhalteparole „Erfolgsargument“ haben, legt eher nahe, dass Du nichts gegen solche Parolen hast, solange sie für die „richtige“ Sache sprechen.
    Natürlich bestimmt mein Interesse mein Denken. Das ist bei Dir nicht anders. Es fragt sich nur welche Interessen da unterwegs sind wie sie das Denken bestimmen. „Opportunistisch“ erscheint Dir mein Interesse nur, weil Du die Welt in Freund und Feind einteilst und die Leute, die Du nicht auf Deiner Seite wähnst für Feiglinge hälst, die sich der staatlichen Gewalt beugen. Die Möglichkeit, dass diese Leute inhaltliche Einwände gegen die Notwendigkeit haben, mit der Du auf Deine Feinschaftserklärung zum Staat kommst und vielleicht noch ein paar andere Sachen an Deinem Zeug bedenklich finden, hälst Du für ausgeschlossen, oder?

    Aber nicht einmal du gelangst ohne falsche Argumente oder verkehrte Schlussfolgerungen zu deinen Denunziationen – sonst würdest du dir selbst den Maulkorb verpassen, den du anderen nicht müde wirst anzuempfehlen.

    Dass Menschen bei dem, was sie tun denken, hat Wal meines Erachtens nie in Frage gestellt. Seine Behauptung ist, dass das Handeln für die Leute das Erkenntnisinteresse erzeugt, mit dem sie die Gegenstände ihrer Erkenntnis identifizieren, schließlich sollen ihre Erkenntnisse diesem Handeln dienen. Dass man auch dieses Handeln irgendwie begründet macht, da hast Du schon recht. Falsch an Deiner Behauptung ist, dass z.B. ein Ausländerfeind schon im Ausgangspunkt darauf kommt dass er stellvertretend für den Staat für die richtige Zusammensetzung der Bevölkerung sorgen muss, sondern der „lernt“ das irgendwann in Verfolgung seines Interesses. Der schaut mit seinem „Ausländer gehören nicht hierher“ in die Welt und insofern ändert ihn dieses Interesse und erschließt ihm Argumente und weitere Handlungsoptionen etc…
    Genauso ist das auch bei Kommunisten. Die sind davon nicht ausgenommen. Gemeinsam ist ihnen mit dem Ausländerfeind, dass sie ihre geistige Tätigkeit ihrem Interesse (ihrem Revolutionszweck, ihrer Feindschaft zum Kapitalismus etc…) unterordnen. Das bestätigen sie sich eben mit ihren Theorien.
    Eine Meinung ist übrigens nicht nur ein der Geltung der Person untergeordnetes Nachdenken, ein Instrument der Anerkennungspflege, sondern eine theoretische Äußerung in einer Gesellschaft voller Interessengegensätze. Die erzeugen nämlich die Formen unversöhnlichen Bewusstseins, die der Staat, indem er sie anerkennt zu bloßen partikulären Ansichten, zu Meinungen relativiert. Insofern widersprechen sich Argumente und Meinung nicht. Im Gegenteil – in einer Welt der Meinungen wird argumentiert, was das Zeug hält.

  14. Wal Buchenberg
    1. November 2011, 07:57 | #14

    Ich habe meine Ansicht mit einem Einzelbeispiel begründet, meiner politischen Kurzbiografie, um aufzuzeigen, dass die Lebensverhältnisse und das Handeln der Menschen sich Argumente suchen und schaffen, und nicht umgekehrt irgendwelche Argumente ein bestimmtes Handeln hervorbringt. (Dass es ein Handeln ohne Bewusstsein (ohne Argumente) gebe, hatte ich schon ganz zu Anfang ausgeschlossen.)
    Um die Sache abzurunden, will ich den Sachverhalt noch am historisch Allgemeinen aufzeigen:
    Seit es Kapitalismus gibt, gibt es auch Argumente gegen den Kapitalismus und diese Argumente gegen den Kapitalismus haben sich nur unwesentlich geändert.
    Wenn nun, wie Argumentenmacher unterstellen, richtige Argumente bei anderen Menschen richtige Gedanken und damit richtiges Tun hervorbringen würden, dann müssten die kapitalismuskritischen Argumente (und mit ihnen die kapitalismuskritischen Anhänger) mindestens eine lineare, wenn nicht eine potenzierte Ausbreitungsgeschwindigkeit haben. Nichts davon ist in der Geschichte zu sehen.
    Tatsächlich ist zu sehen, dass zu Lebzeiten von Marx seine Anhänger immer weniger wurden (was er selbst beklagt) und ansonsten kapitalismuskritische oder kapitalismusfeindliche Bewegungen in den letzten 200 Jahren ein Auf und Ab erlebt haben, die sich mit der Ansicht „richtige Argumente zeugen richtige Argumente“ nicht erklären lassen.
    Kapitalismuskritisches und kapitalismusfeindliches Tun lässt sich nicht mit dem Vorhandensein von kapitalismuskritischen Argumenten erklären. Und die Vermehrung von kapitalismuskritischem Verhalten ist nicht die Folge von Argumenten, sondern umgekehrt: Weil sich kapitalismuskritisches Verhalten vermehrt, vermehren sich die kapitalismuskritischen Argumente und ihre Anhänger. Das halte ich für geschichtlich erwiesen.
    Noch mal zur dem Zusammenhang von Bewusstsein und gesellschaftlicher Erfahrung/Sein. Erst hatte einer behauptet, Marx spreche nur von „falschem Bewusstsein“, das er auf gesellschaftliches Sein zurückführe. Das ist ziemlicher Käse. Marx sprach von „den geschichtlichen Menschen“.
    Und zweitens setzte Marx das Bewusstsein der historischen Menschen (was Argumente einschließt) selbstverständlich in Abhängigkeit von ihrem sozialen Tun, von ihrer Erfahrung, von ihrem gesellschaftlichen Sein.
    Was irgendwelche Sowjetmenschen darüber geschrieben haben, interessiert mich nicht und muss auch sonst niemanden interessieren.
    Deshalb nochmals den Gedankengang von Marx:
    „Das allgemeine Resultat, das sich mir ergab und, einmal gewonnen, meinen Studien zum Leitfaden diente, kann kurz so formuliert werden:
    In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozess überhaupt.
    Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein (ihre Praxis), sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein (ihre Praxis), das ihr Bewusstsein (ihre Theorie) bestimmt.“ K. Marx, Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, 8f.
    Gruß Wal

