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No Future in „a Future that Works“: Two Critiques of the TUC – London – 16. October 2012

6. Oktober 2012 9 Kommentare

No Future in „a Future that Works“: Two Critiques of the TUC – London – 16. October
A lot of protest in recent years against austerity follows the following blueprint: the TUC (or the NUS etc.) call for a day of action and people to the left of the TUC seize this opportunity to modify, radicalise, or to oppose the TUC’s politics. What unifies these radical criticisms is a dissatisfaction with the TUC’s call, aims and tactics. However, what exactly “we” oppose is rarely discussed – it seems that almost any critique of the TUC and its “conservative” anti-austerity is acceptable.
Consequently we do not engage with each other. Conflicting accounts are not discussed, mere assertion of opposition suffices. This situation seems to us to be unsatisfactory.
Hence, we call this meeting to discuss our critique of the TUC. “We” is in this case, on the one hand, some students who were active in the 2010 student movement and, on the other hand, the Wine & Cheese Appreciation Society of Greater London. Each group will present its own critique of the TUC’s call “A future that works”. Afterwards, we want to critique each other, receive critiques from the audience, and develop a clearer account of why the TUC’s “alternative” to the cuts should be resisted. The guiding question will be: “For what reason do we oppose ‘A future that works’?”.
The TUC’s campaign pamphlet can be accessed here:
http://afuturethatworks.org/wp-content/uploads/2012/06/aftw-booklet.pdf

Vor einer Weile ist mir schon mal durch Ruthless Criticism ein Artikel der jungen Linken zum britischen Gewerkschaftsdachverband TUC aufgefallen: „Jobs, Grow­th, Jus­ti­ce – an al­ter­na­ti­ve that isn‘t“.

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Briefwechsel mit Herrn Keiner

22. September 2012 Kommentare ausgeschaltet

Ulrich Schulte hat jetzt auf seiner Herr-Keiner-Web-Seite auch einige Briefwechsel zu seinen Geschichten veröffentlicht.

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05./06.10.12 ¦ Berlin ¦ Vortrag und Workshop des GegenStandpunkt mit Freerk Huisken

21. September 2012 Kommentare ausgeschaltet

Referent: Freerk Huisken
Datum: 05.10.2012 / 06.10.2012
Beginn: 18:30 Uhr / 16:00 Uhr
Ort: Mehringhof, Gneisenaustr. 2, U-Bahnhof Mehringdamm
Bundespräsident Gauck: „Unsere Heimat kommt nicht in braune Hände!“
Die Antifa: „Kein Fußbreit den Faschisten!“
Eine Allianz antifaschistischer Reinigungskolonnen?

Dem Gehalt der Parolen nach schon. Mit gleichen Absichten? Die politische Elite will sich einer unerwünschten politischen Konkurrenz entledigen. Und die linken Antifaschisten? Träumen sie weiter von einer wahren Demokratie, in der Faschisten nichts zu suchen haben? Gibt es deswegen bei ihnen auch Beifall, wenn regierende Demokraten gegen Neofaschisten ihre Machtmittel einsetzen? Wo sie doch selbst regelmäßig ins Visier der Staatsgewalt geraten. Für den demokratischen Staat gibt es diese Allianz nämlich nicht. Er kennt nur Extremisten — rechte und linke.
Demokraten aller Couleur können (Neo-)Faschisten nicht wirklich kritisieren, lautet Freerk Huiskens provokantes Fazit in seinem Buch „Der demokratische Schoß ist fruchtbar…“ Das Elend mit der Kritik am (Neo-)Faschismus: Verfassungsschutz, Bundeszentrale für politische Bildung, viele der Volksparteien, aber auch Gewerkschaften und einige Antifa-Bündnisse stellen bei ihrem Kampf gegen Neonazis deren Kleidung vor, decodieren Zahlencodes und benennen rechtsextreme Musiklabels. Es wird enttarnt, was sie offen zeigen, wenn sie sich präsentieren. Diese Art der „Auseinandersetzung“ lebt von der Vorstellung, Jugendliche würden sich abwenden, wenn sie nur erkennen könnten, wie Neonazis sich kleiden und welche Mucke sie hören. Weit gefehlt, denn diese sind vor allem enttäuschte Nationalisten, die die Verschwendung nationaler Ressourcen durch undeutsche Unternehmenspolitik anprangern, am globalen Kapitalismus gerade nicht den weltweiten Siegeszug eines Ausbeutungssystems kritisieren, sondern beklagen, dass sich gute deutsche Unternehmen in internationale Konzerne verwandeln. Damit kommen gute Demokraten in Schwierigkeiten, entdecken sie doch bei der unerwünschten Konkurrenz Einvernehmen mit dem eigenen höchsten politischen Ziel: Dem Erfolg der Nation, um Deutschland ökonomisch und politisch voran zu bringen. Und so verkommen Verbotsdebatten, Enttarnungen und Steckbriefe sowie die Warnung, dass der Schoss noch fruchtbar sei, zu einer Ehrenrettung von Nationalbewusstsein zum Segen des demokratisch regierten Kapitalismus. Daran sollte man sich wirklich nicht beteiligen.

Der Mitschnitt ist bei argudiss erhältlich

Sonnabend 06.10.2012 Beginn: 16:00 Uhr
Workshop mit Freerk Huisken zum Thema: Wie man Nationalismus und Rassismus kritisiert und wie lieber nicht.

Es häufen sich die Publikationen über „Argumente gegen Stammtischparolen“ (Hufer u.a.). Ihnen ist zu entnehmen, wie man auf rechte und rechtsextreme Reden hereinfällt. Dagegen soll exemplarisch erarbeitet werden, wie man nationalistische und rassistische Reden richtig kritisiert.
(siehe auch http://www.kk-gruppe.net/)

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Klarstellungen über die sozialistische Revolution

