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Demokratische Massaker

13. Juli 2012

Es gab im letzten Jahrhundert einige Massaker in demokratischen Staaten. In Deutschland bekannt der Berliner Blutmai 1929. In Frankreich ist das größte Blutbad am 17.10.1961 von Papon in Paris befehligt worden, vielleicht 200 algerische Einwanderer fanden den Tod, Tausende wurden verletzt. Der „Bloody Sunday“ 1972 in Derry hat es bis in die Popmusik geschafft. Das Massaker in Wien vor 85 Jahren hat solche Prominenz nicht geschafft. In der „jungen Welt vom 13.07.2012 erschien ein ausführlicher Gedenkartikel dazu.
http://www.jungewelt.de/2012/07-13/017.php

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  1. Nestor
    13. Juli 2012, 11:55 | #1
  2. 13. Juli 2012, 15:23 | #2

    Danke für den Hinweis.

  3. Mattis
    14. Juli 2012, 16:19 | #4

    Auf dem o.a. Link wird Wilhelm Reich zitiert:

    Genauso blind hatte ich, auf Befehl, ohne Denken, geschossen. ‚Knechte der Bourgeoisie‘? Bezahlte Henker? Falsch! Nur Maschinen!
    Einige dieser Maschinenmenschen hatten noch genügend Leben in sich, um sich zu schämen. Sie sahen weg oder schossen in die Luft. Lebendiges Leben schießt nicht blind, ohne zu wissen, wohin und weshalb. Dieses Schießen hatte zur Voraussetzung, daß das Leben in den Schießenden erstorben war. Daran ändert nichts, daß sich die Maschinen spontan bewegten. Die Bewegung war maschinell. Gäbe es diese Maschinen nicht, dann gäbe es keine Kriege.

    Also keine Knechte? Nicht bezahlt?
    Um einer Gewaltmaschinerie zu Diensten zu sein, muss der Polizist/Soldat in der Tat zu einer Art Maschine mutieren, zu einer ganz und gar un-persönlich agierenden Instanz. Zu dieser Mutation wird er genötigt. Aber von wem – von außerirdischen Maschinenwesen? Oder infiziert durch eine Art Maschinen-Virus?
    Vielleicht hätte Wilhelm Reich den Titel seines eigenen Buches ernster nehmen sollen. Immerhin lautet das Buch, aus dem zitiert wurde, bezeichnenderweise: „Menschen im Staat“.

  4. 14. Juli 2012, 17:49 | #5

    Ich glaube, Mattis, daß du das verbitterte Zitat von Reich überinterpretierst. Natürlich wußte der auch, daß das ganz normale sozialdemokratische Polizisten aus zumeist proletarischem Milieu waren. Aber er regte sich eben fürchterlich darüber auf, wie sehr diese Killer-Bullen den Alltagsspruch „Dienst ist Dienst“ ernst genommen haben und ihre soziologischen Klassenbrüder (und auch einige Schwestern) ohne groß mit der Wimper zu zucken, abgeknallt haben wie die Hasen, weil das eben der Tagesbefehl der demokratisch gewählten Regierung „ihres“ Staates gewesen war. Solche „Maschinenwesen“ haben wenige Jahre später bekanntlich noch ganz andere Massaker angerichtet und sich dabei zumeist auch keinen Kopp gemacht. Sehr ernüchternd liest sich dazu „Ganz normale Männer: Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen“ von Christopher Browning
    https://www.amazon.de/Ganz-normale-M%C3%A4nner-Reserve-Polizeibataillon-Endl%C3%B6sung/dp/3499608006
    wo das an normalen Hamburger Polizisten aus der Arbeiterklasse abgehandelt wird, die in Polen zu einer Mordmaschine zusammengeschweißt wurden.
    Ein weiterer grausiger Fall von „Maschinenwesen“ aus dieser Zeit sind die Besatzungen der beiden Bomber, die jeweils mit einer Atombombe ganze Städte ausradiert haben.
    Leider läßt sich diese Reihe zudem beliebig bis in die Gegenwart verlängern.

  5. 14. Juli 2012, 22:22 | #6

    Richtig, Neoprene: verbittert. (Und wer will es ihm verübeln?)

  6. Mattis
    14. Juli 2012, 23:41 | #7

    Das stimmt schon. Ich habe Wilhelm Reichs Schicksal ein wenig verfolgt, habe von daher großen Respekt vor ihm. Vor allem war er ein starker, unabhängiger Denker. Ich habe mich grad selbst daran erinnert, was er über die „Charakterpanzerung“ und solche Sachen niedergeschrieben hat, und da hat er die psychologische Seite von Unterwerfung ziemlich gut erfasst. Und ich verstehe auch seine Verbitterung.
    Es ging mir eigentlich weniger um Reich als um die Selbsterinnerung, dass man sich mit den Mechanismen der menschlichen Psyche durchaus befassen muss. Die Menschen sind ja auch ohne direkte Bedrohung unterwürfig ohne Ende.
    Ist das wirklich nur die bürgerliche Gesellschaft, die solche Psychologie hervorbringt? Ich glaube es nicht. Es war ja davor kein Deut besser, und ich denke jetzt manchmal, wenn die menschliche Psyche anders ticken würde, hätte es diese Ausbeutersysteme erst gar nicht gegeben. Man wird also auch in einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft äußerst wachsam sein müssen, und man muss sich überlegen, welche Vorkehrungen und „Frühwarnsysteme“ möglich sind, neue Formen von Herrschaft zu verhindern.
    Ich werde auch Renate Dillmanns China-Buch demnächst mal studieren, denn diese ganze chinesische Entwicklung liegt mir in dem eben genannten Zusammenhang echt schwer im Magen.

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