  15. eine
    1. November 2011, 08:59 | #15

    @no
    „die Leute, die Du nicht auf Deiner Seite wähnst, für Feiglinge hältst, die sich der staatlichen Gewalt beugen“
    Nein, das ist deine moralische Übersetzung meiner Beurteilung, weil ich dir deinen Opportunismus vorhalte, den du ja sehr offensiv vertrittst – beispielsweise mit dem Maulkorb für erfolglose Kritiker. Du argumentierst für die gedankliche Beugung unter deine Sittengesetze – nicht ohne gleichzeitig das Argumentieren deiner Kritiker an deren Misserfolg zu blamieren. Ein geständiger Widerspruch nebenbei: Argumente gegen das Argumentieren sind ein Taschenspielertrick, der dem Trickser wegen seiner Parteinahme nicht einmal auffällt. Es könnte dir allerdings auffallen, dass dein Argument auf dich selbst zurückfällt: Dein agitatorischer Misserfolg lässt dich bemerkenswerterweise nicht an deinen Ideologien zweifeln und lässt dich trotz deiner wenig handlungsorientierten Argumente auch nicht verstummen.
    „Der schaut mit seinem „Ausländer gehören nicht hierher“ in die Welt und insofern ändert ihn dieses Interesse und erschließt ihm Argumente und weitere Handlungsoptionen etc…“
    Nein, das geht nicht, KR hat es ausgeführt und du hast selbst schon angedeutet, was der Widerspruch ist: Die Interessen, die in eurem Zirkel für die Auswahl von Argumenten verantwortlich sein sollen, haben einen Inhalt (z.B. Ausländerfeindschaft), der bereits Einsichten und Argumente unterstellt, die diese bestimmte Interessensausrichtung ausmachen. In eurer Konstruktion eines leeren Interesses, das sich auf die Suche nach passenden Argumenten macht, gäbe es gar kein Kriterium z.B. für oder gegen Ausländerfeindschaft.
    Nochmal ganz einfach: JEDES Interesse unterstellt bereits eine Beurteilung dessen, woran es sich austoben will und sei es zunächst bloß die begriffslose Unterscheidung begehrter Gegenstände von anderen. Da nützt es auch nichts, das mit der Prozesshaftigkeit des Lernens zu vernebeln: Eine bestimmte Argumentauswahl lässt sich mit eurer offensiv vertretenen Unbestimmtheit von Interessen nicht erklären. Deswegen muss die Ausländerfeindschaft dem Interesse unterstellt werden, ohne als Argument kenntlich zu werden. Eine ganz schöne Eierei.
    Die Frage nach einem Argument bleibt also: Warum schaut einer als Ausländerfeind in die Welt, was macht sein Interesse aus, dazu zwingt ihn ja niemand?! Es sind doch längst jede Menge verkehrte Argumente gefressen, bevor jemand entlang den Interessen nationaler Gewaltmonopole die Welt missverstehen will.

  16. eine
    1. November 2011, 09:15 | #16

    Weil wir schon beim falschen Argumentieren sind: „Handeln“, „Praxis“, „Verhalten“ usw. sind exakt die Vokabeln, die man benötigt, um von jedem beabsichtigten Inhalt in der Realität abstrahieren zu können. Klar, wenn man erst Menschen unterstellt, die jenseits der Wirklichkeit besinnungslos „handeln“, „etwas praktizieren“, „sich verhalten“, muss man sich die Gründe z.B. für Ausländerfeindschaft als unwissenden Fehlgriff eines unreflektierten Verhaltens zurechtlegen.

  17. Wal Buchenberg
    1. November 2011, 09:24 | #17

    Hallo eine/r,
    ich will hier nicht über Ausländerfeindschaft diskutieren, du nicht über historische Menschen, ihre Geschichte und ihr Denken.
    Ende der Diskussion zwischen dir und mir.

  18. 1. November 2011, 09:43 | #18

    Mir kommt die sich ausschließende Gegenüberstellung von handelnden Aktivisten, die sich voll und ganz in die „Bewegungen“ einklinken und den abstentionistischen reinen Argumentemachern, die nicht aus ihrem Elfenbeinturm der reinen Wahrheit herauswollen und können eh affig vor:
    De fakto machen doch beide Fraktionen der Veränderungswilligen das gleiche: Sie schnallen ihren mehr oder weniger großen Rucksack mit mehr oder weniger stimmigen Argumenten auf und gehen dahin, wo sie Menschen erwarten, die ihnen davon etwas abnehmen. Da scheint den einen der eine Bewegungshaufen vielversprechender, dem anderen ein anderer. Auf jeden Fall eint sie das Bestreben, durch ihre Agitation dann dort Leute zu ihren Einsichten und Projekten rüberziehen zu können. Denn das sowas nicht automatisch kommt, ist ja erstens Ausgangspunkt der verschiedenen Projekte und soll zweitens ja gerade durch solche Interventionen befördert werden.
    Selbst jemand wie Wal, der oben ja recht eindeutig geschrieben hat:
    „Weil sich kapitalismuskritisches Verhalten vermehrt, vermehren sich die kapitalismuskritischen Argumente und ihre Anhänger. Das halte ich für geschichtlich erwiesen.“
    wird ja nicht müde, selbst hier nicht, für diese Sichtweise zu werden. Sowas wäre ja völlig überflüssig, wenn es auf Argumente eh nicht ankäme, jedenfalls in Zeiten ohne „kapitalismuskritisches Verhalten“.

  19. eine
    1. November 2011, 10:07 | #19

    @wal
    „ich will hier nicht über Ausländerfeindschaft diskutieren, du nicht über historische Menschen, ihre Geschichte und ihr Denken.“
    Das siehst du falsch. Wenn du zeigen könntest, z.B. wer welchen Gedanken wegen „der Geschichte“ hat (Ausländerfeindschaft war bloß ein Beispiel, du kannst ja ein anderes wählen), ginge die Diskussion auch weiter. Aber da fragt man natürlich: Äußerst du deinen Historismus in deinem Auftrag als „historischer Mensch“ oder willst du etwas über „den Menschen“ anhand deiner Schlussfolgerungen über vergangene Zeiten behaupten?
    Es bleibt also dabei: Argumente gegen das Argumentieren sind ein Täuschungsmanöver mit der Absicht, die eigenen Inhalte gegen Kritik zu immunisieren. Indem jegliches Argumentieren zum beliebigen Produkt unbestimmter Interessen verfabelt wird, soll gerade diese Überzeugung argumentativ plausibel sein. Naja.