19. September 2012 51 Kommentare

Ein Genosse hat mir die folgende Abschrift der Einleitung des Vortrags von Konrad Hecker von der damaligen Marxistischen Gruppe aus 1987 „70 Jahre Oktoberrevolution – Der Weg der KPdSU – Von der Verwirklichung einer Kritik an Staat und Kapital zum Bekenntnis, keine Revolution mehr zu wollen“ geschickt:
„Eine sozialistische Revolution, wie sie vor 70 Jahren durchgeführt worden ist von den Bolschewiken, ist alles andere als ein Machtwechsel, so sehr bürgerliche Begutachter die Oktoberevolution immer nach dem Muster eines Regierungswechsels zu deuten bemüht sind. Es hat jetzt im deutschen Fernsehen zum ersten Mal die interessante Kritik an der Oktoberrevolution gegeben, sie wäre eigentlich viel weniger blutig verlaufen, als die Kommunisten das immer darstellen im Nachhinein zum Zwecke einer verwerfliche Legendenbildung. Das zielt in die Richtung der einen Schule der bürgerlichen Interpretation dieses Ereignisses, die deren Bedeutung runterspielen will. Das geht aus von dem Urteil, ein bedeutendes Ereignis, das ist eine Sache, vor der man irgendwo auch Ehrfurcht haben kann, und weil man der Oktoberrevolution diese Ehrfurcht versagen will, soll sie gar kein große Revolution gewesen sein, sondern so etwas der Übergang vom Zaren zum Lenin. Der neue rote Zar saß dann von da an im Kreml. Es gibt neuerdings auch die Deutung, die Kommunisten hätten in letzter Minute noch die einzige historische Chance der Demokratie in Russland verhindert. Das wird dem, was damals passiert ist und was eine Revolution eben ist und was die damals war, nicht so ganz gerecht.
Eine Revolution ist kein Machtwechsel, sondern ein Umsturz, der bedeutet, dass alles was in der Gesellschaft bisher gegolten hat, nicht mehr gilt.
Angesichts der öffentlichen Interpretationen, die jetzt zur Oktoberrevolution in Umlauf gesetzt werden und unter denen die zweifellos originellste, die jetzt kürzlich im Fernsehen mitzuerleben war, in der interessanten Kritik bestand, die Oktoberrevolution wäre längst nicht so blutig gewesen, wie die Kommunisten sich dessen immer rühmen. Es ist ein seltsamen Anliegen, diese Revolution zu verkleinern; und vielleicht ist es nicht umsonst gerade deswegen und wegen vielfältiger sozialkundlicher Missverständnisse dieses Ereignisses, einmal darauf hinzuweisen, was eine sozialistische Revolution eigentlich ist und will.
Sie ist nämlich etwas gründlich anderes, als dass „die Macht“ – eine Abstraktion, die leider nicht bloß in der Politikwissenschaft sehr beliebt ist – vom einen auf den anderen, vom alten auf den neuen Zaren, vom Nikolaus auf den Lenin übergegangen wäre. Eine Revolution ist kein Machtwechsel, sondern das ist eine Aktion in der mit der Macht, die es gibt, aufgeräumt wird. Sie zeichnet sich auch nicht dadurch aus, das überhaupt Gewalt passiert, sondern sie zeichnet sich durch eine Gewalt aus, die alles bisherige auf den Kopf stellt, die sämtliche in der Gesellschaft verankerten Verhältnisse aufhebt. Die natürlich im Zuge dieser Aufhebung auch ans Tageslicht bringt, wie viel Gewalt diesen alten Verhältnissen innewohnt; weil all die so scheinbar selbstverständlichen Einrichtungen dieser Gesellschaft alle nicht ohne den Schutz und die Deckung durch staatliche Gesetze und eine beträchtliche Polizeigewalt auskommen. Die Aufhebung all dieser Verhältnisse verlangt eine Gewalt, die sie aufhebt.
Das geht weder durch die Eroberung der Bundesdruckerei, so das fortan in roten Buchstaben sozialistische Gesetze von dort verkündet würden – das kann der Inhalt einer Revolution sowieso nie sein. Es ist andererseits auch kein Großereignis menschlicher Interaktion oder so etwas ähnliches. Es ist auch kein Parteitag, sondern es ist die an jedem Ort, wo die alte Gewalt sich hält, sich betätigende, das alles aufhebende Gewalt.
Und das nicht nur so überhaupt, sondern aus einem guten Grund. Der Grund liegt darin, dass alles, was auch ohne kommunistische Hinweise als ziemlich blöd, ziemlich ärgerlich und ziemlich schädlich in dieser Gesellschaft bekannt ist, nicht einfach mit dem moralischen Wunsch quittiert wird, es möchte doch besser sein. Sondern das eine Analyse vorgelegt wird, die erklärt, inwiefern das alles systemnotwendig ist. Ein Programm, das ernst macht mit dem, was ja irgendwo auch in den Zeitungen zu lesen ist: dass es z.B. in unserem System ohne Verarmung, ohne Arbeitslosigkeit als eine ihrer Formen, ohne Steigerung der Arbeitsproduktivität – um nur ein paar Hinweise auf das weite Feld des Arbeitslebens zu geben – nicht geht. Einer Revolution liegt eine Kritik zugrunde, die die die Feststellung, das reich und arm sich so ein bisschen tendenziell auseinanderentwickeln, nicht mit Anträgen an eine bessere Steuerreform begegnet, sondern mit der Erkenntnis, das und inwiefern das diesem System, das wir haben, immanent ist. Eine Kritik auch, die angesichts dessen, was in der Politik passiert, der inneren wie der äußeren Gewalt, nicht mit Friedensidealismus daherkommt, oder mit dem billigen Ideal, man möchte die Steigerung der Gewalt doch lieber lassen, angefangen vom Kindergarten bis zur Startbahn West netter miteinander umgehen. Sondern es ist eine Kritik, die die Notwendigkeit auch der Gewalt in diesen ganzen Verhältnissen kennt, sie nicht leiden kann und deswegen abschaffen will; und sich überhaupt nicht zufrieden gibt mit solchen Hinweisen wie dem, man müsste doch hier und heute, jetzt und sofort irgendetwas ändern – das ist für das Anliegen einer sozialistischen Revolution in der Tat zu billig. Unter dem, das man die Verhältnisse, wie sie nun einmal sind, außer Kraft setzt, sind diese Verhältnisse nun einmal auch nicht außer Kraft zu setzen – diese schlichte Einsicht beflügelt Revolutionäre zu ihrem Tun.
Was sie damit außer Kraft setzen, wenn sie gewinnen – das muss allerdings passieren –, das ist nicht wenig. Das ist über die Eroberung der politischen Macht, eben um es nochmal zu sagen, nicht einfach ihr alternativer Gebrauch, den man in einem ununterscheidbaren und sowieso von niemandem zur Kenntnis genommenem Partei- oder Wahlprogramm vorher angekündigt hätte; sondern das ist das außer Kraft setzen, vermittels der neuen Gewalt, die sich an die Stelle des bisher regierenden Gewaltmonopols setzt, so fundamentaler Einrichtungen wie des Eigentums. Das ist mehr als eine Korrektur des bürgerlichen Gesetzbuches. Das setzt außer Kraft, was in dieser Gesellschaft mit dem Eigentum anzufangen ist: die Privatmacht des Geldes über die Verteilung der Arbeit in dieser Gesellschaft. Es setzt außer Kraft eine Arbeitsteilung in Abhängigkeit von den Entscheidungen der Geldbesitzer. Es setzt außer Kraft eine Armut in Abhängigkeit vom Geldbesitz und von der Notwendigkeit es immer wieder zu verdienen. Also kurzum: den Gegensatz der Klassen, die es gibt, auch wenn kein Demokrat sie zugeben will. Es setzt außer Kraft die schöne abgetrennte Sphäre der politischen Gewalt, die immer so tut, als würde sie nur die Spielregeln sichern und darüber vergisst, dass es die Spielregeln der Klassengesellschaft sind, die da gesichert werden. Diese abgetrennte Sphäre mit ihrem abgetrennten Betätigungsfeld des Parlaments hat ebenfalls keinen Stellenwert mehr, wenn die revolutionäre Gewalt sich der Hoheit über die Gesellschaft bemächtigt. Es wird außer Kraft gesetzt der ganze Kosmos privater Vorkehrungen und Einrichtungen, mit denen die Individuen in dieser Gesellschaft, mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zurechtkommen. Das lässt weder die Familie unberührt, noch das Ausbildungswesen; die Hierarchie die Berufe überlebt eine Revolution sowieso nicht. Die Moral irritiert weder einen Revolutionär, noch überlebt sie seinen Erfolg, weil sie ohnehin nichts anderes als das subjektive „Ja“ zu dieser ganzen Gesellschaft ist, ein „Ja“, mit einigen „Abers“ noch hinterher. Am Ende wird sogar die Psyche des modernen Individuums ein bisschen anders.
So dass am Ende, wenn die Revolution Erfolg hat, dann muss sie an viele Stellen hin und dafür sorgen dass sich dieses Ergebnis einstellt, in der Gesellschaft fortan nichts anderes passiert als das, was die revolutionäre Partei will; und das, was sie will, ergibt sich aus überhaupt nichts anderem als aus ihrem Programm; und dieses Programm aus der Einsicht in die gesellschaftlichen Verhältnisse, die sie vorher gewonnen hat und ihrem Willen, den sie an dessen Stelle setzt. Der, und sonst nichts, wird nach einer Revolution zum Zusammenhang der gesellschaftlichen Lebensverhältnisse. Das ist nämlich überhaupt ihr Witz, dass alles das, wovon der Marx gesagt hat, es spielt sich ab „hinter dem Rücken“ der Menschen, als ein Zwangsgesetz, dem sie Rechnung tragen, ob die es wissen oder nicht. Dass dieses Zwangsgesetz verschwindet und fortan die Mitglieder in dieser Gesellschaft ihren Zusammenhang nach ihrem Interesse und zu ihrem Vorteil inszenieren, selber ins Werk setzen und das eben nichts mehr passiert wie von selbst, aus Sachzwang. Die Kategorie des Sachzwangs hat nach einer Revolution ihr Recht verloren.
Es gibt überhaupt nur zwei Bedingungen auf die eine Revolution achten muss, unabhängig von dem, was sie selber will. Das ist zum einen das Überkommene, was man vorfindet, was man damit anfangen kann, wie z.B. die Produktivkräfte der Gesellschaft beschaffen sind und wie sie noch zu entwickeln sind. Das andere ist das Ausland, das sozialistische Revolutionen nicht bloß 1917 höchst ungern gesehen hat. Beides sind Hindernisse, die eine revolutionäre Partei einkalkulieren muss, aber es sind keine Argumente, die das Programm relativieren. Das ist ein sehr wesentlicher Unterschied, weil sehr viele Parteien, die ähnliches sagen könnten, wie ich es hier vorgetragen habe, dieser kleinen logischen Unterscheidung zwischen Hindernis und Argument nicht recht fähig sind, sondern immerzu das Kräfteverhältnis, dem sie im eigenen Land und im Bezug auf das Ausland gegenüber gestanden sind, als Argument dafür genommen haben, dann von ihrem Programm abzulassen und nur noch das zu machen, was gerade geht. Das ist – ohne Kompromiss diesmal zu sagen – ein Abschied vom Willen zur Revolution, dann macht man eben etwas anderes.
So etwas ist allerdings zu unterscheiden von der Notwendigkeit, Schwierigkeiten zu überwinden, deswegen ist eine Revolution auch nicht gleichbedeutend mit der Ankündigung, das morgen das Paradies ausbricht. Deswegen haben andererseits revolutionäre Parteien auch anderes als Notwendigkeit und als Grund für ihre Revolution anzubieten, als solche billigen Verheißungen, die man sich lieber bei jedem Pfaffen holen sollte.“
Ich habe beim Überarbeiten den Anfang aber mehr oder weniger versehentlich von der Version des gleichen Vortrags in Bochum genommen, der auf der CD „Diverse Vorträge 2“ zu finden ist, und hier als Download.

