Der Kapitalismus ist scheiße, aber alternativlos

3. Juli 2009 Kommentare ausgeschaltet

Ich war etwas verwundert, daß der Spiegel-Leitartikel „Das Prinzip Gier“ vom 11.05.2009, den ich hier selber kommentiert hatte, so gar kein Echo hervorgerufen hat. Dem hat sich nun der GegenStandpunkt erbarmt und im Heft 2-09 folgenden Kommentar veröffentlicht:

Der Kapitalismus ist scheiße, aber alternativlos
„Die Krise“ – zum neuen Sprachdenkmal gewordene Bezeichnung dafür, dass diverse Profitansprüche momentan nicht aufgehen – frisst sich inzwischen ein gutes halbes Jahr durch alle Abteilungen unserer Wirtschaft. Jedem ist bekannt, dass noch eine ganze Reihe mehr oder weniger spektakulärer Einbrüche in der so genannten Realwirtschaft bevorstehen und mit noch mehr Arbeitslosen zu rechnen ist. Das abhängig beschäftigte Volk hält still – durchaus zur Verwunderung der politischen Klasse, die es verwaltet. Die weiß offenbar sehr gut, mit welchen Zumutungen sie ihre Massen momentan konfrontiert, und erlaubt sich den Spaß, über die Möglichkeit von „sozialen Unruhen“ zu räsonieren, die keiner wollen kann, das Volk, das sie allenfalls anzetteln könnte, zuallerletzt.
Die Krise „herrscht“ also auf unabsehbare Zeit und ihre Wirkungen entfalten sich in schöner Negativität in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft – ein beredtes Zeugnis dafür, dass und wie hierzulande alles davon abhängt, dass die Geldrechnungen der Finanz- und sonstigen Kapitalistenklasse aufgehen. Angesichts dessen stellen die öffentlichen Vordenker der Nation anscheinend eine gewisse Verlegenheit fest: Ihre Textbausteine von gestern, die die kapitalistische Marktwirtschaft als „effizientestes“, „innovativstes“ „produktivstes“ und überhaupt einfach bestes System lobpreisen, lassen sich nicht mehr wie gewohnt einfach ausschneiden und einfügen. Natürlich kann man auch stur bleiben: „Sie können sicher sein: Der moderne Kapitalismus ist garantiert auch in seiner größten Krise dem Sozialismus überlegen. Turmhoch.“ (BILD, 20.5.09) Dem gehobenen Journalismus ist diese Tour einfach zu durchsichtig. Klar – das Ergebnis soll schon so rauskommen, aber irgendwie doch ein wenig reflektierter, begründeter, nicht so plump apologetisch. Also führt man in einigen deutschen Schreibstuben eine herrliche Debatte auf hohem Niveau. In der geht es um nicht weniger als „die Systemfrage“, die sich jetzt angeblich allen stellt. Mit Verve tut man selbst in ,Zeit‘ und FAZ so, als befinde man sich gerade in einem Werbespot der „Gesellschafter“. Künstlich naiv, so als gäbe es keine durch staatliche Gewalt gültig gemachten Interessen, denken Mitglieder und Eliten dieser kapitalistischen Gesellschaft allen Ernstes darüber nach: „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“
Insbesondere legt sich der SPIEGEL kritisch ins Zeug. „Warum der Kapitalismus nicht aus seinen Fehlern lernen kann“ (SPIEGEL, 11.5.), titelt das Blatt und überrascht seine Leser zunächst einmal damit, alle möglichen Erklärungen, die seine Redakteure selbst ein ums andere Mal aufgetischt haben, in einem großen Rundumschlag zu widerlegen. Gier lässt sich demnach gar nicht von Profit trennen – nachdem man genau das in den letzten Monaten erbittert durchkonjugiert hat! Die Real- gegen die Finanzwirtschaft auszuspielen, ein Standardgedanke des bisherigen Krisenjournalismus – grober Unsinn, überall dasselbe Prinzip am Werk, das in die Krise führt! Den Grund für die Krise den Amis zuschustern, auch da war der SPIEGEL ganz vorne dabei – absolut ignorant gegenüber den allgemeinen Gesetzen der Marktwirtschaft! Also nicht Einzelphänomene, sondern, man denke nur, „System“, und was für eines: „Wer im Kapitalismus ein System sieht, das eine schöne Idee ist, die von Gierigen leider missbraucht wird, der ist ungefähr so weltfremd wie ein Marxist, der glaubt, Sozialismus sei eine gute Idee, die leider von Lenin, Stalin und Fidel Castro missbraucht worden sei.“ Selbst „die Kapitalisten wundern sich am lautesten über ihren Kapitalismus“, und eigentlich sei schon jetzt allen klar, dass der Versuch des Staates, die Krise zu bekämpfen, höchstens „ein Problem löse, indem er zwei neue produziere, mehr Staatsverschuldung und drohende Inflation“.
Mit einer in diesem Stil seitenlang aufgeblasenen Tirade , die völlig abgeklärt mit allem abrechnet, was man bis gestern behauptet hat und demnächst sicher auch wieder steif und fest behaupten wird, steuert der Artikel zielstrebig darauf hin, dass sich der Kapitalismus diesmal nicht in einer seiner üblichen Verwertungskrisen befindet, die dann die Restwelt auszubaden hat. Es ist viel schlimmer: „Die systemische Erkenntnis dieser Krise ist nicht, das der Markt systemisch zu Krisen führt, das wusste man vorher; die Erkenntnis ist, dass die ideologische Hülle der Marktwirtschaft zerstört ist, wohl für immer.“ Mein Gott! Keine Ideologien mehr zur Marktwirtschaft – das ist natürlich wirklich grässlich, nicht auszudenken und schon gar nicht auszuhalten. Wie soll es da weitergehen? „Nackt steht die Marktwirtschaft da, ein kaltes Gerüst, dem Gespött ausgeliefert.“ Schon entdeckt der SPIEGEL fürchterliche Tendenzen: „SAP-Gründer Hasso Plattner hat bemerkt, dass es so eine Stimmung im Land gibt, dass wir Kapitalismus eigentlich gar nicht mehr wollen, sondern was anderes, Netteres“. Bei der bisher „anachronistisch“ in der Ecke stehenden Sarah Wagenknecht ist ein Lächeln der „Genugtuung“ zu sehen angesichts der „antikapitalistischen Schlagzeilen der vergangenen Wochen“, und das Ami-Magazin „Newsweek“ behauptet „We are all socialists now“. Die Lage ist also wirklich ernst.
Aber dann doch: Entwarnung!, der Artikel biegt auf die Zielgerade ein. „Ein schlüssiges Gegenkonzept zum Kapitalismus gibt es nicht“ – das sagt ausgerechnet seine Gegnerin Wagenknecht, und die muss es ja wissen. Sonst nimmt ein Spiegel-Redakteur den „Spinnern von links“ ihre Einsichten und Kritiken zwar nicht ab, aber in diesem Fall? Eine Kommunistin als Kronzeugin dafür, dass es zum Kapitalismus keine Alternative gibt – bingo! Das ist es doch, wonach man in der Krise verzweifelt gesucht hat: Legitimation ohne den Umweg über eine momentan unglaubwürdige Schönfärberei! Der Kapitalismus steht mit seiner Krise vielleicht „nackt“ da, muss aber einfach sein – ohne aufwendige Begründung, ohne großartige Versprechen, ohne lateinische Adjektive. Das System ist große Scheiße, mangels Alternative aber unumgänglich und notwendig – wenn das mal nicht ein geradliniger Schluss ist und eine Werbung für den Laden, die überzeugender nicht ausfallen kann.

