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Geschichten von Herrn Keiner: Fußball und Nationalismus

20. Juli 2012

Ich möchte hier die Keiner-Geschichte über „Fußball und Nationalismus“ vorstellen, die vor kurzem (wie die meisten Keiner-Geschichten von Uli Schulte bisher auch schon) im Luxemburger „Tageblatt“ veröffentlicht wurde. Dieser Hinweis auf den ursprünglichen Veröffentlichungsort scheint mir deshalb wichtig, weil damit der Hinweis gegeben wird, daß der Adressat dieser Keiner-Geschichte – wie der anderen vorherigen auch – der normale Zeitungsleser ist, von dem wir wissen, daß er national gesinnt ist, das dürfte in Luxemburg nicht anders sein als in Deutschland. Deshalb wäre ein Vergleich der Ausführungen der Keiner-Geschichte mit anderen, systematischen Abhandlungen zum Gegenstand Nationalismus unangebracht. Eigentlich geht es „nur“ um die Frage, ob die Geschichte über „Fußball und Nationalismus“ einen Beitrag dazu leistet, den „normalen“ Zeitgenossen zum Nachdenken über seine geistigen Anpassungsleistungen zu bewegen. Denn ganz offensichtlich sind ja all die guten Argumente gegen das Einrichten in den herrschenden Verhältnissen, die ja schon reihenweise in allerlei Form vorliegen, zu den meisten Menschen (weder „hier“ im deutschsprachigen Raum, und erst recht nicht anderswo) noch gar nicht vorgedrungen, geschweige denn, daß sie sich davon hätten überzeugen lassen und sie sich zu eigen gemacht hätten. Mit den Geschichten des Herrn Keiner wird nun der offensichtliche Versuch gemacht, dieser mißlichen Lage etwas abzuhelfen. Deshalb sind alle Beiträge dazu, dieses Projekt voranzubringen, auf diesem Blog genauso willkommen wie beim Autor selber.

Zwei Tage nach der Niederlage Deutschlands gegen Italien bei der Europa-Meisterschaft im Fußball fand Herr K. in einer großen deutschen Boulevardzeitung eine bemerkenswerte Mitteilung über einen Mann, der den Lesern auf der ersten Seite des Blattes als „Verlierer des Tages“ präsentiert wurde. Dieser Mann war TV-Nachrichtensprecher, hatte einen italienischen Familiennamen und sich vor dem Spiel Deutschland-Italien den Zorn der Zeitung durch den einen kurzen Satz zugezogen, der da lautete: „Der Bessere möge gewinnen.“
Es war ferner zu lesen, dass der Nachrichtensprecher nach dieser Bemerkung körbeweise „Wutbriefe“ von deutschen Fernsehzuschauern erhalten hatte, was nicht nur auf das vollste Verständnis der Boulevard-Zeitung stieß, sondern diese dazu veranlasste, mit der Einordnung in die Rubrik „Verlierer“ noch eine eigene Schmährede nachzulegen. Als Begründung war zu lesen: „Beim Fußball hört der Spaß auf!“
„Moment mal“, sagte Herr K., „das ist nicht der ‚Fußball‘, den ich kenne und schätze. Denn diese mir bekannte Sportart wird einzig und allein aus Freude am Spiel betrieben, und die erzielten Tore entscheiden darüber, wer am Ende die bessere Mannschaft ist.
Doch offensichtlich gelten bei der Sportart, von der die Boulevard-Zeitung berichtet – andere Regeln. Hier geht es um den Fußball bei einer Europa-Meisterschaft, es geht um den Fußball als National-Sport, und an den Regeln dieser Sportart hat sich der TV-Sprecher versündigt. Für diese Sportart gilt ersichtlich nur die eine Regel, und die ist ebenso unsportlich wie voreingenommen: Nicht die bessere, sondern die eigene Nation hat zu gewinnen!“
Als Herr K. diese Worte sprach, wusste er, dass er sich damit gegen eine weit verbreitete Unsitte aussprach, den sportlichen Wettstreit zwischen den Nationen aus der Warte der eigenen Nation zu verfolgen und entsprechend parteilich Anteil zu nehmen. Er hielt das für falsch, zumal er immer wieder die Erfahrung gemacht hatte, dass der überall anzutreffende Nationalismus zumeist ohne jedes Argument auskam, sich also gar nicht die Frage vorlegte, ob dieses entschiedene Dafür-Sein gute Gründe auf seiner Seite hatte.
„Es wird so getan“, sagte Herr K., „als ob das etwas Naturgegebenes sei, immer entschieden für das Land zu sein, in das man zufällig hineingeboren worden ist.“
Deshalb gab er den Ratschlag: „Man tut gut daran, ein Spiel wie das Balltreten rein sportlich zu nehmen und die nationale Brille beiseite zu legen. Denn so hat man entschieden mehr vom Spiel, hat nicht nur den engen Blick auf die eigene Mannschaft, sondern kann seine Freude daran haben, dass auch die Spieler anderer Länder gut zu kicken verstehen. Man erspart sich zudem die schlechte Stimmungslage, die einen bedrückt, wenn die eigene Mannschaft ein Spiel verliert und dann womöglich vorzeitig aus einem Turnier ausscheidet. Denn rein sportlich gesehen“, fügte Herr Keiner hinzu, „ist ja überhaupt kein Unglück passiert, alles ging seinen spielerischen Gang: Am Ende hat einfach nur der Bessere gewonnen. Glückwunsch!“

Kategorien(1) MG + GSP Tags:
  1. 20. Juli 2012, 15:24 | #1

    Ein Kommentar bei Facebook:
    Das Problem ist doch aber, dass die Geschichte das gar nicht leistet. (das Problem haben fast alle Keiner-Geschichten)
    Was lernt denn der normale Zeitungsleser, den man da ansprechen will aus ihr?
    Weder erfährt er etwas über Nationalismus, noch über Fußball.
    Da will sich ein deutscher mit Migrationshintergrund dem Zwang entziehen, sich auf eine Nation festzulegen, der er den Daumen drückt, wohlwissend dass die Angehörigen der verschmähten ihm das übel nehmen werden, indem er für das sportliche Ideal (der bessere möge gewinnen) plädiert. Und das klappt natürlich nicht, weil schon alleine die Verweigerung bedingungsloser Zustimmung für die Fans der Nation an Vaterlandsverrat grenzt.
    Dem hält nun der Keiner sein Ideal von Fußball entgegen, ist doch nur ein Spiel, nur aus Freude betrieben und der bessere soll gewinnen. Den Fußball gibt es aber gar nicht! So braucht man deshalb einem Fußballfan auch nicht kommen. Der weiß genau wer gewinnen soll, nämlich nicht die bessere Mannschaft, sondern die eigene, sei es nun die der Nation, des Bundesligavereins dem man anhängt oder des Dorfes aus dem man kommt. Kein Mensch schaut Fußball, weil der bessere gewinnen soll! Zumindest kein Fußballfan.
    Der Keiner hält also dem realen Fantum nur sein Sportideal entgegen. Sonst nichts.
    Dann benennt er es als Fehler, sich auf den Nationalstandpunkt zu stellen. Da würde man nun ein Argument erwarten, warum das denn ein Fehler sein soll. Kommen tut: Weil der Nationalismus ohne Argument auskommt. Das ist ziemlich matt, wenn es denn überhaupt stimmt, denn dem Nationalisten fallen gewöhnlich schon Argumente für seinen Nationalismus ein, falsche halt.
    Dann kommt doch noch ein Nationalisten-Argument (das es nach voriger aussage gar nicht geben dürfte): Naturgegeben. Und dann? Wird es nicht kritisiert. Das bloße hinschreiben, dass der Nationalist seinen Nationalismus für naturgegeben hält soll offensichtlich schon ausreichen, damit der Zeitungsleser sich Gedanken über seinen falschen Standpunkt macht. Aber warum sollte er das? Ihm ist kein einziges Argument gesagt worden gegen seinen bisherigen Standpunkt. Dass sein Geburtsort zufällig ist, na gut. Aber stört das den Nationalisten?
    Die eigene Argumentlosigkeit ist dem K wohl dann selber aufgefallen, deshalb bringt er nun doch eins: Weil man dann mehr vom Spiel hat soll man den Nationalismus lassen. Wenn man dem eigenen Fußballideal entspricht, solle man nämlich mehr Freude dran haben. Dabei sieht das der normale Fußballfan ganz anders. Der will sich freuen, wenn die eigene Mannschaft gewinnt und sich ärgern wenn das die andere tut. Und solcherlei Aussagen wie die vom K nimmt er deshalb auch nicht ernst, weil sie nur jemand tätigt, der offensichtlich etwas ganz anderes vom Fußball will und etwas ganz anderes an ihm findet, als er. Sein Sportideal halt.
    (By the way: Was würde der K eigentlich zum Nationalismus bei Olympia sagen? Da ist sein Sportideal von wegen besserer soll gewinnen sogar das traditionsreiche offizielle Motto und offensichtlich ganz gut vereinbar mit Nationalismus, mitnichten ein Widerspruch zu ihm…)

  2. 20. Juli 2012, 18:49 | #2

    Die Keiner Geschichten haben einen anderen Inhalt als den, den du verlangst. Die sprechen ein Thema an und zeigen die „Merkwürdigkeiten“ daran auf, also Dinge, die man nicht so einfach hinnehmen sollte. (Meistens so Sachen, die auf den Teach-Ins als Einleitung verwendet werden.) Die leisten aber meistens keine ganze Kritik an der Sache, in dem Fall Nationalismus, das ist gar nicht deren Zweck; und zwar nicht deshalb, weil Herr Keiner dazu nicht in der Lage wäre, sondern einfach, weil es Kurzgeschichten sind, die in einer Tageszeitung veröffentlicht werden. Das wiederum heißt aber noch lange nicht, dass man in kurzer Form nicht auch etwas nicht kritisieren kann.
    2. Zum Fußball: Ich sehe da keinen Idealismus, der Herr K erzählt die Banalität davon, was Fußball ist: Balltreten, zwei Tore, 90 min., usw. – eben ein Spiel deren Sinn in sich selbst liegt. Das wird jetzt instrumentalisiert für nationales Gedöns, nicht andersrum. Insofern finde ich das schon auch mal ganz gut, wenn man den Leuten das vorhält. So viel haben da nämlich Normalbürger auch nicht zu erwidern wenn du sie darauf hinweist, was da mit einer bloßen Sportart angestellt wird. Und wenn sie etwas zu erwidern haben, ja dann kannst du ja mit ihnen diskutieren.