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Freerk Huiskens bitter sarkastischer Kommentar zu Gaucks Rostock-Rede

28. August 2012 Kommentare ausgeschaltet

Freerk Huisken (vom GegenStandpunkt) hat einen bitter sarkastischen „Offenen Brief an den Bundespräsidenten“ geschrieben:
„Vielen Dank für die mutige Rede zu Rostock-Lichtenhagen, Herr Bundespräsident! Sie haben allen deutschen Nationalisten, pardon: guten deutschen Patrioten aus dem Herzen gesprochen.“
Man kann ihn hier lesen.

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Rückblick auf „35 Jahre EG“ (GSP 1992)

28. Juli 2012 5 Kommentare

Auf der MSZ-Archivseite msz1974-80.net, auf der nach und nach bisher noch nicht online zur Verfügung stehende alte Artikel von der Marxistischen Gruppe bzw. dem GegenStandpunkt veröffentlicht werden, kann man jetzt zwei Artikel aus den GegenStandpunkt-Heften aus dem Jahr 1992 zum damaligen Rückblick auf die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft entlang der Frage „Was ist „Europa“, was hat es vor?“ online lesen.

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Was bedeuten Waffen in „Privat“-Hand? zwei Artikel

23. Juli 2012 15 Kommentare

Die amerikanischen politischen Mitstreiter des Gegenstandpunkt von Ruthless Criticism haben nach dem jüngesten Massaker in den USA am 20.07.2012 in Colorado einen kleinen Grundsatzartikel zur Bedeutung des „privaten“ Besitzes von Feuerwaffen geschrieben: „Guns as a Bourgeois Freedom“ . Daneben/Dagegen möchte ich einen alten Artikel der trotzkistischen ICL stellen, die 1989 einen längeren Grundsatzartikel hierzu geschrieben hat unter dem Titel „The Revolution and the Right to Bear Arms“, nachzulesen online bei marxist.org. Er ist im Download-Bereich als Word-Version zu haben, und als PDF

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Geschichten von Herrn Keiner: Fußball und Nationalismus

20. Juli 2012 44 Kommentare

Ich möchte hier die Keiner-Geschichte über „Fußball und Nationalismus“ vorstellen, die vor kurzem (wie die meisten Keiner-Geschichten von Uli Schulte bisher auch schon) im Luxemburger „Tageblatt“ veröffentlicht wurde. Dieser Hinweis auf den ursprünglichen Veröffentlichungsort scheint mir deshalb wichtig, weil damit der Hinweis gegeben wird, daß der Adressat dieser Keiner-Geschichte – wie der anderen vorherigen auch – der normale Zeitungsleser ist, von dem wir wissen, daß er national gesinnt ist, das dürfte in Luxemburg nicht anders sein als in Deutschland. Deshalb wäre ein Vergleich der Ausführungen der Keiner-Geschichte mit anderen, systematischen Abhandlungen zum Gegenstand Nationalismus unangebracht. Eigentlich geht es „nur“ um die Frage, ob die Geschichte über „Fußball und Nationalismus“ einen Beitrag dazu leistet, den „normalen“ Zeitgenossen zum Nachdenken über seine geistigen Anpassungsleistungen zu bewegen. Denn ganz offensichtlich sind ja all die guten Argumente gegen das Einrichten in den herrschenden Verhältnissen, die ja schon reihenweise in allerlei Form vorliegen, zu den meisten Menschen (weder „hier“ im deutschsprachigen Raum, und erst recht nicht anderswo) noch gar nicht vorgedrungen, geschweige denn, daß sie sich davon hätten überzeugen lassen und sie sich zu eigen gemacht hätten. Mit den Geschichten des Herrn Keiner wird nun der offensichtliche Versuch gemacht, dieser mißlichen Lage etwas abzuhelfen. Deshalb sind alle Beiträge dazu, dieses Projekt voranzubringen, auf diesem Blog genauso willkommen wie beim Autor selber.

Zwei Tage nach der Niederlage Deutschlands gegen Italien bei der Europa-Meisterschaft im Fußball fand Herr K. in einer großen deutschen Boulevardzeitung eine bemerkenswerte Mitteilung über einen Mann, der den Lesern auf der ersten Seite des Blattes als „Verlierer des Tages“ präsentiert wurde. Dieser Mann war TV-Nachrichtensprecher, hatte einen italienischen Familiennamen und sich vor dem Spiel Deutschland-Italien den Zorn der Zeitung durch den einen kurzen Satz zugezogen, der da lautete: „Der Bessere möge gewinnen.“
Es war ferner zu lesen, dass der Nachrichtensprecher nach dieser Bemerkung körbeweise „Wutbriefe“ von deutschen Fernsehzuschauern erhalten hatte, was nicht nur auf das vollste Verständnis der Boulevard-Zeitung stieß, sondern diese dazu veranlasste, mit der Einordnung in die Rubrik „Verlierer“ noch eine eigene Schmährede nachzulegen. Als Begründung war zu lesen: „Beim Fußball hört der Spaß auf!“
„Moment mal“, sagte Herr K., „das ist nicht der ‚Fußball‘, den ich kenne und schätze. Denn diese mir bekannte Sportart wird einzig und allein aus Freude am Spiel betrieben, und die erzielten Tore entscheiden darüber, wer am Ende die bessere Mannschaft ist.
Doch offensichtlich gelten bei der Sportart, von der die Boulevard-Zeitung berichtet – andere Regeln. Hier geht es um den Fußball bei einer Europa-Meisterschaft, es geht um den Fußball als National-Sport, und an den Regeln dieser Sportart hat sich der TV-Sprecher versündigt. Für diese Sportart gilt ersichtlich nur die eine Regel, und die ist ebenso unsportlich wie voreingenommen: Nicht die bessere, sondern die eigene Nation hat zu gewinnen!“
Als Herr K. diese Worte sprach, wusste er, dass er sich damit gegen eine weit verbreitete Unsitte aussprach, den sportlichen Wettstreit zwischen den Nationen aus der Warte der eigenen Nation zu verfolgen und entsprechend parteilich Anteil zu nehmen. Er hielt das für falsch, zumal er immer wieder die Erfahrung gemacht hatte, dass der überall anzutreffende Nationalismus zumeist ohne jedes Argument auskam, sich also gar nicht die Frage vorlegte, ob dieses entschiedene Dafür-Sein gute Gründe auf seiner Seite hatte.
„Es wird so getan“, sagte Herr K., „als ob das etwas Naturgegebenes sei, immer entschieden für das Land zu sein, in das man zufällig hineingeboren worden ist.“
Deshalb gab er den Ratschlag: „Man tut gut daran, ein Spiel wie das Balltreten rein sportlich zu nehmen und die nationale Brille beiseite zu legen. Denn so hat man entschieden mehr vom Spiel, hat nicht nur den engen Blick auf die eigene Mannschaft, sondern kann seine Freude daran haben, dass auch die Spieler anderer Länder gut zu kicken verstehen. Man erspart sich zudem die schlechte Stimmungslage, die einen bedrückt, wenn die eigene Mannschaft ein Spiel verliert und dann womöglich vorzeitig aus einem Turnier ausscheidet. Denn rein sportlich gesehen“, fügte Herr Keiner hinzu, „ist ja überhaupt kein Unglück passiert, alles ging seinen spielerischen Gang: Am Ende hat einfach nur der Bessere gewonnen. Glückwunsch!“

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Demokratische Massaker

13. Juli 2012 7 Kommentare

Es gab im letzten Jahrhundert einige Massaker in demokratischen Staaten. In Deutschland bekannt der Berliner Blutmai 1929. In Frankreich ist das größte Blutbad am 17.10.1961 von Papon in Paris befehligt worden, vielleicht 200 algerische Einwanderer fanden den Tod, Tausende wurden verletzt. Der „Bloody Sunday“ 1972 in Derry hat es bis in die Popmusik geschafft. Das Massaker in Wien vor 85 Jahren hat solche Prominenz nicht geschafft. In der „jungen Welt vom 13.07.2012 erschien ein ausführlicher Gedenkartikel dazu.
http://www.jungewelt.de/2012/07-13/017.php

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Geschichten von Herrn Keiner: Kritik an Israel

9. Juli 2012 19 Kommentare

Die „Geschichten von Herrn Keiner“ von Ulrich Schulte gibt es ja schon eine Weile online (http://www.herrkeiner.com). Seit Kurzem auch als Buch, ich habe hier darauf hingewiesen. Das soll aber noch nicht alles gewesen sein, jedenfalls vom Autor, der weitere Geschichten nachgeschoben hat. Hier noch ein weiterer Beitrag zum ewigen Thema „Kritik an Israel“.