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Gerechtigkeit für Kautsky (und Bernstein)! Ein Fundstück und seine heutige Editionsgeschichte

2. Juli 2009 11 Kommentare

Ein neuer Blogger namens „Ofenschlot„, der auf seinem Blog leider keine Kommentare zuläßt, scheint ein klassischer Bücherwurm zu sein, heutzutage muß man sowas wohl Webcrawler nennen. Jedenfalls hat er zwei interessante Fundstücke ausgegraben, die ich hier auch noch mal reintun will, damit man das doch kommentieren kann, wenn man denn will:

Peter Hacks und die MG: »Um die Wirklichkeit zu begreifen, sind sie manchmal zu klug.« (MPunkt hat das schon vorher gefunden und mit dem klassischen Zitat bedacht)

Peter Hacks, erster, aber nicht letzter Vertreter der Sozialistischen Klassik, schreibt einen Brief an seinen Schriftstellerkollegen Dieter Noll. Es ist der 14.11. 1990, Hacks setzt sich jetzt also auch mit Noll, der ihm zu DDR-Zeiten kaum das Wasser zu reichen vermochte, nun aber, nach der Schreckenswende, sich in den Augen Hacksens als standhafter Kommunist erwiesen hat, auseinander. Man sucht nach Orientierung. Noll hat aus diesem Grund offensichtlich eine Ausgabe des Organs der Marxistischen Gruppe: MSZ – Marxistische Streit- und Zeitschrift, gelesen und das Exemplar an Hacks weitergereicht. Hacks leist nach und bringt so einiges auf den Punkt. Kurios ist das Dokument allemal. Es ist die einzige ernstzunehmende MG-Rezeption aus der Sicht des Marxismus-Leninismus (vergesst den sozialdemokratistischen DKP-Quatsch à la Bernd Gäblers »Das Prinzip Ohnmacht. Eine Streitschrift zur Politik der MG«, Dortmund 1983).