  3. Moritz
    20. Juli 2012, 22:22 | #3

    Nur damit das nicht untergeht:
    „Darüber hinaus wird noch einmal darauf aufmerksam gemacht, dass sich möglichst alle, die an den K.-Geschichten interessiert sind, unter der Rubrik Newsletter mit ihrer E-Mail-Adresse eintragen sollen. Das erleichtert den Kontakt zu den Lesern, die auch aufgefordert sind, dem Keiner kritische Anmerkungen oder Anregungen zu den Geschichten zukommen zu lassen.“

  4. Horst
    20. Juli 2012, 23:12 | #4

    @Phill Ipp
    „Das wiederum heißt aber noch lange nicht, dass man in kurzer Form nicht auch etwas nicht kritisieren kann.“
    Aber was ist das „etwas“? Der Aufhänger ist das nationalistische Urteil über einen Moderator, dem die falsche oder fehlende deutsch-nationale Parteilichkeit vorgeworfen wird, inkl. der rassistischen Verlängerungen mit seiner italienischen Abstammung usw. Dem hält Herr K. entgegen, dass er das Spiel so nicht „kennt/schätzt“, wenn es für Nationalismus herhalten muss. Das ist wirklich blöd und durchsichtig naiv, weil nicht nur die Fußballfans es gerade so kennen und schätzen. Denen wird außer der ablehnenden Haltung einer Brechtschen Figur kein Argument geliefert, wieso es denn immer bloß um den Sport gehen soll! Vielmehr soll das nationale Ideal an dem des unschuldigen Fußballspiels blamiert werden.
    „wenn du sie darauf hinweist, was da mit einer bloßen Sportart angestellt wird“
    Das ist der zu kritisierende Punkt: Die Sportart wird gegen ihre Instrumentalisierung verteidigt. Das ist keine verhaltene Kritik, sondern eine, die ihren Gegenstand verfehlt. Denn wenn es gar nicht der verkehrte Begriff vom Fußballspielen ist, der alle Menschen (inkl. Kritiker) in einem Spiel von Nationalmannschaften einen Leistungsvergleich der Nationen sehen lässt, dann taugt der Hinweis „Fußball könnte so harmlos sein“ auch nix. Den Grund für die Instrumentalisierung bei der Kritik „auszusparen“, reduziert den angesprochenen Nationalismus auf eine Geschmacksfrage – das wird durch die Autorität eines Herrn K. oder den Veröffentlichungskontext auch nicht besser: Nationalismus sei nicht so schätzenswert wie Fußball, weswegen man auch mal für den Gegner sein soll, weil laut Regelwerk der Bessere gewinnen soll …

  5. 21. Juli 2012, 15:53 | #5

    Man kann sich schon überlegen, welche Fehler Brecht und Schulte machen. Andererseits kenne ich jemand, der durch die Keuner-Geschichten zum Kommunisten wurde (und Jahrzehnte später mich agitierte). Sowas gibts halt auch. Warum soll es denn nur einen Zugang zum richtigen Argument geben? Es wird doch nichts ausgeschlossen oder verneint, nur ein weiterer Zugang versucht, geschaffen zu werden.

  6. Horst
    21. Juli 2012, 16:51 | #6

    Das ist gemogelt. Woher weißt du denn, dass es sich um einen „Zugang“ handelt? Nur weil sich jemand die Keunergeschichten zum Anlass genommen hat, über Kritik am Kapitalismus nachzudenken, sind die doch nicht der Grund des Nachdenkens. Andere kommen über verkehrte Faschismuskritik zu Erkenntnissen, das macht weder den Faschismus noch den demokratischen Antifaschismus zu einem guten „Zugang“. Und da die Geschichte eine verkehrte Nationalismuskritik zum Ausdruck bringt, kann sie genausogut „Zugang“ zu jeder Menge Unsinn sein. Das Gütezeichen „Zugang verschaffend“ ist ein Entschuldigungsargument, damit jeder Blödsinn als „Anlass zum Nachdenken“ durchgeht. Klar, man kann sich zu allem auch etwas Richtiges denken – sogar zu dieser Keinergeschichte!

  7. PM
    21. Juli 2012, 22:32 | #7

    Die Geschichte von Herrn Keiner scheint eine Anleitung mit einer Fülle an „Ratschlägen“ zu sein, die den Zweck verfolgt, dem Fußballzuschauer diverse „schlechte Stimmungslagen“ zu ersparen. Ein Ratgeber für das innere Wohl also, nach dem Motto: „Lasst die nationale Brille beim Fußballgucken liegen, dann geht es euch besser!“
    Sieht man sich in der Stadt während eines Fußballgroßereignisses jedoch um, konstatiert man, dass „ganz Deutschland“ am feiern und die nationale Stimmung in Hochform ist. Den nationalen Standpunkt in einer Stimmungslage verortet zu kritisieren, ist da also wirklich fehl am Platz. Zumal eine Niederlage in der Regel immer noch zeigt, dass „Wir“ mindestens Sieger der Herzen sind. Und sowieso, gegen das Verlieren hat ein Fußballfan auch prinzipiell nichts auszusetzen, denn schließlich geht er mit Deutschland durch „dick und dünn“. Auch wenn Deutschland dann wieder einmal im (Halb-)finale ausscheidet, hatte man zumindest zuvor auf der Fanmeile eine geile Zeit zusammen verbringen können!

  8. Frederich Antwald
    26. Juli 2012, 06:33 | #8

    Ich hab den Eindruck, die Geschichte wird ein wenig zu groß gemacht, um sie dann abzuschießen. Mit Kanonen auf Spatzen quasi.
    Das dazu Nötige hat m.E. Phil Ipp geschrieben: Fußball ist eben erst mal ein Spiel und bleibt es auch, wenn er nationalistisch instrumentalisiert wird. Die Geschichte hakt da ein, wo dieses Spiel durch seine Instrumentalisierung einen ganz und gar unspielerischen Charakter bekommt: beim Fußball höre der Spaß auf. Warum soll bei einem Spiel, das ursprünglich einmal Spaß machen sollte (und es immer noch macht, wenn man sich unter Freunden dazu verabredet – so viel nur zum Vorwurf des Idealismus), der Spaß aufhören? Da ist in der Tat nicht viel gefallen, aber dass man nichts erfährt, kann auch nicht behauptet werden. Die Parteilichkeit, und zwar dünn begründet: weil’s halt das liebe Vaterland ist, für die eigene Nation, wird angegeben und kritisiert: Wer etwas vom Spiel haben will, verbaut sich mit der nationalen Brille das Vergnügen am Spiel selbst. (Nicht erst, wenn die eigene Mannschaft verliert, dann aber ganz besonders – hast Du, PM, nach dem Halbfinalaus keine langen Gesichter von Deutschlandfans gesehen? Ich konnte kaum entkommen.)
    Das alles ist nicht neu, genau dieselben Gedanken stehen in dem alten MSZ-Artikel „Größerer Versuch über das Balltreten“, dort vielleicht ausgeführter, aber nicht anders.
    Ansonsten würde mich mal interessieren, was denn die Fehler Schultes bzw. Brechts sind (will man das hier einfach so behaupten und dann so stehenlassen?). Die regen ja nicht einfach „zum Nachdenken“ an, sondern äußern schon Gedanken über die Welt, die einen kleinen Unterschied zu einem fröhlichen Sinnieren über die Weltenläufte darstellen. Sie sind auch nicht einfach die Ermöglichung von ganz anderen Erkenntnissen als denen, die in ihnen stehen (wie auch?). Sie bieten eben einen Zugang zur Kritik der herrschenden Verhältnisse, darin haben sie keine Vollständigkeit, aber die kann keine Agitation leisten. Bei einem Flugblatt (zum Beispiel) muss man sich auch überlegen, welche drei Argumente man reinschreibt.

  9. 26. Juli 2012, 08:40 | #9

    „Den Patriotismus wollen sie, dieses Einheitsgefühl, das loben sie. Damit ist ein Übergang mitgemacht, auf den man explizit hinweisen soll, nämlich eine Abstraktion ziemlich ernster Natur. Die reden über Patriotismus und vergessen glatt den Gegenstand, an dem er sich betätigt, den erklären sie für gleichgültig. Es geht doch um Fußball.“

    (aus „Fußballweltmeisterschaft – Patriotismus als Party

  10. Horst
    26. Juli 2012, 08:56 | #10

    Schulte mag ja den Artikel gelesen und verstanden haben. Dass Nationalisten ein Spiel verraten würden, um dessen instrumentellen Bezug es ihnen geht, steht da nicht. In dem Artikel wird die Abstraktion „Patriotismus“ nicht betont, damit in einer idealen Welt „der Bessere gewinnt“. Brecht/Schulte hingegen benutzen die Ideale (z.B. des Fußballs) im Glauben, daran Nationalismus blamieren zu können.

  11. PM
    28. Juli 2012, 02:58 | #11

    @ Frederich Antwald: Dass diese Keiner Geschichte keine Erklärung zum Nationalismus liefert, wurde hier doch gar nicht behauptet und ihr als Mangel angehaftet. Wie du ja richtig feststellst, kann das auch keine Agitation leisten, da kommt es halt auf die „drei Argumente“ an, die man in ihr unterbringt, um die Leute zu agitieren. Doch auf die drei Argumente kommt es dann tatsächlich an! Und hier setzt die Kritik an dieser Keiner Geschichte ein, da die in ihr vorstellig gemachten Argumente die Leute in ihrem Nationalismusdenken falsch kritisiert.
    Eine Nationalismuskritik, die sich die Stimmungslage der Leute zum Ausgangspunkt macht, und ihnen darüber versucht zu zeigen, dass ihr nationaler Standpunkt falsch ist, kann nichts taugen. Die Schwarz-Rot-Gold-Fahnenschwanker stehen doch g r u n d s ä t z l i c h affirmativ zu dieser Nation. Und solange sie dies tun, nehmen sie jede eigene schlechte Stimmungslage in Kauf. Auf deren Vermeidung kommt es ihnen ja auch gar nicht an, es geht ihnen doch um das Wohle dieser Nation. Ein Staatsbürger der Färöer Inseln, der nun wirklich nicht viel mit seiner Nationalmannschaft zu feiern hat, ist daher nicht einfach ein Masochist, auch der hält zu seiner Nation und geht mit ihr durch „dick und dünn“. Die Trauer über ein verlorenes Spiel der Nationalmannschaft (die in ihrer Existenz nicht bestritten werden sollte) ist daher lediglich ein „negativer Beigeschmack“ bei dieser nationalen Veranstaltung, an dem sie grundsätzlich nichts auszusetzen haben.
    Eine Kritik, die den Leuten weis zu machen versucht, dass ihnen die nationale Brille nur Leiden verschaffen zu mag, wird von denen daher noch nicht einmal negiert. Die wollen doch für und mit Deutschland leiden! Und da wird doch tatsächlich deutlich, dass ein Herr K. mit seinem Fußballidealismus, der den Leuten vor Augen führen will, dass es ihnen ohne den nationalen Standpunkt viel besser gehen würde, eine falsche Kritik vorträgt. So eine Kritik kann wirklich nur jemand verfassen, der die Leute als welche betrachtet, die für Deutschland sind, weil sie sich aus diesem Standpunkt heraus etwas für sich erhoffen. So wird völlig vernachlässigt, dass hier für eine Nation die Fahnen geschwankt werden, die Leute sich dessen Wohle zum Anliegen gemacht haben und nicht etwa deren eigenes.
    Frederich Antwald, dein Einstiegsargument solltest du vielleicht etwas ausführen, da es sonst unverstanden bleibt:
    „Ich hab den Eindruck, die Geschichte wird ein wenig zu groß gemacht, um sie dann abzuschießen. Mit Kanonen auf Spatzen quasi.“