  20. Wal Buchenberg
    1. November 2011, 11:06 | #20

    Hallo neoprene,
    die Gegenüberstellung, die du machst:
    „die sich ausschließende Gegenüberstellung von handelnden Aktivisten, die sich voll und ganz in die „Bewegungen“ einklinken und den abstentionistischen reinen Argumentemachern, die nicht aus ihrem Elfenbeinturm der reinen Wahrheit herauswollen“, war meines Erachtens nicht das Thema.
    Weder klinke ich mich als „Aktivist“ in Bewegungen ein, noch machte ich hier den „Argumentemachern“ irgend einen Vorwurf.
    Meines Erachtens war das Thema: Was erwartet einer von seinen Argumenten? Ich denke, in der Vorstellung der Argumentemacher sind die Argumente zentral und entscheidend.
    Ich verstehe meine Aufklärungsarbeit viel bescheidener als „Wegbereitung“. Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Wege entstehen, indem sie gegangen werden.“ Alles was man (meiner Meinung nach) tun kann, ist einen Weg zu ebnen, von dem man glaubt, dass er ans Ziel führt. Ob dann viele oder wenige auf dem richtigen Weg unterwegs sind, darauf haben die Wegemacher kaum einen Einfluss.
    Bei den Argumentemacher habe ich dagegen den Eindruck, dass sie sich als Wegweiser verstehen, und dann enttäuscht sind, dass die Leute nicht da abbiegen, wo die Argumentemacher ihren Wegweiser aufgestellt haben. Die Argumentemacher wollen Anhänger gewinnen und Proselyten machen. Das ist in sich schon eine frustrierende Angelegenheit.
    Noch frustrierender für alle Beteiligten ist es, wenn die Argumentemacher neben dem Weg stehen und den gehenden Leuten zurufen: „Ganz falsche Richtung!“ 😉
    Gruß Wal

  21. 1. November 2011, 11:57 | #21

    Wal, es wird dich jetzt vielleicht erstaunen, wenn ich dir in folgendem zustimme:

    „Ich verstehe meine Aufklärungsarbeit viel bescheidener als „Wegbereitung“. Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Wege entstehen, indem sie gegangen werden.“ Alles was man (meiner Meinung nach) tun kann, ist einen Weg zu ebnen, von dem man glaubt, dass er ans Ziel führt. Ob dann viele oder wenige auf dem richtigen Weg unterwegs sind, darauf haben die Wegemacher kaum einen Einfluss.“

    Selbst in deiner Beschreibung der Geisteshaltung der Argumentemacher sehe ich nichts Falsches. Ja, natürlich bin auch ich (der ich ja nun wirklich nichts anderes mache als Argumente) enttäuscht, „dass die Leute nicht da abbiegen, wo die Argumentemacher ihren Wegweiser aufgestellt haben.“ Es geht doch nicht um Beliebigkeiten wie „Zum Taco-Laden links, zum Pizzabäcker rechts“. Sondern darum, daß ich selbst dann, wenn ich nicht mit Bestimmtheit sagen kann, was „richtig“ wäre, in vielen Fällen jedenfalls schon mal sagen kann, daß das „falsch“ ist, was da so viele Bewegte sich so Denken und dementsprechend dann tun (zumeist machen die dann ja auch nur aufgemotzte Propaganda wie jetzt die Occupy-Bewegung z.B.) Ja, ich will natürlich Anhänger gewinnen, die auch mit „richtigen“ Auffassungen weitermachen. Und ich gebe auch zu, daß es frustrierend ist, wie wenige man tatsächlich erreicht. Übrigens nicht nur bei denen, denen man zurufen muß „Ganz falsche Richtung!“ Nur, was soll ich in meinem Frust denn nun anders machen als bisher?

  22. eine
    1. November 2011, 16:31 | #22

    nun, dann bleibt mein beitrag wohl spam …

  23. 1. November 2011, 16:39 | #23

    Mann eine, das muß man mir doch sagen!

  24. 1. November 2011, 17:07 | #24

    Wenn man chinesische Weisheiten zitiert, scheint mir das auch nichts anderes zu sein als ein Umgang mit dem Misserfolg. Argumente sind bloß eine Bedingung dafür, dass einer sein Bewusstsein ändert. Dazu muss er sich erstmal auf ein Argument einlassen, d.h. er muss davon Abstand nehmen es an seinem Interesse zu messen und es nach seinem sachlichen Gehalt beurteilen. Dann können Argumente die Urteile ändern auch das Handeln ändern. Das ist die einzige Möglichkeit, wie Agitation funktionieren kann, aber eben nicht muss.
    Dass die „historischen Menschen“ dieses Angebot nicht annehmen und Argumente normalerweise nur unter der Perspektive der Brauchbarkeit fürs Zurechtkommen beurteilen, das ist leider im Moment bei den meisten so. Daraus lässt sich jedoch keine Gesetzmäßigkeit basteln, dass „der Mensch“ ganz prinzipiell so gestrickt sei, dass immer sein „Verhalten“ „Sein“ „wasauchimmer“ sein Bewusstsein bestimmt. Das kommt mir im übrigen viel defätistischer vor als die Enttäuschung erfolgloser Argumentemacher. Das erklärt mir jedenfalls, wie man auf solche stoischen Weisheiten kommt. Der politische Avantgardist ist sich seines Weges sicher, und wird gar nicht mehr berührt davon, dass er einen Weg bereitet für Leute, die ihn partout nicht gehen wollen.