Lieber Herr Noll, MSZ hat zu meiner Bildung beigetragen, ich danke für die freundliche Übersendung. Die Hauptaussage zu dem Blättchen, da sind wir einig, lautet: die Kritik und die Analysen sind fast immer richtig, vielleicht immer. Und der Fleiß, der da aufgewandt ist, ist enorm.
Die Sprache – und es liest sich, als ob ein einziges Riesenhirn oder ein Zentralkomputer (ZK) alle Artikel verfaßt habe – ist ein terroristisches Hegelianisch; in ihrer »wissenschaftlichen« Abstraktheit übersieht sie, flüssig wie sie sonst ist, manchmal das Konkrete an der Wahrheit. Zum Beispiel die PDS widerlegt unser ZK sehr gründlich und sehr überflüssiger Weise dem Begriff nach, statt daß er sie der politischen Funktion nach widerlegte.
Dahinter steckt ein zweifellos weltfernes Sozialismus-Ideal, (wobei gelobt sein muß, daß ZK den bisherigen Sozialismus immerhin als ein funktionierendes System begreift und daß er vor der Machtfrage keine Angst hat). Ich sage weder, ZK sei trotzkistisch, noch, er sei arbeiterdemokratisch. Ich sage nur, um die Wirklichkeit zu begreifen, ist er manchmal zu klug.
Ich habe, lieber Noll, äußerstes Lob und keinen Einwand gegen die MSZ, finde sie aber schwer zu lesen. Die Golf-Analyse ist, ohne Einschränkung gesprochen, brillant.
(…)

Nachtrag 1: Der Brief findet sich in der wundervollen Schatzkiste: Peter Hacks, »Verehrter Kollege. Briefe an Schriftsteller, Ausgewählt, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Rainer Kirsch. Berlin 2006: Eulenspiegel Verlag«.

Nachtrag 2: Hacks an Noll, nochmals zur MG. Der Brief datiert vom 2.12.1990:
Dank für den Herrn Held, den man nun anfängt kennen zu lernen. Der Mensch ist revolutionärer als Marx und Lenin, das ist vielleicht bissel sehr revolutionär. Gegen den Kapitalism ist er zu brauchen, für den Sozialismus gar nicht.

Nachtrag 3 + 4: Auf der Gegenstandpunkt-Verlagsseite (www.gegenstandpunkt.de) findet sich ein MSZ-Archiv. Die PDS-Abrechnung findet sich gebündelt als »Kritik der Linie der PDS« und ist hier zu finden: www.dearchiv.de

Nachtrag 5: www.peter-hacks.de

Gerechtigkeit für Kautsky (und Bernstein)! Ein Fundstück und seine heutige Editionsgeschichte