Kritik an Israel
Herr G., der befreundete Lehrer, kam zu Herrn Keiner, um mit diesem über die Reaktionen zu sprechen, die ein deutscher Dichter mit seiner Kritik an Israel ausgelöst hatte. Er sagte: „Das ist doch ein Unding! Da beteuert dieser Mann mit seiner Warnung vor einem Angriffskrieg gegen den Iran, dass er seine Kritik als guter Freund der Israelis verstanden wissen möchte, dass es ihm um die Erhaltung des Friedens in der Region gehe, doch das hilft ihm überhaupt nicht. Er wird postwendend des ‚Antisemitismus‘ bezichtigt, was soviel heißt wie: Mit den geäußerten Befürchtungen muss man sich erst gar nicht befassen, denn diese Kritik verdankt sich – so das vernichtende Urteil – einer rassistischen Feindschaft gegen das Volk der Israelis. Mit der Folge: Dieser Kritiker darf ab sofort das Land Israel nicht mehr betreten.”
”Ja”, sagte Herr K., „das ist eine üble Retourkutsche, und sie zeigt, dass hier, ohne auch nur eines der vorgebrachten Argumente zu prüfen und zu widerlegen, vom Standpunkt einer durch die gleiche Rasse verbundenen Volksgemeinschaft aus argumentiert wird, die auf ihren nationalen Zusammenhalt nichts kommen lässt. Negative Kritik kann daher nur ‚von außen‘ stammen, von solchen ‚Elementen‘, die als ‚Anti-Semiten‘ Feinde des israelischen Volkes sind. Deshalb reichte für diese Art Beweisführung schon der bloße Verweis auf die faschistische Vergangenheit des Dichters, um dessen Kritik an den Kriegsplänen Israels als Machwerk des Bösen zu denunzieren.
Doch zur richtigen Einordnung dieses Vorfalls”,so fuhr Herr Keiner fort, „möchte ich darauf hinweisen, dass der Staat Israel mit einer solchen Zurückweisung von Kritikern des Landes nicht alleine steht. Alle Staaten dieser Welt verstehen sich darauf, einer unliebsamen Kritik jedwede Berechtigung abzusprechen, und zwar mit der immer gleichen Argumentations-Logik, welche von der Selbstherrlichkeit der politischen Machthaber zeugt: Auch wenn sich die Bürger des eigenen Landes unangemessen kritisch äußern, sprechen diese nicht für sich selbst, sondern stehen im Dienst ‚volksfeindlicher Kräfte‘, deren ‚Hintermänner‘ immerzu in irgendeinem ‚feindlichen Ausland‘ verortet werden. So wurden zu Zeiten des Kalten Krieges radikale Kritiker im Westen als ‚5. Kolonne Moskaus‘, auf der Gegenseite – ganz spiegelbildlich – als ‚Agenten des CIA‘, also in beiden Fällen als Landesverräter dingfest gemacht.”
”Ihre Ausführungen leuchten mir ein”, sagte Herr G., „doch mir stellt sich die Frage: Sind diese haltlosen Argumente zur Bloßstellung unliebsamer Kritiker nicht allseits durchschaut? Und wenn ja, warum ist gerade im Falle Israels zu registrieren, dass sich jede Kritik an diesem Land nur sehr verhalten äußert, gerade so, als ob die Kritiker Angst davor hätten, als ‚antisemitisch’ geoutet und damit geistig in die Nähe der faschistischen Progrome gegen die Juden gerückt zu werden?”
”Diese Frage habe ich mir auch gestellt”, antwortete Herr K., „doch wenn man bedenkt, dass der Vorwurf des ‚Antisemitismus‘ dem gleichen geistigen Strickmuster folgt, wie auch in anderen Staaten mit störender Kritik verfahren wird – man denke nur an die Nachkriegs-Kampagne der USA gegen ‚antiamerikanische Umtriebe‘ – , so kann es keine Frage der Güte des Arguments sein, dass Israel mit dem Antisemitismus-Vorwurf so erfolgreich Politik macht. In Wahrheit kann sich das nur der Machtposition verdanken, die sich Israel im Nahen Osten erobert hat, und: Wie alle Welt weiß, ist das, was sich dieser Staat so alles an Freiheiten herausnimmt, nahezu uneingeschränkt von der mächtigsten Nation dieser Welt, den USA, gedeckt. So darf Israel wider jedes Recht fremdes Land besetzen, Atomanlagen in Staaten der Region zerstören, sich selbst mit Atomwaffen ausstatten – am Veto der USA sind noch alle Versuche anderer Staaten gescheitert, mit Hilfe der UNO diesem kriegsträchtigen Treiben Israels Einhalt zu gebieten.”
”Also liegt es dann auch wohl am Respekt vor diesen Machtverhältnissen, wenn die Kritik des Dichters in der deutschen Öffentlichkeit nur wenig Zuspruch fand.”
”Ja”, antwortete Herr K., „das sehe ich auch so. Moralisch wird die besondere Freundschaftsbeziehung zu Israel zwar immer mit der ‚Schuld der Vergangenheit‘ begründet, doch in Wahrheit wird in der Parteilichkeit der Medien für ihr Land nur das geistig nachvollzogen, was die Interessenslage der deutschen Außenpolitik vorgibt: Das Begehr, die Potenz der politischen Einflussnahme auf die Staaten des Nahen Ostens zu vergrößern, ist mit Aussicht auf Erfolg nur durch die enge Partnerschaft mit Israel zu realisieren. Und es liegt an eben dieser außenpolitischen Berechnung, dass jede Kritik, die Israel unnötig verärgert, in Deutschland völlig fehl am Platze ist.”

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Geschichten von Herrn Keiner: Wahlen in Griechenland