  12. Frederich Antwald
    30. Juli 2012, 23:57 | #12

    Was ich mit meinem Einstiegsargument sagen wollte, ist dies: Der Geschichte wird etwas abverlangt, was sie gar nicht leisten kann und leisten will. Denn sowohl von dir wie auch von Heinz Horstinger wird eine Abrechnung der grundsätzlichen Art mit dem Fußballnationalismus gefordert, weil ihr gleichermaßen der Meinung seid, dass der Fußball als Spaß am Spiel gar nicht mehr existiert. Daher haltet ihr die Aufforderung, die nationale Brille beiseite zu legen und das Spiel als Spiel, also nach seinen Regeln zu betrachten, für nichts als einen sportlichen Idealismus ist, der zugleich den Fanatismus des Nationalisten verharmlost. Doch mit dieser Auffassung liegt ihr falsch und verpasst die kleine, aber korrekte Botschaft der Keiner-Geschichte. Denn in dieser erfährt man sowohl etwas über den Fußball wie über den sich darauf richtenden Nationalismus. Denn
    1. kann der noch so fanatische Blick auf die Sache den Fußball als Ballspielart mit seinen eigenen Regeln nicht den nationalen Ansprüchen gemäß machen. Was immer an widerlichem Nationalistischen Drumherum zu registrieren ist – fahnenschwenkende Fans, hymnensingende Spieler, dumm-parteiliche Kommentatoren – alles ist vom Wahn der parteilichen Beeinflussung des Spielgeschehens getragen, doch das Spiel selbst gehorcht ersichtlich nur seinen eigenen Regeln. So bleibt das Foul eines deutschen an einem „Polacken“, der es „den anderen“ zeigen will, ein Foul und wird in der Regel entsprechend geahndet. Anders ist der Sport – gleich, zu welchem Anlass – nicht zu haben; würde der Nationalismus über das Gewinnen entscheiden, wäre der Sport mit der ihm eigenen Rationlität – der Freude am Spiel – kaputt, folglich als dieser nicht mehr zu betreiben. Deshalb ist es
    2. keine Verharmlosung des Nationalismus, wenn in der Keiner-Geschichte gegen den Fußballnationalismus eingewandt wid, sich mit seinem fanatischen Blick auf die Sache in Gegensatz zum Fußball als Sport zu stellen, also gewissermaßen für den Standpunkt der Spielverderberei Partei zu ergereifen. (Zu sehen an dem erwähnten BILD-Zitat: „Beim Fußball hört der Spaß auf!“) Deshalb macht die Keinersche Kritik am Fußball-Nationalismus
    3. auch nicht – wie Du, PM, schreibt – die „Stimmungslage der Leute zum Ausgangspunkt“, um unbelehrbaren Fans unpassende Ratschläge zu geben, sondern weist von ihrer Stoßrichtung her auf den Widerspruch hin, der dem Nationalismus in Bezug auf das Balltreten der Sache nach anhaftet: Die nationale Parteilichkeit richtet sich auf ein Spiel, das gemäß seiner Zwecksetzung diesen Ansprüchen gar nicht entsprechen kann. Das heißt: Der Fan wohnt als Zuschauer einer Veranstaltung bei, die ihre eigenen Regeln hat und auch nur haben kann. Dem den Rat zu geben, das Augenmerk mal wieder auf die betriebene Sache zu lenken und sich um den Fußball als Sport zu kümmern, kann daher so verkehrt nicht sein. Diese Aufforderung kann sich selbstredend nur an diejenigen richten (nicht wenige Linke eingeschlossen), die sich nicht gleich offensiv dazu bekennen, dass ihnen wegen ihres Patriotismus die Sache, um die es geht, völlig gleichgültig ist. Denen kann (möglicherweise) die Keiner-Geschichte über „Fußball und Nationalismus“ zu denken geben.

  13. Horst
    31. Juli 2012, 08:52 | #13

    @FA

    „wird eine Abrechnung der grundsätzlichen Art mit dem Fußballnationalismus gefordert, weil ihr gleichermaßen der Meinung seid, dass der Fußball als Spaß am Spiel gar nicht mehr existiert“

    Nö, weder noch. Der Kritikmangel des Herrn K. liegt in der Vorstellung, die Freude am Fußballspiel würde leiden, wenn Nationalisten den Freizeitspaß missbrauchten. Richtig daran ist nur, dass für Herrn K. und andere Nationalismuskritiker der Genuss beeinträchtigt wird, für Nationalisten wird der gesteigert mit Fahnenschwenken oder Schiedsrichterbeschimpfungen. Und wenn das so ist, dass Nationalisten im Sport ihr Bedürfnis nach Parteilichkeit ausleben, dann ist es blöd denen (auch den linken Fußballfans) vorzuhalten, dass sie den Sinn der Freizeitbeschäftigung verraten würden.
    Man kann ja auf den Widerspruch der nationalen Funktionalisierung eines Sports hinweisen und die parteilichen Heucheleien entlarven, aber das wird sogar verkehrt, wenn man die Kritik am Parteiergreifen unterstellt statt Argumente zu liefern. Dann kommt so eine Geschichte bei heraus, die ausgerechnet Fußballfans daran blamieren möchte, dass sie an vielen Stellen vom Sport abstrahieren. Die haben aber offensichtlich gar nicht den unterstellten Maßstab, Sport müsse seiner selbst wegen betrieben werden!

    „würde der Nationalismus über das Gewinnen entscheiden, wäre der Sport mit der ihm eigenen Rationlität – der Freude am Spiel – kaputt, folglich als dieser nicht mehr zu betreiben“

    Wie soll denn Nationalismus über „das Gewinnen entscheiden“? Das Problem haben nicht einmal die Nationalisten selbst. Der Sport ist nur deren Material – deswegen IST für sie Sieg oder Niederlage auch etwas anderes als bloß das Ergebnis eines sportlichen Kräftemessens. Das kommt schon mit dem Auftrag auf die Welt, als Abrufen-von und Werben-für nationale Parteilichkeit funktionieren zu müssen. Deswegen ist es verfehlt, den Freizeitspaß einzuklagen, der zu kurz komme – genauso wollen die Fans den doch (das sieht man z.B. an den Konjunkturen der Beliebtheit, die ein Sport je nach nationalen Erfolgsaussichten hat).

    „sich mit seinem fanatischen Blick auf die Sache in Gegensatz zum Fußball als Sport zu stellen, also gewissermaßen für den Standpunkt der Spielverderberei Partei zu ergereifen“

    Kann man ja machen, aber wer soll denn dann der Adressat sein? Für die Fans ist es das eben keine Spielverderberei, die halten doch die Regeln nur für ein Mittel ihren virtuellen Sieg zu gewährleisten. Und für Leute, die die Parteilichkeit bereits kritisieren, ist es ein lahmes Geheimnis, dass nach ihrem Geschmack zuviel Nationalismus betrieben wird und darüber der Sport zu kurz kommt.

    „Diese Aufforderung kann sich selbstredend nur an diejenigen richten (nicht wenige Linke eingeschlossen), die sich nicht gleich offensiv dazu bekennen, dass ihnen wegen ihres Patriotismus die Sache, um die es geht, völlig gleichgültig ist“

    Du zitierst Leute, die es nicht gibt: Wenn die Gleichgültigkeit gegenüber dem Sport vom nationalen Anspruch kommt, für z.B. Fußball hergenommen wird, dann mag es daneben noch eine Begeisterung für Bewegungsabläufe oder Spieltaktik geben – aber jemanden, der ein sportinteressierter Nationalismuskritiker ist UND Gefahr liefe, den Sport zu vernachlässigen, gibt es nicht.

    „Denen kann (möglicherweise) die Keiner-Geschichte über „Fußball und Nationalismus“ zu denken geben.“

    Dummerweise etwas Falsches.

  14. Christian Brüning
    2. August 2012, 22:11 | #14

    Die Schwierigkeit der Agitation in Sachen Fußballnationalismus liegt – was die Debatte hier betrifft – meines Erachtens darin, dass Heinz Horstinger vor lauter Ärger über die Auswüchse eines fahnenschwenkenden Nationalismus gar nicht mehr die Realität des (Fußball)spiels sieht, das es zugleich auch noch gibt.
    Er schreibt: „Den Fußball gibt es aber gar nicht!“ und übersieht, dass auch das Fußballspiel im Wettstreit von Nationen ein Spiel bleibt, mit einer Rationalität, die der Sache immanent ist und nicht durch äußere Zwecksetzung – Spielen für die Ehre der Nation – in seinem Charakter als Spiel deformiert werden kann. Nicht, dass sich die nationalistische Überhöhung nicht ständig im Drumherum, mit Nationalhymnen, Fangesängen und dumm-parteilichen Kommentaren bemerkbar machen würde, doch dem Spiel selbst – mit eventuell gelungenen Kombinationen, guten Pässen und erfolgreichem Torschuss – ist der nationalistische Kampfauftrag nicht anzusehen, und wenn, dann wird der Versuch, der eigenen Nation etwa durch ein „grobes Foul“ einen Vorteil zu verschaffen, als Regelwidrigkeit geahndet. Spiel bleibt Spiel, also ist dies bei der Kritik des Fußballnationalismus aufzuzeigen: Dieser richtet sich mit seinen nationalen Ansprüchen an das Spiel gegen dessen immanente Rationalität, er betreibt die Zerstörung des Spielerischen.
    Ob diese Kritik verfängt, ist wie immer eine Frage, doch es bleibt Festzustellen, dass auch der ärgste Parteigänger des Nationalen in der Regel auch ein Freund der Sache namens Fußballspielen ist. Auch wenn er diesen Gegenstand durch seine Haltung zur Sache für gleichgültig behandelt – wie es richtig im Patriotismus-Zitat von Neoprene zu lesen war -, er ist zugleich damit konfrontiert, dass auf dem Rasen nur ein Spiel, nach eigenen, rein sportlichen Regeln gespielt wird.
    Im Übrigen: Wenn man am Denken der Leute nur noch die Seite der Parteilichkeit festhält, streicht man den Widerspruch durch, dass diese ihre Parteilichkeit „Deutschland vor, noch ein Tor“ für sie, als welche die auch materielle Interessen haben, notwendig nicht aufgeht. Wenn man das negiert, dann kommen die Leute auch als Adressaten für eine Kritik nicht mehr in Frage.

  15. irgendwer
    3. August 2012, 07:43 | #15

    Ob diese Kritik verfängt, ist wie immer eine Frage, doch es bleibt Festzustellen, dass auch der ärgste Parteigänger des Nationalen in der Regel auch ein Freund der Sache namens Fußballspielen ist.

    Das ist doch Quatsch. Der normale nationalistische Fußballfan ist kein Freund des Fußballs, sondern Nationalist, der auch auf dem Feld des Fußballs sich als dieser betätigt. Wäre es anders, wäre er auch außerhalb von EM/WM und ähnlichen Veranstaltungen Fußballfan mit all den dazugehörigen Idiotien. Ist er aber nicht.

  16. 3. August 2012, 08:29 | #16

    irgendwer:
    Das ist doch Quatsch: Zumindest in Deutschland ist Fußballspielen wohl der mit Abstand beliebteste Sport. Schon im berühmten Artikel der MG „Größerer Versuch über das Balltreten“ wurde doch zähneknirschend darauf hingewiesen, daß selbst in den eigenen antinationalistischen Reihen der Fußball seine Freunde hat. Selbst heutzutage noch entschuldigen sich z.B. GSP-Referenten, wenn sie einen öffentlichen Termin „gedankenlos“ auf den gleichen Abend legen wie eine Top-Fußball-Übertragung im Fernsehen.

  17. Horst
    3. August 2012, 08:54 | #17

    @CB
    „er ist zugleich damit konfrontiert, dass auf dem Rasen nur ein Spiel, nach eigenen, rein sportlichen Regeln gespielt wird“
    Da suchen sich Fans den Sport zielgerichtet aus für die Demo ihrer Parteilichkeit („Schere, Stein, Papier“ ist offenbar ungeeignet) und dann sollen die sich irren in ihrem Material? So ein Blödsinn. Das Fußballspiel eignet sich nicht nur hervorragend fürs Fandasein, Nationalmannschaften gibt es ausschließlich zur sportlichen Pflege nationaler Ansprüche und die halten sich für ihren Nationalismus ans Regelwerk (von wegen „Widerspruch“!).
    Dass die Abstraktion des nationalen Anspruchs auf Sieg nicht von dieser Welt ist und sich mit der Wirklichkeit beißt, liegt nicht am Fußball oder dessen irdischen Regeln – das Spiel passt sogar sehr gut zu einem nationalen Konkurrenzstandpunkt: wenn man Fußball einmal unter „Recht auf Sieg“ subsumiert hat, sind die Regeln nur eine Variable, die man entweder beim Gegner einklagt oder sie als unfaires Hindernis hinstellt. Die Schiedsrichter- oder Gegnerbeschimpfung ist kein Gegensatz zu nationalen Fußballspielen, sondern deren Bestandteil.
    Das sind also keine „Auswüchse“ oder gar die „Zerstörung des Spielerischen“, vielfach ist Nationalismus der Grund, warum überhaupt Fußball gespielt wird, warum daran Geld verdient werden kann, warum es Stadien gibt usw. usf. Den Fußball vor Nationalismus schützen zu wollen, ist sogar ein Eingeständnis: Da will jemand das Spiel NICHT als das sehen, was es ist, nämlich ein (sehr geeignetes) Material für Nationalmoral.