  25. _nobody
    1. November 2011, 20:07 | #25

    @eine
    Zum Opportunismus: Ich weiß nicht so richtig, was Du damit meinst. Es ist auf jeden Fall eine wahre Feststellung, dass die Behauptung Agitation sei das Mittel die Gesellschaft zu ändern durch die Praxis der K-Gruppen und kommunistischen Parteien nicht bestätigt wird. Sie haben es mit ihren Argumenten in keinem Fall dazu gebracht den gesellschaftlichen Willen so zu beeinflussen, dass sie die Gesellschaft ändern konnten. Die Konjunkturen ihrer Anhängerschaft standen nie in irgendeiner Korrelation zur Verfügbarkeit ihrer Argumente oder zur Frequenz mit der sie sie ihren Adressaten unterbreitet haben.
    Ob diese Bemühungen ein Fehler sind, entscheidet sich an dieser praktischen Nichtbestätigung der Agitation als Mittel zur Änderung der Gesellschaft noch nicht, falls Du das mit meinem vermeintlichen Opportunismus gemeint hast. Ich behaupte also nicht „weil das nicht geklappt hat ist es falsch das zu versuchen“, aber ich behaupte sehr wohl, dass der Vorwurf „Erfolgsargument“ eine Durchhalteparole ist, die die Befassung mit diesem Missverhältnis verhindern will. Es ist ja ein wirklicher Zusammenhang behauptet, der sich standhaft weigert mal wirklich zu werden.
    Dass diese Bemühungen ein Fehler sind, ergibt sich aus der Stellung der Menschen zu ihren gesellschaftlichen Verhältnissen. (Allerdings muss man noch genauer festhalten, worin dieser Fehler besteht und welche Wirkung er hat). Die Insassen der hiesigen Gesellschaft entwickeln ihre Bedürfnisse nämlich an diesen Verhältnissen, verwandeln sie, indem sie sie in die gesellschaftlichen Mittel ihrer Verfolgung kleiden in Interessen und stellen ihre geistige Tätigkeit auf den Dienst an diesen Interessen ab. Das heißt nicht, dass sie nur legitimatorische Gedanken produzieren, sondern sie suchen in ihrer erklärenden Wendung auf die Welt Wahrheiten die ihren Interessen helfen. Und dieser Standpunkt: Theorie, Wahrheit muss in einem Nützlichkeitsverhältnis zu den verfolgten Interessen stehen, die selbst nicht Gegenstand dieser Theorien sind, ist eine sehr grundsätzliche Vorsortierung dessen, womit man sich geistig überhaupt befasst. Die Idee die Gesellschaft durch Agitation ändern zu wollen ignoriert dieses Verhältnis und darin ist sie ein Fehler und man bekommt mit dieser Idee den oben festgehaltenen praktischen Bescheid. Man bekommt mitgeteilt, wie viele Leute tatsächlich bereit sind ihre Interessen theoretisch zu hinterfragen,d.h. dass die Annahme, die man zugrundegelegt hat, dass die Mitglieder einer Gesellschaft geistige Tätigkeit als etwas anderes auffassen als Dienst an ihren Interessen zu sein, schlicht und ergreifend nicht zutrifft. Nimmt man das nicht an, startet man so ein Projekt nicht.
    Damit ist das Projekt die Gesellschaft zu ändern, indem man durch Agitation versucht eine gesellschaftliche Mehrheit zu erzeugen, nicht mehr als eine Möglichkeit unter beliebig vielen anderen. Man kann die Möglichkeit theoretisch nicht ausschließen, es spricht aber auch nicht viel dafür, dass sie eintritt, dass man mit der Agitation etwas in der Hand hätte die Gesellschaft zu ändern. Und dann ist es ein Fehler sich von so einer Möglichkeit in dem, was man tut, bestimmen zu lassen, weil sie nämlich von anderen Möglichkeiten (z.B. einer staatlich beschlossenen Abschaffung der Produktionsverhältnisse) nichts unterscheidet. Es ist eine reine Glaubensfrage die eine Möglichkeit für realistischer als andere zu halten. Im Augenblick ist keine Möglichkeit der Überwindung der Verhältnisse realistisch. Das ist der 2. Fehler den man da macht. Man leitet dann nämlich nicht aus dem Wissen, das man über die Gesellschaft hat den nächsten Schritt ab (‚Was wäre in der jetzigen Situation seine Konsequenz?‘), sondern man stellt die eigene Tätigkeit in den Dienst einer Möglichkeit an die man mehr glaubt als an andere Möglichkeiten. Und damit stellt man sich genauso zur Welt wie die Bürger. Die Verfolgung dieser Möglichkeit (gewaltsamer Umsturz, Revolution, Zwang der Minderheit durch die zusammenagitierte Mehrheit zum Kommunismus etc…) ist dann nämlich das Interesse, zu dem man die eigene erkennende Tätigkeit in ein Nützlichkeitsverhältnis stellt. Das Thema, was man dann hat, ist eben nicht mehr die Erklärung der Gesellschaft, sondern man fahndet an ihr nach Momenten die sie als änderungs- oder abschaffungswürdig erscheinen lassen, die Leute der eigenen politischen Mengenlehre zuführen sollen. Und das ist auch Ideologie und auch für diese Ideologie gilt, dass sie nicht unbedingt nur Fehler produziert. Weil hier wie bei jeder erkennenden Tätigkeit der Anspruch besteht, dass die Wahrheit für das ihr vorausgesetzte Interesse sprechen soll. Ideologie ist also, das Erkennen der Gesellschaft in ein Nützlichkeitsverhältnis zu Interessen zu stellen, wie es die Naturwissenschaften mit ihren Gegenständen tun. Dass das bei der Gesellschaft nicht geht liegt daran, dass die Interessen selbst Teil des zu erkennenden Gegenstandes sind.
    Am obigen Beispiel: Mit dem unhinterfragten Zweck Revolution machen zu wollen, die selbst gestellte gesellschaftliche Mengenaufgabe durch Agitation lösen zu wollen, ergibt sich eben eine „Wahrheit“, die die Vertreter dieser Ideologie für die Erklärung der Gesellschaft halten. Was ihnen dabei nicht auffällt, ist, dass sie als Gesellschaft nur wahrnehmen, was ihnen mit ihrem Blick in die Verhältnisse als Gegenstand auffällt oder brauchbar erscheint und das die Darstellung der Gesellschaft selbst eine ist, die ihrem vorausgesetzten Interesse entspricht. Und so führt die Stellung, die sie einnehmen und das Handeln, das sie daraus ableiten eben mit der Zeit zu etwas, wozu mir eigentlich nur Kokon oder sowas einfällt. Die Mitglieder so eines Zusammenhangs hausen sich in ihrem Gebäude ein, trainieren sich gegenseitig ihre spezielle Wahrnehmungsart, ihre Konstruktion der Gesellschaft an und nehmen sie über ihre Schriften auch nur so wahr. Der Rest der Welt produziert aus ihrer Perspekive nur Fehler, wie sie durch den Vergleich ihrer Schriften mit den anderen feststellen.
    Hier muss man sagen, dass Marx in vielen Schriften einen anderen Blick auf die Welt, d.h. eine andere Erkenntnisperspektive als die des Kämpfers für „die Interessen“ o.ä. hatte und die muss man eigentlich einnehmen. Man muss den Anspruch haben Erklärung der Gesellschaft auf der Höhe der Wissenschaft der Zeit zu betreiben, man muss eine Fusion des Wissens über die Gesellschaft anstreben. Nicht in dem Sinn, dass man alle Beiträge addiert oder zusammenmauschelt, sondern indem man andere Interessen und daraus resultierende andere Erkenntnisperspektiven nachvollzieht und prüft, was an den darüber ermittelten Gegenständen richtig erklärt ist. Indem man das tut harmonisiert man selbst das, was man weiß mit dem, was man als richtig an anderen Theorien findet und es ergeben sich darüber die Kategorien, in denen die Gesellschaft auf der Höhe der Zeit zu erfassen ist. Es ist einerseits nicht so, dass die bürgerliche Wissenschaft nur falsches Zeug produziert, auch sie sucht nach Wahrheit und andererseits ändert sich die Gesellschaft ständig.
    Mit diesem Wissen befriedigt man sich zunächst einmal selbst ein Bedürfnis, nämlich das die Verhältnisse, in denen man zurechtkommen muss erklären zu können, begründet zu leben. Das ist das einzige Bedürfnis, was die Erklärung der Gesellschaft befriedigt und dass man damit der Befriedigung aller Bedürfnisse näher käme ist eine interessierte Lüge von Kommunisten, die einen damit zum Element ihrer gesellschaftlichen Mengenlehre machen wollen. Die erste Generation solcher Kämpfer segnet ohnehin in den Kämpfen die sie provozieren das Zeitliche. Wenn man wirklich Wert darauf legt die eigenen Bedürfnisse befriedigt zu bekommen stellt man sich da also besser ein bisschen weiter hinten an, denn nur da hat man überhaupt die Möglichkeit den Kommunismus lebend zu erreichen.
    Der nächste Schritt (also nicht irgendeine Möglichkeit) ist im Augenblick ganz einfach dieses Projekt öffentlich zu betreiben. Wieviel Öffentlichkeit man damit erzeugt, hat man nicht in der Hand. Und solche Ansätze gibt es ja glücklicherweise. Und damit ist auch klar, dass z.B. die Agitationswürste des GSP zwar nicht gänzlich falsch, aber eben Produkte einer verkehrten Stellung zur Welt sind und selbstverständlich auch Fehler enthalten, die die GSPler aber nicht gelten lassen – was nicht verwunderlich ist.