I Das Fundstück

»Mit einem Antrag (Frankfurt an der Oder) glauben wir, eine Ausnahme machen zu müssen, weil er in verschiedener Form von verschiedenen Orten gestellt worden ist: der Antrag auf staatliche Unterstützung der Arbeitslosen oder: staatliche Sicherung der Arbeiter gegen Arbeitslosigkeit (…) Aus Hamburg kommt der Antrag, allen Erwerbslosen aus Staatsmitteln ausreichendes, den heutigen Kulturverhältnissen entsprechenden Unterhalt zu gewähren (…) Arbeitslosigkeit heißt nicht, dass der Arbeiter überhaupt keine Beschäftigung findet, auch unter den schlechtesten Bedingungen und von der gröbsten Art – sondern dass er keine Arbeit findet, zu der er sich eignet und ihm ein entsprechendes Einkommen garantiert.
In der Sache stehen wir vor der Frage: „Wer ist arbeitslos?“ Wer bestimmt, ob wirkliche Erwerbslosigkeit vorliegt? Es kann doch nicht Aufgabe der Sozialdemokratie sein, das Simulantentum systematisch zu fördern und die Großziehung des Lumpenproletariats auf Kosten des arbeitenden Teils der Bevölkerung zu verlangen! … heißt nicht nur jeden, der nicht Arbeit finden kann, sondern auch jeden, der nicht Arbeit finden will – und deren züchtet die Gesellschaft nur zu viele – auf den Staatstrog anweisen.
Arbeitslosigkeit, in die jeder Arbeiter zeitweilig verfällt – in den meisten Fällen mit großen Entbehrungen verknüpft – die beständige Gefahr steht als ein drohendes Gespenst hinter dem Rücken des Proletariats … die stets geschwungene Peitsche, die ihn zur Arbeit treibt – zugleich der Sporn, der ihn antreibt, für die Beseitigung einer Herrschaftsordnung zu wirken, in der er nur ein Sklave ist – sie ist der Aufhetzer, der den Proletarier zum geborenen Revolutionär macht. Wenn der heutige Staat diesem Unterhalt gewähren würde, würde das zur Folge haben eine vollständige Erschlaffung der Arbeiterbewegung – die Arbeiterklasse würde aufhören eine revolutionäre Klasse zu sein.
Den Arbeiter auf Staatsalmosen zu verweisen – Konsequenz wäre Staatssozialismus.«
[Friedrich Engels, zur Diskussion um das Erfurter Programm der SPD 1890, erstmals wiedergegeben in »Die Neue Zeit«, 9. Jahrgang 1890/91, Nr. 42, S. 49-52.]