  18. 3. August 2012, 09:25 | #18

    „Die Freude am Spiel ist das Rationale am Fußball, die Identifikation mit der Nationalmannschaft Konsequenzen des modernen Fußballs, der die bürgerliche Individualität auch dann noch erliegt, wenn sie im Denken über sie schon hinaus ist. Wogegen man sich ständig wehren muß, ist jedoch der ideologische Versuch, ausgerechnet den Fußball zu einer Sache zu überhöhen, die er nicht ist. Dies gilt auch für diverse marxistisch auftretende Versuche, am Fußball eine kapitalistische Qualität zu entdecken, wo immer nur das gemeint ist, was der Kapitalismus aus dem Fußball macht. Letzteres, das Walten der Schuhfabrikanten und der Werbeindustrie um den Fußball herum, affiziert die Freude am Fußball zunächst ebenso wenig, wie dasjenige der pharmazeutischen Industrie beim Geschlechtsverkehr.“

    MSZ 1974

  19. Horst
    3. August 2012, 12:22 | #19

    Welche „kapitalistische Qualität“ soll dem Fußball hier zugesprochen worden sein? Es fehlt jeder Zusammenhang zwischen dem Artikel von ’74 und dem hier diskutierten Fehler, Spielspaß für ein Argument gegen Nationalismus zu halten. Oder wolltest du bloß zum Thema „Fußball“ irgendwas beitragen und die Diskussion durch die Autorität einer wichtigen Zeitschrift ersetzen?
    Die Kritik noch einmal in Kürze: Am Sport gibt es weder etwas Kapitalistisches noch Nationalistisches, das hindert Fans aber offensichtlich nicht daran, Fußball unter nationalen Kriterien zu betrachten. Wenn die von der K-Geschichte angesprochenen Nationalisten schon selbst sagen, dass es ihnen um den Spaß nur bedingt geht, ist es mehr als naiv, eine neue Prioritätenliste zu empfehlen statt die verkehrte Abstraktion Nationalismus selbst zu kritisieren.
    Der Ausgangspunkt ist übrigens ein national(istisch)er Skandal und nicht die Frage, was am Fußball mehr Spaß macht, wenn man das Fahnenschwenken weglässt. Schon die Bemerkung des Moderators „der Bessere möge gewinnen“ mit einem gleichzeitigen nationalen Bekenntnis, zeigt, dass Fußball von Anfang an bloß Material war und das Spiel gerade NICHT als Kombination von Pässen und Torschüssen vorgekommen ist.

  20. Frederich Antwald
    3. August 2012, 15:04 | #20

    Warum eigentlich dauernd die Betonung, dass die Fußballfans Nationalisten sind? Das wird gar nicht abgestritten, sondern ist Ausgangspunkt der Geschichte und Gegenstand der Kritik!
    Ihr bekundet hier die ganze Zeit nur eines: Dass ihr fertig seid mit den Fußballfans. Die sind so! Erinnerungen daran, dass ein Fußballnationalist auch irgendwie noch an der Sache interessiert sein muss, an der er seinen Nationalismus auslebt, schlagt ihr tot mit dem plattesten Empirismus, es sei nicht so (sieht man doch!), der dann insgesamt dafür bürgen soll, dass da ein ganz schlimmer Menschenschlag sein Unwesen treibt:

    Die haben aber offensichtlich gar nicht den unterstellten Maßstab, Sport müsse seiner selbst wegen betrieben werden! (Horst)

    Daran nimmt die Geschichte gerade Anstoß, dass sie, „offensichtlich“, Maßstäbe ans Spiel herantragen, die diesem gar nicht eigen sind.

    Der Sport ist nur deren Material – deswegen IST für sie Sieg oder Niederlage auch etwas anderes als bloß das Ergebnis eines sportlichen Kräftemessens. (Horst)

    Ja, und das verhagelt ihnen den Sportgenuss. Die Geschichte empfiehlt doch gerade, die nationalistische Brille einmal abzusetzen.

    Der normale nationalistische Fußballfan ist kein Freund des Fußballs, sondern Nationalist, der auch auf dem Feld des Fußballs sich als dieser betätigt. (irgendwer)

    Aber dann eben auch auf dem Feld des Fußballs und nicht auf dem Feld der Mikado-Weltmeisterschaft (zum Beispiel). Da kann man doch nicht einfach herauskürzen, woran da nationalistisches Interesse sich auslebt.

    Wenn die von der K-Geschichte angesprochenen Nationalisten schon selbst sagen, dass es ihnen um den Spaß nur bedingt geht, ist es mehr als naiv, eine neue Prioritätenliste zu empfehlen statt die verkehrte Abstraktion Nationalismus selbst zu kritisieren. (Horst)

    Die Abstraktion Nationalismus wurde kritisiert, am Beispiel Fußball eben. Dabei wird vom Fußball als Spiel abgesehen und Partei für die eigene Nation ergriffen – aus keinem anderen Grund, als dass man zufällig aus diesem Land stammt.
    Und so weiter. Ihr sagt die ganze Zeit: weil Fußball Gegenstand des Nationalismus ist, ist es idealistisch, an ihm als Spiel festzuhalten. Die Geschichte sagt: Ohne eine Abstraktion, die einem den Blick aufs Spiel verstellt, kann sie gar nicht Gegenstand von Nationalismus werden. Das wird kritisiert.
    Ich habe gerade nicht den Eindruck, dass die Debatte sonderlich vorankommt. Ihr wiederholt euer Feindbild. Neoprenes Hinweis auf den MSZ-Artikel, der euren Fehler kritisiert, wurde messerscharf als autoritär entlarvt. Die Positionen sind ausformuliert, wenn hier nicht noch was Neues kommt, dreht man sich im Kreis.

  21. 3. August 2012, 15:20 | #21

    Mir geht es nicht um den „Fehler, Spielspaß für ein Argument gegen Nationalismus zu halten“. Erst recht nicht um irgendeinen alten Kram einer (wichtigen?) Zeitung als Sahnehäubchen für die ja immerhin ansatzweise angelaufene Diskussion einzuführen. (Die sich, zwar nicht ganz erstaunlich, weil es hier ja schon um ein zentrales Thema handelt, bisher nur auf die Fußball-Geschichte eingeschossen hat, als wenn man über die anderen Geschichten konkret und überhaupt um den darin konkretisierten Agitationsansatz nicht auch noch was sagen könnte/sollte.)
    Mir geht es immer noch um die Behauptung von Heinz Horstinger:
    „Dem hält nun der Keiner sein Ideal von Fußball entgegen, ist doch nur ein Spiel, nur aus Freude betrieben und der bessere soll gewinnen. Den Fußball gibt es aber gar nicht! So braucht man deshalb einem Fußballfan auch nicht kommen.“
    Ich möchte dagegenhalten, daß der Ausgangspunkt einer Fußballdiskussion immer die triviale Rationalität sein muß, daß genuin (und im übrigen ja überhaupt zumeist beim unprofessionellem Fußball und zum Teil selbst beim Profi-Sport (ja eigentlich ein Widerspruch in sich selbst) es um Freude am Spiel geht.) Ich freue mich immer, wenn ich in unserem nächstgelegenen Erholungspark im Sommer die Hunde beim Dribbeln beobachten kann. die bringen diese ganz eigenständige Freude am Ballspiel für mich immer am besten auf den Punkt. und von denen ist mit Sicherheit keiner ein Nationalist.
    Gilt denn nicht, daß man, wenn nicht einen Widerspruch in der Fan-Haltung ausmachen kann, auch nichts hat, wo man ihn packen kann, denn Agitation der Betroffenen von diesem Scheiß-Laden heißt ja, ich kann ihnen mit guten Argumenten klar machen, dass die von ihnen vertretene Einstellung zu den Verhältnissen – in diesem Fall die Identifizierung mit der nationalen Überhöhung des Fußballsports – für sie nicht gut ist, wie mir ein Genosse kürzlich vorgehalten hat?

  22. lala
    3. August 2012, 16:52 | #22

    Nochmal ganz grundsätzlich: Diese Herr-Keiner-Geschichte macht keine Nationalismuskritik.
    a)
    Der Nationalist sagt: Ich bin für meine Nation. Keiner sagt: Ich bin nicht für (m)eine Nation. Sein ‚Argument‘: Es ist nicht natürlich, für ’seine‘ Nation zu sein.
    Damit stehen erst einmal nur zwei Meinungen nebeneinander. Der eine ist für ’seine‘ Nation, der andere ist nicht dafür. Damit ist 1. weder der Nationalist kritisiert, noch 2. eine Begründung für Nichtparteilichkeit (was auch noch was anderes ist als Gegnerschaft) angeführt.
    Das Pseudoargument „Nicht natürlich“ steht halt nur für ein „man kann’s so sehen, und so“.
    b)
    Als Schaden des Nationalismus wird angeführt, dass das die Spielfreude zerstören würde. Und zwar gegen lauter Leute, deren Freude am Spiel im Sieg der ‚eigenen‘ Manschaft besteht. Denn dafür stehen ja die Körbe voll Briefen an die Bildzeitung, die eben nicht „möge der Bessere gewinnen“ fordern, sondern Sieg für Deutschland.
    Das ist absurd: Wenn einer Fußball schauen möchte und der anderen einen deutschen Sieg haben möchte, dann richten sie die Interessen auf unterschiedliche Sachen. Dem zweiteren ist der schöne Fußball egal, die Torzahl ist relevant. Dem erssteren ist der schöne Fußball wichtig, die Torzahl egal. Dem Nationalisten zu sagen: „Das, was dir unwichtig ist, ist viel schöner, wenn du das nicht beachtest, was dir wichtig ist“, geht damit an dessen Standpunkt vorbei.
    Insofern ist die Geschichte vollkommen ungeeignet, einen Nationalisten zu kritisieren, denn das macht diese Geschichte gar nicht. Und sie ist ungeeignet, einen nationalistischen Fußballschauer zu kritisieren, denn dort wird ein Schaden des Nationalismus benannt, den dieser Mensch gar nicht hat.

