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Klarstellungen über die sozialistische Revolution

19. September 2012

Ein Genosse hat mir die folgende Abschrift der Einleitung des Vortrags von Konrad Hecker von der damaligen Marxistischen Gruppe aus 1987 „70 Jahre Oktoberrevolution – Der Weg der KPdSU – Von der Verwirklichung einer Kritik an Staat und Kapital zum Bekenntnis, keine Revolution mehr zu wollen“ geschickt:
„Eine sozialistische Revolution, wie sie vor 70 Jahren durchgeführt worden ist von den Bolschewiken, ist alles andere als ein Machtwechsel, so sehr bürgerliche Begutachter die Oktoberevolution immer nach dem Muster eines Regierungswechsels zu deuten bemüht sind. Es hat jetzt im deutschen Fernsehen zum ersten Mal die interessante Kritik an der Oktoberrevolution gegeben, sie wäre eigentlich viel weniger blutig verlaufen, als die Kommunisten das immer darstellen im Nachhinein zum Zwecke einer verwerfliche Legendenbildung. Das zielt in die Richtung der einen Schule der bürgerlichen Interpretation dieses Ereignisses, die deren Bedeutung runterspielen will. Das geht aus von dem Urteil, ein bedeutendes Ereignis, das ist eine Sache, vor der man irgendwo auch Ehrfurcht haben kann, und weil man der Oktoberrevolution diese Ehrfurcht versagen will, soll sie gar kein große Revolution gewesen sein, sondern so etwas der Übergang vom Zaren zum Lenin. Der neue rote Zar saß dann von da an im Kreml. Es gibt neuerdings auch die Deutung, die Kommunisten hätten in letzter Minute noch die einzige historische Chance der Demokratie in Russland verhindert. Das wird dem, was damals passiert ist und was eine Revolution eben ist und was die damals war, nicht so ganz gerecht.
Eine Revolution ist kein Machtwechsel, sondern ein Umsturz, der bedeutet, dass alles was in der Gesellschaft bisher gegolten hat, nicht mehr gilt.
Angesichts der öffentlichen Interpretationen, die jetzt zur Oktoberrevolution in Umlauf gesetzt werden und unter denen die zweifellos originellste, die jetzt kürzlich im Fernsehen mitzuerleben war, in der interessanten Kritik bestand, die Oktoberrevolution wäre längst nicht so blutig gewesen, wie die Kommunisten sich dessen immer rühmen. Es ist ein seltsamen Anliegen, diese Revolution zu verkleinern; und vielleicht ist es nicht umsonst gerade deswegen und wegen vielfältiger sozialkundlicher Missverständnisse dieses Ereignisses, einmal darauf hinzuweisen, was eine sozialistische Revolution eigentlich ist und will.
Sie ist nämlich etwas gründlich anderes, als dass „die Macht“ – eine Abstraktion, die leider nicht bloß in der Politikwissenschaft sehr beliebt ist – vom einen auf den anderen, vom alten auf den neuen Zaren, vom Nikolaus auf den Lenin übergegangen wäre. Eine Revolution ist kein Machtwechsel, sondern das ist eine Aktion in der mit der Macht, die es gibt, aufgeräumt wird. Sie zeichnet sich auch nicht dadurch aus, das überhaupt Gewalt passiert, sondern sie zeichnet sich durch eine Gewalt aus, die alles bisherige auf den Kopf stellt, die sämtliche in der Gesellschaft verankerten Verhältnisse aufhebt. Die natürlich im Zuge dieser Aufhebung auch ans Tageslicht bringt, wie viel Gewalt diesen alten Verhältnissen innewohnt; weil all die so scheinbar selbstverständlichen Einrichtungen dieser Gesellschaft alle nicht ohne den Schutz und die Deckung durch staatliche Gesetze und eine beträchtliche Polizeigewalt auskommen. Die Aufhebung all dieser Verhältnisse verlangt eine Gewalt, die sie aufhebt.
Das geht weder durch die Eroberung der Bundesdruckerei, so das fortan in roten Buchstaben sozialistische Gesetze von dort verkündet würden – das kann der Inhalt einer Revolution sowieso nie sein. Es ist andererseits auch kein Großereignis menschlicher Interaktion oder so etwas ähnliches. Es ist auch kein Parteitag, sondern es ist die an jedem Ort, wo die alte Gewalt sich hält, sich betätigende, das alles aufhebende Gewalt.
Und das nicht nur so überhaupt, sondern aus einem guten Grund. Der Grund liegt darin, dass alles, was auch ohne kommunistische Hinweise als ziemlich blöd, ziemlich ärgerlich und ziemlich schädlich in dieser Gesellschaft bekannt ist, nicht einfach mit dem moralischen Wunsch quittiert wird, es möchte doch besser sein. Sondern das eine Analyse vorgelegt wird, die erklärt, inwiefern das alles systemnotwendig ist. Ein Programm, das ernst macht mit dem, was ja irgendwo auch in den Zeitungen zu lesen ist: dass es z.B. in unserem System ohne Verarmung, ohne Arbeitslosigkeit als eine ihrer Formen, ohne Steigerung der Arbeitsproduktivität – um nur ein paar Hinweise auf das weite Feld des Arbeitslebens zu geben – nicht geht. Einer Revolution liegt eine Kritik zugrunde, die die die Feststellung, das reich und arm sich so ein bisschen tendenziell auseinanderentwickeln, nicht mit Anträgen an eine bessere Steuerreform begegnet, sondern mit der Erkenntnis, das und inwiefern das diesem System, das wir haben, immanent ist. Eine Kritik auch, die angesichts dessen, was in der Politik passiert, der inneren wie der äußeren Gewalt, nicht mit Friedensidealismus daherkommt, oder mit dem billigen Ideal, man möchte die Steigerung der Gewalt doch lieber lassen, angefangen vom Kindergarten bis zur Startbahn West netter miteinander umgehen. Sondern es ist eine Kritik, die die Notwendigkeit auch der Gewalt in diesen ganzen Verhältnissen kennt, sie nicht leiden kann und deswegen abschaffen will; und sich überhaupt nicht zufrieden gibt mit solchen Hinweisen wie dem, man müsste doch hier und heute, jetzt und sofort irgendetwas ändern – das ist für das Anliegen einer sozialistischen Revolution in der Tat zu billig. Unter dem, das man die Verhältnisse, wie sie nun einmal sind, außer Kraft setzt, sind diese Verhältnisse nun einmal auch nicht außer Kraft zu setzen – diese schlichte Einsicht beflügelt Revolutionäre zu ihrem Tun.
Was sie damit außer Kraft setzen, wenn sie gewinnen – das muss allerdings passieren –, das ist nicht wenig. Das ist über die Eroberung der politischen Macht, eben um es nochmal zu sagen, nicht einfach ihr alternativer Gebrauch, den man in einem ununterscheidbaren und sowieso von niemandem zur Kenntnis genommenem Partei- oder Wahlprogramm vorher angekündigt hätte; sondern das ist das außer Kraft setzen, vermittels der neuen Gewalt, die sich an die Stelle des bisher regierenden Gewaltmonopols setzt, so fundamentaler Einrichtungen wie des Eigentums. Das ist mehr als eine Korrektur des bürgerlichen Gesetzbuches. Das setzt außer Kraft, was in dieser Gesellschaft mit dem Eigentum anzufangen ist: die Privatmacht des Geldes über die Verteilung der Arbeit in dieser Gesellschaft. Es setzt außer Kraft eine Arbeitsteilung in Abhängigkeit von den Entscheidungen der Geldbesitzer. Es setzt außer Kraft eine Armut in Abhängigkeit vom Geldbesitz und von der Notwendigkeit es immer wieder zu verdienen. Also kurzum: den Gegensatz der Klassen, die es gibt, auch wenn kein Demokrat sie zugeben will. Es setzt außer Kraft die schöne abgetrennte Sphäre der politischen Gewalt, die immer so tut, als würde sie nur die Spielregeln sichern und darüber vergisst, dass es die Spielregeln der Klassengesellschaft sind, die da gesichert werden. Diese abgetrennte Sphäre mit ihrem abgetrennten Betätigungsfeld des Parlaments hat ebenfalls keinen Stellenwert mehr, wenn die revolutionäre Gewalt sich der Hoheit über die Gesellschaft bemächtigt. Es wird außer Kraft gesetzt der ganze Kosmos privater Vorkehrungen und Einrichtungen, mit denen die Individuen in dieser Gesellschaft, mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zurechtkommen. Das lässt weder die Familie unberührt, noch das Ausbildungswesen; die Hierarchie die Berufe überlebt eine Revolution sowieso nicht. Die Moral irritiert weder einen Revolutionär, noch überlebt sie seinen Erfolg, weil sie ohnehin nichts anderes als das subjektive „Ja“ zu dieser ganzen Gesellschaft ist, ein „Ja“, mit einigen „Abers“ noch hinterher. Am Ende wird sogar die Psyche des modernen Individuums ein bisschen anders.
So dass am Ende, wenn die Revolution Erfolg hat, dann muss sie an viele Stellen hin und dafür sorgen dass sich dieses Ergebnis einstellt, in der Gesellschaft fortan nichts anderes passiert als das, was die revolutionäre Partei will; und das, was sie will, ergibt sich aus überhaupt nichts anderem als aus ihrem Programm; und dieses Programm aus der Einsicht in die gesellschaftlichen Verhältnisse, die sie vorher gewonnen hat und ihrem Willen, den sie an dessen Stelle setzt. Der, und sonst nichts, wird nach einer Revolution zum Zusammenhang der gesellschaftlichen Lebensverhältnisse. Das ist nämlich überhaupt ihr Witz, dass alles das, wovon der Marx gesagt hat, es spielt sich ab „hinter dem Rücken“ der Menschen, als ein Zwangsgesetz, dem sie Rechnung tragen, ob die es wissen oder nicht. Dass dieses Zwangsgesetz verschwindet und fortan die Mitglieder in dieser Gesellschaft ihren Zusammenhang nach ihrem Interesse und zu ihrem Vorteil inszenieren, selber ins Werk setzen und das eben nichts mehr passiert wie von selbst, aus Sachzwang. Die Kategorie des Sachzwangs hat nach einer Revolution ihr Recht verloren.
Es gibt überhaupt nur zwei Bedingungen auf die eine Revolution achten muss, unabhängig von dem, was sie selber will. Das ist zum einen das Überkommene, was man vorfindet, was man damit anfangen kann, wie z.B. die Produktivkräfte der Gesellschaft beschaffen sind und wie sie noch zu entwickeln sind. Das andere ist das Ausland, das sozialistische Revolutionen nicht bloß 1917 höchst ungern gesehen hat. Beides sind Hindernisse, die eine revolutionäre Partei einkalkulieren muss, aber es sind keine Argumente, die das Programm relativieren. Das ist ein sehr wesentlicher Unterschied, weil sehr viele Parteien, die ähnliches sagen könnten, wie ich es hier vorgetragen habe, dieser kleinen logischen Unterscheidung zwischen Hindernis und Argument nicht recht fähig sind, sondern immerzu das Kräfteverhältnis, dem sie im eigenen Land und im Bezug auf das Ausland gegenüber gestanden sind, als Argument dafür genommen haben, dann von ihrem Programm abzulassen und nur noch das zu machen, was gerade geht. Das ist – ohne Kompromiss diesmal zu sagen – ein Abschied vom Willen zur Revolution, dann macht man eben etwas anderes.
So etwas ist allerdings zu unterscheiden von der Notwendigkeit, Schwierigkeiten zu überwinden, deswegen ist eine Revolution auch nicht gleichbedeutend mit der Ankündigung, das morgen das Paradies ausbricht. Deswegen haben andererseits revolutionäre Parteien auch anderes als Notwendigkeit und als Grund für ihre Revolution anzubieten, als solche billigen Verheißungen, die man sich lieber bei jedem Pfaffen holen sollte.“
Ich habe beim Überarbeiten den Anfang aber mehr oder weniger versehentlich von der Version des gleichen Vortrags in Bochum genommen, der auf der CD „Diverse Vorträge 2“ zu finden ist, und hier als Download.

