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Archiv für die Kategorie ‘(1) MG + GSP’

Das Geld — Von den vielgepriesenen Leistungen des schnöden Mammons

10. Mai 2007 15 Kommentare

Der GegenStandpunkt Verlag wird in den nächsten Tagen ein Buch übers Geld herausbringen. Darauf wurde ja schon vereinzelt hingewiesen, so auch von ascetonym. Hier nur das Ende des Vorworts:

Um … die Aufmerksamkeit interessierter Zeitgenossen zu schärfen – also nicht, um Marx’ Ableitung des Geldes zu verbessern oder zu ersetzen –, hat das Autorenkollektiv, das den Gegenstandpunkt zu verantworten hat, schon in etlichen älteren Publikationen gegen den guten Ruf des Geldes polemisiert, in anderen Aufsätzen wichtige einzelne Argumente ausführlich dargelegt. Weil die geistige Lage der Nation, Linke und antikapitalistisch eingestellte Globalisierungskritiker eingeschlossen, nicht besser geworden ist, legen wir einige dieser Artikel in mehr oder weniger überarbeiteter Form wieder vor, ohne vor der Wiederholung zentraler Gedanken zurückzuschrecken – außer der Hoffnung, dass der eine oder andere Leser an einer Stelle merkt, was er an einer anderen überlesen hat, steckt keine tiefere Absicht dahinter. Der letzte Aufsatz über Das Geld des Staates geht über diesen Zweck einer Verständnishilfe für Marx’ ominöse „Arbeitswertlehre“ dann ein Stück hinaus: Er behandelt Dinge, die Marx in seinen Büchern über den Staat und über den Weltmarkt abgehandelt hätte, wenn er zu denen noch gekommen wäre.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf einen Blog hinweisen, auf den MPunkt vor einer Weile gestoßen war: Amelie Lanier Sie hat sich „mit der österreichischen Wirtschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts, vor allem mit dem Kreditwesen, der Geschichte der Banken, der Börse, der Wertpapiere.“ beschäftigt. So wie sie es macht, offensichtlich leider eine zumehmend brotlosere Zunft.

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Veranstaltung: „Linksruck“ in Lateinamerika

8. Mai 2007 Kommentare ausgeschaltet

ascetonym hat zu Chavez & Co folgenden Veranstaltungshinweis (für Berlin) gepostet:

Am Donnerstag, den 10. Mai, um 19 Uhr, referiert Theo Wentzke im Großen Saal des “Max und Moritz” (Oranienstr. 162, Nähe U-Bhf Moritzplatz) zum Thema “Linksruck” in Lateinamerika. Den Ankündiger kann man bei der Gruppe Kein Kommentar nachlesen. Zum entsprechenden Artikel aus dem GegenStandpunkt 1-07 geht es hier und dann da lang

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Zur Chavez-Euphorie

7. Mai 2007 2 Kommentare

Der letzte Jour fix des GegenStandpunkts in München fängt so an.

Am Ende des Artikels über Lateinamerika steht: ‘Die Linken hoffen auf Weltverbesserung und glauben eine andere Welt sei möglich’. Wie ist diese Kritik gemeint?
Zum einen: Wenn man Chávez als Hoffnungsschimmer bestimmt, ist das Anspruchsniveau für Hoffnung sehr niedrig. Klar: In einem Land, in dem es elend zugeht, ist schon ein warmes Essen ein Fortschritt. Aber wenn kritische Geister aus der 1. Welt, in der solche Sachen doch zu den Selbstverständlichkeiten eines normalen Lebens gehören, das als Hoffnungsschimmer bestimmen, dann ist das eigenartig. Zum andern: Wenn die Betonung auf ‘ist möglich’ liegt, ist die Verwirklichung in der Hoffnung noch nicht mal übermäßig eingeschlossen.
Dass man hierzulande sogar als Hartz-IV-Empfänger unter Verhältnissen lebt, die man für ein Land wie Venezuela als wünschenswert hinstellt, das ist ein Zeichen dafür, wo Macht und Reichtum zu Hause sind – das ist sogar noch an den Opfern abzulesen. Sich dann auf den Standpunkt der Möglichkeit einer anderen Welt zu stellen, die nicht daran abgelesen wird, was wir hier zustande bringen, sondern was unter besonderen Bedingungen (die im Artikel erläutert sind) ein wohlmeinender Präsident eines 3.-Welt-Landes zustande bringt; das ist so ein eigenartiger Blick auf die Welt. Sie machen die Möglichkeit von Veränderung ausgerechnet da fest, wo die bestimmenden Mächte dieser Welt nicht zu Hause sind, sondern in ihrer Peripherie tätig werden. Der Standpunkt sollte hier am Schluss vom Artikel angegriffen sein, mit der Bemerkung: Jetzt suchen sie sich mal wieder in der 3. Welt eine veränderungsmäßig hoffnungsstiftende Idylle. Wie viel Einverständnis mit der Welt, wie sie gemacht wird, darin liegt, wenn man die Kritik und die Chance auf Veränderung in der hinterletzten Ableitung des Imperialismus sucht und findet, das ist das Eigenartige.

Bei Theo Wentzke fängt das immer euphorischer an. Da braucht er schon mal ein kurzes Nachdenken um Chavez „Volksbefreiung“ vernünftigerweise dann doch als Versuch wieder zurückzunehmen.

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Revolutionäre Praxis und Karl Held

5. Mai 2007 5 Kommentare

Wenn man bei Google nach „Revolutionäre Praxis Karl Held“ sucht, kann man zwar schnell auf meinem Blog landen (und ich finde es dann in den Referern), aber den alten Kämpen bringt man nicht so leicht mit dieser Sorte Praxis zusammen, jedenfalls bei Google. Als ich daraufhin weitergesucht habe, auch wieder bei Google, bin ich auf folgendes nur noch antiquarisch erhältliche Buch gestoßen:
GAJO PETROVIC (HG.) Revolutionäre Praxis. Jugoslawischer Marxismus der Gegenwart.
Freiburg: Rombach, 1969, 1. Aufl., 286 S., OLn.-Band (ohne Schutzumschlag) (Sammlung Rombach NF, Bd. 3) Ins Deutsche übertragen von Karl Held.

Ist das der Karl Held gewesen, denn wir jetzt immer noch im Impressum des GegenStandpunkts finden können?

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Geld oder Leben! Ein Querverweis

29. April 2007 2 Kommentare

Wenn man sich die (beeindruckend lange, sowas kriege ich nicht überraschenderweise lange nicht zusammen) Referer-Liste der Leute von der Bundestagsaktion die Tage anschaut, oder die Unmenge Kommentare dort durchforstet, stößt man zumeist auf mehr oder weniger demokratisches, welch Wunder, bei dem was die Leute selber so sagen. Deshalb kommt es auch nicht überraschend wenn „iggy“ dort schreibt: „Ich finde eure Kritik gut. Sie spricht ca. 80% meines Bekanntenkreises aus der Seele. Es war schon längst überfällig zu zeigen das wir als Volk uns nicht alle vom Mainstream der Medien verdummen lassen und die Zusammenhänge sehen.“ Aber ein „Genosse“ hat die sich dort gebotene Gelegenheit genutzt, un ein paar links gepostet, die ich ebenfalls zur Beachtung empfehlen möchte.
Insbesondere freut es mich, daß ein „Juan Torres“ sich des Grundsatzartikels aus dem GegenStandpunkt Heft 1 aus 2006 angenommen hat: „Das Volk: Eine furchtbare Abstraktion„. Er verweist nämlich auf eine PDF-Version des Artikels bei/von MPunkt (die ich dort übersehen hatte), die ich bei meinen Downloads ebenfalls zur Verfügung stellen möchte.

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Freerk Huisken zu: Kritik — Wie geht das?