    …. weil ich dir deinen Opportunismus vorhalte, den du ja sehr offensiv vertrittst – beispielsweise mit dem Maulkorb für erfolglose Kritiker. Du argumentierst für die gedankliche Beugung unter deine Sittengesetze – nicht ohne gleichzeitig das Argumentieren deiner Kritiker an deren Misserfolg zu blamieren.

    Ich blamiere das Argumentieren meiner Kritiker (?!) nicht an deren Misserfolg, sondern halte für falsch was sie machen. Nicht nur aus den obigen Gründen. Ich bin auch nicht opportunistisch, beuge mich keiner Gewalt, sondern sehe einfach keinen vernünftigen Grund sie herauszufordern. Im Gegenteil, das halte ich für einen Widerspruch zu dem Zweck, um den es Kritikern dieser Gesellschaft gehen müsste – nämlich Schädigungen zu überwinden. Das macht man nicht, indem man einen zusätzlichen Gegensatz etabliert, dessen Ausgang man überhaupt nicht in der Hand hat. Das ist falsch!

    Ein geständiger Widerspruch nebenbei: Argumente gegen das Argumentieren sind ein Taschenspielertrick, der dem Trickser wegen seiner Parteinahme nicht einmal auffällt. Es könnte dir allerdings auffallen, dass dein Argument auf dich selbst zurückfällt: Dein agitatorischer Misserfolg lässt dich bemerkenswerterweise nicht an deinen Ideologien zweifeln und lässt dich trotz deiner wenig handlungsorientierten Argumente auch nicht verstummen.

    Nur, dass ich keine Argumente gegen das Argumentieren aufgeschrieben habe, sondern gegen den Glauben den gesellschaftlich durchgesetzten Willen durch Agitation ändern zu können. Dass man die Möglichkeit hat auch seine Interessen zu hinterfragen und manche das auch tun ist dadurch nicht ausgeschlossen. Der Widerspruch, den Du festgestellt haben willst beruht also auf einem Missverständnis deinerseits.

    Nein, das geht nicht, KR hat es ausgeführt und du hast selbst schon angedeutet, was der Widerspruch ist: Die Interessen, die in eurem Zirkel für die Auswahl von Argumenten verantwortlich sein sollen, haben einen Inhalt (z.B. Ausländerfeindschaft), der bereits Einsichten und Argumente unterstellt, die diese bestimmte Interessensausrichtung ausmachen. In eurer Konstruktion eines leeren Interesses, das sich auf die Suche nach passenden Argumenten macht, gäbe es gar kein Kriterium z.B. für oder gegen Ausländerfeindschaft.

    Ein leeres Interesse hat kein Mensch behauptet und es hat auch niemand behauptet, dass bei Interessen keine Einsichten (auch Erfahrungen sind Einsichten) unterstellt wären. Nur haben diese Interessen, wenn man sie nicht reflektiert eben Konsequenzen dafür, wie man in die Welt schaut. Sie erzeugen also eine Erkenntnisperspektive und darüber neue Gegenstände und Argumente. Die Argumente, die man sich darüber einleuchten lässt sind dann Resultate der Interessen und es ist eben nicht so, wie Du behauptest, dass die Leute erst von A-Z eine Theorie über die Gesellschaft entwickeln und ihre Interessen bloße Resultate dieser allem vorausgesetzten Theorie sind. Da irrst Du Dich.

    Nochmal ganz einfach: JEDES Interesse unterstellt bereits eine Beurteilung dessen, woran es sich austoben will und sei es zunächst bloß die begriffslose Unterscheidung begehrter Gegenstände von anderen. Da nützt es auch nichts, das mit der Prozesshaftigkeit des Lernens zu vernebeln: Eine bestimmte Argumentauswahl lässt sich mit eurer offensiv vertretenen Unbestimmtheit von Interessen nicht erklären. Deswegen muss die Ausländerfeindschaft dem Interesse unterstellt werden, ohne als Argument kenntlich zu werden. Eine ganz schöne Eierei.

    Nochmal ganz einfach: Bring doch mal ein Zitat, in dem das leere Interesse behauptet wird. Dann weiß ich auch, worüber Du reden willst.

    Die Frage nach einem Argument bleibt also: Warum schaut einer als Ausländerfeind in die Welt, was macht sein Interesse aus, dazu zwingt ihn ja niemand?! Es sind doch längst ede Menge verkehrte Argumente gefressen, bevor jemand entlang den Interessen nationaler Gewaltmonopole die Welt missverstehen will.

    Na und? Ist es denn so, dass der Standpunkt, den der Ausländerfeind dann einnimmt ihm keine Probleme mehr stellt? Hat er da keinen Klärungsbedarf mehr? Ist der Klärungsbedarf, den er dann entwickelt kein Resultat seines Interesses?