II Seine Geschichte

Dieses Friedrich Engels zugeschriebene Zitat hat Frank Böckelmann im aktuellen Vorwort zur Neuausgabe seines Werks »Über Marx und Adorno. Schwierigkeiten der spätmarxistischen Theorie« (Ca Ira Verlag, Freiburg 1998, S.13 — »In den Diskussion über den Entwurf eines neuen Parteiprogramms im Jahre 1890 meldete sich auch Friedrich Engels zu Wort und nahm Stellung zu Anträgen bestimmter Ortsvereine.«) ausgegraben.
Der alte Engels klingt hier unerhört, aufregend – radikaler Anti-Etatismus!
Aber was tischt uns da Böckelmann eigentlich genau auf? Ist das wirklich ein authentischer Text vom Alten?
Fakt ist: In den MEW findet sich dieser Text nicht.
Er müsste sich in Band 22 finden, siehe www.mlwerke.de, dort befindet er sich aber nicht, stattdessen ein anderer Text »Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs«, geschrieben zwischen dem 18. und 29. Juni 1891 und zwar für Karl Kautsky. Kautsky veröffentlicht diese Kritik in: »Die Neue Zeit: Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie.«, 20. Jg, 1901/02, 1. Bd.(1902), H.1, S. 5-13
In diesem Text findet sich die oben genannte Passage nicht.
Nun ist bekannt, dass in den MEW Marx- und Engels-Texte fehlen, nicht nur, weil sie zum Zeitpunkt der Herausgabe noch unentdeckt waren, sondern weil sie der Partei (SED-KPdSU) nicht genehm waren. Das betrifft vor allem Russland-kritische Texte von Marx (»Die Geschichte der Geheimdiplomatie des 18. Jahrhunderts«). Unwahrscheinlich, dass die Editoren ausgerechnet an der Sozi-Kritik des alten Engels herum geschnibbelt haben, dann hätten sie erst recht Marxens Randglossen zensieren müssen (»Kritik des Gothaer Programms«, 1875, MEW 19).
Und was sagt die MEGA? (Noch) Nichts. Der Band 31 (2.Abteilung), »Friedrich Engels: Werke, Artikel, Entwürfe Oktober 1886 bis Februar 1891«, enthält keine Erfurter Kritik. Der letzte Band (32) ist noch ediert.
Halten wir uns an Böckelmann! Er gibt ja eine Quelle an (s.o.). Sogar noch eine zweite: Der Text von Engels sei nachgedruckt in »Sozialistische Hefte«, München 1948, S. 45ff.
Wie der Zufall so will, hält die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung diesen Text als Online-Edition zugänglich: http://library.fes.de/prodok/fa00-03482.pdf
Und tatsächlich, der Text beginnt auf Seite 45 unter dem Titel, »Friedrich Engels, Der Entwurf des neuen Parteiprogramms«. Das Zitat Böckelmanns findet sich übrigens erst auf S. 84, und es zeigt sich, dass Böckelmann es ordentlich gekürzt hat, sodass erst durch die Kürzung der harte, anti-etatistische Sound entstanden ist. Der letzte Satz – »Den Arbeiter auf Staatsalmosen zu verweisen – Konsequenz wäre
Staatssozialismus.« – lautet vollständig:
»Daß der Staat und die Gemeinden solcher Arbeitslosigkeit, wie überhaupt der Not gegenüber MEHR tun können und daher auch sollen, als sie heute tun, das ist unbestritten, und daß die verabfolgte Unterstützung keine Beeinträchtigung der politischen Rechte der Unterstützten zur Folge haben soll, das sind Forderungen, denen auch wir uns gerne anschließen; aber generell und schlechtweg den Arbeiter auf STAATSALMOSEN verweisen, statt ihm zu zeigen, daß ›ausreichender, den heutigen Kulturverhältnissen entsprechender Unterhalt‹ vom heutigen Staat nun und immer gewährt werden kann, das halten wir für absolut verfehlt. Die Konsequenz dieses Vorschlags wäre der STAATSSOZIALISMUS, und man braucht wirklich kein Anarchist zu sein, um die ewigen Anweisungen auf den Staates des Guten zuviel zu finden.« (Hervorhebungen im Original)
Klingt doch schon ein bisschen anders, nicht wahr?
Auf S. 96 des Sozialistischen Heftes finden sich die Quellenangaben, dort ist ausgewiesen, dass »Der Entwurf des neuen Parteiprogramms« eben dort ursprünglich erschienen ist, wo ihn auch Böckelmann platziert.
Kürzen wir es ab: Böckelmann lag das »Sozialistische Heft«vor, aber nicht »Die Neue Zeit«. Er hat abgeschrieben, ohne zu überprüfen.
Die wunderbare Bibliothek der Friedrich Ebert Stiftung! Sie bereitet zurzeit eine komplette Online-Edition der Neuen Zeit vor, ein Teil der Hefte ist bereits Online, alle Jahrgänge bis zur Jahrhundertwende. Also auch der Jahrgang 1890/91.
http://library.fes.de/nz/index.html
Man kann ja mal suchen… Von einem explizit von Friedrich Engels unterschriebenen Aufsatz »Der Entwurf des neuen Parteiprogramms« keine Spur. Allerdings findet man diesen Aufsatz, er hat vier Teile, alle nicht namentlich gekennzeichnet, sie finden sich in den Heften 49, 50, 51 und 52 des zweiten Bandes der Jahrgangsausgabe 1890/91 (Böckelmann verwechselt die Hefte mit den Seiten). Die »Staatsalmosen«-Passage findet sich im vierten Teil, Heft 52, S. 825
Aber wer ist der Autor?
Kautsky listet in seiner Selbstdarstellung »Das Werden eines Marxisten« (1924, http://www.marxistsfr.org/deutsch/archiv/kautsky/1924/xx/werden.htm)
Seine für die »Neue Zeit« geschriebenen Aufsätze – darunter auch »Der Entwurf des neuen Parteiprogramms«! Aber nur die ersten drei Teile. Den vierten Teil nicht. Stammt also der vierte Teil doch von Engels? Eine kurze Literaturrecherche ergibt: In der Regel ist die Rede davon, dass Kautsky damals eine vierteilige Artikelserie veröffentlicht habe. Bisweilen wird aber auch Bernstein als Ko-Autor genannt!
Um es kurz zu machen: Bernstein und Kautsky lebten um 1890 in London und waren dort enge Mitarbeiter von Friedrich Engels (Kautsky reiste noch 1890 ab, um in Stuttgart die »Neue Zeit« zu redigieren). Beide verstanden sich als orthodoxe Marxisten, was sie schrieben, sollte sich noch unmittelbar an Engels anlehnen. Sagen wir also: Obiges Zitat stammt von Kautsky; ein Co-Autorschaft von Bernstein ist nicht unwahrscheinlich; dass der Text von Engels stammt, ist falsch. Dass er aber in dessen Geiste geschrieben wurde, vielleicht sogar direkt mit ihm diskutiert wurde, davon ist auszugehen.
Es gab damals ein Kontinuum sozialistischer Kritik, in dem auch Bernstein und Kautsky eingefasst sind. Über ihrer weiteren Lebensweg – kein Wort (an dieser Stelle)!
Hier soll nicht weiter herumorakelt werden. Das »Geheimnis« um diese Passage ist leicht aufzulösen, wahrscheinlich schon anhand eines Nachvollzugs der Briefwechsel zwischen Bernstein, Kautsky und Engels. Diese liegen vor.
Das setzt aber doch ein bisschen Archivarbeit voraus. Die sparen wir uns an dieser Stelle (wird aber bei Bedarf nachgereicht).
Aber sagen wir es so: Der Lektor bei Ca Ira, der dieses natürlich hochgradig brisante »Engels«-Zitat durchgewunken hatte, der hätte sich diese Arbeit nicht sparen sollen. Und Böckelmann ist ein kleiner Schlawiner. Eh klar.