Kategorien(1) MG + GSP Tags:
  1. Samson
    21. September 2012, 20:15 | #1

    Wesentlich interessanter resp. finde ich die beiden letzten Absätze der damaligen MSZ-Korrespondenz bezüglich ihrer Stalin- bzw. SU-Kritik.

  2. rumpelstilzchen
    1. Oktober 2012, 08:23 | #2

    und warum?

  3. 1. Oktober 2012, 08:30 | #3

    „Eine Planwirtschaft stellen wir uns im übrigen gerade so vor, daß man sich nicht pausenlos überall darum kümmern muß, ob die eigenen Interessen auch „gesichert“ sind, weil die ökonomisch bedingten Interessengegensätze eliminiert worden sind. Sozialismus kann doch schlecht bedeuten, daß sich jeder immerzu mit Fragen der Wasserversorgung, der Getreidezucht, Textilproduktion, Automation usw. befassen muß. Es ist nun wirklich kein theoretisches Problem, Interessen zu ermitteln. Dann bleiben aber auch nur noch technologische, ingenieurwissenschaftliche und organisatorische Fragen. Und laut Marx ist Arbeitsteilung auch eine Produktivkraft.
    Wenn jemand in der Sowjetunion eine solche Planung durchsetzen wollte, bekäme er sicherlich Streit mit der Partei. Aber nicht wegen Privilegien und Pfründen: Man könnte ja den Bürokraten glaubhaft zusichern, daß auch sie wie der Rest der Mannschaft von einer solchen Planwirtschaft weitaus mehr Annehmlichkeiten zu erwarten hätten. Streit gäbe es wegen des politischen Standpunkts, der glaubt, ohne eine durchgreifende Inszenierung von Sachzwängen, ohne das Regime der Wertproduktion über die Gebrauchswertproduktion keine produktiven Leistungen für und gegen die Arbeiter durchsetzen zu können.“

    aus „“WIRKLICHE UMGESTALTUNG GEGEN DIE HERRSCHENDE KASTE“
    Betr.: „Polemik gegen die Generallinie der KPdSU“
    (MSZ 10-11/87 – „Mit Hebeln geplant“)“
    MSZ 1987 Ausgabe 12

  4. Mattis
    6. Oktober 2012, 16:44 | #4

    „Eine Planwirtschaft stellen wir uns im übrigen gerade so vor, daß man sich nicht pausenlos überall darum kümmern muß, ob die eigenen Interessen auch „gesichert“ sind, weil die ökonomisch bedingten Interessengegensätze eliminiert worden sind.“

    Wie passt das eigentlich zu der vehementen Kritik an der Demokratie, dass man dort außer Kreuzchen-machen keinen Einfluss nehmen dürfe? Ist das nur-Kreuzchen-machen jetzt das politische Ideal des Kommunismus? Oder entfallen dann auch die Kreuzchen?

  5. 6. Oktober 2012, 20:52 | #5

    Ja, wie paßt das wohl? In einer Demokratie, also in einer antagonistischen Klassengesellschaft, in der die zentralen Hürden für „die eigenen Interessen“ systembedingt sind für die meisten Menschen, wo in der Tat von ihnen die freiwillige Akzeptanz erwartet wird, ausgedrückt im immerwiederkehrenden Urnengang, ohne das er an ihrer grundlegenden Situation was ändern würde und es vor allem ja auch gar nicht soll, da hat die Masse der Menschen in der Tat „keinen Einfluß“, das besiegelt das Kreuzchen machen symbolisch wie faktisch.
    Wie kommst du aber auf die Idee, Kommunisten würden für Verhältnisse eintreten, in denen die Menschen auch keinen Einfluß nehmen dürfen/sollen/können und auch „nur-Kreuzchen-machen“ angeboten würde. Nicht mal die alten DDR-Fans kommen doch mit solchen Vorstellungen und sonst eh niemand.
    Wenn grundlegend die Verhältnisse so eingerichtet wären, daß es um die vernünftige Befriedigung der Bedürfnisse aller Menschen ginge, dann muß sich zwar jeder immer noch darum kümmern, daß er einerseits kundtut, welche die nun sind (wenn das nicht eh schon weitgehend, jedenfalls im Schnitt der Gesellschaft von jedem ordentlichen Planer erfaßt werden kann) und andererseits sich zur Verfügung stellen, um zur Umsetzung seinen Teil beizutragen. Aber hinter jedem Agrararbeiter hinterher zu sein, ob der wirklich kein Gift in den Dünger packt, bei jeder neuen Straße selbe schauen, ob die Decke auch dick genug ist usw. wäre genauso Zweitverschwendung wie das Nachrechnen, ob nicht doch schon für alle oder wenigstens für einen selber genügend Krankenhausbetten vorgehalten werden usw.

  6. Mattis
    7. Oktober 2012, 12:18 | #6

    „Aber hinter jedem Agrararbeiter hinterher zu sein, ob der wirklich kein Gift in den Dünger packt, bei jeder neuen Straße selbe schauen, ob die Decke auch dick genug ist usw. wäre genauso Zweitverschwendung wie das Nachrechnen, ob nicht doch schon für alle oder wenigstens für einen selber genügend Krankenhausbetten vorgehalten werden usw.“

    Wenn du es so extrem formulierst – ok. Aber eine diesbezüglich kritische Öffentlichkeit wär schon angebracht. Nach welchen Prinzipien z.B. Landwirtschaft betrieben wird, ist schon mal gar nicht so selbstverständlich, auch nicht im Sozialismus. Da dürfte es manchen Dissenz darüber geben, da der Unterschied im Aufwand ja auch beachtlich sein kann. Vor fünfzig Jahren wäre es z.B. nicht selbstverständlich gewesen, dass Sozialismus eben biologische Landwirtschaft betreibt. Solche Neuerungen müssen sich einen Weg bahnen, meist gegen etablierte Kräfte. Auch Plankommissionen können Fehlentwicklungen unterschätzen und den Blick für Innovationen verlieren.
    In dem von dir zitierten Text aber stellt sich die Planwirtschaft nur dar wie ein großes Versandhaus: man bestellt, und alles weitere ist rein technisch bestimmt: durch Ingenieure, Arbeitsorganisatoren, etc.
    Wo aber ist die politische Ebene, die Regeln und Prioritäten von Produktion und Verteilung zu diskutieren und zu entscheiden? Darüber erfahre ich aus dieser Quelle jedenfalls kein einziges Wort. Also scheint eine solche Ebene doch auch nicht vorgesehen zu sein?