  26. 1. November 2011, 22:30 | #26

    „die Annahme, die man zugrundegelegt hat, dass die Mitglieder einer Gesellschaft geistige Tätigkeit als etwas anderes auffassen als Dienst an ihren Interessen zu sein, schlicht und ergreifend nicht zutrifft.“

    Dass das nicht zutrifft, kann man aber erst nach erfolgloser Agitation wissen. Denn weder steht irgendwo geschrieben oder ist irgendwo festgelegt, dass das Denken bloßer Dienst am gesellschaftlich vordefinierten Interesse ist. Es gibt ja schließlich auch Leute, die das anders entscheiden. Eine Notwendigkeit, dass Nachdenken nur dem Zurechtkommen oder Erfolg dient, gibt es nämlich auch nicht.

    „Nimmt man das nicht an, startet man so ein Projekt nicht.“

    Das ist eben nicht wahr. Man startet so ein Projekt, weil das Überzeugen die einzige Chance ist, die kapitalistischen Verhältnisse abzuschaffen und dabei ist klar, dass es keine Garantien für Erfolg gibt.

    „Die Idee die Gesellschaft durch Agitation ändern zu wollen ignoriert dieses Verhältnis und darin ist sie ein Fehler“

    Quatsch. Es ist doch kein Fehler, das Interesse am Zurechtkommen zu ignorieren und die falsche theoretische Stellung, die daraus entspringt. Das wäre ja noch schöner, wenn man als Kommunist aus deren falschem Bewusstsein ableitet, dass Agitation ein Fehler sei.

    „Damit ist das Projekt die Gesellschaft zu ändern, indem man durch Agitation versucht eine gesellschaftliche Mehrheit zu erzeugen, nicht mehr als eine Möglichkeit unter beliebig vielen anderen.“

    Ja? Welche kennst du denn noch? Da wäre ich echt interessiert dran? “ (z.B. einer staatlich beschlossenen Abschaffung der Produktionsverhältnisse)“ LOL. Ah ja klar. Und wie soll der Staat, der die zugehörige Gewalt der kapitalistischen Gesellschaft ist, so plötzlich darauf kommen, noch dazu, wenn es keine Kommunisten gibt, die die Staatsagenten dahingehend agitiert haben?
    „Im Augenblick ist keine Möglichkeit der Überwindung der Verhältnisse realistisch.“ Langsam entwickelst du dich nicht nur zum Antikommunisten, sondern zum antikommunistischen Spießer. Realistisch ist eine gesellschaftliche Umwälzung nie, wenn es wenige gibt, die sie wollen. Das ist nichts anderes als ein verwandeltes Erfolgsargument.

    „Das Thema, was man dann hat, ist eben nicht mehr die Erklärung der Gesellschaft, sondern man fahndet an ihr nach Momenten die sie als änderungs- oder abschaffungswürdig erscheinen lassen,“

    Ehrlich – als müsste man da lange fahnden, als würde der Kapitalismus nicht selbst seine Sauereien zur allgemeinen Befassung auf die Tagesordnung setzen, als müsste man die Wahrheit verdrehen, um den Kapitalismus abschaffungswürdig erscheinen zu lassen, als wäre Erklärung der Gesellschaft und ihre Kritik ein Gegensatz.

    “ Mit dem unhinterfragten Zweck Revolution machen zu wollen, „

    LOL. Bei dir ist dieser Zweck vielleicht unhinterfragt. Die Leute, die hier unterwegs sind, wissen aber ganz genau, warum sie das wollen und haben das sehr gründlich hinterfragt.

    „Es ist einerseits nicht so, dass die bürgerliche Wissenschaft nur falsches Zeug produziert, auch sie sucht nach Wahrheit und andererseits ändert sich die Gesellschaft ständig.“

    Rabarber rababer rabarber.

    „Mit diesem Wissen befriedigt man sich zunächst einmal selbst ein Bedürfnis, nämlich das die Verhältnisse, in denen man zurechtkommen muss, erklären zu können, begründet zu leben.“

    Du darfst nicht von dir auf andere schließen. Wenn du aus der Erklarung der Gesellschaft ein Selbstverwirklichungsprogramm machen willst, ist das deine Sache. Anderen geht es aber nicht so. Die wollen tatsächlich noch den Kapitalismus abschaffen, weil das eine ständige Scheiße ist und nicht bloß weil sie „begründet leben“ wollen.

    „Ich blamiere das Argumentieren meiner Kritiker (?!) nicht an deren Misserfolg, „

    Na klar tust du das! Denn Revolution ist ja so unrealistisch. “ beuge mich keiner Gewalt, sondern sehe einfach keinen vernünftigen Grund sie herauszufordern.“ Und wer Leute agitieren will, der tut dann nicht das, sondern will damit eigentlich die Staatsgewalt herausfordern. Na dir kann man diesen Vorwurf jedenfalls nicht machen. Du versuchst sogar freiwillig Kommunisten davon zu überzeugen, das Agitieren zu lassen, weil das Agitieren dem falschen Bewusstsein des Bürgers nicht recht gibt.

    “ Im Gegenteil, das halte ich für einen Widerspruch zu dem Zweck, um den es Kritikern dieser Gesellschaft gehen müsste – nämlich Schädigungen zu überwinden.“

    Du bist ein verlogener Wixxer. Oben schreibst du doch hin, dass es dir bloß darum geht „begründet zu leben“ und dass sich Kommunisten angeblich was in die Tasche lügen, wenn sie sagen, dass sie Schädigungen des Kapitalismus abschaffen und eine bessere Bedürfnisbefriedigung erreichen wollen. Jetzt hältst du den Kritikern den Zweck, den du eben kritisiert hast, als Ideal hin, um das, was sie tun, daran zu blamieren. Dabei sollen sie die Gewalt des Staates zum Grund machen, ihr Anliegen zurück zu ziehen, weil es ihnen eigentlich ja nur um das Ideal „Schädigungen vermeiden“ ginge. Das ist eine wirklich hintervotzig infame Einseiferei, die du da betreibst, um unerfahrene Interessierte vom Kommunismus abzubringen. Denn auf Leute, die sich auskennen, kannst du mit diesen Verrenkungen ja kaum meinen, Eindruck zu machen.

    „Bring doch mal ein Zitat, in dem das leere Interesse behauptet wird.“

    Man muss nicht alles explizit behaupten. Das leere Interesse ergibt sich aus der Behauptung Interessen, Verhalten, Handeln würde die theoretische Stellung zur Welt bestimmen. Wenn man das nämlich inhaltlich denken würde, wäre man sofort bei der Frage, was das Interesse bestimmt und deren Grundlage sind eben die Urteile über die Gesellschaft. Man könnte die gesellschaftlichen Interessen (das gesellschaftliche Sein) also nicht zum Argument gegen die Agitation des falschen Bewusstseins machen.