23. April 2007 Kommentare ausgeschaltet

Am kommenden Dienstag gibt es wieder die Gelegenheit Freerk Huisken an der Freien Uni Berlin zum Thema “Kritik – wie geht das?” zuzuhören und darüber zu diskutieren:
KRITIK – WIE GEHT DAS?
Datum: 24.04.2007
Zeit: 18.00 Uhr
Ort: Hörsaal 1A, Silberlaube (Habelschwerdter Allee 45, U Dahlem-Dorf)
Referent: Freerk Huisken

An kritischen Zeitgenossen mangelt es wahrlich nicht. Durch Rundfunk und Fernsehen, durch den “Spiegel“ und die “Bild-Zeitung“, durch die freie Wissenschaft und die konkurrierenden Parteien aufgeklärte Erdenbürger machen es sich geradezu zur Pflicht: kritisch zu sein.
Diese Haltung gilt als ebenso modern wie ehrenwert. Dabei erklärt sie das Kritisieren zu einem Anspruch, der immer und überall fällig und berechtigt ist – als ob es nicht ein wenig davon abhinge, was einer vor sich hat, wenn er Einwände vorbringt.
Mit der Allgegenwart des “kritischen Bewusstseins” hat freilich auch nicht die Kritik ihren Aufschwung genommen: populär geworden ist der kategorische Imperativ, Gott und die Welt mit Verbesserungsvorschlägen zu überschütten. Die begründete Ablehnung einer Sache – jenes theoretische Handwerk, das den Namen ‚Kritik’ verdient – ist so gut wie ausgestorben. Weil sich die mündigen Bürger, als Zeitungsleser, Gewerkschafter, Fußballtrainer und Globalisierungsgegner jedes Nachdenken über ihre kleinen und großen Lebensumstände ausschließlich als Sorge um sie zurechtlegen.
Die ganze nationale demokratische Mannschaft übt sich pflichtbewusst in der absurden Disziplin der konstruktiven Kritik, ganz als ob es das selbstverständlichste von der Welt wäre, dass aus Einwänden Verbesserungsvorschläge folgen. An allem, woran rechtschaffene Bürger Anstoß nehmen, wollen sie auch hilfreich mitwirken.
Im Geiste konstruktiver Kritik zeigen die Medien Verständnis für die “Probleme” des weltweiten Mord und Totschlags, für jedes Dilemma der Macher beim Staatshaushalt und Stimmenfang – um dann beim Wetterbericht radikal-kritisch zu werden – “für die Jahreszeit zu warm”!
Das muss man sich erklären.
Inhaltliches zum Gegenstand kann man auch in diesem Text lesen und in diesem Vortrag von Karl Held aus dem Jahre 1989 hören.
Vormerken sollte man sich auch den weiteren Vortrags- und Diskussionstermin des Sozialreferats:
am 31.05. sind “Der G-8-Gipfel und seine Gegner” Thema des Referats von Egbert Dozekal.
[diesen Hinweis hat, fast identisch, ascetonym auf seinem Blog auch schon gebracht]

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Veranstaltungsreihe zur Kritik der DDR-Ökonomie, Teil 1

20. April 2007 Kommentare ausgeschaltet

Von der Veranstaltungsreihe zur Kritik der DDR-Ökonomie, die die Marxistische Gruppe zur DDR-„Wende“-Zeit Ende 1989, Anfang 1990 in Berlin abgehalten hat, gibt es ja schon seit geraumer Zeit MP3-Mitschnitte, seit kurzem auch bei www.archive.org. Nun habe ich wenigstens von einem ersten kleinen Teil wieder eine Abschrift erstellt und in meinem Downloadbereich zur Verfügung gestellt. Natürlich überscheiden sich die Argumente, die zumeist von Peter Decker zumeist in Auseinandersetzung mit SEDlern vorgetragen wurden mit denen seines ungefähr zeitgleichen Vortrages zu „Marxismus – Anpassungslehre oder Kritik?“, aber in erster Line ergänzen und konkretisieren sie diese Linie.

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Was tun! Eine Antwort (von Freerk Huisken)

18. April 2007 3 Kommentare

Man soll ja eigentlich nicht nur Krimis nicht mit dem Schluß anfangen. Bei Freerk Huiskens neuem Buch „Über die Unregierbarkeit des Schulvolks“ habe ich es aber dennoch getan und möchte sein traurigerweise brandaktuelles Schlußwort hier zitieren:

Doch will ich mich nicht drücken. Eine erste und ganz einfache Konsequenz aus der vorgetragenen Kritik lautet: Überall dort, wo Sie damit konfrontiert sind, dass sich Menschen – große und kleine, weibliche und männliche, studierte und nichtstudierte – falsche Gedanken über die Ursachen von Erfolg und Misserfolg im Kapitalismus machen, sollten Sie mit zutreffender Kritik – die sich folglich nicht dem Imperativ unterwirft, sie müsse konstruktiv sein – einschreiten. Denn diese falschen Gedanken – sie waren ebenso wie einige ihrer Widerlegungen Gegenstand des Vortrags – sind immer zugleich die Absegnung jener »falschen« Praxis, in die der Mensch in Studium und Beruf, Familie und Arbeitsmarkt gestellt ist. Schon wieder »bloß« erklären? Einerseits ja, andererseits nein: Denn die richtige Erklärung ist der Überzeugungsarbeit vorausgesetzt, d.h. will erst einmal wirklich geleistet sein.
Wenn Sie nun darauf insistieren, dass das aber noch ziemlich dünn ist, muss ich Ihnen zustimmen. Mir reicht das auch nicht. Ich hätte auch lieber gleich einen großen Haufen überzeugter und zu allerlei ernstem Streit aufgelegter und befähigter Menschen beieinander. Doch da der nicht zu »schnitzen« ist, wird es wohl dabei bleiben müssen, erst einmal Überzeugungsarbeit zu leisten. Und das heißt Erkenntnisse über diese Gesellschaft zu verbreiten, ohne die sich bei niemandem der Wille herausbildet, sich nicht weiter den Verhältnissen zu unterwerfen. Das Erklären und Überzeugen ist nicht alles, aber ohne Erfolge an dieser Front geht gar nichts.
Worum geht es dabei? Zu leisten ist also zunächst die Kritik des falschen Bewusstseins von den Siegen und Niederlagen, die der Kapitalismus seinem »Menschenmaterial« bereitet. Zu kritisieren ist die durchgesetzte Psychologisierung der Konkurrenzmoral und ihrer Ergebnisse, von der auch der Nachwuchs nicht verschont bleibt. Zu widerlegen ist die Ansammlung all der falschen Urteile, mit denen sich der heranwachsende und der fertige Mensch in seiner Welt einrichtet: Die angebliche Abhängigkeit der Chancen von den Leistungen, die der Leistungen von einer Leistungsfähigkeit, deren Aufwertung zum Indiz für den relativen Selbstwert der Person, diese Konstruktion selbst, einschließlich aller Veranstaltungen zur Pflege von Selbstbewusstsein. Da steht die Kritik des moralischen Rückzugs auf die eigene Wohlanständigkeit bei chronischem Misserfolg »im Leben« ebenso an wie die Verwandlung aller Erfolge und Misserfolge in Ehrfragen. Anzugreifen sind die Bemühungen, wenigstens im Privatleben den Siegertyp herauszukehren und honoriert zu bekommen, ebenso wie das Sicheinrichten in der Depression, die das Fehlurteil kultiviert, man sei nun einmal ein Versager. Wer Schüler, die sich in der Gossensprache zu überbieten versuchen oder mit ihrem Waffenbesitz angeben, für kleine Monster hält, aber an den angeberischen Ritualen Erwachsener und an den Selbstdarstellungskunststücken von Erfolgsmenschen nichts weiter auszusetzen hat, der hat nichts von dem begriffen, was die Chaos-Kinder treiben. Das gilt auch für Lehrer, die sich über die Brutalität auf dem Schulhof beschweren, es aber für in Ordnung halten, wenn sie ihrem »Lieblingsschüler« mitteilen, dass er, wie nicht anders zu erwarten gewesen sei, wieder ein-mal versagt habe; die an Schülern verzweifeln, die den Unterricht nur als Gelegenheit nehmen, sich vor den Mitschülern aufzuspielen, es aber zur Gewohnheit ausgebildet haben, über ein Soziogramm die Klasse »in den Griff« zu bekommen.
Ob sich allerdings diejenigen Kinder und Jugendlichen von Argumenten beeindrucken lassen, denen bereits »alles egal« ist, die als Maß zur Beurteilung ihrer Lage allein die von ihnen selbst inszenierten Überlegenheitsbeweise gelten lassen, ist mehr als fraglich. Schließlich lässt sich die Einbildung der Kids, sie seien überhaupt die Größten, selbst durch den gut begründeten Verweis auf die bestehenden »Kräfteverhältnisse« nicht irritieren, zumal wenn sie ihre Gleichgültigkeit gegenüber Recht und Moral sogar als Beweis ihrer besonderen »coolness« bewertet wissen wollen. Wo das Interesse und seine Erfüllung sich bereits in Einbildungen bewegt, das Getue wahnhafte Züge annimmt, da versagen Argumente.
Dieser Befund ist bedauerlich. Er gibt den psychologischen und polizeipädagogischen Rezepten dennoch nicht im Nachhinein Recht. Die geleistete theoretische Kritik hebt sich nicht dadurch auf, dass die praktische scheitert. Wenn zu konstatieren ist, dass es Menschen gibt, die »von allen guten Geistern verlassen« und deshalb nicht von ihrem Tun abzubringen sind, dann ist Kapitulation angesagt und allenfalls für Schadensbegrenzung zu sorgen. Erzieher, die das nicht einsehen, weil sie ihre Ohnmacht nicht aushalten, müssen natürlich »was tun«. Das ändert an ihrer Ohnmacht nichts. Sie können sie so nur besser aushalten.
Ziemlich alle praktischen Interessen von Pädagogen bleiben also auf der Strecke. Das mag für sie ärgerlich sein, doch gibt es kein Gesetz, das besagt, dass das Objekt der Kritik mit dem Subjekt der neu gewonnenen Einsicht zusammenfallen muss. Besonders deshalb fallen die Ambitionen von Lehrern und die Schlussfolgerungen aus der vorgelegten Kritik ziemlich auseinander, weil die Erziehungsbevollmächtigten sich einfach nicht von der Idealisierung ihrer Umwelt freimachen können. Immer wieder geben sie einerseits in ihrem pädagogischen Tun zu Protokoll, dass sie für die bürgerliche Gesellschaft viel übrig haben und ihr die tauglichen Nachwuchsmannschaften liefern wollen. Andererseits führen sie sich als Kritiker der jugendlichen Verwahrlosung auf, die eben dieser Kapitalismus hervorbringt.
Es gehört geradezu zum Prinzip von Pädagogik, die Einrichtungen des Kapitalismus dadurch zu beschönigen, dass man sich die Vorstellung leistet, sie seien in ihrer Zweckbestimmung auch ohne das zu haben, woran sich Lehrer stören: So halten sie eifrig an einer Schule fest, die den Markt mit Berechtigungen füttert, sind aber gestandene Kritiker der Zensurengebung – ohne die eine solche Schule nun einmal nicht funktioniert. So sind sie Anhänger der Familie, mit ihrer Einkommensabhängigkeit und ihrer Erziehungszuständigkeit, schelten aber die Eltern für ihr »Versagen« in der vorschulischen Moralerziehung des Nachwuchses, die in der »modernen Familie« von Doppelverdienern, Schichtarbeitern, allein erziehenden Müttern oder Arbeitslosen zwangsläufig ist. So bringen sie dem Nachwuchs bei, dass Marktwirtschaft, gerade weil sie eigentlich dem Wohl aller Bürger verpflichtet sei, nicht immer so viel Arbeitslose produzieren darf. Sie wollen jedoch nichts davon wissen, dass gerade die Praxis des Heuerns und Feuerns ein Mittel ist, die von ihnen geschätzte Marktwirtschaft am Laufen zu halten. Sie wünschen sich die vollständige bürgerliche Gesellschaft, jedoch immer ohne die not-wendig zu ihr gehörigen »Begleitumstände«, an denen sie sich stören. Sie wollen nicht begreifen, dass das eine ohne das andere nicht zu haben ist. Wenn sie – anders gesagt – die Abschaffung aller aufgelisteten Ärgernisse von der Jugendverwahrlosung über die Arbeitslosigkeit bis hin zur Umweltzerstörung propagieren, dann müssen sie sich klarmachen, dass sie einer Umwälzung der dafür zuständigen Produktionsverhältnisse das Wort reden.
Dieser Idealismus ist es auch, der Pädagogen in der Frage der praktischen Alternative so intransigent werden lässt. Dem Befund, dass es nun einmal »kein gutes Leben im schlechten gibt«, setzen sie ihre Berufslüge entgegen, dass ein »kein schlechtes Leben im prinzipiell guten zu geben braucht«. Schlau wie sie sind, erklären sie sich mit allen kritischen Befunden schnell einverstanden, haben schon immer alles gewusst und geben doch zugleich mit der Frage nach der Alternative und nach dem praktischen Ratschlag zu verstehen, dass sie das Entscheidende des Befundes wieder einmal verpasst haben bzw. überhören wollten. Den alles andere als zufälligen Zusammenhang zwischen jugendlichen Gewalttaten, der Psychologie des bürgerlichen Individuums und der politischen Ökonomie des Kapitalismus, den unterschlagen sie ein um das andere Mal.
So gesehen ist ihnen erst zu helfen, wenn sie sich selbst geholfen und ihrem berufsbedingten Idealismus abgeschworen haben. Dann liegen die Konsequenzen, die aus der Untersuchung folgen, auf der Hand. Alle nötigen Argumente sind im Text nachzulesen. Sie sollen diejenigen überzeugen, die ernsthaft ratlos vor der »gewalttätigen Jugend« stehen und einen Erklärungsbedarf anmelden. Wenn sie sich selbst in der Kritik wieder erkennen, ist viel gewonnen. Denn dann sind nicht mehr die ausgerasteten Kinder, sondern zugleich die unter falscher Anstrengung des Verstandes eingerasteten Erwachsenen das Thema. Dann geht es nicht mehr allein um die Kritik der zum öffentlichen Skandal erklärten Spitze, sondern um die Aufarbeitung des gesellschaftlich geschätzten Eisbergs geistiger Integrationstechniken.
Deswegen ist die Kritik auch keine Domäne der Schule. Im Gegenteil. Und Erzieher können sich daran erst beteiligen, wenn die Frage geklärt ist, wie sich die Erziehung der Erzieher bewerkstelligen lässt. Die Kritik setzt weder auf Betroffenheit, noch wendet sie sich bevorzugt an die jugendlichen Täter. Sie setzt unabhängig von Alter, Stand und Klassenzugehörigkeit, unabhängig von Amt und Beruf allein auf das Interesse an Einsicht in die Irrationalismen, die sich als psychologischer Überbau über den bürgerlichen Konkurrenzveranstaltungen in Schule, Politik und Ökonomie türmen. Und in der Logik dieser Einsicht liegt es, dass sie sich kaum damit begnügen wird, das falsche Bewusstsein zu sezieren, aber die falsche Wirklichkeit, die zu diesem Bewusstsein anstiftet, unangetastet zu lassen.

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Freerk Huisken: Über die Unregierbarkeit des Schulvolks

11. April 2007 Kommentare ausgeschaltet

Bei VSA ist ein neues Buch von Freerk Huisken erschienen, daß dort folgendermaßen beworben wird:

Schulen machen Schlagzeilen, weil Lehrer immer wieder mit dem Schulvolk nicht fertig werden. Da sind zum einen die Haupt- und Realschulen, in denen die Schulverlierer aufbewahrt werden, die auf Unterricht und Schulordnung pfeifen, weil sie ohnehin keine „Perspektive“ mehr haben. Auf die Lüge, der Schulabschluss sei der Weg ins Berufsleben, fallen die inländischen und vor allem die Schüler mit „Migrationshintergrund“ nicht mehr herein. Wie auch – wo sie frühzeitig auf Hartz-IV festgelegt sind, wo sie wegen „fremder Kultur“ in Ghettos abgeschoben werden, wo Kinder zur Last werden, weil die Eltern von Arbeitslosigkeit und Abschiebung bedroht sind.
Wenn Schüler in dieser Lage die Schulen in einen „Jahrmarkt ihrer Eitelkeiten“ umfunktionieren, zeigen sie nur, wie gut sie bereits all jene geistigen Techniken gelernt haben, die ihnen zur
Bewältigung des bürgerlichen Alltags beigebracht werden. Frühzeitig zum „sozialen Ausschuss“ degradiert, setzen sie diese nach ihren eigenen Spielregeln ein, und leben an Mitschülern ihren unverwüstlichen Anerkennungswahn und Selbstbewusstseinskult aus.
Und da sind zum anderen die „Gewalttäter“ wie der R.S. aus Erfurt oder der S.B. aus Emsdetten, die zeigen, dass die Höhere Bildung vor Massakern nicht schützt. Wenn Schüler von Lehrern kurz vor dem Abitur gefeuert werden, wenn sie sich deswegen ungerecht behandelt fühlen und ihr Recht, zu den „Besseren“ zu gehören, mit Füßen getreten sehen, dann verwandeln sie schon mal eine Schule in ein blutiges „Feld der Ehre“. Nachher darf dann die bestürzte Öffentlichkeit wehklagen, dass das mit der „Ehre“ so nicht gemeint ist.