  7. 7. Oktober 2012, 13:09 | #7

    „Kritische Öffentlichkeit“, ja das ist immer ein hohes Gut. Vor allem hier und jetzt. Meist ist es das Rummäkeln an den Machern vom Standpunkt aus, daß das, was da so offensichtlich, eben in aller Öffentlichkeit, abläuft, so aber „eigentlich“ nicht passieren dürfte.
    Sowas ist in einer vernünftig organisierten Gesellschaft alles andere als „angebracht“. Diskussionen darüber, was „man“ haben will, schon, sicherlich auch über Landwirtschaft. Und da wird es in der Tat alle möglichen Auffassungen geben, welcher „Aufwand“ da nun reingesteckt werden soll, und was man besser lassen sollte. Und daß sich sowas im Zeitablauf ändern wird, insbesondere in Abhängigkeit vom Stand der Beherrschung der Natur, von Wissenschaft und Ingenieurswesen, das glaube ich auch.
    Aber schon deine pessimistische Unterstellung,“Solche Neuerungen müssen sich einen Weg bahnen, meist gegen etablierte Kräfte“ möchte ich zurückweisen. Warum sollten denn vernünftige Menschen, die sich Gedanken machen und umsetzen z.B. im Agrarwesen partout sich den Neuerungen verweigern? Wenn es doch allen nutzt, also auch ihnen. Im Kapitalismus hängen viele Existenzen in der Tat daran, daß irgendeine alte Scheiße weiterbetrieben wird. Da wehren sich Arbeiter schon mal gegen die Einführung sicherer Arbeitsbedingungen, weil dann Gefahren- und Erschwerniszulagen wegfallen würden.
    Auch deine Binsenwahrheit, „Auch Plankommissionen können Fehlentwicklungen unterschätzen und den Blick für Innovationen verlieren“ hilft nicht wirklich weiter. Ja, sowas wird passieren, ja und? Dann wertet man eben die Ergebnise zusammen vernünftig aus und zieht seine Lehren. Über die dann sicher auch wieder diskutiert werden müßte.
    Wenn du als Vorwurf oder Kritik fomulierst:
    „In dem von dir zitierten Text aber stellt sich die Planwirtschaft nur dar wie ein großes Versandhaus: man bestellt, und alles weitere ist rein technisch bestimmt: durch Ingenieure, Arbeitsorganisatoren, etc. “
    bin ich geneigt zu sagen, ja, das trifft das Prinzip ganz gut. Wenn in einer WG sich die Bewohner um den Sonntagstisch sammeln, dann sagt auch „einfach“ nur jeder, wieviele Brötchen er haben will und ob ein Ei dazu kommen soll und dann wird das in der Küche zusammengestellt von einem oder zweien der Gruppe. Mehr muß da doch gar nicht passieren, jedenfalls wenn vorher dafür gesorgt wurde, daß in der Küche alles zur Verfügung steht, was die vier bis zehn Leute so normalerweile verfuttern.
    Ich gebe dir recht, wenn du eine „politische Ebene“ einforderst, wo „die Regeln und Prioritäten von Produktion und Verteilung“ diskutiert und entschieden werden. Aber wenn das erst mal abgehakt ist, und viele Sachen muß man nicht jeden Mittwoch neu diskutieren, siehe meinen Sonntagsbrunch, dann muß das eben „nur“ noch herbeiorganisiert werden.

  8. Mattis
    9. Oktober 2012, 21:18 | #8

    „Warum sollten denn vernünftige Menschen, die sich Gedanken machen und umsetzen z.B. im Agrarwesen partout sich den Neuerungen verweigern? Wenn es doch allen nutzt, also auch ihnen.“

    Ja, wieso sollte sich jemand im Straßenverkehr unvernünftig verhalten, wo Vernunft hierbei doch auch im Eigeninteresse liegt …
    Jeder glaubt doch, dass gerade sein Standpunkt vernünftig ist, sonst würde er ihn ja nicht einnehmen. Das ist also absolut keine Gewähr gegen Fehler, Befangenheit, Bequemlichkeit, Vorlieben, Sturheit etc.
    Dieses „sich den Neuerungen verweigern“ oder auch nicht verweigern unterstellt im übrigen zuerst mal, dass Kritik und alternative Konzepte überhaupt offen diskutiert, ausformuliert und verbreitet werden können. Kritik entsteht ja leider nicht unbedingt dort, wo die bisher geübte Praxis stattfindet! Deshalb mein Verweis auf eine kritische Öffentlichkeit und die Notwendigkeit demokratischer Verkehrsformen.
    Vertrauen ist gut, wenn es sich als begründet erweist. Kontrolle ist besser. Mit der Einschwörung auf die „Vernunft“ der Führung wurde im Realen Sozialismus ebenso wie in China jegliches kritisches Potential schon im Ansatz blockiert. Auf weitere Katastrophen dieser Art hab ich echt keinen Bock.

  9. 9. Oktober 2012, 21:32 | #9

    Mattis, wenn dich wirklich ernsthaft interessieren würde, warum sich manche Menschen im Straßenverkehr unvernünftig verhalten, dann könnte sogar darüber reden. So allgemein, wie du daher kommst, befürchte ich aber, daß du gar nicht konkret über besoffene Jungmacker oder übermüdete Trucker reden willst, sondern nur einerseits das ewige Lied der Aufsicht des vernünftigen Staates über seine unvernünftigen Bürger singen möchtest, um dann aber dranzuhängen, das deren Vernunft ja auch nicht das Gelbe vom Ei sei, siehe Realsozialismus.
    Dann mach halt das, auf was du „Bock“ hast, kann ich ja eh nichts dran machen.

  10. Mattis
    10. Oktober 2012, 21:41 | #10

    „Dann mach halt das, auf was du „Bock“ hast …“

    Genau das mache ich ja: ich denke darüber nach, wie man die Alternative zum Kapitalismus so angeht, dass es nicht wieder ein Absturz wird. Das Lied von der Vernunft und der Einigkeit kann ich leider nicht mitsingen.
    Schau dir die fünf bekanntesten antikapitalistischen Bewegungen oder Parteien an, und du wirst zugeben müssen: da hast du fünf verschiedene „Vernünfte“ und kaum Einigkeit. Einigkeit allenfalls, wnn überhaupt, in dem, was man nicht mehr will – also würde es zu einem Bündnis möglicherweise gerade noch reichen. Aber nicht für mehr, nicht für das, was aufzubauen ist.
    Ich behaupte, es herrscht vollkommene Ahnungslosigkeit darüber, wie Sozialismus geht. Daran muss also noch hart gearbeitet werden. Wer da nicht mitmachen will, ist eben nicht dabei, ok. Leute wie die GSP-Autoren z.B. haben sich ja sogar explizit gegen solche Debatten gewandt – nun gut, dann finden diese eben ohne GSP statt und ohne all die übrigen Idealisten, die alle Entscheidungen auf später verschieben, wo dann auf einen Schlag alles klar ist, weiß der Teufel woher plötzlich.
    Diese Idealisierungen sind doch nur die Kaschierung der momentanen Unwissenheit. Statt sich der Unwissenheit gewahr zu werden, behauptet man souverän, das sei ja jetzt alles gar nicht Thema. So in etwa, als sei der Sozialismus ein ferner Planet, dessen Besiedlung man erst besprechen könne, wenn man bereits auf ihm gelandet sei.

  11. Johnny Crash
    10. Oktober 2012, 22:00 | #11

    Man kann sich schonmal darüber unterhalten, wie Sozialismus aufgebaut wird. Die Frage ist aber auch relativ schnell beantwortet: Die revolutionäre Gewalt bemächtigt sich der Hoheit über die Gesellschaft, sie setzt die alte Gewalt und die kapitalistische Arbeitsteilung außer Kraft und setzt eine geplante Arbeitsteilung an ihre Stelle. Mehr gibt es da nicht drüber zu reden, denn erstens kann man damit, dass man weiß, wie Sozialismus eingerichtet wird, niemanden überzeigen Kommunist zu werden; und zweitens kann ich doch jetzt noch nicht genau sagen, wie man die Verkehrsordnung im Sozialismus festlegt.
    Eins kann man aber mit Sicherheit sagen: eine politische Sphäre, wie du sie anbietest, wird es garantiert nicht geben. Die ist doch grade der Witz im Kapitalismus. Die Konkurrenz der Eigentümer untereinander macht eine von ihren Einzelinteressen abgetrennte Sphäre nötig. Diese abgetrennte Sphäre braucht der Kommunismus natürlich nicht, weil es in ihm keine Gegeneinander stehenden Einzelinteressen mehr gibt. Alle Fragen in Verkehr, Versorgung, usw. sind organisatorische Fragen, weil der Zweck von allen gegteilt wird. Mehr muss doch da gar nicht gesagt werden.

  12. Mattis
    10. Oktober 2012, 22:47 | #12

    „weil der Zweck von allen geteilt wird. Mehr muss doch da gar nicht gesagt werden.“

    Dieser Zweck ist nicht mehr als eine Absichtserklärung. Diese lässt hinsichtlich Form und Inhalt mehr Raum für Gegensätze, als du dir offenbar vorstellen kannst oder willst. Diese Naivität ist bodenlos und wirklich erschreckend.
    Dein Trick ist der übliche: weil die im Kapitalismus treibenden Gegensätze dann nicht mehr existieren, gibts angeblich überhaupt keine mehr, die gesellschaftlich relevant wären. Na da wirst du dich aber wundern!
    So ein Idealismus lebt einzig und allein vom ständigen Vergleich mit dem Kapitalismus. Sobald der Kapitalismus aber nicht mehr da ist, interessiert es kein Schwein mehr, welche Widersprüche jetzt NICHT MEHR da sind. Relevant sind dann genau die Gegensätze, die es DANN gibt.
    Und dass es keine Klassengegensätze mehr sind, bedeutet nicht, dass man dafür keine allgemein akzeptierte Form der Austragung und Einigung benötigen würde.
    Aber vielleicht bevorzugst du ja dann den alten realsozialistischen Dreh, alles, was nicht ins Ideal passt, als antikommunistische Umtriebe zu denunzieren. Dann ist die Welt zumindest theoretisch wieder in Ordnung.

  13. jojo
    11. Oktober 2012, 12:13 | #13

    „eine Absichtserklärung. Diese lässt hinsichtlich Form und Inhalt mehr Raum für Gegensätze, als du dir offenbar vorstellen kannst oder willst“

    Mag sein oder auch nicht, aber warum soll man sich überhaupt fantasievolle oder realistische Gegensätze AUSDENKEN, wenn einem momentan ganz andere Gegensätze das Leben schwer machen? Die Gegensätze einer ungewissen Zukunft werden nur zum Thema, um von der Auseinandersetzung mit REALEN kapitalistischen Gegensätzen abzulenken. Warum und wie soll man sich denn um Gegensätze eines imaginären Fünf-Jahres-Plans kümmern – es sei denn, man will die Schweinereien der Marktwirtschaft als Problem eines utopischen Sozialismus verkaufen! So wird ein Schuh aus vorgeblichen Träumen von Zukunftsmachern: Man soll sich die grausame Gegenwart des Kapitalismus als „sozialistische“ Fragestellung vorlegen. Nicht dass am Ende der Kapitalismus für seine Wirkungen beschimpft wird, das wäre ja Kapitalismuskritik!
    Ein schlechter Trick, Mattis.