1. Juli 2012 13 Kommentare

Als Herr Keiner mit Freunden über den Ausgang der Wahlen in Griechenland sprach, sagte einer von ihnen: „Die griechische Bevölkerung hätte nicht der Illusion verfallen dürfen, ihr braves Wahlverhalten von den Oberen der EU honoriert zu bekommen. Erst lassen sich dazu erpressen, den konservativen EU-Freunden zur Macht zur verhelfen, dann bekommen sie von den zuständigen europäischen Politikern kurz und bündig mitgeteilt, dass von ihnen keine Nachsicht bei der weiteren Durchführung des verordneten Sparprogramms zu erwarten sei. An den Zielen des ‚Hilfsprogramms‘ für Griechenland”, so war zu lesen, dürfe ‚nicht gerüttelt‘ werden.”
”Das stimmt”, sagte Herr K, „doch dieses Beispiel zeigt einmal mehr, dass das Abhalten von Wahlen nicht zu dem Zweck erfolgt, den Unteren das Leben zu erleichtern. Bei jeder Wahl geht es um die Belange der Nation, und die Unteren sind in ihrer Eigenschaft als verantwortlich denkende Staatsbürger gefragt und nicht als Angehörige einer Klasse, denen von dem verordneten kapitalistischen Sanierungsprogramm übel mitgespielt wird.”
”Ja, das ist schon auffällig”, sagte ein anderer aus der Runde: „Man verlässt den Standpunkt des eigenen Interesses, wenn man sich im nationalen Interesse all die Probleme einleuchten lässt, die die auswärtigen Kreditgeber mit Griechenland haben. Dann leuchtet einem am Ende noch die Schuldzuschreibung ein, dass die Krise nicht das Ergebnis der Konkurrenz zwischen den europäischen Nationen, sondern ‚hausgemacht‘ sei und dass deshalb alle ihr Scherflein dazu beitragen müssen, diese nationale Notlage zu bewältigen. Da liebäugelt man als Wähler mit einer Linkspartei, die im nationalen Interesse gegen das auferlegte Spardiktat Einspruch erhebt, lässt aber auch wieder die Konservativen zum Zuge kommen, wenn die europäischen Aufsichtmächte damit drohen, das Land mit einer unbotmäßigen Regierung abzuschreiben und ins Chaos zu stürzen.”
Daraufhin sagte Herr K.: „All das zeigt, dass die Mehrheit der griechischen Bevölkerung schlecht beraten war, ihren Widerstand von der Straße weg ins Parlament zu verlagern und auf die politischen Parteien zu setzen, um eine Verbesserung ihrer Lage zu erreichen. Denn so geben sie die Möglichkeit aus der Hand, gegen die Verschlechterung ihrer sozialen Lage wirksam anzukämpfen.”
”Aber Herr K.”, meldete sich eine Gesprächsteilnehmerin zu Wort, „das sehe ich anders. Haben die vielen griechischen Demonstranten nicht deshalb ihre Hoffnung auf die Politik gesetzt, weil sie mit ihrem Kampf auf der Straße so gut wie nichts erreicht haben?”
”Ja”, sagte Herr K., „so scheint es auf den ersten Blick auszusehen. Doch in Wahrheit war der Kampf der griechischen Bevölkerung gegen die verordneten Sparprogramme immer zwiespältig: Zwar waren viele von ihnen radikale Gegner dieser Volksverarmung, aber sie kämpften zugleich auch als griechische Patrioten, die sich neben dem Ärger über die eigene soziale Lage auch immer wieder von der Notlage ihrer nationalen Gemeinschaft beeindrucken ließen. Dann war der Feind nicht mehr das marktwirtschaftliche System, wovon die eigene Regierung ein Teil ist, sondern die Feinde waren in erster Linie die auswärtigen Mächte, die die griechische Nation mit der entsandten ‚Troika‘ zu beherrschen suchten. Diese Zwiespältigkeit tat dem Widerstand der griechischen Bevölkerung nicht gut, und so ist es leider kein Wunder, dass die politischen Parteien im Land dies für sich ausnutzen konnten.
So hat die EU bei ihrem Kampf gegen die Krise”, wie den Zeitungen zu entnehmen ist, „vorübergehend eine ‚Atempause‘ bekommen, was sich von der gebeutelten Mehrheit der griechischen Bevölkerung nicht sagen lässt. Im Gegenteil”, sagte Herr K. „Die tut sich in Zukunft noch schwerer als bisher, unter den verordneten Lebensumständen über die Runden zu kommen.”

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Geschichten von Herrn Keiner: Das iranische Atomprogramm

26. Juni 2012 Kommentare ausgeschaltet

Die „Geschichten von Herrn Keiner“ von Ulrich Schulte gibt es ja schon eine Weile online (http://www.herrkeiner.com). Seit Kurzem auch als Buch, ich habe hier darauf hingewiesen. Das soll aber noch nicht alles gewesen sein, jedenfalls vom Autor, der weitere Geschichten nachgeschoben hat. Als erstes hier eine Geschichte über den Iran:
„In einer Gesprächsrunde über die politische Lage im Nahen Osten wurde Herr Keiner von einer Frau mit besorgter Miene gefragt, ob er nicht auch der Ansicht sei, dass von dem iranischen Atomprogramm eine besondere Gefahr ausgehe. Als Herr K. antwortete, dass er nicht wisse, welches iranische Atomprogramm gemeint sei, zeigte sich die Fragestellerin ersichtlich irritiert, und sie fragte zurück: „Ich verstehe nicht, was sie meinen. Gibt es denn verschiedene iranische Atomprogramme?” „Nein”, antwortete Herr K., „das nicht, aber es gab schon früher zu Zeiten des Schah ein solches Programm, und das ist nicht auf den Widerstand der Weltmacht USA gestoßen, im Gegenteil: Es wurde ausdrücklich von der US-Regierung begrüßt und unterstützt.”
Als Herr K. sah, dass die Frau nachdachte, was der angestellte Vergleich zwischen dem Atomprogramm heute und früher bedeuten sollte, sagte er weiter: „Mit dem Hinweis auf die früheren Atommacht-Bestrebungen des Irans wollte ich dazu auffordern, sich Gedanken über die wirklichen Motive der amerikanischen und europäischen Feindschaft gegenüber dem aktuellen iranischen Atomprogramm zu machen. Denn die verbreiteten Feindbilder über den derzeitigen iranischen Führer, „menschenverachtend und diktatorisch” das Land zu beherrschen, hätte man genau so gut gegenüber der früheren Führung in Gestalt des Schahs von Persien in Anschlag bringen können. Dessen Geheimdienst durfte sogar im fernen Deutschland auf protestierende Studenten einprügeln, was die ‚guten Beziehungen‘ zu diesem Land keineswegs getrübt hat.”
”Jetzt verstehe ich so langsam, was sie meinen”, sagte die Fragestellerin. „Die Behauptung, mit der Verhinderung des aktuellen iranischen Atomprogramms einem ‚gefährlichen Kriegstreiber‘ das Handwerk legen zu wollen, sagt nichts aus über die wirklichen Gründe der Feindschaft, die sich der Iran von Seiten der westlichen Staaten zugezogen hat.” “
”Genau das meinte ich”, antwortete Herr K. „Deshalb sollte man die moralischen Begründungen dieser Feindschaftserklärung erst gar nicht beim Wort nehmen. Der Grund dafür, den Iran als ‚böse‘ einzustufen und ihn entsprechend zu behandeln, ist einzig darin zu suchen, dass er mit seinen Machtambitionen denen der aufsichtführenden Mächte in die Quere kommt. Er fügt sich nicht in die Ordnung, die die USA und deren regionale Vormacht Israel im eigenen Interesse im Nahen Osten hergestellt haben. Eine Ordnung, die mit der atomaren Bewaffnung Israels die militärischen Kräfteverhältnisse in der Region weiter zu Ungunsten des Iran verändert hat.”
Da meldete sich wieder die Frau zu Wort und sagte: „Wenn ich Ihre Ausführungen richtig verstanden habe, wäre es im Interesse der Stabilität der Region vielleicht besser, wenn es dem Iran ebenfalls gestattet würde, sich Atomwaffen zuzulegen. Dann würde jede Seite über die militärischen Mittel der Abschreckung verfügen, welche die Gefahr eines weiteren Krieges in der Region vermindern könnte.”
”Nein”, sagte Herr K., „so waren meine Ausführungen nicht gemeint. Denn die von Ihnen gewünschte ‚Stabilität‘ ist nicht das, was die maßgeblichen Mächte in der Region durchsetzen wollen. Denen geht es nicht um einen Ausgleich von Interessen, deren Interesse an ‚Stabilität’ ist kein Kriegverhinderungsprogramm. Das ist an ihrer Drohung mit militärischer Gewalt zu sehen, nämlich für den Fall, dass der Iran den Forderungen nach Aufgabe seines Atomprogramms nicht nachkommt. Für diese Mächte stellt sich die Lage so dar: Erst wenn der Iran nachgibt, sich ihren Interessen widerspruchslos unterordnet, erst dann ist die Lage wieder ‚stabil‘, also im eigenen Herrschaftsinteresse zufriedenstellend geregelt.”

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Freerk Huisken: Was ist Antisemitismus? (Linke Buchtage 2012)

16. Juni 2012 45 Kommentare

Bei archive.org kann man einen Mitschnitt der Veranstaltung von Freerk Huisken (GegenStandpunkt) bei den Linken Buchtagen in Berlin am 15.06.2012 runterladen, wo er eigentlich sein Buch „Der demokratische Schoß ist fruchtbar …¦ Das Elend der Kritik am (Neo-)Faschismus“, erschienen bei VSA, vorstellen wollte.
Freerk Huisken hat dann aber der aktuellen Diskussionen um das Buch des LAIKA-Verlags („2. Band der Reihe Edition Provo Mitternacht auf der Mavi Marmara, erschienen im LAIKA-Verlag im März 2011, das Berichte und Reflexionen von ca. 50 Autoren enthält zur versuchten Blockadedurchbrechung 2010 durch die Gaza-Hilfsflottille und dem Angriff der israelischen Marine auf sie, sowie grundsätzlich zum Verhältnis Israel-Palästina“, wegen dem dieser nicht zugelassen werden sollte und der daraufhin erfolgten Boykottdrohungen anderer linker Verlage, woraufhin die Veranstalter den LAIKA-Verlag doch zugelassen haben, wegen sein Thema umgestellt:
1. Was ist Antisemitismus?
2. Welche Rolle spielt er heutzutage?
3. Warum wird Kritik an Israel mit Antisemitismus gleichgesetzt?