176 Seiten (2007), EUR 12.80, ISBN 978-3-89965-210-9

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Arbeitszwang, in Ewigkeit, Amen (II)

5. April 2007 4 Kommentare

Ich bin darauf hingewiesen worden, daß Andreas Schmidt vom Sozialforum Hamburg Eimsbüttel seine Broschüre gegen Rainer Roth, einen bekannten linken Gegner des Bedingungslosen Grundeinkommens, merklich überarbeitet hat. Die neue Version, jetzt 42-seitig (statt bisher 32), kann man hier lesen (und dort zum Offline-Lesen auch als PDF downloaden). A.S. schreibt selber dazu:

Bei Diskussionen über den Text ergab sich, dass insbesondere der Anhang 14A (Wert der Ware Arbeitskraft) viel umfassender ausgeführt werden mußte, insbesondere wegen der Auswirkungen von Hartz 4 . Überhaupt machte der ganze Anhang 14 diverse Anmerkungen nötig, die schon die Dimension von längeren Artikeln angenommen haben. (spezifische auf den Mehrwert berechnete Lohnformen [73], die „Betriebsgemeinschaft“ [71] etc.). Zum Kapitel 11 über das das Geld wurde jede Menge Material [54a] beigefügt. Auch meine Anmerkungen zu Wert und „Wertkritik“ [3][12] haben eine breitere Basis erhalten.
Anlässlich der im Dezember stattgefundenen Aktionskonferenz findet sich unter 13.1 ein Epilog . Ich habe billigend in Kauf genommen, dass der Umfang nochmal deutlich zugenommen hat.

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Noch ein Schlußwort von Peter Decker

15. März 2007 1 Kommentar

Bei einer Diskussion auf einem Blog habe ich mich an eine der wenigen Veranstaltungen erinnert, bei denen einem Vertreter des GegenStandpunkt mehr oder weniger Antideutsche entgegengetreten sind. Hier deshalb die letzten paar Minuten dieser Veranstaltung aus dem Jahre 2003 (die, glaube ich, hier noch downgeloaded werden kann):

Peter Decker: Ihr spekuliert, und das ist ja wohl klar, ihr spekuliert deswegen, weil ihr programmatisch erklärterweise sagt: Der wirklich Zweck, der hier im Spiele ist, Amerikas politische Ziele als Eroberer des Landes, der wirklichen Nutzen den Amerika daraus ziehen will, alles das nehmen wir zur Kenntnis, interessiert uns aber nicht. Die imperialistische Logik wissen wir, schenken wir dem anderen, der darüber reden will. Wir aber haben eine andere Sicht: Wir begrüßen das als die Bedingung der Möglichkeit des Auftretens einer kommunistischen Partei in Bagdad. Das ist eine Sorte Parteilichkeit für eine kommunistische Partei, die finde ich gnadenlos, bedenkenlos. Die Einrichtung von Verhältnissen, die der kommunistischen Partei bestimmt nicht viel besser tut, als die Lage unter Saddam Hussein, bestimmt nicht! Wenn Amerika, wie übrigens im Heimatland auch, sich davon überzeugt, dass Kommunisten keine Chance haben, dann lassen sie sie in ihren Hinterzimmern wohlmöglich rumturnen. Wenn sie zum Schluss kommen, Kommunisten haben eine Chance, dann ist es in Amerika auch früher schon immer lebensgefährlich gewesen, Kommunist zu sein. Und in der Bundesrepublik ist es auch heute nicht harmlos, jedenfalls wir haben erlebt, daß es in einer gewissen Phase nicht harmlos war. Von wegen, das sind Bedingungen, da freut sich der Kommunist! Da hat er es gut! Was soll die ganze Überlegung, sich ausdrücklich nicht um das zu kümmern, was passiert und den Grund davon, sondern zu sagen, ich habe eine aparte Sicht, mir ist das alles wurscht, warum das alles passiert, was daran alles kritikabel sein kann, ich habe eine aparte Sicht: Ich begrüße alles, was ich als Bedingung der Möglichkeit der Kritik des Kapitalismus zu deuten vermag. Dann befreie ich mich von den Beweis, ob es überhaupt eine Kritik des Kapitalismus ist, ob es zu einer kommt, ob die Kritik eine Chance hat, ob die Kritik sich gar verwirklichen kann, von alldem befreie ich mich, denn ich bin ja schon zufrieden über die Bedingungen der Möglichkeiten der Kritik. Noch nicht einmal, ob es Kritik gibt, ist euch wichtig, ihr begrüßt Verhältnisse als günstig, bloß unter dem Gesichtspunkt, unter denen könnte es Kommunisten geben.
Publikum: aber du musst doch zugeben, dass Demonstrationen gegen die Machthaber jetzt möglich sind, vorher waren sie das nicht!
Peter Decker: Aber da merkt man, dass du ein gnadenloser Demokratieanhänger ist. Das Demonstrationen möglich sind ist Klasse, dass sie nötig sind ist schon wieder wurscht! Wozu soll denn eine Demo gut sein, wenn sie sowieso nichts bewirkt?
Publikum: Gab es da einen Fortschritt oder nicht?
Peter Decker: Keinen! Es gab einen Fortschritt des amerikanischen Imperialismus. Es gibt vielleicht einen Fortschritt der amerikanischen Beherrschung der Welt. Du meinst doch einen Fortschritt in menschlicher Hinsicht, einen Fortschritt der jenseits des Ami-Standpunktes ein Fortschritt wäre. Da sage ich: Null Fortschritt! Eine blutige Herrschaft wird durch eine ausländische Besatzung abgelöst, die setzt jetzt ihre Ziele durch, die haut jetzt auf die drauf, die sie für ihre Hindernisse hält. Jetzt habt ihr halt das Beispiel, die Kommunisten in Bagdad hält sie jetzt unter den Verhältnissen des Besatzungsregime es nicht für das wichtigste Hindernis. Wartet es ab! Wenn die etwas zu Stande bringen, dann halten es die Amerikaner für ein Hindernis. Wenn sie nichts zu Stande bringen, und die Amerikaner sich mit saddamgetreuen Terroristen herumschlagen müssen, dann lassen sie die Kommunisten demonstrieren, dann ist ihnen das wurscht.
Publikum: Wenn ich das ernst nehme, dann ist es also egal, ob ich einem Hitler oder einem Busch gegenüberstehe?
Peter Decker: Ach Gott, ob es praktisch egal ist, darüber könnte man vielleicht sogar noch reden, das dann aber der Kommunist den Übergang macht: Jetzt werde ich zum Freund Bushs, weil ich den als Vermeidung von Hitler betrachte, das ist die Tour, da kann man für alles sein. Ihr begrüßt einen Fortschritt in der Beherrschung der Welt durch Amerika, weil wir einen anderen Standpunkt anlegt, als den, zu beurteilen, welcher Zweck gewinnt hier, welcher Zweck regiert hier? Dieser Standpunkt ist euch gleichgültig, da sagt ihr, das wisst ihr schon, das ist aber wurscht, euch interessiert etwas ganz anderes: Ist das ein Fortschritt in Sachen Bedingung der Möglichkeit der Kritik des Kapitalismus. Und mit der Perspektive, meine Güte, da kannst du für alles sein. Wenn der französische Innenminister gegen türkische Mädchen die Kopftücher verbietet, dann kannst du dafür sein. Obwohl es auch bloß der Nationalismus der Franzosen ist, und nichts befreiendes an sich hat. Das war schon bei Marx nicht gut, dass er gesagt hat, er ist immer dafür, das die großen Staaten gewinnen und die Kleinen untergehen, dann findet der Kapitalismus wenigstens in großen Revieren statt. Das war schon nicht gut, was hat denn der parteilich zu sein für die Auseinandersetzung zwischen Zwecken, wo seiner in gar keiner Weise vorkommt?
Publikum: das müsste man erst einmal nachweisen, dass der Zweck von Marx da gar nicht vorkommt.
Peter Decker: Wenn der deutsche Kaiser gewinnt und der Fürst von Sachsen-Coburg-Gotha abtreten muss, wenn der bayerische König degradiert wird und der deutsche Kaiser der Staatschef von ganz Deutschland wird, wo ist denn da der Kommunismus? Dann kommt halt ein großer Staat zustande statt 15 kleinen. In der Konkurrenz mit anderen Staaten ist das vielleicht ein Fortschritt für den deutschen Staat. Aber wo da der Fortschritt des Kommunismus ist, da sehe ich nichts. Außerdem: man soll praktisch orientiert sein, man soll sich mit dem Ärgernissen und Feind Seligkeiten und Bedeutungen befassen, unter denen man leidet und man soll nicht so tun, als wenn man strategische Parteinahme in einer Welt verfolgen würde, bei deren Alternativen überhaupt nicht abzusehen ist, was die mit dem eigenen Anliegen zu tun haben. Mit dieser Art Argumentation, da hängen sich Leute, die links argumentieren, einmal an die amerikanische Durchsetzung in der Dritten Welt, ein anderes mal hängen sie sich an das Werden der Europäischen Union, das ist auch ein Fortschritt! Das dritte mal hängen sie sich an die Entlassung von Hunderttausenden durch die elektronische Revolution, das ist auch ein Fortschritt! Was ist denn das für ein Denken? Man muss das kritisieren, was einen stört und nicht sagen, finde ich einen Umweg zu einer Parteinahme für das störendes. Aber genau das machen sie.