  23. Horst
    3. August 2012, 23:10 | #23

    „Daran nimmt die Geschichte gerade Anstoß, dass sie, „offensichtlich“, Maßstäbe ans Spiel herantragen, die diesem gar nicht eigen sind.“
    Dann sind es halt „herangetragene“ Maßstäbe, wogegen soll das sprechen? Ohne den Inhalt anzugreifen, bleibt es nunmal eine Geschmacksfrage, ob man nun den oder den Maßstab für passend hält (vgl. lala).
    „das verhagelt ihnen den Sportgenuss“
    Den Sportgenuss, den DU (und Herr K.) ihnen empfiehlst. DEREN Genuss besteht in etwas anderem! Also: blödes Argument.
    „Dabei wird vom Fußball als Spiel abgesehen und Partei für die eigene Nation ergriffen“
    Und der Skandal am Nationalismus soll sein, dass der Fußball darunter leidet? Nein, der nationalistische Skandal besteht nicht in der Funktionalisierung von unschuldigen Flaggenfarben oder Komponisten, sondern in der Feier von Staatsgewalten. Als wüsste ein Deutschland-Fan nicht, dass sein Schal für den Sommer viel zu warm ist! Oder als müsste man einem Fahnenschwenker andere Farben empfehlen, damit der Spaß beim Schwenken nicht beeinträchtigt wird …
    Das sind absurde Konstruktionen.
    „Ohne eine Abstraktion, die einem den Blick aufs Spiel verstellt, kann sie gar nicht Gegenstand von Nationalismus werden. Das wird kritisiert.“
    Und das ist auch der Fehler: die Abstraktion wird verkehrt kritisiert, indem das nationale Material als etwas viel Besseres angepriesen wird als der Nationalismus – lala hats schon ausgeführt.
    „Ihr wiederholt euer Feindbild.“
    Na klar, Kritik an dir muss mit Feindbildern zusammenhängen. Welches jetzt genau?
    „Neoprenes Hinweis auf den MSZ-Artikel, der euren Fehler kritisiert, wurde messerscharf als autoritär entlarvt.“
    Neo hat offensichtlich weder MSZ von ’74 noch Kritik an der K-Geschichte verstanden. Das kommt davon, wenn man meint, statt eigener Gedanken mit ausgewählten Zitaten punkten zu können. Aber auch noch einmal für dich: Das „Autoritätsargument“ besteht darin, statt eines eigenen Gedankens sich auf Autoritäten zu berufen, von denen man glaubt, sie würden etwas widerlegen.

  24. Christian Brüning
    4. August 2012, 10:11 | #24

    Man kann an dieser Stelle zum wiederholten mal darauf hinweisen, dass der nationalistische Fußballfan in der Regel selbst in seinem Urteil „scheiß Spiel, aber Hauptsache gewonnen“ noch ein Interesse am Fußball als Sport bekundet. Die K.-Geschichte will auf die Abstraktion, die der macht, hinweisen.
    Doch die Klarstellung geht wohl in der Diskussion mit euch ins Leere. Worum gehts euch eigentlich? Soll euer Bemühen wirklich in der matten Auskunft aufgehen: Das taugt nichts!? Da wird gar nicht der Versuch unternommen die Geschichte als gut oder schlecht gemachte Kritik des Nationalismus zu nehmen, die man ergänzen oder verbessern kann. Was soll einer, der die Diskussion verfolgt, eigentlich lernen? Statt dessen haltet ihr einen irgendwie gearteten Anspruch hoch, wie eine korrekte Kritik am Nationalismus zu gehen hätte ohne überhaupt ein Bemühen zu zeigen diese Kritik mal einzulösen. Stattdessen verwendet ihr eure Zeit darauf an der K.-Geschichten zu zeigen, dass sie an eben diesen Anspruch scheitert.

  25. Horst
    4. August 2012, 11:24 | #25

    Klar, so bringt das auch nix, wenn die Kritik am Argument
    „Nationalismus verleidet Sportgenuss“
    immer wieder durch verkehrte Verallgemeinerungen rechtfertigt wird. Die Geschichte ist eben nicht nur ein „Hinweis“ darauf, dass Nationalisten den Sport vergessen, wenn sie Fahnen schwenken, es ist eine falsche Kritik am nationalistischen Moderator und seinen Feinden, weil der Sportspaß als Entgegnung für Fans absurd ist angesichts deren Spaß, auf ihr Land zu schwören.
    Korrekte Nationalismuskritik steht hier auch schon überall, aber wozu der Themenwechsel, wenn ihr nicht einmal die Kritik an einer einfach gestrickten Literatur prüft? Als Angebot eine Kritik am nationalistischen Moderator der Geschichte:
    Der Spruch „Der Bessere möge gewinnen“ soll Sportlichkeit nur vortäuschen (Thema ist auch hier schon das nationale Recht auf Endsieg), denn die Regeln geben den sportlichen Wettstreit bereits vor. Der Moderator vergibt also einen (national gefärbten) Segen zum Spiel, mit dem Sport hat das rein gar nichts zu tun – und das Echo passt dazu: lauter beleidigte Nationalisten, die falsche Parteilichkeit argwöhnen.

  26. PM
    4. August 2012, 15:08 | #26

    Das Urteil des Nationalisten: „scheiß Spiel, aber Hauptsache gewonnen“ verkündet doch eben kein Interesse am Fußball, sondern vielmehr den Anspruch den man für sich und seiner Nation einfordert: „Hauptsache Sieg!“ Sein ihn interessierender Gegenstand ist, wie dein Beispiel gut zeigt, eben nicht mehr der Fußball, sondern das Wohl dieser Nation. Ein Keiner, der auf diese Abstraktion aufmerksam macht, indem er dem Fußballnationalisten zu zeigen vermag wie SEIN Fußball aussieht, trifft den Fußballnationalisten also nicht in seinem falschen Denken, da er an dessen Gegenstand, der ihn interessiert, vorbeiredet. Der Keiner wünscht sich ein Fußball bereinigt vom Nationalismus, der Nationalist, da er Nationalist ist, eben nicht. Kritisiert wird sein falsches Denken also nicht, es wird schlichtweg eine Gegenmeinung aufgebaut, die von dem Argument lebt, dass dessen nationaler Standpunkt im Fußball kein natürlicher ist. Der Nationalist hält aber seine Nation für eine ganz natürliche für die er auch beim Fußball Partei zu ergreifen hat.
    „Soll euer Bemühen wirklich in der matten Auskunft aufgehen: Das taugt nichts!?“
    Über die Geschichte wird hier diskutiert und euch versucht zu zeigen, dass sie den Fußballnationalisten bzw. den ihn interessierenden Gegenstand nicht trifft und kritisiert. Dazu werden euch Argumente geliefert. Der Nachweis einer falschen Kritik geht dann tatsächlich in der Auskunft auf: „Das taugt nichts!“ Worin denn sonst? Dem Vorwurfvortragenden: „Das ist aber eine matte Auskunft“ interessiert also gar nicht mehr der Inhalt dieser Kritik und ob sie richtig oder falsch ist. Der ist schon fertig mit jeder Diskussion und zeigt nur Empörung.
    „Da wird gar nicht der Versuch unternommen die Geschichte als gut oder schlecht gemachte Kritik des Nationalismus zu nehmen,[…].“
    Da widersprichst du dir aber selbst. Eben hast du uns noch unseren Standpunkt: „Die Geschichte taugt nichts“ zum Vorwurf gemacht und nun sagst du uns, wir würden nicht Stellung zu ihr nehmen. Dieses Argument ist wirklich äußerst absurd, dir wurden hier im Laufe der Diskussion eine Fülle an Argumenten vorgetragen, die du alle nicht hörst/ hören willst.
    „Stattdessen haltet ihr einen irgendwie gearteten Anspruch hoch, wie eine korrekte Kritik am Nationalismus zu gehen hätte ohne überhaupt ein Bemühen zu zeigen diese Kritik mal einzulösen.“
    Den Fehler den der Keiner begeht besteht in der erhofften Blamierung der Fußballnationalisten an dessen Fußballideal. Da redet er aber eben nicht darüber, was die Leute beim Fußballgucken interessiert – eben ihre absolute Parteilichkeit zu dieser Nation. Die gilt es doch zu kritisieren.
    Die Leute suchen eine Verbundenheit zu etwas, was sie ständig in Gegensatz zueinander setzt, ihnen tagtäglich Kummer und Sorgen bereitet und Zwänge aufnötigt. Trotz der Feststellung, dass es mal wieder an allem hinten und vorne mangelt, wird die Verbundenheit zu dieser Nation nicht aufgekündigt, da der Grund ihres Elends nie und nimmer in den Zwecken des Staates liegen kann. Der Verlust des Arbeitsplatzes, der notorische Mangel an Geld usw. uf. wird nicht auf die staatlich eingerichtete Ökonomie, sondern höchstens auf ein Vergehen an den staatlich geltenden Maßstäben und Richtlinien zurückgeführt. Diese absolute Parteilichkeit für diese Nation drückt sich eben auch im Fußball aus. Ein Fußballgroßereignis ist für Nationalisten daher keine Werbung für den Fußball, sondern eine für die eigene Nation.
    Eine gescheite Kritik muss die Leute auf diesen Widerspruch hinweisen und zeigen, dass sie für eine Nation sind, die ihnen schädlich aufgestellt ist und in der ihre Bedürfnisse eben nicht der Zweck des staatlichen Handelns sind, sondern dieser fremde Zwecke verfolgt, unter denen sie zu leiden haben – politische und ökonomische Macht eben.
    Wer dies erkannt hat, lässt dann auch die Finger vom Nationalismus beim Fußballgucken!

  27. Christian Brüning
    7. August 2012, 14:42 | #27

    Ihr nehmt den nationalistischen Fußballfan pars pro toto für ‚den Nationalisten‘, den ihr nicht leiden könnt. In eurer Kritik erscheint er als Abziehbild ‚des Nationalismus‘, der die Welt so unbewohnbar macht. Dabei erklärt ihr den Nationalismus eines Fans aber nicht, wenn ihr an ihm festhaltet, dass er nicht tut, was er – auch in seinem Interesse – tun sollte: „die Verbundenheit mit seiner Nation aufkündigen.“ Ihr operiert mit einer blöden Gegenüberstellung: Anstatt den Staat zu kritisieren und die eigenen Schädigungen auf „die staatlich eingerichtete Ökonomie zurückzuführen“, bekundet er lieber seine „absolute Parteilichkeit für diese Nation.“
    Dabei wäre aber gerade zu klären: Was ist der Inhalt des Nationalismus eines Fans? Wovon sieht er ab, wenn er an einem Spiel ‚seiner‛ Mannschaft festhält: „Hauptsache gewonnen!“ Dann weiß man womöglich auch was man einem Fußballfan über seine Form der Freizeitgestaltung zu sagen hat.
    Gut, kommen wir doch zu dem, was die Keiner-Geschichte sich einzulösen gar nicht vornimmt, eine Erklärung der Figur und deren Zustandekommen.
    Zunächst praktiziert dieser den Anspruch, seine Zugehörigkeit zu einem Verein und die bedingungslose Unterstützung einer Mannschaft könne ihn für manches entschädigen, was er sonst als Pflicht und Notwendigkeit abwickelt. Hier endlich käme er zum Zug und wäre er zu Hause, bei seinen Leidensgenossen, die mit Leidenschaft das selbe verfolgen: den Erfolg des Heimat-Clubs herzustellen. Dabei repräsentiert diese Praxis nicht schlicht ein Interesse neben anderen, sondern eine überhöhte Sphäre, die einlösen soll, was er aus seiner Rechtschaffenheit so oder so dauernd verlangt und ihm der kapitalistische und staatlich reglementierte „Alltag“ so selten beschert: sein Recht auf Erfolg, sein Recht darauf, dass es endlich auch mal um ihn, seine Bedürfnisse und Maximen („Gemeinschaftssinn“, „Zusammenhalt“, „stehen, wie eine Wand“ etc.) geht. Er verknüpft sein Fan-Sein gar nicht erst mit einem Zweck, mit dem er selbst – womöglich materiell – zu etwas käme; darum geht es ihm dabei eben auch gar nicht. Ihm geht es ja um die ideelle, „gefühlte“ Entschädigung, um das „positive Erlebnis“ eines Gemeinschaftssinns. Er identifiziert sich mit dem Verein, der seinerseits die Heimat darstellt, die Stätte, in der der Fan eben im wörtlichen Sinne zu Hause ist.
    Diese Idealisierung der Lebenswelt eines Fans schließt einigen mächtigen Blödsinn ein: Wenn erstens alle Leute des Gemeinwesens gleichermaßen Anhänger eben „seines“ Vereins sind, mit dem selben Schal oder Button etc. rumlaufen, mag der Fan daran gar nichts finden: Er sieht einfach davon ab, dass dieselben Leute, mit denen er in den Rängen oder „auf der richtigen Seite“ steht, werktags lauter Gegensätzliches gegen ihn durchsetzen – der Finanzbeamte, der Abteilungsleiter „seiner“ Firma, sein Vermieter, der Geschäftsführer des Supermarkts in seiner Wohngegend. Auch dass seine Kohle dazu dient, einen Fußballverein aufzumöbeln, der allen Kriterien kapitalistischer Erfolgstüchtigkeit Geltung verschafft, ist ihm kein Gedanke wert, da für ihn nur zählt, dass er auf seine Kosten kommt. Im Lichte des Sinns, den er in seiner Zugehörigkeit zum Verein findet, sind eben alle Anhänger gleich. Zweitens verklärt sich der Fan sein „Lebensumfeld“, zu dem der Verein ja unbedingt dazu gehört, zu seiner Heimat: alles, „gute wie schlechte Seiten“ gehören eben dazu – und schließlich „gibt’s ja noch den Verein“, für den man lebt – als könnte eine kickende Mannschaft und deren organisatorischer Überbau dafür sorgen, dass der Mann/ die Frau sich schadlos hält im Verhältnis zu „der ganzen Scheiße, die sonst so passiert“. (Nicht, dass das nicht „ginge“: Der Anspruch wird ja gerade gelebt!) Drittens erfahren die Schädigungen, die ein bürgerliches Individuum so schlucken muss, eine furchtbare Umdeutung: Verliert der Verein, ist das Wochenende hin; alles weitere verliert da schnell an Bedeutung. Eine Sortierung in eingebildete und tatsächliche Beeinträchtigungen, von der Mieterhöhung zur Entlassung und eine Besinnung auf die zwingenden Gründe der eingetretenen Schäden steht da oft schon rein praktisch nicht auf dem Programm, wenn der Verein „den ganzen Mann/ die ganze Frau“ verlangt. Dass so manche durchzechte Nacht nach einer Vereinsniederlage oder auch einem Sieg auf die Physis geht und so manchen Arbeitstag zu einer extra harten Nummer macht, hält der Fan viertens mit seinem Recht auf Kompensation auch für keinen Einwand gegen seine von körperlichen Belastungen und nervlichen Anspannungen bestimmte Lohnarbeit – die auf ein Auskommen, von dem er leben kann, gar nicht berechnet ist –, sondern für ein lässliches Ergebnis (Kopfweh etc.) eines Rechts, das er geltend macht – letztlich gegen sich, so dass er seine Reproduktionsfähigkeit noch zusätzlich zum Scheiß-Lohn und den hohen Kosten, die er tragen muss, selbst gefährdet.