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Demonstration gegen den Volksbetrug Fußball-WM?

15. Juni 2012 Kommentare ausgeschaltet

„Überlegungen des KSV [das war eine maoistische Studentenorganisation in der BRD], eine Demonstration gegen den Volksbetrug Fußball-WM durchzuführen, scheiterten an der Unvereinbarkeit von Demonstrationszeitpunkt und Sendetermin der Übertagung dessen, wogegen protestiert werden sollte. Wir nehmen uns davon nicht aus: Sitzungen des MSZ-Kollektivs paßten sich dem Spielplan des WM-Organisationskomitees an. Grund genug, so meinen wir, abgesehen von der Bewußtseinslage der meisten potentiellen Adressaten unserer Politik, mit den Mitteln der wissenschaftlichen Analyse einem Phänomen nachzugehen, das zunächst eher Wissenschaft behindert, als sie anzuregen.“

Ein Running Gag aus „Größerer Versuch über das Balltreten“, einem der ersten Artikel der Marxistischen Gruppe zum Fußballspiel und seinen Fans (jetzt wiedergefunden bei „Proletarierin„, einem Tumblr-Blog, weil dort wiederum auf ein Zitat von Rolf Röhrig verlinkt wird)

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Was braucht der Mensch? Eine funktionierende Regierung und den Euro!

15. Juni 2012 Kommentare ausgeschaltet

Die Griechen treffen am Sonntag eine historische Wahlentscheidung – und sowohl Ergebnis als auch Folgen sind unklar. Die FTD sagt in ihrer Wahlempfehlung, wen die Griechen wählen sollen, in deutscher und griechischer Sprache.

Wahlempfehlung:
Die FTD hat mit der Mehrheit der Griechen ein gemeinsames Interesse: Ihr Land soll den Euro behalten. Am Sonntag findet eine historische Wahl statt, die genau darüber entscheidet – und auch über die Zukunft der europäischen Währungsunion. Deshalb macht die FTD heute eine Ausnahme. Sie gibt für Griechenland, wie sonst nur zur Wahl des Bundestags und Europaparlaments, eine Wahlempfehlung ab.
Liebe Griechinnen und Griechen, sorgen Sie für klare politische Verhältnisse. Stimmen Sie mutig für den Reformkurs statt zornig gegen notwendige, schmerzhafte Strukturveränderungen. Nur mit den Parteien, die die Bedingungen der internationalen Kreditgeber akzeptieren, wird Ihr Land den Euro behalten können. Widerstehen Sie der Demagogie von Alexis Tsipras und seiner Syriza. Trauen Sie nicht deren Versprechungen, dass man einfach alle Vereinbarungen aufkündigen kann – ohne Konsequenzen.
Ihr Land braucht endlich einen funktionierenden Staat. Damit es geordnet regiert wird, empfehlen wir die Nea Dimokratia. Das fällt uns nicht leicht. Die Nea Dimokratia hat über Jahrzehnte eine falsche Politik betrieben und die heutige Misere mitzuverantworten. Trotzdem wird Ihr Land mit einer Koalition unter Antonis Samaras besser fahren als unter Tsipras, der das Rad zurückdrehen will und eine Welt vorgaukelt, die es so nicht gibt.

So klipp und klar bringt es die Financial Times Deutschland, eine der einflußreichsten deutschen Tageszeitungen (bei der zu unpassender Zeit auch schon mal Linke was schreiben dürfen) jetzt auf den Punkt.

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Herrschaftszeiten: Geschichten von Herrn Keiner

13. Juni 2012 22 Kommentare

Ulrich Schulte hat schon seit einiger Zeit seine kleinen Lehrgeschichtchen in Anlehnung an Bert Brecht geschrieben und veröffentlicht (Der Titel lehnt sich an an die „Geschichten von Herrn Keuner. Nun hat er daraus auch ein Buch gemacht „Herrschaftszeiten: Geschichten von Herrn Keiner“
Statt eines Vorworts:

Herr Keiner verbrachte viel Zeit damit, Wissenswertes über die gesellschaftlichen Verhältnisse zu erfahren. Das war nicht immer leicht. Denn das, was in Zeitungsberichten zu lesen oder in Reportagen zu hören und zu sehen war, befriedigte ihn nicht. Er sagte: „Man erfährt zu viel und lernt zu wenig.
Ich komme mir immer vor wie beim Blättern eines Fotoalbums. Ich sehe Bilder, die einen unermesslichen Reichtum zeigen, in einer Reihe mit Darstellungen bitterster Armut. Ich lerne Arbeits­plätze kennen, die ihren Mann nicht ernähren und sehe Be­hausungen, in denen man nicht wohnen kann. Ich sehe Leute, die nicht wissen, wie viel Geld sie haben und andere, die es dauernd zählen müssen. Doch was sollen alle diese Bilder, wenn keine Mühe darauf verwandt wird, sie zu sortieren und zu erklären? Wenn die Opfer von Naturkatastrophen in einer Reihe mit denen zu sehen sind, die ersichtlich auf das Konto der gesellschaftlichen Verhältnisse gehen. Es wird zu viel abgebildet und zu wenig nachgedacht“, sagte Herr K.
„Mich befriedigt nicht zu wissen, dass etwas passiert, ich möchte wissen, warum etwas geschieht. Ich möchte keine Personenbe­schreibung der juristisch Verantwortlichen, wenn wieder einmal Menschen in einem Zug, einer Massenparty oder beim Ölbohren zu Schaden kommen. Ich möchte die Gründe wissen, die solche Schäden hervorbringen. Vielleicht lassen sich Notwendigkeiten ermitteln, die in diesen Verhältnissen wie Sachzwänge wirken, welche die Verantwortlichen zu befolgen haben? Vielleicht haben die vielen menschlichen Katastrophen ein System, haben viel­leicht etwas mit der wirtschaftlichen Rechenweise zu tun, die das Leben in allen Ländern dieser Welt bestimmt?“
Herr Keiner beschloss, all diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Er nahm sich vor, das, was berichtenswert ist, nicht bis ins kleinste Detail zu veranschaulichen, nicht mit Faktenwissen zu überladen, sondern mit der Ermittlung der Gründe einer Erklärung zuzuführen.

Bei der Gelegenheit paßt natürlich auch ein Hinweis auf Bert Brechts Flüchtlingsgespräche, bei denen Brecht einen ähnlichen Ansatz verfolgt hat.

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13.06.12 ¦ Berlin ¦ Krisenpolitik in der EU: Raumänderung!!

12. Juni 2012 1 Kommentar

Der Vortrag „Europa soll gesunden – durch mehr Armut überall!“ von Margaret Wirth (GegenStandpunkt) am 13.06.2012 in Berlin findet nicht im Festsaal Kreuzberg statt.
Statt dessen wird der Vortrag im „Monarch“ (http://www.kottimonarch.de/) Skalitzer Straße 134 (also im Prinzip neben dem Festsaal Kreuzberg) stattfinden. Der Vortrag ist im 1. Stock.
Beginn ist weiterhin 19.30 Uhr.
Eine Ankündigung findet sich hier: http://kk-gruppe.net/#teachins

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Tax the rich or better still get rid of the rich altogether

12. Juni 2012 Kommentare ausgeschaltet

Linke Grüne in Australien haben einen Artikel zur Beschimpfung der Griechen durch die IWF-Chefin Lagarde geschrieben, in dem sie den Punkt machen, daß sie (wie viele Reiche und große Firmen in Australien auch) selber netterweise überhaupt keine Einkommenssteuern zahlen muß. Ihr „Pogramm“ dazu ist dann das obige „Tax the rich or better still get rid of the rich altogether and build a new society based on shared and renewable resources“. Daß das ein himmelweiter Unterschied ist, scheint ihnen dabei kein Problem zu sein.
Dazu fällt mir ein alter Songtext von Ten Years After ein (erstaunlicherweise scheinen das bei Google so selbst nach 40 Jahren noch viele Leute zu suchen, daß einem das dort gleich als Suchbegriff angeboten wird, wenn man nur „Ten Years After“ eingibt):

Everywhere is freaks and hairys
Dykes and fairies
Tell me where is sanity?
Tax the rich, feed the poor
Till we run out, rich no more
I’d love to change the world
But I don’t know what to do
So I’ll leave it up to you

Soviel weiter scheinen diese Grünen auch nicht gekommen zu sein.