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GSP 2-09: Das „fiktive“ Kapital als PDF

29. Juni 2009 6 Kommentare

Im Downloadbereich steht jetzt der Artikel „Finanzkapital II. Die Entfaltung der Kreditmacht des Finanzkapitals: Die Akkumulation des „fiktiven“ Kapitals“ aus dem aktuellen GegenStandpunkt Heft 2-09 als PDF eingescannt zur Verfügung.

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Die Krise als Ende eines Schneeballsystems?

28. Juni 2009 1 Kommentar

Exploring the Logic of Capital
David Harvey interviewed by Joseph Choonara, Socialist Review, April 2009

Some commentators view the current crisis as arising from problems in finance that then impinged on the wider economy; others see it as a result of issues that arose in production and then led to financial problems. How do you view it?

It’s a false dichotomy that’s being posed. There is a more dialectical relationship between what you might call the “real” and “financial” sides of the economy. There is no question that there has been an underlying problem of what I would call “over-accumulation” for a considerable time now. And in part the movement into investing in asset values rather than production is a consequence of that. But as the search for new forms of asset value developed you also saw financial innovation that created the possibility of investment in hedge funds and those sorts of things.

There was a long-term process in which the rich looked for reasonably high rates of return and began to invest in a whole series of Ponzi schemes – but without Bernard Madoff at the top. In the property market, stock market, art market and derivatives markets, the more people that invest, the more prices go up, which leads to even more people investing. All of those markets have a Ponzi character to them. So there is a financial aspect to the crisis but unless you ask why the most affluent were taking that path you miss out on the real problem.

Der Rest des Interviews imSocialist Review

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Staatskapitalistische Krisentheorie: Walter Daum von der LRP

26. Juni 2009 Kommentare ausgeschaltet

Weil es buchstäblich wieder mal recht aktuell ist, habe ich ein altes Buch nochmals ausgefleddert und stelle hier Ausführungen zur marxistischen Krisentheorie als PDF zur Verfügung und Diskussion. Sie sind dem Buch von Walter Daum „The Life and Death of Stalinism – A Resurrection of Marxist Theory“, einem der Wortführer der kleinen amerikanischen staatskapitalistisch/trotzkistischen LRP entnommen, das 1991 erschienen ist, und das hier als Ganzes zu lesen ist. Bzw. im folgenden unformatiert: Mehr…

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Hirnforscher führt Finanzkrise auf angeborene Gier nach Geld zurück

22. Juni 2009 8 Kommentare

Nun ist es endlich „wissenschaftlich“ „bewiesen“:

Ein Hirnforscher erklärt die Finanzkrise auch damit, dass die Gier nach Geld angeboren sei. Verortet wird die Gier nach immer mehr Geld durch riskantes Zocken erwartungsgemäß in einem Gehirnareal. Bei den Börsenzockern spielt nach Christian Elger, Direktor der Klinik für Epileptologie an der Universität Bonn und Mitglied des Frankfurter Zukunftrates, das Belohnungszentrum eine große Rolle, dessen Aktivierung dazu führe, ein „ungeahntes Wohlbefinden“ zu verspüren. Am Wochenende hat der Zukunftsrat für Neuroökonomie, dem Elger angehört, in einer Mitteilung erklärt, dass der „Auslöser der Finanzkrise unökonomisches Handeln“ handeln sei und dass „Menschen mit genbedingter Finanzgier“ nicht führen sollten.

Geld, so sagte der über Neuroökonomie forschende Wissenschaftler in einem Interview mit dem Deutschlandradio Kultur, aktiviere das Belohnungszentrum besonders gut. Es stehe in der Entscheidungshierarchie des Gehirns ganz oben und zeige keine Gewöhnung an den Reiz. Ebenso wie Geld prinzipiell unendlich vermehrbar ist, verlockt also das Belohnungszentrum zum weiteren Zocken, solange zumindest die Gewinne fließen: „Also geht es immer weiter, und je höher der Geldbetrag ist, desto mehr wird aktiviert.“

Gefragt, ob solche Personen, die von ihrem Belohnungszentrum in der Gier nach mehr Geld gejagt werden, von Führungspositionen ausgeschlossen werden müsste, meinte der Hirnforscher, dass es sich ja auch um „Visionäre, die Entwicklungen vorantreiben“, handle. Man dürfe sie nicht ausschließen, sondern es müsse „eine gesunde Mischung aus Leuten geben, die Buchhaltertypen sind, und den Visionären“. Problematisch könne es aber werden, wie man im Fall der Finanzkrise gesehen habe, wenn es eine kritische Menge solcher Visionäre geben, die rhetorisch überzeugend sind und Menschen mitreißen können. Nach Elger müssten Vorkehrungen getroffen werden, „damit sich das System nicht verselbständigt“.