    „Relevant sind dann genau die Gegensätze, die es DANN gibt.“

    Aha, dann sind sie also momentan irrelevant! q.e.d.

  14. jojo
    11. Oktober 2012, 17:10 | #14

    Mal grundsätzlich:
    Utopien ergänzen den Fehler des Idealismus, sich metaphysische Maßstäbe auszudenken, nach denen sich die Welt einerseits richten soll, das aber nie kann, weswegen ein Ideal eingeklagt werden müsse …
    Ein Utopist umgeht diesen Widerspruch, indem der sich die Welt gleich als Erfüllung seines „virtuellen Wunschtraums“ (wiki) denkt und dann nur noch nach der Realisierbarkeit dieses ausgedachten Idealzustands fragt. Deswegen ist ein Utopist so schwer zu bremsen: der beschäftigt sich mit der wirklichen Welt nur durch die Brille seines idealistischen Vorurteils – jede Kritik am Ideal oder Idealzustand prallt ab am Beschluss, irgendein Setting in der Zukunft sei die Messlatte für was auch immer …

  15. Mattis
    11. Oktober 2012, 20:36 | #15

    „Die Gegensätze einer ungewissen Zukunft werden nur zum Thema, um von der Auseinandersetzung mit REALEN kapitalistischen Gegensätzen abzulenken.“ (jojo)

    Klar, hinter allem, was du nicht teilst, muss ein affirmativer Zweck stecken, das geht gar nicht anders. Halte dein Weltbild nur sauber!
    Vielleicht ist mir aber auch nach Jahrzehnten aktiver Auseinandersetzung ein Versäumnis bewusst geworden. Dass du das nicht nachvollziehen kannst, hast du deutlich gezeigt. Du glaubst ja auch ernsthaft, Sozialismus besteht nur aus Organisationsfragen, also ist dir offenbar noch nicht mal der Unterschied zwischen Organisieren und Entscheiden klar.
    Laut Johnny Crash wiederum kann man sich „schonmal darüber unterhalten, wie Sozialismus aufgebaut wird“. Schon mal drüber unterhalten – nee danke, Smalltalk brauch ich nicht. Ich dachte eher, es ginge endlich mal darum, dass die neue Gesellschaft „mit Wille und Bewusstsein“ gestaltet wird. Für Diskussionen darüber ist wohl nie der richtige Zeitpunkt: noch ist es zu früh, weil man ja vom vollkommen unbekannten Planeten Sozialismus noch so weit entfernt ist – später ist es dann wahrscheinlich zu spät, ‚um in dieser angespannten Situation jetzt lange Debatten zu führen‘ und gefährdet nur die Handlungsfreiheit. Tolle Aussichten.
    Wenn man bedenkt, wie der Titel dieses Threads lautet, nämlich „Klarstellungen über die sozialistische Revolution“ – dann heißt die gewünschte Klarstellung anscheinend: du must sie nur wollen, was weiter geschieht, darüber musst du nichts wissen. So geht sie – die revolutionäre Variante des Kreuzchenmachens.
    Und das wollen Planer sein – haben noch nicht mal einen Plan für die Strukturen der Gesellschaft, die sie aufbauen wollen. Mit dem peinlichen Argument, dass man ja noch nicht die Einzelheiten des ersten Fünfjahresplans wissen könne. Jegliches Vorausdenken wird mit dem Etikett „Utopismus“ versehen, ist damit also als blanke Spinnerei denunziert und man ist mit dem Thema fertig.

  16. jojo
    12. Oktober 2012, 05:59 | #16

    „Wenn man bedenkt, wie der Titel dieses Threads lautet“
    Der Titel gehört durchaus zu den oben ausgeführten Fehlern dazu. Und dass eure Utopien eine Spinnerei sind, ändert sich nicht dadurch, dass jemand
    „nach Jahrzehnten aktiver Auseinandersetzung“ „tolle Aussichten“
    vermisst. Die Argumente stehen oben: Es wird ein virtueller Idealzustand in der Zukunft beschworen und der soll Maßstab für die Gegenwart sein. Mit Planung hat das nichts zu tun, das ist Ideologie.

  17. 12. Oktober 2012, 17:07 | #17

    Stört sich eigentlich niemand an solchen Alles-oder-Nichts-Thesen wie dieser:

    „Eine Re­vo­lu­ti­on ist kein Macht­wech­sel, son­dern ein Um­sturz, der be­deu­tet, dass alles was in der Ge­sell­schaft bis­her ge­gol­ten hat, nicht mehr gilt.“

    Was ist denn da unter „Geltung“ zu verstehen, wenn die „Alles“ bestimmt haben soll?

    „Eine Re­vo­lu­ti­on ist kein Macht­wech­sel, son­dern das ist eine Ak­ti­on in der mit der Macht, die es gibt, auf­ge­räumt wird.“

    Und wenn die Revolutionäre das gar nicht hinkriegen, in dieser Absolutheit, nicht gleich und nicht überall?
    Mit welchem ja nur idealistisch zu denkenden Federstreich macht es die Revolution eigentlich, daß sie

    „sämt­li­che in der Ge­sell­schaft ver­an­ker­ten Ver­hält­nis­se auf­hebt“?

    „Die Auf­he­bung all die­ser Ver­hält­nis­se ver­langt eine Ge­walt, die sie auf­hebt“

    Und wie sieht die aus und wie setzt die sich durch? Was ist denn der konkrete Inhalt von dieser These „es ist die an jedem Ort, wo die alte Ge­walt sich hält, sich be­tä­ti­gen­de, das alles auf­he­ben­de Ge­walt“?
    Ja es wird wohl niemand widersprechen wollen, wenn es heißt:

    „Unter dem, das man die Ver­hält­nis­se, wie sie nun ein­mal sind, außer Kraft setzt, sind diese Ver­hält­nis­se nun ein­mal auch nicht außer Kraft zu set­zen.“

    Und das „ist nicht wenig“, wohl war. Dazu heißt es dann im Konkreten (konkreter wurde es erstmal nicht):

    „Es wird außer Kraft ge­setzt der ganze Kos­mos pri­va­ter Vor­keh­run­gen und Ein­rich­tun­gen, mit denen die In­di­vi­du­en in die­ser Ge­sell­schaft, mit den ge­sell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­sen zu­recht­kom­men. Das lässt weder die Fa­mi­lie un­be­rührt, noch das Aus­bil­dungs­we­sen“

    Und was heißt das nun, daß all dieser Kosmos „nicht unberührt“ bleibt. (Mal ganz abgesehen davon, daß soziale Beziehungen nicht einfach dekretiert werden können und ihre soziale Basis erst recht nicht per Dekret abzuschaffen ist, vom Bewußtsein der Bevölkerung scon mal ganz abgesehen).
    Ja, ja,

    „wenn die Re­vo­lu­ti­on Er­folg hat, dann muss sie an viele Stel­len hin und dafür sor­gen dass sich die­ses Er­geb­nis ein­stellt, in der Ge­sell­schaft fort­an nichts an­de­res pas­siert als das, was die re­vo­lu­tio­nä­re Par­tei will“.

    Und wo sind diese vielen Stellen, bzw. wie geht man mit der leidigen Tatsache um, daß es viele Stellen gibt, an die man gar nicht rankommt, jedenfalls nicht „gleich“?
    Immerhin kommt ja das – wie ich meine zentrale – Eingeständnis

    „Es gibt über­haupt nur zwei Be­din­gun­gen auf die eine Re­vo­lu­ti­on ach­ten muss, un­ab­hän­gig von dem, was sie sel­ber will. Das ist zum einen das Über­kom­me­ne, was man vor­fin­det, was man damit an­fan­gen kann, wie z.B. die Pro­duk­tiv­kräf­te der Ge­sell­schaft be­schaf­fen sind und wie sie noch zu ent­wi­ckeln sind. Das an­de­re ist das Aus­land“.

    Wobei die Revolution natürlich nicht nur die Produktivkräfte so vorfindet, wie sie eben da sind, sondern genauso wichtig auch das Bewußtsein der Leute, halt all die „Muttermale der alten Gesellschaft“.
    Immerhin heißt es ja wenigstens noch

    „des­we­gen ist eine Re­vo­lu­ti­on auch nicht gleich­be­deu­tend mit der An­kün­di­gung, das mor­gen das Pa­ra­dies aus­bricht“.

    Auch wenn es bei manchen Genossen verdammt danach klingt.

  18. jojo
    13. Oktober 2012, 07:29 | #18

    „Und wenn die Revolutionäre das gar nicht hinkriegen“
    Dann scheitern sie, das ist für die nichts Neues, sondern deren Ausgangspunkt! Andererseits ist in deinem Artikel aus dem letzten Jahrhundert von einer historischen Revolte die Rede, da hat es längst einen erfolgreichen Umsturz gegeben. Also was willst du damit sagen, dass Menschen mitunter an ihren Vorhaben scheitern? Wenn es der Erfolgsgedanke ist, revolutionäres Scheitern zu etwas Notwendigem zu erklären, würde das auch für den Genuss von Schokoeis gelten: Wem schon eine Kugel in den Sand gefallen ist, der soll sich weismachen, das gehöre zum Eisessen dazu. Offensichtlich wird der Erfolgsgedanke nur für auserwählte Ziele benötigt – deren Scheitern erwünscht ist: niemand denkt ernsthaft, dass es eine Eigenschaft von Schokoeis sei, in den Sand zu fallen, über Revolutionäre soll das aber eine abgrundtiefe Wahrheit sein …
    Man lernt also über den Erfolgsgedanken – wenn man nicht am Lernen scheitert –, dass in der bürgerlichen Gesellschaft Misserfolge gut für die Diskreditierung politischer Gegner sind: Wenn ein Systemkritiker etwas nicht schafft, dann dichtet man dem sein Versagen als Eigenschaft an …

  19. 13. Oktober 2012, 08:14 | #19

    „erfolgreicher Umsturz“?