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Arbeitsplätze + Wachstum + Gerechtigkeit = Armut + Armut + Armut

7. Juni 2012 Kommentare ausgeschaltet

junge Linke hat eine brauchbare Kritik zur Kampagne des britischen Gewerkschaftsdachverband TUC „Cuts are not the Cure“ veröffentlicht „Jobs, Growth, Justice – an alternative that isn’t“, auf die ich nur bzw. jetzt schon gestoßen bin, weil ausgerechnet(?) Ruthless Criticism, die amerikanischen Freunde des GegenStandpunkts, auf ihrer Facebook-Infoseite darauf hingewiesen haben.

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Rüdiger Mats – Gespenst Kapitalismus (UG-Broschüre)

5. Juni 2012 114 Kommentare

Ist Kommunismus ein theoretischer und praktischer Bezugspunkt für die radikale Linke? Und – wenn ja – lässt sich über ihn jetzt überhaupt schon mehr sagen, als dass er das ganz andere wäre? Dazu vier Thesen:
1. Ein vernünftiger Bezug auf Kommunismus – d.h. auch auf seine theoretische und praktische Geschichte – resultiert aus der Kritik des gegenwärtigen Kapitalismus.
Das mag banal oder selbstverständlich klingen, ist es aber nicht. Ich war vor einigen Wochen auf einigen Veranstaltungen einer von der Gruppe Inex organisierten Reihe in Leipzig, bei der es im Wesentlichen um die Kritik am Stalinismus ging. Bei fast jeder Veranstaltung kam aus dem Publikum die Frage, ob man sich denn angesichts der stalinistischen Verbrechen überhaupt positiv auf Kommunismus beziehen könne. Der Witz an dieser Frage ist, dass sie weder eine positive Antwort liefert, noch überhaupt eine Antwort bekommen will, sondern nur die Funktion hat, einen moralischen Standpunkt zu formulieren: Der Redner bzw. die Rednerin fühlt sich auf der moralisch sicheren Seite, indem er sich vom Realsozialismus distanziert, obwohl daraus gar keine bestimmte praktische politische Konsequenz resultiert.
Statt bei diesem Standpunkt zu bleiben und sich als kritischen Linken zu inszenieren, muss man sich doch angucken, was Kapitalismus ist: Kapitalismus produziert Elend, Kapitalismus zerstört Subjekte, psychisch und physisch. Und die Frage, die man daran anschließen muss, ist erstens, ob das nötig ist. Also: Gibt es eine Alternative zum Kapitalismus? Und zweitens: Will man das kapitalistische Elend hinnehmen? Vielleicht zur zweiten Frage zuerst. Auch sie ist meines Erachtens unter Linksradikalen nicht selbstverständlich: Wie man sich praktisch zum Kapitalismus stellt. Wenn man sich linke oder meinetwegen linksradikale Lebensläufe so anschaut, so gibt es häufig die Variante, dass die Leute früher oder später einen zynischen Standpunkt einnehmen. Dass sie sich z.B. entscheiden, ihre Reproduktion an ein akademisches Nischendasein zu hängen und sich politisch praktisch mit den herrschenden Verhältnissen abzufinden. Scheinbar „ergibt“ sich das biographisch einfach so – und sie gewinnen gleichzeitig dann noch einen psychischen Mehrwert daraus, dass sie es besser wissen als die affirmative Masse. Durchaus kein untypischer Verlauf von linksradikalem Leben. Ich denke, die Frage, »Will man das eigentlich hinnehmen?«, ist deshalb keine rhetorische, sondern eine, die durchaus praktische Konsequenzen hat, wichtigere Konsequenzen als so einige theoretische Differenzen, zu denen viele Kongresse abgehalten und Aufsatzbände veröffentlicht werden…
Wenn man sich dem Kommunismus von dieser Seite nähert – von einer Beurteilung des Kapitalismus und der Entscheidung, das nicht hinnehmen zu wollen, dann glaube ich, dass schon mal deutlich wird, dass das keine geschichtsphilosophische Übung ist. Mit Marx kann man zeigen bzw. Marx hat gezeigt, welche besondere Stellung in der heute herrschenden Gesellschaft die Ökonomie hat, kapitalistische Gesetzmäßigkeiten, die sich systematisch bedingen und verstärken. Wenn man also das Elend, das durch Kapitalismus produziert wird, nicht hinnehmen will, gelangt man zu der Frage, ob bzw. wie Kapitalismus als System abzuschaffen ist und durch was er zu ersetzen sein könnte. Das ist schon mal eine sehr viel konkretere Frage als die, ob man sich positiv auf den Kommunismus beziehen will, oder ob man das besser nicht tun sollte.
2. Ein Bezug auf Kommunismus muss zumindest auch positiv sein.
Denn wenn man die Frage so stellt wie eben von mir umrissen – was genau ist denn eine Alternative zum Kapitalismus? -, dann ist das schon ein positiver Bezug auf den zentralen Ansatzpunkt der kommunistischen Tradition. Und zwar unabhängig davon, wie viel Kritik man dann an dieser Geschichte übt. Man kommt zu einer in weiten Teilen ähnlichen Frage und hat damit schon mal eine wesentliche Gemeinsamkeit, auch wenn man in vielen Hinsichten zu anderen Antworten kommen muss als Kommunistinnen früherer Zeiten.
Dass der Bezug auf die kommunistische Tradition ein weitestgehend kritischer sein muss, setze ich hier voraus. Wenn man sich insbesondere die Geschichte des Realsozialismus anschaut, kann man erstmal feststellen, dass er nicht mehr existiert. Was ja auch schon in gewisser Weise gegen ihn spricht – zumindest was seine Praktikabilität angeht. Zweitens – und das kann ich hier auch nur heranzitieren, aber ich schätze mal, dass hier weitgehend Einigkeit bestehen wird – war der Realsozialismus eine Gesellschaft mit Staat, Geld, Herrschaft, die mit Emanzipation nicht wirklich viel zu tun hatte.
Die zentrale Frage und jetzt wird es vielleicht nicht praktisch, aber konkreter, die zentrale Frage, die man meines Erachtens nach an den Begriff Kommunismus oder vielleicht kann man auch sagen, an unsere Zielvorstellungen richten muss, ist die folgende: Wie hält man es eigentlich mit einem gesellschaftlichen Plan?
Es gibt ja viele Linke, auch Linksradikale, die – nicht zuletzt aus der realsozialistischen Geschichte – die Konsequenz ziehen, dass man von so etwas wie einem gesellschaftlichen Gesamtplan bloß die Finger lassen sollte. Ich glaube – und ich hoffe, ich vergesse jetzt niemanden in der Kritik -, dass es in dieser Mehrheit von Linken, die sich von der Planwirtschaft verabschiedet haben, drei große Richtungen gibt: Das ist zum einen eine sozialistische Ökonomie mit Marktelementen. Das ist besonders vertreten bei Richtungen wie der Linkspartei. Dann, bei Linksradikalen ein bisschen beliebter, die Vorstellung einer ganz strikten Dezentralisierung von gesellschaftlichen und damit auch ökonomischen Prozessen. Und die dritte Richtung, die auch noch mal ein bisschen anders ist, ist Erwartung, dass unser Ziel eine unmittelbare Assoziation sein müsse: dass also die gesellschaftliche Reproduktion und der politische Zusammenhalt sich letztlich von selbst und ganz spontan finden werde. Individuen tun sich völlig frei als Einzelne zusammen und machen das, was gesellschaftlich getan werden muss. Alle diese drei Richtungen halte ich nicht nur für nicht überzeugend, ich halte sie für Quatsch.
Erstens: Ein Sozialismus mit Marktelementen kommt an notwendige, konzeptionelle Widersprüche, was ich hier nicht ausfuhren kann. Entweder der Markt funktioniert nur halb, also gar nicht. Oder man hat tendenziell genau die Erscheinungen, deretwegen man den Kapitalismus ja abschaffen will. Zweitens: Eine strikte Dezentralisierung ist eine Unterschätzung von Machtpotenzialen kleiner, unstrukturierter Einheiten. Wenn ich mir vorstelle, eine Vollversammlung von z. B. 5 000 Leuten hätte eine völlige Verfügungsgewalt über meine Lebensbedingungen, verschafft mir das kein sichereres Gefühl als der Gedanke an einen gesellschaftlichen Gesamtplan. Drittens: Der Gedanke, gesellschaftliche Reproduktion funktioniere so dass der_die Einzelne vor seinem PC sitzt, To Do-Listen ins Internet stellt und sich da sich dann schon Leute finden, die das gemeinsam abarbeiten, ist eine völlige Unterschätzung von materiellen Prozessen in einer Gesellschaft und sich daraus ergebender Macht. Die Konsequenz aus dieser Einschätzung ist: Es gibt im Grundsatz keine vernünftige Alternative zu einer gesellschaftlichen Planung.
Wenn wir also Kapitalismus nicht hinnehmen wollen, und die genannten drei Richtungen von gesellschaftlicher Alternative schon im Konzeptstadium in sich zusammenbrechen und nicht konsistent sind, dann hat sich die Frage, ob man sich positiv auf den Kommunismus beziehen kann, recht schnell verwandelt in die Frage, ob und wie eine gesellschaftliche Planung möglich ist ohne Herrschaft, und das schließt ein ohne Geld. Ausgerichtet an Bedürfhissen, ausgerichtet an der größtmöglichen Bestimmung der Einzelnen über die Bedingungen ihres eigenen Lebens.
3. Ein zentraler Plan trägt Tendenzen zur Herrschaftsausbildung in sich.
Eine Tendenz zur Hierarchiebildung ist kooperativen Prozessen ohnehin eigen. Spezialisierung, Herausbildung von Expertenwissen etc. führt tendenziell dazu, dass einige scheinbar wichtiger sind als andere. Das kann jeder von euch sicher an seinen eigenen Organisationserfahrungen überprüfen. Betrachtet man die leninistische Tradition, wird einem schlecht, wenn man liest, wie wenig das als Gefahr eingeschätzt wurde von Leuten, die vor der Oktoberrevolution ja in vielen Fragen durchaus akzeptable Standpunkte vertreten haben. Das ist keine abstrakte, sozusagen demokratietheoretisch motivierte Kritik. Das würden jetzt Leute z.B. im Umkreis des Gegenstandpunkts einwenden, die sagen würden, dass es doch nur darauf ankommt, was entschieden wird – und Fragen von Beteiligung und Hierarchie gar keine Rolle spielen. Schaut man sich aber z.B. die Geschichte des Realsozialismus an, dann wird recht früh deutlich, dass die große Mehrheit dort so strikt von Informationen und Entscheidungsprozessen ferngehalten wurde, dass sie gar nicht in der Lage waren zu beurteilen, ob, jetzt mal gegenstandpunktlerisch gesprochen, da ihre Zwecke realisiert werden oder nicht, mal ganz abgesehen davon, dass sie zu Zeiten einer funktionsfähigen realsozialistischen Staatsgewalt kaum eine praktische politische Konsequenz hätten ziehen können, wären sie zu dem Ergebnis gekommen, dass da einiges faul ist. Es blieb das dumpfe Gefühl, dass diese Art von Sozialismus nicht für sie da ist, was dann am Ende schnell in Affirmation des Klassenfeindes umschlagen konnte. Diese Entgegensetzung von „Inhalt“ der Entscheidungen und der Frage, wer sie treffen darf, ist so also schon falsch.
Zumindest meine eigene Erfahrung ist, dass in linksradikalen Gruppen ganz deutlich die Tendenz zur Herausbildung informeller Strukturen gibt. Entscheidungsprozesse laufen dann häufig so ab, dass hinterher keiner mehr weiß, wie sie denn überhaupt zustande gekommen sind. Dass es an dieser Stelle nicht schon zu Herrschaft kommt, hat damit zu tun, dass wir so marginalisiert sind, dass – zumindest im Normalfall – die eigene politische Gruppe nichts mit den Bedingungen der eigenen Reproduktion zu tun hat. Das wäre ja bei einem gesellschaftlichen Gesamtplan eindeutig anders – und die Konsequenzen deshalb weit ungemütlicher als in der Feierabendantifa.
Wenn ich gesagt habe, dass meiner Einschätzung nach ein gesellschaftlicher Plan die Tendenz zur Herrschaftsbildung in sich trägt, dann argumentiere ich da nicht mit menschlicher Natur oder Ähnlichem, sondern schlicht damit, dass ich mir recht sicher bin, dass auch in einer kommunistischen Gesellschaft so etwas wie Interessengegensätze existieren werden. Andere als heute, aber es gibt keinen Grund, von naturwüchsiger Harmonie zwischen allen auszugehen.
Wenn das so ist, wir also erstens Kapitalismus abschaffen wollen, zweitens die einzig sinnvolle Grundlage für eine Alternativgesellschaft ein gesellschaftlicher Gesamtplan ist, aber drittens es auch nach Ende des Kapitalismus Interessensgegensätze geben wird und zwar nicht nur in einer Übergangsgesellschaft, sondern dauerhaft, dann resultiert daraus auch wieder etwas Problematisches. Nämlich, dass politische Institutionen – ich habe bisher hauptsächlich über Ökonomie geredet – für uns von Interesse sein sollten. Institutionen, die diese Interessensgegensätze vermitteln. Wenn man gleichzeitig, und dafür gibt es gute Gründe, von so etwas wie Staaten nicht viel hält, resultiert daraus die schwierige Frage, wie denn solche Institutionen möglich sein sollen ohne einen Staat zu haben. Oder andersherum gesagt, wie man Institutionen schaffen kann, die freie und gleiche Entscheidungsmöglichkeiten sicherstellen können, ohne so etwas wie staatliches Recht zu stiften.