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MG zur DDR-Ökonomie (Veranstaltungen Ende 1989 Anfang 1990), neu aufgelegt

14. März 2007 3 Kommentare

Auch die bei filesharing-Netzen vagabundierenden Mitschnitte der Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen der MG Ende 1989 bis Anfang 1990 mit Peter Decker (und Heinz Scholler) als Referenten und Diskussionsleitern zur Kritik des Realsozialismus bzw. im wesentlichen der DDR-Ökonomie habe ich – zu drei Paketen zusammengestellt – bei www.archive.org hochgeladen (nachdem ich die früher temporär bei RapidShare und GMX untergebracht hatte:
Die DDR-Ökonomie Teil 1 (1-5)
Die DDR-Ökonomie Teil 2 (6-10)
Die DDR-Ökonomie Teil 3 (11-14)

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GSP-Vortrag zu Kuba 1997 II

13. März 2007 2 Kommentare

Ich hatte vor einer Weile einen Vortrag aus dem Jahre 1997 in Berlin von Theo Wentzke, Redakteur des Gegenstandpunkt, ausgegraben und dessen Einleitung aufgeschrieben. Da hatte Theo unter anderem gesagt:

… die objektiven Abhängigkeiten und Mängel, die Kuba hatte, und die auf Kuba auch nie beseitigt werden konnten, das erklärt viel an der Entwicklung Kubas, entschuldigt aber keine Fehler. Deshalb wird da, wo nötig, auch Kritik geäußert. Der Nachdruck besteht aber immer darin, zu beurteilen, wo war Kuba wirklich Subjekt seiner Lage? Sind es wirklich Fehler der Partei oder der Bewegung, und wo sind es von außen aufgezwungene Notwendigkeiten, denen recht oder schlecht Rechnung getragen worden ist? Die Ironie der Geschichte liegt nämlich darin, ich habe vorhin bereits gesagt, der Anfang der kubanischen Revolution war noch kein Konsens einer sozialistischen Entwicklung, in der Bewegung, die Bewegung hat sich sogar gespalten nach der Revolution ist Rücktritte von Staatsfunktionen von bürgerlichen Kräften. Die kubanische Revolution ist sozialistisch geworden eigentlich in Antwort auf den ökonomischen Angriff der USA. Die USA haben Kuba und in Castro-Bewegung zum Sozialismus hingebracht, hin getrieben. Aber dann haben die sich aber auch entschlossen, es zu werden. Also, sie sind nicht einfach nur hin getrieben worden, Sie haben sich eben auch entschlossen, es zu werden, aber auf ihre Weise. Und haben auch manche Differenzen mit der Sowjetunion, in der Organisierung der Ökonomie, in der Art und Weise des Umgangs mit dem Volk, aufrechterhalten.

Da es damals sogar sowas wie eine Diskussion darüber gegeben hat, habe ich diesen Vortrag nunmehr auch dauerhaft bei archive.org hochgeladen (hier)

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Peter Decker: Marxismus — Anpassungslehre oder Kritik?

12. März 2007 Kommentare ausgeschaltet

Peter Deckers Kritik am traditionellen Marxismus-Leninismus (nicht Feminismus, ich weiß) und insbesondere am Historischen Materialismus kann man zwar schon eine Weile bei farbeRot downloaden (hier ), der Redundanz wegen habe ich den aber auch noch bei www.archive.org hochgeladen (hier).

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Peter Decker zur Kritik der Geschichtswissenschaft

11. März 2007 Kommentare ausgeschaltet

Ich hatte vor einer Weile hier geschrieben:

The_Red_Sparrow hatte vor auf MPunkts Blog auf drei bei RapidShare vor einer Weile downloadbare Vorträge aus den 80ern von Peter Decker zur Geschichte als “Orchideen”-Wissenschaft hingewiesen.

(Das mit den Orchideen war von mir natürlich grottenfalsch, denn um die Frage welche Schuhe römische Legionäre getragen haben, geht es Historikern ja nie.)
farbeRot hat nun den letzten Vortrag aus dem Jahre 1988 permanent zur Verfügung gestellt (ich hatte die drei nur bei RapidShare hochgeladen). Wen das Thema noch mehr interessiert, der kann sich jetzt bei www.archive.org die beiden früheren Vorträge auch noch holen:
Geschichtswissenschaft, Erlangen, Mai 1985
Geschichte als Argument Muenchen, Juli1987

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Armut kann man nicht verhaften

11. März 2007 Kommentare ausgeschaltet

Freerk Huisken hat – schon im November letzten Jahres – unter dem obigen Titel den folgenden Artikel bei der GEW Hamburg geschrieben (Der Hinweis stammt von MPunkt):