    Wohl kaum. Jedenfalls, wenn man es nicht an dem vom Referenten kritisierten Gerede vom Machtwechsel mißt, sondern an seinem, den Bolschewiki ebenfalls zugebilligten Ziel,“dass alles was in der Ge­sell­schaft bis­her ge­gol­ten hat, nicht mehr gilt.“ Oder wenigstens tendentiell hätte gelten sollen. Denn daß die Bolschewiki wirklich „Alles“ hätten umwälzen wollen, stimmt ja erstens nicht und ist zweitens gerade die Kritik der MG gewesen.

  20. jojo
    13. Oktober 2012, 09:28 | #20

    Gegen die du was genau eingewendet haben wolltest?
    Du missverstehst den Referenten wohl, da steht:
    „Eine sozialistische Revolution, wie sie vor 70 Jahren durchgeführt worden ist von den Bolschewiken, ist alles andere als ein Machtwechsel, so sehr bürgerliche Begutachter die Oktoberevolution immer nach dem Muster eines Regierungswechsels zu deuten bemüht sind.“
    Darum geht es. Der wendet sich gegen die Ideologien „bürgerlicher Begutachter“, die die Revolution in einen Machtwechsel umdeuten, indem sie vom Inhalt der revolutionären Absichten abstrahieren: Die Zarenmacht zu brechen war bloß das Mittel, an die Stelle feudaler Abhängigkeiten eine Gesellschaft zu setzen, in der das Privateigentum nicht mehr gilt. Auf den Zweck „Macht“ als Zusammenfassung der Oktoberrevolution kommt man also, wenn einen die Ziele von Kapitalismusgegnern nur noch interessieren als Funktion für ein ausgedachtes Machtgefüge.

  21. 13. Oktober 2012, 09:47 | #21

    Das reicht dir schon für die (positive) Bezeichnung Revolution, daß da Leute an die Macht gekommen sind, die wollten, daß „Privateigentum nicht mehr gilt“? Da hat der Referent damals schon weitaus mehr gewollt bzw zu Wollen den Bolschewiki attestiert. Meine Frage war doch, wieso er das Geschehen gleich als „erfolgreich“ bewertet hat. Zumindest an seinem „Alles“ gemessen gab es doch herzlich wenig Erfolg. Wobei ich nicht behaupten will, daß das überhaupt in Rußland zu erreichen gewesen wäre, selbst, wenn sich die Bolschewiki das Alles vorgenommen hätten.

  22. jojo
    13. Oktober 2012, 10:27 | #22

    Nochmal: Der Referent weist Ideologien zurück, nach denen die damaligen Sozialisten bloß einen Herrschaftswechsel gewollt hätten. Journalisten und staatstragenden Denkern kommt es so vor, als sei „Macht“ das Entscheidende eines Umsturzes, weil die von ihnen favorisierte gefährdet ist, wenn Untertanen sich ihre Abhängigkeiten nicht mehr gefallen lassen wollen.
    Euren Erfolgsgedanken weist der Referent in deinem eigenen Zitat sogar als Fehler zurück:
    „Bei­des [das Kapitalismuserbe und das Ausland] sind Hin­der­nis­se, die eine re­vo­lu­tio­nä­re Par­tei ein­kal­ku­lie­ren muss, aber es sind keine Ar­gu­men­te, die das Pro­gramm re­la­ti­vie­ren. Das ist ein sehr we­sent­li­cher Un­ter­schied, weil sehr viele Par­tei­en, die ähn­li­ches sagen könn­ten, wie ich es hier vor­ge­tra­gen habe, die­ser klei­nen lo­gi­schen Un­ter­schei­dung zwi­schen Hin­der­nis und Ar­gu­ment nicht recht fähig sind, son­dern im­mer­zu das Kräf­te­ver­hält­nis, dem sie im ei­ge­nen Land und im Bezug auf das Aus­land ge­gen­über ge­stan­den sind, als Ar­gu­ment dafür ge­nom­men haben, dann von ihrem Pro­gramm ab­zu­las­sen und nur noch das zu ma­chen, was ge­ra­de geht. Das ist – ohne Kom­pro­miss dies­mal zu sagen – ein Ab­schied vom Wil­len zur Re­vo­lu­ti­on, dann macht man eben etwas an­de­res.“

  23. 13. Oktober 2012, 10:48 | #23

    Nochmal, woher nimmst du eigentlich die Gewißheit, daß das Programm der Bolschewiki das „einer revolutionären Partei“ im Sinne von Konrad Hecker war, angesichts dessen, was sie dann tatsächlich gemacht haben? Von den Hindernissen will ich hier jetzt gar nicht reden, daß es die gab, ist ja hinreichend bekannt und dient regelmäßig sogar als Argument für den bescheidenen Willen, bzw. das nicht sonderlich überzeugende Programm, daß sich die „erfolgreiche“ Revolution zugelegt hat.
    Wollten die deiner Meinang nach wirklich „Alles“ umstürzen, haben es dann „nur“ nicht geschafft, weil das eben da und damals nicht ging? Ging „es“ einfach nicht anders??

  24. jojo
    13. Oktober 2012, 11:21 | #24

    Es ist keine Gewissheit, sondern eine historische Tatsache, dass die Bolschewisten das Zarenreich (erfolgreich) durch ihr Programm ersetzt haben. Das kann man für verkehrt halten, aber es war keine wie-auch-immer-geartete Fortsetzung des Feudalismus, sondern seine Aufhebung. Soweit das Argument.
    Du meinst, man müsse den Daumen rauf oder runter halten für eine historische Revolte, das ist aber nur dein Thema. Fakt ist, dass die ganze Welt Jahrzehnte vom Gegensatz der Revolutionäre zum Ausland beherrscht war. Worin auch immer deren Programm bestand, alle imperialistischen Staaten (und dann auch die anderen) haben sich auf die „Erfolge“ der Revolution bezogen – das hieß „Ost-West“ und war i.d.R. feindlich. Unter „Misserfolg“ subsumieren Bürger das deswegen, weil die an das Recht des Erfolgs glauben. (s.o.)
    Eine Lüge hätte man aber nie bekämpfen müssen …

  25. 13. Oktober 2012, 12:30 | #25

    „Es ist keine Gewissheit, sondern eine historische Tatsache, dass die Bolschewisten das Zarenreich (erfolgreich) durch ihr Programm ersetzt haben.“

    Wer wollte bestreiten, daß die Bolschewiki erst in der Oktoberrevolution in den Zentren und dann ein paar Jahre später durch den Bürgerkrieg im ganzen ehemaligen zaristischen Reich die Macht gewonnen haben. Und wie kommst du nur auf die nun völlig abwegige Idee, ich oder irgendjemand von Belang, jedenfalls in diesem Umfeld hier, verträte die Einschätzung, da wäre „eine wie-auch-immer-geartete Fortsetzung des Feudalismus“ abgelaufen??
    Nein, meine Frage war schon konkreter, was denn damals aufgehoben werden sollte und was dann tatsächlich aufgehoben wurde (was du so leichthin als „ihr Programm“ bezeichnet hast, als wenn das klar gewesen wäre, was die vorgehabt haben und sie zudem das auch geschafft hätten). Das scheint dir keinen einzigen Gedanken wert zu sein? Da gibt dir der ja immerhin recht turbulente, widersprüchliche Verlauf der Debatten und der tatsächlich durchgeführten Politik keine einzige Frage auf? Noch nicht mal als Problem taucht bei dir ja auf, was du selber eingeworfen hast: „Das kann man für verkehrt halten“.
    Auch das Argument, „dass die ganze Welt Jahrzehnte vom Gegensatz der Revolutionäre zum Ausland beherrscht war“ (wobei ich das eher anders rum formulieren möchte, denn der Gegensatz der führenden Schicht der Sowjetunion zum Imperialsimus war ja recht bald nicht mehr sehr groß, um es freundlich zu formulieren) sagt doch gar nichts darüber aus, was die KPdSU dann jahrelang gemacht hat. Mit diesem Scheißargument verteidigen die Castros heute auf Kuba zB. auch noch jeden Mist, den die so verzapfen.

  26. jojo
    13. Oktober 2012, 18:52 | #26

    „sagt doch gar nichts darüber aus, was die KPdSU dann jahrelang gemacht hat“
    Dann musst du wohl mehr als den Anfang des Vortrags lesen, aber für meine Kritik ist es kein Einwand, dass dir noch andere Themen einfallen.
    „Und wenn die Revolutionäre das gar nicht hinkriegen“
    ist der verkehrte Erfolgsgedanke und in einer Revolution kommt selbstverständlich beides zusammen: falsche Vorhaben UND fehlende Mittel sind in solch bewegten Zeiten sehr wahrscheinlich, aber kein Einwand gegen irgendein Programm.