Die Ansprechbarkeit des Belohnungszentrums sei jedoch genetisch bei Menschen unterschiedlich, was beispielsweise mit den Dopaminrezeptoren zusammenhänge. Bei wem die Rezeptoren nicht so sensibel reagierten, der sei auch nicht so gierig nach Geld. Zudem sei er introvertierter und habe eine größere kognitive Kapazität, sich bei Gewinnspielen mit der Vernunft mit der Sache auseinanderzusetzen.

Um herauszufinden, wer welcher Typus ist, rät der Hirnforscher erwartungsgemäß von psychologischen Tests ab, weil diese zu oberflächlich seien. Er geht davon aus, dass in den nächsten Jahren zunehmend mit Gentests Schlüsse für die Beurteilung von Führungskräften bei der Einstellung gezogen würden, um „keine kritische Häufung“ von dem einen oder anderen Typ zu erhalten.

gefunden bei heise online 20.06.2009

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SAZ zum Bildungsstreik

18. Juni 2009 6 Kommentare

Straßen aus Zucker (zu denen unter anderem auch TOP Berlin gehört, die wiederum Teil des ums-Ganze-Bündnis sind) haben mir folgenden Artikel als Kommentar geschickt, den ich der besseren Lesbarkeit hier hingepackt habe:

Nie wieder (Schul-)Klassen!
Warum müssen wir uns eigentlich fünf Tage die Woche mit Dingen beschäftigen, die uns weder großartig interessieren, noch außerhalb von Schule und späterem Beruf jemals gebraucht werden? Sinnlose, für mich und dich sowohl uninteressante als auch unwichtige Fakten auswendig lernen, nur um diese dann in der Klausur hinzuschreiben und anschließend wieder vergessen zu können. Selbst Themen, die einen sonst interessieren, werden, wenn sie in der Schule behandelt werden, aufgrund des Zwanges sich mit ihnen zu beschäftigen zur Hölle. Erst recht unter ständigem Notendruck und zu absurden Uhrzeiten wie 8 Uhr in der Früh. Wenn du Montagmorgen in der Klasse hockst und bereits über die Freitagabendgestaltung nachdenkst, denkst du dir da nicht auch gelegentlich: Irgendwas stimmt mit diesem Leben doch nicht?!

Wer? Wie? Was?
Aber warum existiert eine Institution wie Schule überhaupt in unserer Gesellschaft? Man könnte meinen, um den Menschen ein Allgemein- und Fachwissen zu vermitteln, damit man im Alltag möglichst gut zurechtkommt. Für grundlegende Dinge (Grundrechenarten, Lesen/Schreiben, zentrale historische Zusammenhänge usw.) erscheint dies auch logisch. Jedoch stellt sich die Frage, inwiefern z.B. die Fähigkeit, Algorithmen auszurechnen und Kenntnis über die verschiedenen Monosacharidketten zu besitzen, mir bei meiner Alltagsbewältigung helfen soll. Außerdem: Angenommen, das oft gepredigte, zynische Motto „Fürs Leben lernen wir“ wäre tatsächlich Grundlage des staatlichen Schulbetriebs, wäre es dann nicht sinnvoller, viel mehr alltagstaugliches Wissen wie Kochen oder Sozialverhalten zu vermitteln? Die Annahme, dass Schule existiert, damit jede_r Einzelne in der persönlichen Entwicklung und im Alltag unterstützt wird, scheint somit vollkommen naiv und absurd.
Andere, die sich vielleicht politisch in der linken Ecke verorten würden, meinen, Schule sei deshalb so langweilig und „ineffektiv“, weil „die Politiker und die Reichen“ „das Volk“ dumm halten wollen, damit diese nicht auf revolutionäre Gedanken kommen. Ergo werden dann Forderungen wie etwa nach einem höheren Bildungsetat und besserem deutschen Abschneiden bei den PISA-Tests laut, oder, wie zuletzt bei den bundesweiten Schulstreiks, es wird sich darüber beschwert, dass so viele Schulstunden ausfallen. Komisch, dass wäre tatsächlich das Letzte, was ich an der Schule zu kritisieren hätte, im Gegenteil: Ich freue mich über jede Schulstunde, die ausfällt und in der ich mich statt mit den Funktionen der verschiedenen Organe des Luchses mit anderen, sinnvolleren Sachen beschäftigen oder einfach ausschlafen kann. Mal ganz abgesehen davon, dass es absurd ist, davon auszugehen, dass ein höherer Bildungsgrad einen Menschen zwangsläufig dazu bringt, über die Gesellschaft nachzudenken, bewusster zu leben und so vielleicht auch irgendwann auf wie auch immer geartete „revolutionäre Gedanken“ zu kommen, ist diese Annahme schlicht selbstüberschätzend; hier wird der Einfluss der politischen Linken auf die Gesellschaft und die Bevölkerung der BRD leider maßlos übertrieben.