Der Tod des kleinen Kevin hat Fragen aufgeworfen, leider nur Schuldfragen. Nach den Ursachen der Häufung des Kindstods bei armen Leuten wurde weniger gefragt. Es interessierte – besonders wo der Kevin bereits unter Amtsvormundschaft stand – nur: Wer hat das Recht gebrochen, wer das Amt missbraucht, wer seine Kompetenzen überschritten, wer seine Pflichten verletzt, wo sind Behördenschlendrian und -eigensinn auszumachen? Und schnell wurden die staatlichen Kontrollorgane fündig: Der Vater wurde des Totschlags angeklagt und verhaftet, ein Amtsleiter wurde geschasst, gegen Mitarbeiter des Jugendamtes sind Disziplinarverfahren anhängig, eine Senatorin trat vom Amt zurück usw. So wird mit der Ausschaltung von Personen das gebrochene Recht wieder hergestellt, die in schlechtes Licht geratene Behörde gesäubert und die Glaubwürdigkeit des politischen Amtes gesichert. Denn an den Rechtsvorschriften, an den Dienstanweisungen der Behörden oder gar an der Politik, die für das Soziale zuständig ist, kann es ja wirklich nicht liegen, wenn Kinder in Familien, die unterhalb des Existenzminimums leben müssen, verwahrlosen und so oder so zu Tode kommen. Also bekommen alte Ämter neue Chefs und die legen gleich Zeugnis davon ab, dass neue Besen gut kehren. Sie ordnen „erste Maßnahmen“ an. Zu denen gehört, dass in allen „Problemfamilien mit gefährdeten Kindern“ Hausbesuche stattfinden würden; und dass, wenn es einen „begründeten Verdacht auf Vernachlässigung gebe“, Wohnungen unter Polizeiaufsicht geöffnet würden (WK, 14.10.). Elend und Verwahrlosung finden so weiter statt, aber unter vermehrter staatlicher Aufsicht. „Frühwarnsystem“ heißt das dann, wenn Kinder, bevor sie gestorben sind, erst mal ins Heim kommen und die Eltern ein Verfahren erwartet. Das ist gut – gut für das Ansehen der Ämter, für die Ordnung, für die öffentliche Ruhe und für den Ruf der Hansestadt.
Natürlich gibt es auch Kritiker, die in aller Öffentlichkeit keine Ruhe geben. So schreibt z.B. der H.Prantl von der SZ: „Am Boden einer wachsenden Unterschicht herrscht Verwahrlosung, die leider immer erst dann beklagt wird, wenn ein Kind daran gestorben ist.“(SZ, 16.10.) Stimmt! Doch was will er nun sagen? Will er sagen, dass nicht Amtspersonen gefehlt haben, sondern hierzulande etwas prinzipiell nicht stimmt. Will er seinem lesenden Publikum erklären, dass Kapitalismus – den man besser Marktwirtschaft nennen soll, obwohl er dadurch auch nicht besser wird – und staatliche Politik regelmäßig eine ganze „Schicht“ an armen Leuten hervorbringen, die sogar noch wächst; dass diese Leute ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder nicht in den Griff kriegen, weil es ihnen am Nötigsten für den Lebensunterhalt fehlt; dass dies schließlich ein Zustand ist, den viele von ihnen überhaupt nur im Suff und unter Drogen und den ihre Kinder dann nicht mehr aushalten. Recht hat bzw. hätte der Zeitungsschreiber, wenn er es denn so gemeint hätte. Hat er aber nicht. Denn ausgerechnet die Verursacher dieses gesellschaftlichen Massenelends hält er für zuständig, sich seiner Abschaffung zu widmen: „Das ist eine Aufgabe für eine große Koalition; gut dass sie das Problem Unterschicht wenigstens sieht.“ So schreiben nur Zeitungsmenschen, die alle Übel dieser Gesellschaft immer wieder auf eine Politik zurückführen, die ihrem nationalen Auftrag nicht gerecht wird. Als überzeugte Vaterlandsfreunde wollen sie sich nicht vorstellen, dass Produktion und Verwaltung von Massenarmut zum Dienst an der Marktwirtschaft dazu gehört, ein Dienst, den alle großen und kleinen Koalitionen geleistet haben
Nicht dass die regierende Koalition dabei keine „Probleme“ sehen würde. Nicht dass sie sich für Armutsfragen nicht zuständig erklären würde. Doch worin besteht das Problem, das die Regierungen mit Massenverelendung nebst geistiger, physischer und sozialer Verwahrlosung von Eltern und Kinder haben? Wenn doch erstens seit geraumer Zeit das Primat der Politik in der Aufmöbelung des nationalen Standorts zum Weltmarktsieger besteht; wenn zweitens besonders das Arbeitsvolk dafür seinen Beitrag in Form von Lohnsenkungen und Leistungssteigerungen zu leisten hat; wenn das drittens einschließt, dass immer mehr auf Geldeinkommen angewiesene Leute überflüssig gemacht werden; wenn der Sozialstaat diese Menschen dann viertens zu „Langzeitarbeitslosen“ und „Unvermittelbaren“ erklärt und sie zusammen mit Sozialhilfeempfängern zu Hartz IV abschiebt; wenn diese Leute – inzwischen sind es so etliche Millionen – fünftens nicht wissen, wie sie mit einem Geld, oft unterhalb selbst des offiziellen Existenzminimums, überleben sollen; wenn der Sozialstaat sie schließlich sechsten noch zusätzlich mit weiteren Abzügen drangsaliert, sofern sie nicht die erstbeste Arbeit annehmen; wenn ihnen damit siebstens jedes Kind zwangsläufig zur Last wird; wenn achtens von der Politik an Verrohung und Verwahrlosung von ganzen Volksteilen als „Problem“ nur die Gefahr für den „inneren Frieden“, die „Hinwendung zum Extremismus“ und neuerdings auch eine zur „Apathie“ neigende Volksmoral (Beck) gesehen wird – , dann, ja dann kommt man um den Schluss einfach nicht herum, dass diese Politik das Leben unter der Armutsgrenze, zerstörte Familien und tote Kindern als das weder zufällige noch umkehrbare Resultat in Kauf nimmt, es nur noch kontrolliert – z.B. „Problemfamilien mit gefährdeten Kindern“ statt einmal ab sofort zweimal die Woche – , den Heimen zur Aufbewahrung und den zuständigen Ordnungsbehörden zur Observation überantwortet, damit solche Pannen (!) wie die mit dem toten Kevin möglichst nicht mehr passieren.
Dumm, dass man Armut weder verhaften noch aus dem Amt jagen oder in Pension schicken kann. Kritisieren kann man sie aber schon. Allerdings ganz und gar nicht konstruktiv.

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Kann der Staat sein System wählen?