  27. Wal Buchenberg
    2. November 2011, 09:19 | #27

    Hallo,
    an dem Argumentenaustausch, (der für mich vorläufig beendet ist), fand ich bemerkenswert, dass es länger als sonst dauerte bis der Diskussionsverlauf in Feindseligkeit mündete.
    Der schnellste Weg in einen feindseligen Diskussionsverlauf ist die Methode: Entlarve deinen Gegenüber!
    Das läuft so ab: Man reagiert nicht auf das Gesicht, das der Gegenüber dir zeigt, und man antwortet nicht auf die Argumente, die er vorbringt, sondern man nimmt Gesicht und Argumente als Maske, hinter der das „wahre Gesicht“, die „wirklichen Absichten“ verborgen sind.
    Die „Entlarvung“ sucht nach verborgenen Absichten und geheimen Zwecken hinter den vorgebrachten Argumenten.
    So wurde auch hier „entlarvt“:
    Zitat 1) „Wenn man chinesische Weisheiten zitiert, scheint mir das auch nichts anderes zu sein als ein Umgang mit dem Misserfolg.“
    Zitat 2) „Argumente gegen das Argumentieren sind ein Täuschungsmanöver mit der Absicht, die eigenen Inhalte gegen Kritik zu immunisieren. Indem jegliches Argumentieren zum beliebigen Produkt unbestimmter Interessen verfabelt wird, soll gerade diese Überzeugung argumentativ plausibel sein.
    Zitat 3) „Du bist ein verlogener Wichser …“
    Bei solcher „Entlarvung“ wird nicht mehr mit dem Gegenüber gesprochen, sondern über ihn. Das Gespräch/die Diskussion wird zur Gerichtsverhandlung, bei der die „Entlarver“ Staatsanwalt und Richter in einer Person sind.
    Sokrates wollte das Richtige aus seinem Gesprächspartner herausholen, das jener – unbeachtet und unverstanden – schon in seinem Kopf hat. Hier handelt sich um eine Umkehrung der Sokratischen Methode: Es wird das (vermutet) Falsche hervorgeholt, das der andere im Kopfe hat.
    Und wird diese Entlarvungs-Methode auch noch ohne Rückfrage angewandt, dann wird nur das aus dem fremden Kopf herausgeholt, was der Argumentemacher fälschlich in den fremden Kopf hineingelesen hat.
    Diese „Entlarvungsmethode“ halte ich für einen wesentlichen Faktor beim Umgang der Argumentemacher mit ihren Gesprächspartnern und dem folgenden Frust auf beiden Seiten.
    Gruß Wal

  28. 2. November 2011, 09:40 | #28

    Hallo Wal,
    an diesem Argumentenaustausch (der er ja auch gewesen ist) fand ich hingegen erstaunlich, wie lange es dauerte, bis du ausgestiegen bist. Oder noch genauer, daß du überhaupt eingestiegen bist. Sonst hast du das ja weder hier noch auf ähnlichen Blogs bisher gemacht. Und das hat ja wohl auch seine Gründe: Ganz offensichtlich geht es dir um was anderes, als den Leuten hier, denn sonst würden „wir“ uns „alle“, ja entweder auch bei dir oder irgendwo „hier“ treffen. Und man müßte sicherlich nicht lange inhaltlich abklopfen, um das auch an der einen oder anderen wichtigen Frage feststellen zu können (Z.B. deine Thesen und Forderungen zur Finanz- und Staatskrise).
    Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn du nun deinen wahrscheinlichen Wiederausstieg mit einem Generalvorwurf gegen alle „Argumentemacher“ begründest, den du an einem in der Tat häufiger festzustellenden Vorgehen, der „Entlarvung“ aufhängst. Mir scheint, dir kam die nicht ganz überraschende Verärgerung Krims (der übrigens auch hier nicht nur und nicht mal in erster Linie diese Verärgerung über dich vorgebracht hat) wie gerufen. Es gibt ja wahrlich auch viele andere Linke, die „hier“ partout nicht mitdiskutieren wollen. Zumeist, weil sie auch was anderes vorhaben.

  29. Knecht Ruprecht
    2. November 2011, 10:55 | #29

    Neoprene: Wal ist schon zu Zeiten des MF immer wieder „eingestiegen“. Das war nie der Punkt. Konsequent ist auch immer wieder sein eingeschnappter Ausstieg, weil er – da gebe ich Dir recht – tatsächlich was anderes will. Denn wer der Ansicht ist, dass ein Argument zu einer Sache letztlich nur das Abfallprodukt eines Interesses ist (klassischer Fall von Ideologie, was der da meint), dann ist es klar, dass man an dem Verhalten, der Historie oder anderen sachfremden Fragen herumdoktort.
    Widersprüchlich – darauf wurde schon meinerseits verwiesen – ist dann aber freilich, Texte zB in einem Marx-Forum zu schreiben. Die ändern keine Interessen und machen auch keine Wege, indem man sie geht oder so. Aber das muss Wal selber aushalten.
    Was anderes ist es aber – und da kann man nochmal entlang nachdenken – wenn man sich vielleicht Wals doch sehr exemplarische Ideologie über Erkenntnis und der daraus folgenden pol. Praxis vornimmt. Die ist nämlich nicht auf die Einzelperson Buchenberg beschränkt, sondern recht verbreitet. Womöglich schaut man mal, was noch so offen ist.
    @ Krim,
    Alter, lass den doch endlich mal und nutze deine Zeit besser für die Agitation. Der Typ ist durch, seine Trollerei vorhersehbar und du kannst deine (klugen) Gedanken echt für wichtigere Auseinandersetzungen verbrauchen. Das ist doch Verschwendung.

  30. 2. November 2011, 11:02 | #30

    Ich will ja nicht verhehlen, daß ich Wal auch schon länger „kenne“. Und weiß, daß da viel in der Tat verlorene Liebesmühe wäre. Selbst dein ja korrekter Hinweis auf die innere Widersprüchlichkeit des Projekts Wal Buchenberg.
    Wichtig finde ich aber deinen Hinweis auf seine Erkenntnisideologie und dem von ihm postulierten Verhältnis von Erkenntnis und pol. Praxis. eigentlich hat nur das mich aufhorchen lassen, gerade, weil er da für sehr viele spricht, mit denen man es auch sonst in der ideologischen Auseinandersetzung zu tun hat.