  28. Horst
    7. August 2012, 16:01 | #28

    @CB
    Was ist der Inhalt des Nationalismus eines Fans? Wovon sieht er ab, wenn er an einem Spiel ‚seiner‛ Mannschaft festhält: „Hauptsache gewonnen!“
    Das sind zweierlei Themen. Den Fehler macht auch die K.-Geschichte, das Abstrahieren vom Spiel mit seinen Regeln und Eigenarten für Nationalismuskritik zu halten. Die verkehrten Abstraktionen mögen ein Aufhänger sein, aber ein Schuh wird umgekehrt draus: Die Gemeinsamkeiten, die jemand bei Landsmännern/Vereinskameraden sucht, abstrahieren zwar immer gewaltig von den Leuten, die ein Nationalist nicht einmal kennt und trotzdem zu den Seinen zählt. Das liegt aber nicht an einer fälschlichen Zuordnung von Gebräuchen, Hautfarben oder Vereinsgeschichte, sondern an dessen Interesse, sein Glück in der ihm übergeordneten Nation (als Freizeitvariante im Verein) finden zu wollen – und DESWEGEN zu sortieren!
    „Er sieht einfach davon ab, dass dieselben Leute, mit denen er in den Rängen oder „auf der richtigen Seite“ steht, werktags lauter Gegensätzliches gegen ihn durchsetzen“
    Soll man sich jetzt den Fetisch danach aussuchen, ob der Chef dem gleichen Verein huldigt oder ob Staatsanwälte Mitglied sind? Das ist ein seltsamer Rat, ein Fan geht doch gar nicht hin und sagt: „Oh lauter Gegensätze, da such ich mir mal ne Freizeitbeschäftigung, wo das unter den Tisch fällt“ … Es ist wieder umgekehrt: Weil ein Nationalist an seinem opportunistischen Interesse festhält, dass ihm nur als Berechtigter etwas zusteht, überträgt er seine Erfolgserlebnisse, die im echten Leben ausbleiben, auf dafür bezahlte Sportprofis und feiert so virtuelle Siege, für die er sich auf eigene Kosten belohnen muss (z.B. mit Kopfschmerzen: „War das ein Spiel!“).
    „für ein lässliches Ergebnis (Kopfweh etc.) eines Rechts, das er geltend macht – letztlich gegen sich, so dass er seine Reproduktionsfähigkeit noch zusätzlich zum Scheiß-Lohn und den hohen Kosten, die er tragen muss, selbst gefährdet.“
    Och nööö, die arme Reproduktionsfähigkeit steht auf dem Spiel. Das glaub ich nie und nimmer, dass du das einem Fan erzählst! Als würde jemand sein nächstes Besäufnis lassen, bloß weil Kopfschmerzen drohen! Für einen echten Fan sind das Blessuren, die ihm sein Fandasein bestätigen. Der Fehler eines Nationalisten/Fans besteht eben in nichts Materiellem (s. MSZ-Artikel), sondern in der Einbildung, die eigene Parteilichkeit sei ein Mittel für abstrakten Erfolg. Das geht wiederum darauf zurück, dass in der Wirklichkeit die wenigsten über „Recht auf Erfolg“ entscheiden dürfen – das hast du selbst ausgeführt.

  29. 8. August 2012, 09:36 | #29

    Christian:

    „Ihr nehmt den nationalistischen Fußballfan pars pro toto für ‚den Nationalisten‘, den ihr nicht leiden könnt. „

    Da schreibt jemand einen wohlüberlegten Text, nachdem das hier zumindest viel flapsiger angefangen hatte. Und dann so ein ärgerlicher Start:
    Nein, beim Thema Nationalismus und wie er vernünftigerweise zu kritisieren ist, geht es um einen zentralen Punkt kommunistischer Programmatik und dementsprechend zu machender Agitation und Propaganda. Den paar GSPlern, die sich herabgelasssen haben, hier überhaupt was zu posten, nun zu unterstellen, die hätten was gegen Nationalisten weil sie da ein gewisses diffuses Abneigungsverhältnis hätten, was eigentlich mehr ein Geschmacks- und Bauchgefühl sei als eine begründete und wahrlich nicht individuelle Abneingung, stößt mir schon mal auf. Aber selber natürlich gaaanz ernst genommen werden wollen!
    Ja, zentral geht es um die Frage „Was ist der Inhalt des Nationalismus eines Fans?“ Nur warum dann die gemessen daran doch nachrangige Frage „Wovon sieht er ab, wenn er an einem Spiel ‚seiner‛ Mannschaft festhält: „Hauptsache gewonnen!““
    Und da stimme ich Horst zu, wenn er schreibt:

    „Das sind zweierlei Themen. Den Fehler macht auch die K.-Geschichte, das Abstrahieren vom Spiel mit seinen Regeln und Eigenarten für Nationalismuskritik zu halten. Die verkehrten Abstraktionen mögen ein Aufhänger sein, aber ein Schuh wird umgekehrt draus: Die Gemeinsamkeiten, die jemand bei Landsmännern/Vereinskameraden sucht, abstrahieren zwar immer gewaltig von den Leuten, die ein Nationalist nicht einmal kennt und trotzdem zu den Seinen zählt. Das liegt aber nicht an einer fälschlichen Zuordnung von Gebräuchen, Hautfarben oder Vereinsgeschichte, sondern an dessen Interesse, sein Glück in der ihm übergeordneten Nation (als Freizeitvariante im Verein) finden zu wollen – und DESWEGEN zu sortieren!“

  30. PM
    9. August 2012, 09:28 | #30

    @CB:
    Dein Gegenstandwechsel sagt wohl einiges über den Keiner-Text aus! Jetzt, wo angefangen wird den Nationalismus zu bestimmen und zu kritisieren ist vom Keiner und seiner Geschichte längst nicht mehr die Rede. Da müssen dann schon Argumente her, die in der Geschichte überhaupt nicht zu finden sind. Soviel zur Beschaffenheit dieser Geschichte…
    CB:

    „Dabei wäre aber gerade zu klären: Was ist der Inhalt des Nationalismus eines Fans?“
    „Gut, kommen wir doch zu dem, was die Keiner-Geschichte sich einzulösen gar nicht vornimmt, eine Erklärung der Figur und deren Zustandekommen.“

    In dem ersten Argument weist du darauf hin, was es zu klären gäbe – der Inhalt des Nationalismus eines Fans eben und in dem zweiten, dass sich gerade die Keiner Geschichte dies gar nicht vornimmt. Von dem was es zu klären gäbe leitest du jedoch keine Kritik an der Verfasstheit der Geschichte ab, sondern meinst schlichtweg, dass sie darauf keinen Wert legt. So lässt sich tatsächlich jeder Mangel positiv umschreiben!

  31. Christian Brüning
    9. August 2012, 17:40 | #31

    Mir wird zusehends unklar, was den Diskutanten überhaupt wichtig ist an der Debatte. Viele Einwände sind längst vorher behandelt, opperieren mit Verdächtigungen und falschen Identifizierungen, die meinen Einlassungen einfach nicht zu entnehmen sind. Beispielhaft möchte ich ein paar Überlegungen durchnehmen:
    In keinem Beitrag ist der Inhalt des Nationalismus identifiziert worden mit der Abstraktion vom Fußballspiel; das trifft sogar auf die Keiner-Geschichte selbst zu. Der Nationalismus des Fans ist oben als rüden Versuch gekennzeichnet worden, die Notwendigkeiten des Arbeits- und Erwerbswesens durch eine Freizeitsphäre zu kompensieren, mit der der Fan sich schadlos zu halten sucht. Die Vergeblichkeit dieses Programms und dessen Fehler ist dort festgehalten: Die komplette Freizeitsphäre ist Mittel der Reproduktion (in geldlicher wie physisch-psychischer Hinsicht); darüber setzt sich der Fan hinweg und sucht „ideellen“ Ausgleich, wenn er seinen Anspruch auf „in diesen Verhältnissen beheimatet sein“ praktisch geltend macht. (Die genaueren Ausführungen stehen oben.) Nur so war gemeint, dass es ärgerlich und schädlich ist, seine Reproduktionsnotwendigkeiten zu torpedieren mit einem Glücksideal, wo der Ausgangspunkt gerade der ist, dass dem normalen Menschen seine Reproduktion notwendig immer bestritten ist und wird – und zwar über die Verwertungsinteressen des Kapitals und den staatlichen Zugriff auf seine Existenz. Deswegen verweisen die „Kopfschmerzen“ und der wenige Schlaf am anderen Tag auf die materielle Grundlage der Arbeitssphäre wie deren Verhältnis zur Freizeit; letztere ist ausschließlich zur Bewältigung der Arbeit vorgesehen. Deshalb kann von einem „Rat“ an dem Fan, nicht so viel zu saufen und mit seinen Kumpels zu grölen, überhaupt nicht die Rede sein: Seine eigene Reproduktionsnotwendigkeiten über ein falsches Kompensationsbedürfnis zu torpedieren und praktisch in Frage zu stellen ist hier die eigene Tat des Proleten/ bzw. Fans. Insofern hat seine Dummheit durchaus etwas „Materielles“: Er will einfach nicht einsehen, dass die Welt nicht für seine Rechtschaffenheit eingerichtet ist – indem er sich darüber hinwegsetzt, kommt er nie zu einer Kritik der Härten, sondern mutet sich selbst noch zu, dass er seine Arbeit möglicherweise gar nicht mehr bewältigt kriegt und seine Reproduktionsgrundlage gefährdet. (Damit ist nicht gesagt, er hätte letztere in der eigenen Hand!)
    2.) In den eigenen Ausführungen von Horst kommen Bestimmungen vor, die sich überhaupt nicht von den Überlegungen des Vortextes unterscheiden, auf den er sich bezieht – zumindest ihrem Gehalt nach nicht. Also gibt es meines Erachtens überhaupt keinen Grund, aufeinander einzuhacken. (siehe: wozu die Debatte)
    3.) Dass ich etwas zum Nationalismus des Fans geschrieben habe, begründet sich nicht aus der Einsicht, dass die Keiner-Geschichte nichts taugt. Auch die erklärt den Nationalismus nicht aus der Abstraktion vom Spiel, sondern macht darauf aufmerksam, dass sich die Begeisterung fürs Spiel verliert (die Befassung mit dessen Eigenarten), wenn man ausschließlich darauf scharf ist, dass die „eigene Mannschaft“ gewinnt – diese Borniertheit greift der Keiner auf und kritisiert sie. (alles weitere zum Vorwurf, der „Keiner“ kritisiere den Nationalismus nicht: siehe Debatte) Den Nationalismus des Fans zu erklären hat die Geschichte sich eben gar nicht vorgenommen, das wollte ich mit dem eigenen Beitrag nachtragen.