  27. Mattis
    13. Oktober 2012, 21:06 | #27

    Über falsche Vorhaben kann man im Nachhinein immer gut reden. Lenin hat sich mühsam an den wenigen Stellen zu bedienen versucht, die er bei Marx und Engels zum Thema Sozialismus gefunden hat, und die noch stark dem Utopismus entlehnt waren, und nirgends weiter ausentwickelt wurden – wer weiß, was geworden wäre, hätte Lenin (oder andere) da wirklich vernünftige Leitlinien vorgefunden für die Gesellschaftsstruktur des Sozialismus.
    Heute ist man in diesem Punkt nicht wirklich weiter. Referent Konrad Hecker z.B. spricht davon, dass alle vormaligen Elemente der Gesellschaft „außer Kraft“ gesetzt werden. Dann noch, „dass nichts anderes passiert als das, was die revolutionäre Partei will“. Und diese will, dass „fortan die Mitglieder in dieser Gesellschaft ihren Zusammenhang nach ihrem Interesse und zu ihrem Vorteil inszenieren, selber ins Werk setzen“. Kriterien dafür nennt er keine.
    Blöd nur, wenn schon heute eines dieser „Mitglieder der Gesellschaft“ – z.B. ich in diesem Blog – sich Gedanken macht, welche Art von „Zusammenhang“ denn nun für den vorstellig gemachten Zweck am dienlichsten wäre. Da gibt’s dann ernste Verwarnungen und finstere Zweck-Andichtungen.
    Dabei ginge es gar nicht um die Ausformulierung von Idealzuständen – wie etwa das Marxsche Idealbild des Kommunismus – sondern um die vernünftige Ableitung der notwendigen sozialistischen Verkehrsformen aus der Zwecksetzung. Stattdessen wird immer nur die Zwecksetzung selbst wiederholt.
    Dass diese Ableitung immer noch nicht vorliegt, ist wohl ein deutlicher Hinweis darauf, dass das nicht ganz so einfach ist und durchaus ein paar Jährchen dauern kann. Eine Online-Shop-Software dürfte als Architektur des Sozialismus jedenfalls nicht ausreichen.
    Aber man möchte ja erst mal das alte Haus abreißen und dann erst überlegen, wie das neue Haus aussehen soll. Anscheinend hält man gar nichts von einer geplanten Gesellschaft – jedenfalls nicht im Sinne einer Planung ihrer Organisationsstrukturen und Entscheidungsgremien.
    Wichtig ist demnach nur „dass nichts anderes passiert als das, was die revolutionäre Partei will“. Aber was will sie denn? Abschaffung, Auflösung, Außerkraftsetzung etc. Das ist doch nur die eine Hälfte. Revolution heißt doch Umwälzung, nicht einfach Auflösung. Also dann, was soll aufgebaut werden?
    Wie um aller Welt sollen denn „die Mitglieder in dieser Gesellschaft ihren Zusammenhang nach ihrem Interesse und zu ihrem Vorteil inszenieren“, wenn sie keine Ahnung haben, wie das geht? Und sich vorab auch keine Ahnung verschaffen sollen?

  28. jojo
    13. Oktober 2012, 22:47 | #28

    Was sind denn

    „sozialistische Verkehrsformen“ ???

    Das ist ernst gemeint, ich kann mir darunter rein gar nichts vorstellen. Aber wenn man die sogar ableiten kann, nur zu!
    Und dein Bild von einem Haus des Kapitalismus, das durch ein anderes zu ersetzen sei, trifft nicht die kommunistische Kritik. Vor einem Gefängnisausbruch plant man eben nicht seinen nächsten Malediven-Urlaub. Und auch den würde man nur mit denen planen können, die auch auf die Malediven wollen.

    „wenn sie keine Ahnung haben, wie das geht“

    Die Schwierigkeit besteht doch nicht darin, dass den lieben Mitbürgern die „Ahnung“ fehlen würde, wie sie Sozialismus machen sollten, sondern darin, dass den niemand will. Und solange man nicht einmal weiß, mit wem man irgendwann etwas planen kann, bestünde die „Planung“ in einer Sammlung bezugsloser Wunschzettel – eine blöde Revolutionsromantik, wer „sich Ahnung verschaffen“ möchte, informiert sich über den Kapitalismus, den gibt es wirklich!

  29. Mattis
    14. Oktober 2012, 09:30 | #29

    „Und solange man nicht einmal weiß, mit wem man irgendwann etwas planen kann, bestünde die „Planung“ in einer Sammlung bezugsloser Wunschzettel“ (jojo) …

    Du ignorierst beharrlich, dass mit Planung nicht der erste Fünfjahresplan gemeint ist. Aber da du dir unter sozialistischen Verkehrsformen, Entscheidungsgremien etc. rein gar nichts vorstellen willst, dokumentierst du hier nur den grotesken Standpunkt einer strukturlosen Gesellschaft.
    Ich habe dazu etliches gesagt und will den Thread nicht unnötig aufblähen. Unter anderem in der Debatte zu Rüdiger Mats – Gespenst des Kapitalismus – hier im Juni/Juli stehen viele Argumente dazu.

  30. Mattis
    14. Oktober 2012, 09:37 | #30

    Ein wichtiger Aspekt ist von Konrad Hecker völlig außer Acht gelassen: die Bündnisfrage. Denn auf die Abschaffung des Kapitalismus können sich gewiss mehr sozialistische und kommunistische Kräfte einigen als auf das, was danach konkret geschehen soll. Wer ist denn dann die „revolutionäre Partei“, von der die Rede ist?
    Schon deshalb wird man – um das traditionelle Hauen und Stechen zu vermeiden – eine transparente politische Ebene brauchen, mit klaren Entscheidungsregeln. Ansonsten würde man ja „die Leute“, die ja jetzt ihre Geschicke „selbst“ in die Hand nehmen sollen, außen vor lassen.
    Ein längerdauernder Richtungsstreit über die Prinzipien von sozialistischer Produktion und Verteilung ist einzukalkulieren. Zum Beispiel darüber, ob sich der individuelle Konsum nach den geleisteten Arbeitsstunden richtet oder davon unabhängig sein soll. Es gibt viele weitere Kontroversen. Insbesondere wenn die Themen nicht vorab geklärt wurden und gegen jeden Versuch, diese zu klären, polemisiert wird wie hier in diesem Thread!
    Die Vorstellungen der Mitglieder der Gesellschaft sind dann nicht unbedingt einheitlich, und kompromisshafte Einigungen werden immer wieder erforderlich sein. Dazu sind also demokratische Strukturen notwendig, denn wie soll denn sonst angemessen zum Tragen kommen können, was der Wille der Leute ist.

  31. jojo
    14. Oktober 2012, 10:34 | #31

    „Aber da du dir unter sozialistischen Verkehrsformen, Entscheidungsgremien etc. rein gar nichts vorstellen willst, dokumentierst du hier nur den grotesken Standpunkt einer strukturlosen Gesellschaft.“

    So ist das also: Du wirfst etwas in die Runde, was dir heilig zu sein scheint, und wenn andere damit nichts anfangen können, „dokumentieren“ sie schon etwas. Ein recht plumper Moralismus, deine Wertvorstellungen zur Messlatte für Einsichten zu machen. Wenn das die „Verkehrsformen“ sind, die zu deinem Sozialismus gehören, will ich den nicht.

    „Ich habe dazu etliches gesagt und will den Thread nicht unnötig aufblähen.“

    Daran wird’s liegen, dass du lang und breit sozialistischen Fantasien fröhnst, dann aber der Blog zu klein ist, nur eine einzige „sozialistische Verkehrsform“ zu benennen! Gibs doch zu, dass du bloß deinen heiligen Sozialismus nicht kritisieren lassen willst – schon gleich gar nicht, wenn jemand den Utopismus sozialistischer Revolutionsromantik ankratzt.

  32. Mattis
    14. Oktober 2012, 13:54 | #32

    „Daran wird’s liegen, dass du lang und breit sozialistischen Fantasien fröhnst, dann aber der Blog zu klein ist, nur eine einzige „sozialistische Verkehrsform“ zu benennen!“

    Vielleicht finde ich ja deine wiederholten Ermahnungen ermüdend, dass die Zeit dafür noch nicht reif ist und so eine Debatte eh nur Ideologie und Utopismus und Revolutionsromatik ist und dass man am Ende damit nur von dem ablenkt, was jetzt zu tun ist.
    Dann lass dich nicht ablenken.

  33. jojo
    14. Oktober 2012, 14:25 | #33

    „deine wiederholten Ermahnungen, dass die Zeit dafür noch nicht reif ist“

    Das ist eine gefälschte Wiedergabe des Utopie-Widerspruchs: Da soll etwas für die Zukunft geplant werden, wofür es in der Gegenwart keine reale Grundlage gibt. Und das soll auch noch Maßstäbe für die Gegenwart liefern. Ideologie pur. Das Träumen von erwünschten Idealzuständen mag ja unterhaltsam sein, aber es ist nunmal in der Wirklichkeit nicht möglich, gesellschaftliche Settings zu planen, die von der dafür vereinnahmten Gesellschaft abgelehnt und angefeindet werden.
    Man kann es auch so ausdrücken: Ein Utopist mag den Unterschied zwischen seinem Ideal und der Realität nicht, weswegen der zum Reich der Fantasie greift und seinen zukünftigen Idealzustand zu einer Richtschnur fürs Hier-und-Jetzt erhebt – ohne Begründung, versteht sich. Wer dann das Ideal kritisiert, dem attestiert der Utopist Themenverfehlung. Zulässige Argumente sind nur in diesem System nur die, die sich dem Auspinseln seines Sozialismus widmen!

  34. Mattis
    14. Oktober 2012, 17:49 | #34

    „Das Träumen von erwünschten Idealzuständen mag ja unterhaltsam sein, aber es ist nunmal in der Wirklichkeit nicht möglich, gesellschaftliche Settings zu planen, die von der dafür vereinnahmten Gesellschaft abgelehnt und angefeindet werden.“ (jojo)

    Also wenn die Ablehnung durch die jetzige Gesellschaft ein Argument gegen Debatten über Sozialismus sein soll, dann wäre auch das Reden von der Abschaffung des Kapitalismus eine idealistische Schwärmerei.
    Nochmal für die, die das Thema ernstnehmen: ich hatte mehrfach begründet, warum man sich mit den nach dem Ende des Kapitalismus mit Notwendigkeit absehbar auftretenden Fragen (und nicht mit fantasierten Zuständen!) durchaus schon jetzt befassen sollte. Welche grundlegenden Strukturen des Sozialismus sollen denn da noch von der Zukunft abhängen?
    Soll die neue Gesellschaft nun endlich mal mit Wille und Bewusstsein gestaltet werden oder von ominösen Umständen abhängen, über die man leider noch gar nichts sagen kann? Und ab wann kann man etwas darüber sagen? Will man nicht genau die Umstände, die dann gelten sollen, selbst aktiv herstellen? Was also soll dann das ewige Gerede, dass man über die künftigen Zustände nur fantasieren könne?