10. März 2007 2 Kommentare

Wie ist das mit dem Staat, der an die jeweils ökonomisch herrschende Klasse gebunden, eigentlich nur sie selbst ist bzw. nach Engels, ihr „geschäftsführender Ausschuss“? Oder kann der Staat sein System wählen?
(Wiederaufnahme eines Punktes, der auch schon ein Thema im MDF selig gewesen ist)
Wenn man von einem Staat sprichst, der sich überlegt, welche Klassenstruktur, welches Eigentumssystem, welche Produktionsweise ihm am Besten dienen könnte, dann sträuben sich bei mir als altem Leninisten natürlich die Haare. Erstmal weil das doch (regelmäßig) so gewesen ist, daß diese „Erkenntisse/Wenden“ nicht kontemplativ, sondern durch einen handfesten Umsturz gekommen sind. Worin Leninisten dann immer den Beweis gesehen haben, daß Staaten fest an „ihre“ Klassenstruktur gebunden waren, eben der bewaffnete Haufen von Leuten war, der eine bestimmte Klassenordnung, die Herrschaft einer bestimmten Klasse gegen den Rest der jeweiligen Gesellschaft verteidigt hat. Der also weggeräumt werden muß, wenn man die Ordnung loswerden muß und dies gegen ihre reformistischen Konkurrenten hochgehalten haben, die immer gar keine Probleme damit hatten, im jeweiligen Staat hochzusteigen, oder dies wenigstens zu versuchen und für einen prinzipiell möglichen Erfolgsweg zu verkaufen. Der berühmteste Spruch ist dazu sicher, daß die Arbeiter die alte Staatsmaschinerie zerschlagen müssen, wenn sie das Lohnsystem loswerden wollen.
Ich gebe zu, daß das mit dem Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus einerseits nicht überall so schön vorbildlich wie in Frankreich abgegangen ist (und ursprünglich ja selbst in England ja eine recht vermischte und sich länger hinziehende Geschichte gewesen ist, die letztlich noch nicht einmal die Monarchie als staatliche Überwölbung abgeschafft hat)
Und daß andererseits die VR China eine besonders harte Nuß ist, wenn man den „reformistischen Film nicht rückwärts“(Trotzki) ablaufen lassen will. Denn wenn man in der Sowjetunion/Rußland immerhin ansatzweise noch so was wie eine Konterrevolution im klassischen politischen Sinn ausmachen kann (einige Leninisten/Trotzkisten „schafften“ das auch erst mit hinreichendem zeitlichen Abstand), so sehe zumindest ich nicht, wie man den Cut bei China hinkriegen will. Auf jeden Fall kann ich mir nicht wirklich vorstellen, daß der Charakter von Staaten, klassischen Klassenstaaten wie Arbeiterstaaten so rein „idealistisch“ bei Regierungs- oder Polibürorunden entscheiden werden kann. Der „Ausweg“, den staatskapitalistische Gruppen machen, indem sie sagen, dann war das eben grundlegend nie was anderes als Kapitalismus, dann brauchte es eben auch keine handfeste politische Konterevolution und eine soziale eh nicht, das überzeugt aber auch nicht so recht, denn was „Anderes“ war es doch für sonst alle anderen Strömungen sowohl in der Sowjetunion nach der Oktoberrevolution als auch strukturell ähnlich in Osteuropa, der VR China und Kuba. Bei Kuba ist der Klassenhaß aus den USA auf Castro allein eigentlich schon ein Argument gegen solche Erklärungen.
Dazu folgende Erwägungen als Gegenrede/Antwort:
Politische Herrschaft als solche steht über den Standpunkten und Interessen in der Gesellschaft, die sie beherrscht – das gilt für die Könige der frühmodernen Zeit wie für die bürgerlichen und realsozialistischen Souveräne. Als Hoheit hat sie auch ein eigenes Interesse, das nicht von vornherein identisch ist mit dem der Grundherren, Handwerksmeister oder Kapitalisten. Am ehesten noch ist die feudale Herrschaft unmittelbar identisch mit dem Interesse der Lehens- und Grundherren, die ihr die Waffenträger stellen. Aber sogar da hat das Interesse an Macht, ihrer Selbsterhaltung und Erweiterung, also auch ihrer Ressourcen, beim höchsten aller feudalen Herren, dem König oder Kaiser, ein Interesse entstehen lassen, das ihn gegen seine feudalen Klassenbrüder (wenn man so unzeitgemäß reden will), gegen den Adel aller Ebenen – eingenommen hat. Das Mittelalter ist ein einziger Kampf um wahre Hoheit, souveräne Macht; die Spitze der feudalen Hierarchie führte ihn gegen diese Hierarchie, auf die sie sich zugleich stützte. (Dieser Kampf ging im 30-jährigen Krieg in Deutschland verloren; in anderen europäischen Staaten bes. England und Frankreich wurde er schon früher geführt und gewonnen.) Der Aufstieg der Handelsherren und Fabrikanten geht auf die Genehmigung und die Privilegierung durch den König zurück, der deren Erzeugnis – Geld – einfach viel attraktiver und für seine Hoheit nahrhafter fand als die Naturalablieferungen seiner feudalen Hintersassen. Das alles, das Niederringen des Adels, die Errichtung eines tatsächlichen Gewaltmonopols, das es im Mittelalter nicht gab, die Privilegierung der Kaufleute und die entsprechende Entrechtung anderer (ursprüngliche Akkumulation) war natürlich alles ein riesiger Kampf und Krieg; der Souverän löst sich ja auch nicht so leicht aus der Bindung an die Adelsschicht, auf der seine Macht beruhte.
Die modernen Verhältnisse kommen dadurch in die Welt, dass die Hoheit, weil sie den Dienst der Geldmacher an ihrer Schatulle haben will, sie dafür fördert und die Ausübung ihrer Macht deren Geschäftsbedürfnissen schrittweise unterwirft. Die Kaufherren sollen Erfolg haben und dem Schatzamt viel abliefern können. Das alles war im Frankreich Ludwigs IVX schon weit gediehen. Die Macht des Königs war von der bürgerlichen Produktionsweise längst abhängig geworden; sie hat die wirtschaftliche Tätigkeit der Nation schon bestimmt. Erst auf Basis des Bewusstseins, dass alles von ihnen kommt und von ihnen abhängt, fragen sich dann die Mitglieder des vierten Standes, warum sie die Privilegien des Adels, der für Wohlfahrt und Macht des Landes nichts leistet und den unfruchtbaren Luxus des königlichen Hofes noch tragen sollen. Sie machen Revolution im Namen der rechtlichen Grundbestimmungen der bürgerlichen Konkurrenzordnung: Gleichheit vor dem Recht, Freiheit des Privatinteresses, Brüderlichkeit der Staatsbürger.
Die Identität der Anliegen von Staat und Kapital erklärt sich etwas anders, als die guten alten Leninisten meinen: Nicht die Personalidentität beider Seiten, nicht – jedenfalls nicht mehr – die Herkunft oder Auswahl der Machtträger aus der besitzenden Klasse, nicht Bestechung – auch wenn es alles das geben mag – stiftet die zuverlässige Parteilichkeit der Staatsmacht für die Interessen der Kapitalisten, sondern die wechselseitige Indienstnahme. Der Staat dient den Profitinteressen und dadurch sich. Sein Ziel, die Förderung der Grundlagen seiner Macht, kommt zum Zug, wenn die Kapitalisten Erfolg bei ihren Geschäften haben; also setzt er seine Macht für ihren Erfolg ein, sorgt nicht nur für „Rahmenbedingungen“ der freien Konkurrenz, sondern glatt für den Erfolg seiner Geschäftsleute darin. Umgekehrt kommt es in jedem Staat zum Zerwürfnis zwischen der ökonomisch herrschenden Klasse und der politischen Herrschaft, wenn der Erfolg ausbleibt. Dann üben Politiker auch mal Kapitalismuskritik und Wirtschaftskapitäne werden anti-etatistisch; das Zerwürfnis kann bis zur Suche nach neuen Wegen der Indienstnahme des Kapitals durch den Staat gehen; Faschisten einerseits, Chavez etc. andererseits. Die Unzufriedenheit der Klasse, die sich im Besitz der ökonomischen Machmittel weiß und daher zur Beherrschung der Gesellschaft berechtigt sieht, mit einem „unfähigen“, falschen Interessen dienenden, unnütze Kriege vergeigenden Staat kann ihrerseits zu Versuchen von Umsturz und offener Obstruktion führen.
China und die SU, die beide einen Systemwechsel offensichtlich von oben durchgeführt haben und angesichts realsozialistisch gut erzogener Völker mit wenig Widerstand von irgend einem dadurch geschädigten Interesse fertig zu werden hatten, sind durchaus Beispiele für dieses Verhältnis von politische Hoheit und ökonomischen Rechten und Pflichten, die sie erlässt und mit denen sie ein ganzes System definiert. (A propos Genosse Fidel – der Hass seiner US-Gegner beweist nicht, dass es sich da um einen aufrechten Kommunisten handeln muss, sondern nur, dass er das, was sie von Kuba verlangen, verweigert. Dazu reicht ein unpassender, womöglich sozialer Nationalismus a la Chavez heute auch schon.)

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Notwendig falsches Bewußtsein

8. März 2007 324 Kommentare

MPunkt hat mal wieder einen OCR-Scan auf seinem Blog zur Verfügung gestellt. Decker und Hecker sind in Ihrem Buch „Das Proletariat. Die große Karriere der lohnarbeitenden Klasse kommt an ihr gerechtes Ende“ auf die so häufig falsch aufgelöste Formel vom notwendig falschen Bewußtsein der Arbeiterklasse eingegangen. Als Ergänzung noch ein Zitat aus Peter Deckers Marxismus-Vortrag:

Jetzt noch mal eine Zusammenfassung zu dem „Das Sein bestimmt das Bewußtsein“: Der Marx hat gesagt: Im Kapitalismus gibt es ein notwendig falsches Bewußtsein. Und ich habe den Eindruck, außer unserer Erklärung gibt es keine, die die Kategorie „notwendig“ und „falsch“ gleichzeitig aufrechterhalten kann. Der reale Sozialist, also der mißversteht das Wort „notwendig falsch“, daß „notwendig“ so sehr, daß das „falsch“ gestrichen wird: Ja wenn das Bewußtsein unvermeidlicherweise Ausdruck der Klassenlage ist, wo ist denn dann der Fehler? Dann drückt es das doch genau aus, was sein einziger Auftrag ist! Dann ist „falsch“ raus, dann mache ich auch gar nicht mehr den Anspruch, ihm das „falsch“ zu erklären. Sondern ich sage: Na ja, der hat halt eine Lage, die drückt sich halt so aus. Und es gibt die Umkehrung auch: Ich sage, der macht etwas falsch, und streiche „notwendig“ dabei. (Spontaneismus geht ein bißchen in diese Richtung.) Der bestreitet, daß es einen Grund für das falsche Bewußtsein gibt: Es ist bloß deine Ängstlichkeit, Schauder, Mutlosigkeit, bloß deine Borniertheit, also ein grundloser Grund für deine falsche Sicht.
Die Härte von „notwendig falschem Bewußtsein“ besteht darin: Im Kapitalismus ist jeder, der ein freier Lohnarbeit ist, gezwungen, sich zu arrangieren mit den Verhältnissen. Übrigens, das gilt auch für den Kommunist: Deine Brötchen bekommst du nicht, bloß weil du ein Kommunist ist und nicht ans Geld glaubst, deshalb bekommst du die Brötchen nicht ohne Geld. Also dieses Arrangement ist unvermeidlich. Zweitens: in den Verhältnissen, wo du gezwungen bist, dich nach deren Theorien zu richten, ist ein Bewußtsein deiner Freiheit nur als falsches Bewußtsein zu haben. Es ist ein Bewußtsein dessen, daß diese ökonomischen Einrichtungen – Lohnarbeit, Kapital, Geld – Mittel für dich sind, die Demokratie ein Mittel dafür, daß der Bürger auf den Staat einwirkt, und so zu, eben Gedanken meiner Freiheit, daß die Welt sich um mich dreht. Dieses Bewußtsein, der geistige Standpunkt des konstruktiven Mitmachens, der ist nur zu haben, durch Konstruktionen falscher Gedanken. In dem Sinn ist das falsche Bewußtsein im Kapitalismus notwendig. Nicht notwendig ist es – und so haben es die Vertreter des realen Sozialismus aufgefaßt – in einem gewissermaßen erkenntnistheoretischen Sinn: man kann nichts anderes erkennen! Natürlich kann man, man kann sich mit den Sachen befassen und fragen, worum es geht. Da ist der Gegensatz deutlich: notwendig ist das falsche Bewußtsein nicht aus theoretischen, sondern aus praktischen Gründen. Die sind natürlich keine theoretisch notwendigen Gründe. Es gibt keinen Grund, warum man sich nicht einen richtigen Gedanken machen sollte. Außer dem: Dann bekommt die eigene Praxis nicht mehr recht. Dann bricht das „ich bin Arbeiter, und verdiene mein Geld, und ziehen meine Kinder auf“, dann kriegt das nicht mehr recht. Das ist die einzige Notwendigkeit des notwendig falschen Bewußtseins. Aber das darf man nicht so radikal denken, daß man das „notwendig“ für erkenntnistheoretisch sozusagen unvermeidlich erklärt und dann damit natürlich auch das Wort „falsch“ quasi aus der Welt schafft.
Jetzt nur noch einen Nachtrag: Man kann den Gegensatz, den ich heute deutlich machen wollte, auch mit diesen Worten ausdrücken: Notwendig falsches Bewußtsein, da muß man beide Adjektive gleichermaßen unterstreichen können, obwohl sie einen Widerspruch ausmachen. Notwendig und falsch sind ein Widerspruch. Ich kann nicht gleichzeitig sagen, notwendig und getäuscht. Getäuscht heißt doch, du hast einen Fehler gemacht, einen Irrtum, einen vermeidbaren Fehler. Da sagt der Marx die Ungeheuerlichkeit: Im Kapitalismus herrscht notwendig falsches Bewußtsein. Ich habe versucht zu erklären, wie das zu erklären ist, und gezeigt, daß das „notwendig falsch“ falsch verstanden auch das „falsch“ streicht. Denn wenn das wirklich notwendig ist, dann ist es auch nicht mehr falsch. Das ist wie ein Ungewitter: wenn es wirklich notwendig und unvermeidlich ist, dann soll man es auch nicht kritisieren. Alles was notwendig und unvermeidlich ist, kann man auch nicht kritisieren. Kritisieren kann man nur, was auch nicht sein müßte. Aber so sind die Menschen: Was nicht sein müßte, daß kritisieren sie nicht, aber über das Wetter, daß kritisieren sie andauernd.