  32. Horst
    10. August 2012, 12:00 | #32

    „Seine eigene Reproduktionsnotwendigkeiten über ein falsches Kompensationsbedürfnis zu torpedieren und praktisch in Frage zu stellen ist hier die eigene Tat des Proleten/ bzw. Fans“

    Nein, das ist eine Wirkung seines Tuns, die Reproduktionsfähigkeit ist nicht der Inhalt des Fantums – allenfalls eine zu berücksichtigende Größe. Das Fandasein besteht darin, sich zum Anhängsel von Erfolg oder Misserfolg z.B. einer Fußballmannschaft zu machen. Schädliche Wirkungen hat das u.a. auch auf die geistige Verfassung von Fans oder auf ihre Zahlungskraft …

    „Insofern hat seine Dummheit durchaus etwas „Materielles“: Er will einfach nicht einsehen, dass die Welt nicht für seine Rechtschaffenheit eingerichtet ist“

    Nein, seine Dummheit besteht nicht in der Abweichung von deiner Vernunft, sondern im Glauben an seine Parteilichkeit als Zufriedenheitsinstrument. Der hat gar nicht das Problem, etwas nicht „einsehen“ zu wollen, der sucht weder nach Reproduktionshilfen noch nach Kompensationsmitteln. „Kompensation“ meint doch schon die Kritik an dessen Idealisierung der kapitalistischen Welt, ein Fan will nicht erst siegen, wenn ihm sein Lohn gekürzt wird und der weiß auch gar nichts von seiner Lüge, die Welt sei für ihn eingerichtet – dann könnte er sie ja kritisieren!

    „Den Nationalismus des Fans zu erklären hat die Geschichte sich eben gar nicht vorgenommen, das wollte ich mit dem eigenen Beitrag nachtragen.“

    Die K.-Geschichte will Nationalismus blamieren an einem Spiel, was sich durchaus für diese Demonstration von Erfolgsspinnern eignet. Ob sich der Autor Nationalismuskritik vorgenommen hat oder nicht, sein Gegenstand ist das nationalistische Bekenntnis eines Moderators – dem wird (mit der Naivität des Herrn K. als Stilmittel) dummerweise entgegengehalten, dass der Spaß am Fußballspielen unter dem Nationalistenspaß leide. Kritik soll das schon sein – eben eine falsche.

  33. Frederich Antwald
    11. August 2012, 18:02 | #33

    Die K.-Geschichte will Nationalismus blamieren an einem Spiel, was sich durchaus für diese Demonstration von Erfolgsspinnern eignet. (Horst)

    1. Was kann man eigentlich aus Deinen Beiträgen lernen? Der Fußballfan ist Nationalist! Wer hätt’s gedacht… Worin diese Parteilichkeit besteht, ihr ganzer Inhalt, was an ihr verkehrt und schädlich, ist von Dir nicht zu erfahren. Das ist aber auch kein Zufall, da Deine Gedanken dem Gehalt nach nur eine Abgrenzung zu den strammen Nationalisten – diese „Erfolgsspinner“ – darstellen, die noch jeden Scheiß in ihr Erfolgserlebnis verwandeln. Pervers!
    Und diese „Nationalismuskritik“ (die in dem moralischen Vorwurf besteht: die sind parteilich!) meinst Du gegenüber der Geschichte verteidigen zu müssen. Ihre Parteilichkeit für die Nation „als Zufriedenheitsinstrument“ (?) sollte aber nicht der Endpunkt, sondern der Ausgangspunkt einer Erklärung sein. Sonst bleibt man nämlich dabei stehen zu sagen: So sind sie eben.
    2. Dass Du am Ende dieser Diskussion schon wieder dort landest, wo die Geschichte ihren Ausgang nimmt, ist schon recht bemerkenswert. Du schaust Dir nicht den Gehalt der Ausführungen an, sondern suchst Angriffspunkte, wo Du immer mit dem gleichen „Argument“ zuschlägst: Der Nationalist sei an „etwas anderem“ interessiert als am Sportgenuss, am „Endsieg“ eben. Wer überhaupt nur auf die Abstraktion vom Spiel hinweist, hat ein „Fußballideal“ und verfehlt mit seiner immanenten Kritik „den Fan“, weil der ja immer an das Gleiche denkt. Das Nötige dazu wurde gesagt:

    Doch es bleibt festzustellen, dass auch der ärgste Parteigänger des Nationalen in der Regel auch ein Freund der Sache namens Fußballspielen ist. Auch wenn er diesen Gegenstand durch seine Haltung zur Sache für gleichgültig behandelt – wie es richtig im Patriotismus-Zitat von Neoprene zu lesen war –, er ist zugleich damit konfrontiert, dass auf dem Rasen nur ein Spiel nach eigenen, rein sportlichen Regeln gespielt wird.(Christian Brühning)

  34. Horst
    11. August 2012, 22:32 | #34

    „da Deine Gedanken dem Gehalt nach nur eine Abgrenzung zu den strammen Nationalisten – diese „Erfolgsspinner“ – darstellen, die noch jeden Scheiß in ihr Erfolgserlebnis verwandeln. Pervers!“

    Nein, das sind nicht meine Gedanken, das sind deine. Das Bedürfnis eines Fans besteht in der Feier des Erfolgs seiner Mannschaft und wenn es sich nicht gleich um eine Nationalelf handelt, wird der Erfolg in nationalen Ligen ermittelt. Da muss man gar nicht stramme oder weniger stramme Nationalisten sortieren, der abstrakte „Sieg“ (vermittelt durch die Identifikation mit den agierenden Sportprofis), ist der Erfolgsstandpunkt: Dass die Lieblingsmannschaft gewinnt, soll abstrakte Zufriedenheit, nämlich auf dem Gebiet der (nationalen) Ehre herstellen. Die perverse Spinnerei hat also sehr wohl einen Inhalt: Sich abstrakt als Erfolgsmensch feiern – im nationalen Vergleich!
    Und die K.-Geschichte steigt gleich mit der nationalistischen Wahrnehmung ein, um dann damit zu kontern, dass das dem Sport abträglich sei – für den Sport bräuchte es aber nicht einmal einen Moderator, der ein Bekenntnis zum Spiel abgibt und Sportlichkeit vortäuscht …

    „Und diese „Nationalismuskritik“ (die in dem moralischen Vorwurf besteht: die sind parteilich!) meinst Du gegenüber der Geschichte verteidigen zu müssen“

    Sehr witzig, die Geschichte wurde kritisiert und nichts „verteidigt“. Äußer dich halt zu den Fehlern der Geschichte oder lass es, aber aus meinen Argumenten lässt sich nicht herauslesen, Nationalismus sei gleichbedeutend mit „Parteilichkeit“. Du kannst mich falsch wiedergeben oder umdeuten (ist hier üblich), dann diskutierst du aber letztlich mit dir selbst und mit den von dir erdachten Pappkameraden.

    „So sind sie eben.“

    ist dein Gedanke.

    „er ist zugleich damit konfrontiert, dass auf dem Rasen nur ein Spiel nach eigenen, rein sportlichen Regeln gespielt wird“

    Jaja, der Fehler ist auch schon kritisiert worden: Ein Fußballfan sucht sich deswegen den Sport aus, weil dieses Spiel mit seinen Regeln zum Erfolgsgedanken „Hauptsache Sieg“ passt, der wird mit rein gar nichts konfrontiert, wenn plötzlich Abseits gepfiffen wird, der beschimpft den Schiri. Dass „Fußball nur ein Spiel“ sei, kennt der Fan übrigens auch – z.B. als Heuchelei bei Niederlagen. Dem nationalistischen Fan Spielspaß nahezulegen, ist also mehr als naiv, es ist verkehrte Kritik.

  35. PM
    13. August 2012, 09:09 | #35

    Euer Fehler ist folgender: Ihr unterstellt dem Fußballfan ein Interesse am Balltreten und erhofft auf dieser Basis ihn zur Einsicht zu bringen, dass auch in seinem Interesse die nationale Brille beim Fußballgucken abzulegen sei. Diese sei dem Sport doch nur allzu wider, von dem doch auch er etwas hält.
    CB: „Dass ich etwas zum Nationalismus des Fans geschrieben habe, begründet sich nicht aus der Einsicht, dass die Keiner-Geschichte nichts taugt. Auch die erklärt den Nationalismus nicht aus der Abstraktion vom Spiel, sondern macht darauf aufmerksam, dass sich die Begeisterung fürs Spiel verliert (die Befassung mit dessen Eigenarten), wenn man ausschließlich darauf scharf ist, dass die „eigene Mannschaft“ gewinnt – diese Borniertheit greift der Keiner auf und kritisiert sie.“
    Das ist eben eine falsche Kritik!! Ihr vergesst tatsächlich das Verhältnis von Interesse am „Spielspaß“ und „nationalem Wohl“ des Fußballfans, denn auf das „ausschließlich“ in deinem Satz kommt es dem Fußballnationalisten doch gerade an! Die von euch ihm unterstellte Begeisterung für Spiel ist nur eine, die sich unter den nationalen Standpunkt zu subsumieren hat und relativ ist. Begeisterung fürs Spiel muss in der Parole „Deutschland vor noch ein Tor“ oder „Scheiß Spiel, Hauptsache gewonnen“ dann noch nicht einmal vorhanden sein, da das Interesse eben woanders als im Spiel verortet ist – im Wohle der Nation eben! Was den Nationalisten daher interessiert ist seine scheiß Nation. Wo der Fußball da bleibt ist ihm dann doch äußerst egal! Daher ist es wirklich äußerst naiv zu sagen „ihr verliert die Begeisterung fürs Spiel, wenn ihr ausschließlich auf den Sieg eurer eigenen Mannschaft scharf seid!“ Nur nebenbei: etwas was nicht vorhanden ist (Begeisterung) kann auch nicht verloren gehen! Einer der so argumentiert weiß tatsächlich nicht worauf es dem Nationalisten ankommt! Nochmal: Der Sieg der Nation interessiert den Fan! Die Begeisterung die ihr ihm unterstellt ist eine herangetragene bzw. untergeordnete. Durch ein herangetragenes bzw. untergeordnetes Interesse (Begeisterung am Sport) lässt sich daher nicht ein existierendes bzw. übergeordnetes Interesse (Nationalismus) kritisieren!
    Daher ist auch das Vorhaben falsch, den Fußballfan in seinem nationalen Denken an seiner e i g e n t l i c h e n Begeisterung fürs Spiel kritisieren zu wollen! Doch da verfehlt der Keiner wirklich das, worauf es dem Nationalisten ankommt!