  35. 14. Oktober 2012, 18:32 | #35

    Der Satz von Jojo

    „es ist nunmal in der Wirklichkeit nicht möglich, gesellschaftliche Settings zu planen, die von der dafür vereinnahmten Gesellschaft abgelehnt und angefeindet werden“

    ist in mehrerlei Hinsicht eigenartig:
    Erstens ist die ominöse „Wirklichkeit“, vulgo der herrschende Kapitalismus mit samt seiner bisher unerschütterten Zustimmung seiner Massen, ein Argument für gar nichts: Was sich Linke, Revolutionäre, Kommunisten für Gedanken machen, bezieht sich zwar immer auf diese gesellschaftlichen Realitäten, auf das vorherrschende Massenbewußtsein, das geht ja auch nicht anders. Aber „möglich“ als Gedanken sind immer alle, die diese Leute sich einfallen lassen können.
    Zweitens ist die konkrete offensichtliche weitestgehende Ablehnung antikapitalistischer Zielsetzungen natürlich erst recht kein Grund, diese deshalb fallen zu lassen (es sei denn, man will z.B. in der Linkspartei Karriere machen, dann kommt natürlich selbst ein positiver Bezug auf Ludwig Erhard ganz gut).
    Zudem gibt es ja reihenweise Linke, die meinen, schon um der Klärung der Positionen hier und heute willen, sei es notwendig, wenigstens grundlegend darzulegen und auszufechten, was man in der postkapitalistischen Gesellschaft durch setzen will. Auch Hier und anderswo ist ja nicht umsonst wie schon das ganze zurückliegende Jahrhundert erbittert um Fragen wie Genossenschaftswesen versus zentrale Planung, Autarkie versus aktive Förderung der Ausweitung der Revolution, Volksbewaffnung versus stehendes Heer, um nur ein paar zu nennen, gestritten worden.

  36. jojo
    15. Oktober 2012, 07:23 | #36

    „wenn die Ablehnung durch die jetzige Gesellschaft ein Argument gegen Debatten über Sozialismus sein soll“

    Nein, das soll sie nicht und „Debatten über Sozialismus“ ist eine verschleiernde Zusammenfassung dessen, was hier über eure Utopien und Schlussfolgerungen aus ihnen zu lesen ist. Die „Ablehnung“ einer alternativen Gesellschaftsordnung seitens der dafür einkalkulierten Subjekte belegt allerdings, dass es sich bei Sozialismus-Fantasien um keine Planung handelt, sondern um einen Wunschzettel, der gerade von denen abstrahiert, deren Ziel der Sozialismus sein soll. Mit Menschen, die eine Reise zum Nordpol buchen, kann man nunmal keinen Urlaub im Süden planen.

    „nach dem Ende des Kapitalismus“

    Wer das wann wie und warum herbeiführt, scheint nicht wichtig zu sein, aber dass man für die Zeit nach der grundlosen Revolte einen Plan auf Tasche hat, sei nötig.

    „Soll die neue Gesellschaft nun endlich mal mit Wille und Bewusstsein gestaltet werden oder von ominösen Umständen abhängen, über die man leider noch gar nichts sagen kann“

    Sie wird von ominösen Umständen abhängen, wenn sich Revolutionsromantiker nicht an der Kritik der realen Willen (also der bürgerlichen) und dem zugehörigen Bewusstsein die Finger schmutzig machen wollen.

    @Neo „Aber „möglich“ als Gedanken sind immer alle, die diese Leute sich einfallen lassen können.“

    Richtig, denken kann man sich vieles, aber leider denken Utopisten gar nicht, dass sie bloß fantasieren, sondern ziehen aus ihrem imaginären Zukunftsbild Schlussfolgerungen.

    „Ablehnung antikapitalistischer Zielsetzungen natürlich erst recht kein Grund, diese deshalb fallen zu lassen“

    Eine Utopie ist keine Zielsetzung, sondern eine schöne Vorstellung eines bereits erreichten Ziels.

    „was man in der postkapitalistischen Gesellschaft durchsetzen will“

    hängt von den Willen ab, die den Kapitalismus hinter sich gelassen haben und die gibt es derzeit nicht. Das ist auch kein Fantasieverbot, sondern die Widerlegung, dass es sich bei Utopien um eine Planung handelt – das Reich der Ideen wird also zielgerichtet mit der Wirklichkeit verwechselt.

  37. 15. Oktober 2012, 10:31 | #37

    Ach Jojo! Ja, es stimmt natürlich,

    „was man in der postkapitalistischen Gesellschaft durchsetzen will, hängt von den Willen ab, die den Kapitalismus hinter sich gelassen haben und die gibt es derzeit nicht.“

    Aber der Ausgangspunkt nicht nur dieser Debatte hier ist doch der historische Ausgangspunkt der Oktoberrevolution und deren Irrungen und Wirrungen. Und wenn man schon nicht sagen will, was man zukünftig hier machen will, dann bleibt ja immer noch das weite Feld der Auseinandersetzung mit dem, was die Bolschewiki im Gebiet des zaristischen Reiches angestellt haben (oder später dann in China und Kuba, und natürlich im ganzen RGW Politiker, die sich zumindest irgendiwe auf die Bolschewiki bezogen haben). Und zumindest die MGler früher und die GegenStandpunktler haben das ja auch ansatzweise gemacht, zum Teil massig ex post, was die Oktoberrevolution angeht (oder Kuba und China), teils im Eingreifen in die Umbrüche nach 89. Und um Utopien ging es dabei bekanntlich nicht.

  38. jojo
    15. Oktober 2012, 14:07 | #38

    Wenn man die russischen Revoluzzer und deren Fehler bespricht, geht es auch nicht um Utopien. Die Oktoberrevolution war eben kein geschöntes oder problematisiertes Fantasiegebilde, sondern real. Die Debatte beschäftigt sich aber nicht mit den Fehlern der Realsozialisten, sondern mit angeblichen Gegensätzen, die einfach menschlich seien. Der Gedanke ist, man müsse im Voraus Gegensätze besprechen, die es noch gar nicht gibt – und die gar nichts mit Sozialismus zu tun haben:
    „keine Gewähr gegen Fehler, Befangenheit, Bequemlichkeit, Vorlieben, Sturheit etc.“ (Mattis)
    Problem, Problem, Menschen machen Fehler, sind befangen, bequem, stur oder haben sogar Vorlieben. Wie gehört das zur „Diskussion“ über Sozialismus? Die Vorlieben belegen eher wieder, dass keine Planung ohne die Leute mit den Vorlieben möglich ist, weil die derzeit im Kapitalismus zufrieden sein möchten …

  39. Mattis
    15. Oktober 2012, 20:31 | #39

    „Mit Menschen, die eine Reise zum Nordpol buchen, kann man nunmal keinen Urlaub im Süden planen.“ (jojo)

    Was soll der Unsinn – natürlich geht das mit denen nicht. Haben Marx und Engels ihre Kritik mit Leuten abgestimmt, die den Kapitalismus super fanden? Hat Karl Held die Bevölkerung gefragt, ob sie bereit ist für eine marxistische Staatsableitung?
    Es geht um eine Debatte unter denen, die bereits jetzt gegen den Nordpol und für den Süden sind. Was Aussagen über den Süden angeht, sollen die aber wohl leider warten, bis alle anderen ihre Reise zum Nordpol definitiv abgesagt haben. Sozialismus als Last-Minute-Trip.

    „was man in der postkapitalistischen Gesellschaft durchsetzen will, hängt von den Willen ab, die den Kapitalismus hinter sich gelassen haben und die gibt es derzeit nicht.“

    Deutlicher kann man nicht sagen, dass man sich nullkommanull Gedanken machen will über das, was man einmal mit Willen und Bewusstsein gestalten könnte. Man muss das mal genau lesen: erst wenn man also den Kapitalismus schon hinter sich gelassen hat, beginnt man sich darüber zu verständigen, wie Sozialismus überhaupt geht. Dann ist ja auch noch Zeit genug.
    Hat ja bisher noch immer geklappt: auf den Kapitalismus folgte stets der gesellschaftsweite offene Diskurs über die vernünftigste Architektur des Sozialismus.
    Nur: wie beendet man den Kapitalismus, ohne den Sozialismus zu beginnen?

  40. 15. Oktober 2012, 20:54 | #40

    „wie beendet man den Kapitalismus, ohne den Sozialismus zu beginnen?“

    Ich bin der Auffassung, daß es – um den alten Kalauer zu benutzen – kein richtiges Leben im falschen geben kann. Also, so leid es mir tut, ein kleines Pflänzchen glänzender Sozialismus schon hier in der imperialistischen Wüste, ist „nicht im Angebot“, um einen weiteren Standardspruch/Kalauer anzubringen.
    Es wird zwar schon so sein, daß man mit „nullkommanull Gedanken“ über das „was man einmal mit Willen und Bewusstsein gestalten könnte“ (ich würde ja eher sagen „sollte“) wohl auch kaum alle richtigen Gedanken zusammenbringt, warum man den „Laden“ hier kippen sollte, geschweige denn die konsequente Energie, aus der Abkehnung auch den Aufruhr werden zu lassen. „Sozialismus als Last-Minute-Trip“ ist also in der Tat ein Widerspruch in sich selbst. Keimzellen-Sozialismus aber eben auch.