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Eine Stimme aus dem Off

28. Februar 2007 11 Kommentare

Ein ff, der vielleicht auch fischersfritz gewesen ist (jedenfalls im MDF) und der sich jetzt wohl wieder bei mir als ein fdgo (witzig, witzig) geoutet hat, hat hier einen Kommentar hinterlassen, der doch etwas hervorgehoben gehört:

Zur Schließung des Marxistischen Diskussionsforums sei noch angemerkt: Das Maß war einfach voll. Der Administrator hatte sein Forum nicht ordentlich geleitet. Er gab sich nicht einmal als Moderator zu erkennen. Er pflegte mehrere Nicknames, um seinen Standpunkt als eine verbreitete Meinung vorzutäuschen. Überdies fiel er immer wieder durch eine äußerst unflätigen Diskussionsweise auf. Er verbreitete insgesamt viel falsches Zeug und verteidigte dies auch noch vehement. Der Administrator wurde zur Besserung angemahnt. Da er keine Einsicht zeigte, mussten Maßnahmen zur Stilllegung des Forums ergriffen werden. Ähnlich kann es auch anderen Foren und Blogs ergehen, die sich nicht an die Mindeststandards einer vernünftigen und wohlgesonnenen Diskussionskultur halten.
Nicht in jedem Fall ist es produktiv, dass überhaupt diskutiert werden kann. Für des Kommunistischen Forums war der Hauptgrund seiner Selbstaufgabe, dass jedes noch so brisante Thema von Distinktionsgewinnabsichten und Platzhirschverhalten und nicht mehr von Neugier und Klärungsbedarf bestimmt war. Im Marxistischen Diskussionsforum spitze sich die Lage noch weiter zu, weil die Marschroute von einer Person allein diktiert war und allenfalls durch einige Speichellecker relativiert werden durfte. Die Erschließung des Wissens über die Funktionsweise des demokratischen Rechtsstaats und der sozialen Marktwirtschaft, über die Mechanismen des Weltmarkts und der Staatenkonkurrenz sollte nicht den Hirngespinsten abgedrehter Einzelcharaktere überlassen werden.

Da spricht also wieder einer von seiner anonymen hohen Warte als Inhaber des Pariser Urmeters der linken Politik: „das Maß ist voll“. Nein nicht für ihn (oder irgendwelchen bisher anonym gebliebenen Seinen), sondern überhaupt. Die „Ordnung“ stand auf dem Spiel. Wessen Ordnung eigentlich, aber das mag man ja schon gar nicht mehr fragen. Dann soll „er“ gleich mehrfach derselbe gewesen sein. Es mag sein, daß da einer oder vielleicht sogar mehrere mit Mehrfachnicks gearbeitet haben (woher will ff das eigentlich wissen), so what, da dort eh nur Argumente vorgetragen werden (können) ist es doch völlig wurscht, ob man das als der Einzige immer wieder macht oder als Vierlingspack. So was als Argument zu einem Forum vorzutragen, wo keine zehn Nicks überhaupt was geschrieben haben, ist gaga. „Vortäuschung „verbreiteter Meinungen“? Das ist doch der Lacher per se! Die Bandbreite der Meinungen, die sich im MDF getummelt haben, konnte man doch mit jedem besseren Geschirrhandtuch einpacken, minoritär ist da ja noch geprahlt gewesen.
Dieses bürokratische Passiv-Deutsch: mußte „man“, nicht entschloß „man“ sich zu „Maßnahmen der Stillegung“. Was verbirgt sich den hinter diesem schönen Euphemismus? Und was soll die großkotzige Drohung, „Ähnlich kann es auch anderen Foren und Blogs ergehen, die sich nicht an die Mindeststandards einer vernünftigen und wohlgesonnenen Diskussionskultur halten“? Mal abgesehn davon, daß ich davon nun wirklich nicht viel entdecken kann, als klassisch linken politischen Blog bei blogsport würde ich nur MPunkt zählen, der immerhin eine gewisse Austrahlung/Reichweite und ein modestes Maß an Diskussion vorweisen kann.
Daß ausgerechnet der selbst- oder von wem auch immer ernannte Blogwart ff was von „Neugier“ faselt und „Klärungsbedarf“, die die schönen guten Zeiten des komfor geziert hätten, wer hätte das gedacht.
Ausgerechnet im MDF soll sich die Lage „zugespitzt“ haben, weil es ein „Diktat“ einer Person gegeben haben soll? fischersfritz ist doch empört abgerauscht mit Faust auf den Tisch und Schaum vor dem Mund, Zensur und Diktat kann ich jedenfalls da nicht entdecken. Und das unser Strohfeuermarxist bisher in Wort, Bild und Tat nicht gerade der Vorzeigetyp für „Die Erschließung des Wissens über die Funktionsweise des demokratischen Rechtsstaats und der sozialen Marktwirtschaft, über die Mechanismen des Weltmarkts und der Staatenkonkurrenz“ möchte ich ihm auch noch zuschlechte halten.
Sowas geht zwar zumeist nur hier im Wasserglas der Internetstürme es schmeckt aber nach echter Gewalt, die die letztlich wirklich Bestimmenden hierzulande immer wieder gerne drauf haben.

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Marxistisches Diskussionsforum zugemacht?

28. Februar 2007 82 Kommentare

Das Marxistische Diskussionsforum bei forumromanum ist seit gestern nicht mehr erreichbar. Man erhält dort die Mitteilung „Die von Ihnen gesuchte Community/ Gruppe wurde gelöscht oder deaktiviert“. Das könnte ein technischer Fehler sein, schließlich ist das schon ein- zweimal passiert, es könnte aber auch sein, was bilbo z.B. vermutet, daß Müller-Lüdenscheid, der dortige Forumsbetreiber und webbekannter holzköpfiger Hitzkopf, dem manche GSPlertum vorwerfen und manche es bei ihm vermissen, den Laden dort tatsächlich endgültig zugemacht hat, nachdem die ursprünglichen „echten“ GSPler, die „Münsterer“, die das Forum früher betreiben haben, vor einiger Zeit ja schon mal zumachen wollten, weil sie die Diskussionen nicht mehr hinreichend betreuen zu lönnen meinten. Ironie bei der Geschichte wäre, daß kurz nach der Hatz auf alles GSP-nahe im sogenannten „kommunistischen Forum“ bei x-berg, bei der auch M-L in die Schußlinie gekommen war, die dortigen Macher entnervt aufgegeben haben.

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