  36. 13. August 2012, 09:29 | #36

    PM, euer Fehler ist, daß ihr, denen Fußball zumeist wohl völlig egal ist (obwohl ich doch einige Genossen kenne, die „richtige“ Fans sind), meint, ausgerechnet bei Fußballfans davon völlig absehen zu können. Als wenn dessen Interessen wirklich „woanders als im Spiel verortet ist“, und den deshalb ausschließlich „seine scheiß Nation“ interessiert. Es stimmt doch gar nicht, „Wo der Fußball da bleibt ist ihm dann doch äußerst egal!“ Das gilt für die Werbebudgetmanager der großen Konzerne. Denen ist es in der Tat piepegal, wo sie ihre Spots platzieren, wenn gerade Tennis hohe Einschaltquoten hat, wird eben da geworben, wenn nicht dann nicht. Und da kann dann der nationale Kajak-Verband oder irgendeine andee „Randsportart“ kommen und auf eine ganzen Haufen Medaillen verweisen, wenn dieser Sport nur wenige interessiert, ist der für die Konzerne eben uninteressant und kriegt keinen Euro.
    „Nur nebenbei: etwas was nicht vorhanden ist (Begeisterung) kann auch nicht verloren gehen!“ Auch das trifft nur die Werbemanager und ähnlich Interessierte. Fußball ist nunmal der Sport, der weltweit so mit die meisten Menschen interessiert bis begeistert, sei es aktiv als Mitspieler, sei es passiv als Zuschauer. Ihr tut so, als ob das ausschließlich „herangetragen“ sei, und seid gerade mal bereit dem zuzubilligen, daß es zwar schon vorhanden sein mag, aber eben nur „untergeordnet“.
    Ihr tut also so, als ob man über Fußball (oder über Sportereigneisse überhaupt, nehme ich an) überhaupt kein Wort verlieren müßte, wenn man was zu einer der ja kaum zu übersehenden medialen „Groß“-Ereignisse an Kritik vorbringen will. Das wird wohl schwer (schwer ist es natürlich eh).

  37. PM
    13. August 2012, 11:47 | #37

    Neoprene: Dein Argument „Stimmt ja gar nicht […]“ solltest du belegen. Die Aussage „man sieht doch, dass die begeistert sind“ hilft da auch nicht viel weiter…
    Auch hatte ich nicht behauptet, dass Fußballfans grundsätzlich gar kein Interesse am Sport haben. Die Frage ist doch vielmehr für welchen Zweck sie das Interesse am Fußballschauen bekunden. Einen schönen Pass oder ein gelungenes Dribbling mag auch ein Fußballfan erkennen und würdigen, doch der Satz „Scheiß Spiel, Hauptsache gewonnen“ zeigt doch sehr genau, worauf es ihm beim Fußballgucken dann doch ankommt. Sein Zweck (die nationale Sache) kann also nicht durch die Entgegenhaltung eines vom Nationalimus bereinigten Fußballs angegriffen werden. Da weiß er ja nur zu gut Abstriche zu machen („Scheiß Spiel […]“). Das was für ihn zählt (sein Interesse) muss dann eben doch woanders verortet sein!

  38. 13. August 2012, 12:31 | #38

    PM, muß man das wirklich noch belegen, daß Fußball zumindest in unseren Breiten eine Sportart ist, die sich allergrößter Beliebtheit *als Sport* erfreut? Rennen denn z.B. die Fans wirklich nur zu Spielen, bei denen eine Mannschaft mitspielt, die irgendwie nationalistisch betrachtet, eine von „ihren“ ist? Kennst du denn z.B. überhaupt keine Jungen (kleinere oder größerer), die nicht mit einem Bayern-Trikot rumlaufen, sondern mit Rinaldo oder von anderen internationalen Spitzenspielern?
    Nochmal, das völlige Absehen vom Anlaß der Kritik, hier eben dem blöden Fußball, und die Beschränkung/Fokussierung ausschließlich auf den Nationalismus dieser Sportfans (denn das sind sie in ihrer Mehrzahl wie alle anderen Leute hierzulande, die mit Fußball nichts am Hut haben, auch) hilft euch auch nicht viel weiter.

  39. PM
    13. August 2012, 13:11 | #39

    Wir reden doch hier von Fußballnationalisten und nicht von kleinen Bubbis, die in irgendeinem weddinger Hinterhof kicken, weil sie tatsächllich Spaß am Fußball mit ihren Freunden haben und nichts weiter.
    Hast du nicht all die Fratzen auf der Fanmeile gesehen? Die sind da mit Sicherhiet wegen dem Fußball hingegangen, schon klar…! Die haben doch sich und ihre Nation gefeiert, mittels Fußball und das ist der entscheidene Punkt.
    Die haben doch anderes im Kopf als der kleine Junge im Hinterhof, der Fußball nur deswegen betreibt, weil ihm das Spiel als solches Spaß macht. Den Fußballnationalisten nun zu sagen, ihr vergeht euch an dem Mittel eurer Feier (Fußball) ist doch wirklich bescheuert und längst KEIN EINWAND gegen deren Zweck, da ein nationalisitsch bereinigter Fußball von denen doch gar nicht erwünscht ist. Im Gegenteil!

  40. PM
    13. August 2012, 13:17 | #40

    Zusatz: So steht halt Meinung gegen Meinung, nichts weiter!
    (Irgendjemand hatte an dieser Stelle auch von einer Geschmacksfrage geredet. Genau das ist es und somit alles andere als eine KRITIK am Nationalismus.)

  41. 13. August 2012, 13:26 | #41

    PM, es sind immer wieder die gleichen Gedankensprünge:
    Ja, kleine Jungs, die „tatsächlich Spaß am Fußball mit ihren Freunden haben“, die gibt es. Aber, meinst du das wirklich Ernst, als Erwachsene schlüpft aus dieser hübschen Larve ausschließlich die schreckliche Stechfliege des erwachsenen Nationalisten?
    Ja, die „Fratzen auf der Fanmeile“ habe ich in Film, Funk und Fernsehen auch gesehen (um sowas mach ich immer einen Bogen von mindesten 1,5 km). Und? Diese Fratzen hast du auf jedem beliebigen Rummel doch auch in den Bierhallen rumhängen? (Ich gebe zu, daß ich deshalb auch sicher nicht aufs Oktoberfest gehen würde, oder auch nur auf eine Silvestermeile.) Und auch hier wieder, mit den „Fratzen“ bist du mit allen Menschen, die da aufgetaucht sind, schon fertig, eh du auch nur ein Flugblatt rausgekramt hast?

  42. Horst
    13. August 2012, 14:13 | #42

    Ich zitiere einfach noch einmal den Fehler der Geschichte:

    „Man tut gut daran, ein Spiel wie das Balltreten rein sportlich zu nehmen und die nationale Brille beiseite zu legen. Denn so hat man entschieden mehr vom Spiel, hat nicht nur den engen Blick auf die eigene Mannschaft, sondern kann seine Freude daran haben, dass auch die Spieler anderer Länder gut zu kicken verstehen. Man erspart sich zudem die schlechte Stimmungslage, die einen bedrückt, wenn die eigene Mannschaft ein Spiel verliert und dann womöglich vorzeitig aus einem Turnier ausscheidet.“

    „Man“ solle die „nationalen Brille“ beiseitelegen und sich stimmungsmäßig verbessern durch Vermeidung von Nationalismus. Und warum? Damit „man“ mehr Freude hat. Ein Skeptiker des Nationalismus empfiehlt einem Nationalisten einen Alternativ-Spaß, den der längst unter seinen entscheidenden Maßstab subsumiert hat: der Fußball-Spaß, der von euch die ganze Zeit gegen den nationalen Anspruch gehalten wird, SOLL der nationalen Zufriedenheit dienlich sein. Und weil für das Bekenntnis zur Nation (Thema der K.-Geschichte) der Sport, das Fahnenschwenken oder die Ausländerhetze passende Instrumente sind, rüttelt das Lob der sportlichen Notwendigkeiten leider nicht am nationalistischen Urteilen.
    Der Aufruf ist daher auch sehr durchsichtig, denn am Fußball und seinen Eigenarten liegt es tatsächlich nicht, dass der für nationale Konkurrenz hergenommen wird. Woanders werden Siege und Niederlagen nach Baseball-Regeln ermittelt. Soll man den schwarz-rot-goldenen Fahnenschwenkern wirklich mit der Herr-K.-Naivität raten:
    „Seid doch mal für Finnland, dann könnt ihr viel mehr Spaß mit blau-weißen Flaggen haben!“
    Auf so eine Absurdität kommt man nur, wenn man ausgerechnet Fußball vor seiner nationalen Inszenierung in Schutz nehmen will. Daher an Neo: Dass ein Fußballfan bei der Beurteilung seiner Fahne auch mal an den Stoff oder die Farben denkt (bzw. ausländischen Spitzenfußballern mit „FeindesTrikots“ huldigt), nimmt von der Funktion (Sporterfolg als Pflege nationaler Ehre) gar nichts zurück: Als wenn ein wohlschmeckendes Döner einen Ausländerfeind umstimmen könnte! Täte der auch gut daran, seine türkischen Nachbarn „kulinarisch zu nehmen“? Das nationalistische Feindbild wird übersetzt in eine geschmacksmäßige Verirrung, um die zu blamieren – verkehrte Kritik eben.

  43. irgendwer
    17. August 2012, 14:07 | #43

    Ich möchte noch mal kurz auf dieses Interview in der taz hinweisen: http://www.taz.de/!94700/ .

  44. Horst
    17. August 2012, 15:22 | #44

    „Gefühle von Zusammenhalt und Zugehörigkeit, die sie offenbar im Alltag vermissen.“ (taz)

    sind als Erklärung für nationale Parteilichkeit auch verkehrt, weil das Nationalistische am „Zusammenhalt“ als selbstverständlich unterstellt wird: Es ist nicht irgendeine abstrakte „Zugehörigkeit“, die die Fans genauso gut in Kirchen oder Kegelvereinen ausleben könnten. Der Fußballpatriotismus ist Ausdruck eins JA zum Vaterland. So gibt es „Zusammenhalt und Zugehörigkeit“ dann auch: als Feier nationaler Loyalität – und damit man dem Fan ansieht, für wen der ein lebendiges Anhängsel sein will, trägt der Schals im Sommer!
    Ansonsten enthält das Interview viele richtige Beobachtungen, wie z.B. die Erklärung für die Ausnahmen im nationalistischen Nützlichkeitsgedanken:

    „Nationalspieler mit Migrationshintergrund wurden deshalb akzeptiert, weil sie das Image Deutschlands als weltoffenes Land verbreiten, um die „schlechte Vergangenheit des Landes“ aufzubessern und weil „sie uns weiterbringen“.“ (taz)

    „Kognitive Dissonanz“ (taz) ist noch eine lustige Konstruktion: der Grund für die eindeutige Geschlechtsspezifik im Fußball soll sein, dass die gesellschaftliche Verknüpfung Männer-Fußball immer schon gegeben habe und daher Frauenfußball unter einer Art Gewöhnungseffekt leide. Die Geschlechtersortierung im Sport wird wieder als selbstverständlich vorausgesetzt, um dann zu rätseln, warum die Sortierung so sit, wie sie ist.

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