  41. jojo
    16. Oktober 2012, 05:58 | #41

    „sollen die aber wohl leider warten, bis alle anderen ihre Reise zum Nordpol definitiv abgesagt haben“

    „erst wenn man also den Kapitalismus schon hinter sich gelassen hat, beginnt man sich darüber zu verständigen, wie Sozialismus überhaupt geht“

    Nein, das war nicht das Argument. Du verstehst unter „wie Sozialismus geht“ das Ausmalen einer dir genehmen Zukunft. Und darin kommen natürlich keine Kapitalismusfans vor. Die sind aber nicht nur ein Hindernis für Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft, sondern deren Grundlage. Will man also Kapitalismus hinter sich lassen, muss man sich um die Anhängerschaft der gegenwärtigen Ordnung kümmern. Die Vorstellung vom Ende des Kapitalismus unterstellt genügend Leute, die die Eigentumsordnung nicht mehr wollen – DESWEGEN müssen Revoluzzer warten und nicht weil ein „offener Diskurs über die vernünftigste Architektur des Sozialismus“ irgendjemanden hindern würde, mit dem Kapitalismus zu brechen.

  42. klaus
    16. Oktober 2012, 07:56 | #42

    „die vernünftige Befriedigung der Bedürfnisse aller Menschen“. Wer bestimmt was vernünftig ist? So eine Kategorie unterstellt doch Lehrer, Pfaffen usw., die einem Solidarität, Nächstenliebe und so was einbläuen.

  43. 16. Oktober 2012, 08:10 | #43

    „Wer bestimmt was vernünftig ist?“

    Die Bevölkerung insgesamt. Wer sonst? Ich bin mir da recht sicher, daß nicht jeder Scheiß, den irgendwelche Jugendlichen oder blöd gebliebenen Erwachsenen „unbedingt“ haben „müssen“, Eingang in die Produktionspläne finden wird. Sicherlich wird „man“ dann auch Sachen aufnehmen, die nur einen kleineren Teil der Konsumenten interessieren, es wird aber garantiert eben auch einiges Zeugs geben, daß bei solchen Plandiskussionen nicht durchkommt. Entweder die Menschen, die mit ihren Konsumwünschen nicht durchkommen, geben sich um des lieben sozialistischen Friedens willen damit zufrieden (oder umgekehrt, die Mehrheit läßt den Scheiß zähneknirschend zu), oder sie entscheiden sich daraufhin, aus dem gemeinsamen Projekt auszusteigen, andere Alternativen sehe ich nicht.

  44. klaus
    16. Oktober 2012, 11:26 | #44

    „Eine Re­vo­lu­ti­on ist kein Macht­wech­sel, son­dern ein Um­sturz, der be­deu­tet, dass alles was in der Ge­sell­schaft bis­her ge­gol­ten hat, nicht mehr gilt.“

    „Irgendwelche Jugendliche oder blöd gebliebene Erwachsene“ solls aber schon noch geben? Das klingt halt schwer nach Hierarchie und Herrschaft.

  45. 16. Oktober 2012, 11:48 | #45

    Schon der Begriff „Geltung“ ist bei Konrad Hecker ja sehr vage: normalerweise meint man damit die Gesetzeslage und dazu passende Moral einer Gesellschaft. Jeder weiß, daß die jeweils individuellen Vorstellungen, was gelten soll, damit beileibe nicht deckungsgleich ist. Mit Sicherheit werden viele Menschen (natürlich egal, ob jung oder alt) eine Menge Schmarren mitnehmen in die grundlegend neue Welt. Jetzt kommst du und sagst, daß man das aber nicht Schmarren nennen darf bzw. dafür eintreten darf, daß dem nicht Raum gegeben wird, weil das ja gleich wieder nach „Hierarchie und Herrschaft“ klänge. Und du hältst dem entgegen, daß jeder dann noch jeden Scheiß kriegen können soll, solange er nur laut genug plärrt?? Und zur Herstellung dieses Scheiß sollen dann aber schon die Produzenten ganz herrschaftsfrei herangezogen werden? Paßt irgendwie nicht zusammen, auch argumentativ nicht.

  46. Mattis
    17. Oktober 2012, 20:06 | #46

    Das Thema Architektur des Sozialismus hat nichts mit „Keimzelle“ innerhalb des Kapitalismus zu tun. Auch nichts mit einem konkreten Produktionsplan oder einer fantasierten Festlegung der künftigen Produktpalette.
    Architektur betrifft die grundsätzliche Vorstellung über die Art und Weise, wie im Sozialismus Produktionsplanung als gesamtgesellschaftlicher Prozess überhaupt stattfindet, welche Gremien, Institutionen und Abstimmungsverfahren man dafür benötigt sowie eine Klärung der elementaren Verteilungsprinzipien, die für den individuellen Konsum gelten sollen.
    Romantik und Idealismus sehe ich eher auf Seiten derer, die glauben, auf dieses Wissen verzichten zu können bis zur Last-Minute.

  47. Mattis
    17. Oktober 2012, 20:09 | #47

    “ „Irgendwelche Jugendliche oder blöd gebliebene Erwachsene“ solls aber schon noch geben? Das klingt halt schwer nach Hierarchie und Herrschaft.“ (klaus)

    „Sicherlich wird „man“ dann auch Sachen aufnehmen, die nur einen kleineren Teil der Konsumenten interessieren, es wird aber garantiert eben auch einiges Zeugs geben, das bei solchen Plandiskussionen nicht durchkommt.“ (Neoprene)

    Nicht alle konsumierbaren Sachen werden offiziell bestellbare Güter im sozialistischen Plan-Katalog sein. Wenn jemand zum Beispiel fürs Dachgeschoss einen passgenauen Wandschrank mit Schrägseiten braucht, wird er eine Möbelwerkstatt beauftragen. Das Teil wird bestellt, gebaut, bezahlt und geliefert. Das geht keinen Plankommissar irgend was an. Wer will, kann sich also auch ein fünfstöckiges Vogelhäuschen basteln lassen, ohne dass es darüber zu aufregenden Planungsdiskussionen kommt.
    Es wird natürlich eine Rahmen-Planung des durchschnittlichen Materialbedarfs solcher Werkstätten geben, damit Lagerhaltung, Holzbeschaffung etc. im benötigten Umfang vorgesehen werden können.
    Allgemeingültige Regelungen können in diesem Beispiel des weiteren sein, dass solche Werkstätten kein Regenwald-Holz anbieten, nicht mit Formaldehyd arbeiten und ähnliches. Das ist dann eben verbindlich, auch wenn es einem mal nicht passt und er partout einen Schreibtisch aus einem geschützten Holz haben will und sich über solche Verordnungen beklagt.
    Ein Verbot dieser Art ist noch lange keine Herrschaft. Es ist aber auch nicht als bloße Empfehlung misszuverstehen, sondern wird durchgesetzt. Insofern ist Hierarchie impliziert.

  48. 17. Oktober 2012, 20:45 | #48

    „Nicht alle konsumierbaren Sachen werden offiziell bestellbare Güter im sozialistischen Plan-Katalog sein.“

    Das wird sicherlich so sein. Aber sowas geht eben nur nach einer vorherigen Entscheidung, wieviel Resourcen in Möbelfabriken gesteckt werden und wieviel in Werkstätten. Jedenfalls solange der Gesamtaufwand für einen Schrank aus der Massenfertigung weit unter dem eines Maßschrankes liegt. Zum Teil geht solche Individualisierung ja auch schon bei moderner Großserienfertigung. Und sowas könnte man noch weiter ausbauen. Aber ohne eine sehr grundlegende Diskussion und letztlich eine Entscheidung über eine ganze Menge von möglichen Produktionsmixen wirdes nicht gehen.

  49. Kowalski
    23. Oktober 2012, 13:12 | #49

    95 Jahre Oktoberrevolution
    Lesung mit Dietmar Dath
    Am 2. November 2012 spricht der marxistische Autor und Journalist Dietmar Dath – von bürgerlichen Kritikern als „Lenin 2.0″ verspottet – in Berlin über die Oktoberrevolution. Im Ankündigungstext zur Veranstaltung in der jW-Ladengalerie (Torstr. 6) heisst es:
    Im Oktober 1917 schmetterte der gallische Hahn. Das russische Proletariat hatte keinen Bock mehr auf das allgemeine Völkerschlachten des Ersten Weltkriegs und ging unter der Parole der Bolschewiki, dass nun „Brot und Frieden“ statt Knechtschaft und Krieg her müsse, daran, seine Geschicke selbst in die Hand zu nehmen. Wie das ging, darüber wollen wir nachdenken. Und dass es ging, das wollen wir feiern.
    2.November | 19 Uhr | junge Welt – Ladengallerie | Torstrasse 6 Eintritt 3/5 Euro
    eine Veranstaltung von ARAB, ALB und der jungen Welt
    Voranmeldung unter: mm@jungewelt.de

  50. Mattis
    10. März 2018, 18:35 | #50

    Zu den frühen Kritiken am Sowjetsystem gehört der Text Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung, eine Kollektivarbeit der Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland) aus dem Jahre 1930, welches 1970 neu veröffentlicht wurde mit einem Vorwort von Paul Mattick.
    Dabei geht es primär um die Arbeitszeitrechnung in der „Assoziation freier Produzenten“ aus rätekommunistischer Perspektive. Ein recht ausführliches Werk, leider mit ein paar entscheidenden Fehlschlüssen. Dennoch ein reichhaltiges Diskussionsmaterial zu der hier im Thread behandelten Thematik. Mal sehen, in welchem Rahmen ich näher darauf eingehen werde.

  51. 10. März 2018, 22:35 | #51

    Den von Mattis erwähnten Text kann man hier nachlesen oder runterladen:
    http://www.mxks.de/files/kommunism/gik.html

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