  31. Apple
    2. November 2011, 11:42 | #31

    Der schnellste Weg in einen feindseligen Diskussionsverlauf ist die Methode: Entlarve deinen Gegenüber!

    Und leider bist du es, der schon mit dem ersten Kommentar diesen Weg beschritten hat.
    Im Zitat von Dorschel geht es überhaupt nicht um die Frage, wie Meinungen entstehen, ob hinter Meinungen Argumente und Erfahrungen stehen, ob Meinung und Handeln sich durch Argumente ändern lassen oder nicht. Das alles ist nicht Thema des Zitats. Dorschel setzt sich mit einer Art und Weise, in der eigene Ansichten vorgebracht werden, auseinander, die er so charakterisiert: „Ich für mich sehe das so und ich rede hier natürlich nur für mich und will im übrigen nichts gesagt haben, das aber in aller Deutlichkeit…“ Dazu wird gesagt, dass jemand der seine Ansichten so, also als Meinung, vorbringt, diese gegen Widerlegungen immunisiert, es ihm also offensichtlich auch nicht darum gehen kann, ihren Inhalt von anderen auf Stimmigkeit prüfen zu lassen. Stattdessen geht es so einem Menschen darum, wie Dorschel sagt „als komplette Persönlichkeit (eine mit eigener Meinung) anerkannt und respektiert (zu) sein„.
    Man braucht die Ausführungen von Dorschel ja nicht richtig zu finden und kann/soll sie dann kritisieren – nur: mit der Frage, ob das Sein das Bewusstsein der historischen Menschen bestimmt oder nicht, hat das, was Dorschel von sich gibt, gar nichts zu tun.
    Dein Argumentenaustausch bestand also darin, aus dem Zitat von Dorschel etwas raus zu leiern, was dort nicht drin steht, um es dann zu widerlegen und als einen weiteren Beweis dazu anführen zu können, wie verkehrt frustrierte Argumentenmacher argumentieren. Wenn das keine Entlarvung („Man reagiert nicht auf das Gesicht, das der Gegenüber dir zeigt, und man antwortet nicht auf die Argumente, die er vorbringt, sondern man nimmt Gesicht und Argumente als Maske, hinter der das „wahre Gesicht“, die „wirklichen Absichten“ verborgen sind.„) sein soll.

  32. 2. November 2011, 12:48 | #32

    Der Entlarvungsvorwurf ist ja selbst auch eine Entlarvung, indem die Argumente die in der jeweiligen Kritik stehen, gar nicht inhaltlich zur Kenntnis genommen werden, sondern unter die Rubrik „Entlarvung“ subsumiert werden und dadurch entlarvt werden als Diffamierungsversuch. Praktisch daran ist, dass man sich auf die jeweilige Kritik gar nicht mehr einlassen muss, weil sie ja als Entlarvungsversuch entlarvt ist.
    Inhaltlich trift der Vorwurf der Entlarvung auf die angegebenen Beispiele 1-3 nicht zu. Das Argument das Wal als Indiz für Entlarvung anführt heißt: das Gegenüber wird nicht angesprochen. Dafür gibt es aber viele Gründe, die nicht unbedingt auf einen Entlarvungsversuch hindeuten. Zitat 2 charakterisiert beispielsweise ein allgemeines Argumentationsmuster, das sich deshalb nicht auf eine kronkrete Aussage eines konkreten Gegenübers bezieht. Zitat 1 war auch mehr als persönliche Feststellung gemeint und nicht als Entlarvung, was man auch daran erkennt, dass dem „entlarvten“ Wal kein großartiger Vorwurf gemacht oder nachgesagt wird. Wal geht eben so mit dem Mißerfolg um, dass er sich als einsamer Wegbereiter versteht. Damit ist eigentlich er gar nicht angegriffen, sondern lediglich sein Angriff auf die gefrusteten Argumentenmacher relativiert. Zitat 3 ist auch keine Entlarvung, sondern eine handfeste Beschimpfung, die zu nichts gut ist außer dazu meinem Ärger öffentlich Luft zu machen. Wal wird übrigens in diesem Beitrag hier nicht angesprochen, weil er sich aus der Diskussion verabschiedet hat.

  33. eine
    2. November 2011, 17:49 | #33

    Nochmal ergänzend zu dem Kürzel „Argumente gegen das Argumentieren“ (zitat2):
    Wer will findet natürlich auch hier wieder „Entlarvung“, weil Fehler aufgezeigt werden. Der deutlichste Widerspruch ist der, dass in durchaus kritischer Absicht jede Menge Argumente vorgebracht werden, deren Inhalt ist, dass das Argumentieren selbst ein nutzloses Mittel sei. Dieses „Argument“ soll aber ausgerechnet wieder ein Inhalt sein, den man nicht als interessiertes Denken abtun soll …
    Abgesehen von der Heuchelei zielt das Argumentationsmuster auf eine prinzipielle Relativierung vorgebrachter Kritik, ohne sich mit dem jeweiligen Inhalt zu befassen (s.o.). Deswegen führt dann das Beharren auf die Prüfung von Inhalten auch unweigerlich zum Abbruch der Diskussion, eine Auseinandersetzung z.B. mit der Skeptizismuskritik soll nicht sein. Wenn alle Argumente nämlich inhaltsbereinigt als Interessengeleitete den Anstrich subjektiver Beliebigkeit bekommen haben, ist man beim Meinen angekommen und darf als Träger seiner individuellen Spinnerei stolz darauf sein, dass es eine ganz eigene ist.
    Das Meinen ist wegen dieser Vorschrift, vom konkreten Inhalt zu abstrahieren und alle inhaltlichen Äußerungen auf die Tatsache einzudampfen, DASS sie Interessen entspringen, umgekehrt so folgenlos: jeder Blödsinn ist gleichermaßen (un-)gültig, weil sein Inhalt („interessengeleitet“, „historisches Produkt“) ohnehin nicht interessiert – weil die Meinungsfreiheit für die Unwirksamkeit der Meinungsabsichten sorgt.

  34. 2. November 2011, 19:43 | #34

    Entlarvung zielt außerdem auf eine moralisches Bloßstellen des Gegenübers ab. Man zieht ihm die schöne verbergende Larve vom Gesicht, damit dahinter die eigentliche häßliche Fratze jedem offenbar wird und sich jeder angewidert abwenden soll. Das wahre Gesicht ist ein Widerspruch zur allgemein geltenden Moral, weswegen es vom Inhaber mit einer Maske kaschiert werden muss. Eine solche moralische Bloßstellungsabsicht ist der hier geäußerten Kritik wirklich nicht zu entnehmen.

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