4.
Der Bezug auf den Kommunismus ist heute schon eine Frage der Praxis.
Ich habe eben schon, durchaus mit Absicht, auf unsere heutige Organisationspraxis hingewiesen. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es von Gruppen, die heute von informellen Strukturen und von Hierarchien geprägt sind, Gruppen, die teilweise eher erweiterte Freundeskreise darstellen, dass es von diesen Gruppen einen kontinuierlichen Weg gibt zu der Übernahme gesellschaftlicher Entscheidungsprozesse und Ressourcen, Aneignung von Produktionsmitteln, etc. – wie immer man es nennen will.
Eine gängige Haltung dazu ist, zu sagen: „Revolution steht doch heute nicht auf der Tagesordnung“ – was auch immer das sein soll… – deshalb könne man sich doch die Frage irgendwann mal stellen, wenn die Revolution denn auf der Tagesordnung stehe. Ich bin da sehr skeptisch, denn ich glaube nicht an Tagesordnungen und ich befürchte, dass in so einer Situation, in der wir nicht mehr so marginal sind wie heute, wir andere Probleme haben werden, als Konzepte zu diskutieren, wie man denn Entscheidungsprozesse vernünftig organisieren könnte. Dies hängt damit zusammen, dass dann natürlich Fragen ganz anderen Ausmaßes anstehen, und es hat auch damit zu tun, dass die momentan fast luxuriöse Position, dass wir mit staatlicher Repression in der Regel nur in Randbereichen unserer Arbeit zu tun haben, gerade mit dieser „Tagesordnung“ zusammenhängt.
Mit staatlicher Repression meine ich jetzt nicht Überwachung, sondern Repression der etwas härteren Gangart, die sich – selbst wenn wir nur doppelt so viele sind wie heute – mit Sicherheit radikal ändern wird. Die Frage, wie man denn überhaupt organisieren kann, ohne in Macht und Herrschaft abzugleiten, ist heute schon eine Praktische, weil sie gar nicht nur eine Erkenntnisfrage ist sondern wesentlich auf Grundlage von Erfahrungsprozessen beantwortet werden muss. Diese Prozesse bedürfen einer Einübung und es gibt überhaupt keinen gedanklichen Weg, sich vorzustellen, das könne in einer revolutionären Situation mal eben nachgeholt werden. Insofern glaube ich, dass die Organisationsfrage und die Frage, was der emanzipative Gehalt unserer heutigen Organisationsform ist, eine Frage darstellt, die von uns dringend diskutiert werden muss.
[Rüdiger Mats ist Autor und Lektor, promovierte über die Ökonomie des Realsozialismus und veröffentlicht regelmäßig zu linken Politikkonzepten und zur Idee, Organisierung und historischen Defensive des Kommunismus. Dieses Thesenpapier erschien zuerst im UG-Magazin 1/2012]

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