Wieso? Weshalb? Warum?
Vielleicht ist es für die Suche nach Sinn und Zweck von Schule in unserer Gesellschaft sinnvoller, wenn man nicht von „Schule im luftleeren Raum“ ausgeht, sondern sich die Funktionsweise unserer Gesellschaft anschaut und anschließend überlegt, welche Rolle die Schule bzw. Bildung generell in dieser einnimmt. Dann kommt man nämlich schnell zu der Erkenntnis, dass ohne Menschen, die (fast) jeden Tag arbeiten gehen und um die verfügbaren Arbeitsplätze konkurrieren, hier so gut wie nichts funktioniert. Das Prinzip Lohnarbeit scheint zentral wichtig und damit auch die Eignung der Menschen für die verschiedenen Arbeiten. Um bei Siemens irgendwelche Staubsauger zu entwickeln, braucht man eine Ausbildung in Elektronik und als Architekt_in sollte man über Grundwissen in mathematischer Statik verfügen. Langsam wird es offensichtlich: Eine Hauptaufgabe des staatlichen Bildungsbetriebs im Kapitalismus ist die Ausbildung von „Menschenrohmaterial“ zu fähigen Arbeitskräften, damit diese anschließend möglichst fachkundig für die verschiedenen Unternehmen oder auch für den Staat selber schuften können. Für uns alle konkret heißt das, dass nach den vielen Jahren Schule (plus eventuell Uni oder Ausbildung) noch viele Jahrzehnte Lohnarbeit anstehen, bevor wir dann Ende 60 endlich in Rente gehen und mit dem Leben anfangen können. Irgendwas stimmt hier nicht.

Zurück zur Schule…

Neben einer derartigen ökonomischen Funktion kommt Schule in der bürgerlichen Gesellschaft auch eine ideologische zu. Warum wird in Geschichte zum Beispiel immer nur die deutsche bzw. die als „deutsch“ konstruierte, sprich die Geschichte der Gebiete der heutigen BRD behandelt? Wenn’s hoch kommt, ist auch mal die französische oder die englische Revolution Thema; durch diese hauptsächlich auf Deutschland und Europa gerichtete Fokussierung des staatlichen Geschichtsunterricht wird uns Schüler_innen vermittelt, dass die vor 2000 Jahren lebenden Germanen in irgendeiner Hinsicht mehr „zu uns gehören“ als zum Beispiel die Mongolen oder die alten Chinesen. Somit soll auch in Hinblick auf aktuelle politische Debatten die konstruierte deutsche Nation gerechtfertigt und pseudowissenschaftlich erklärt werden.
Ein anderes Beispiel für die ideologische Funktion der Schule im Kapitalismus ist neben dem Deutsch- oder dem Religions- bzw. Ethikunterricht die „Politische Wissenschaft“. Alle vier Semester der Oberstufe bauen nämlich auf dem staatsbürgerlichen Irrglauben auf, der Staat wäre als Ausdruck des „Allgemeinwillens“ der Bevölkerung in der Lage, die Gesellschaft wesentlich alleine zu gestalten. Aber kein_e PW-Lehrer_in kann leugnen, dass es in der bürgerlichen Gesellschaft sich widersprechende Interessen, etwa zwischen Arbeitnehmer_in und Chefetage, gibt und die Idee des „Allgemeinwillens“ somit komplett irrsinnig ist. Außerdem werden die unserer Gesellschaft zugrunde liegenden ökonomischen Prinzipien, die den Alltag hauptsächlich bestimmen, so gut wie gar nicht behandelt.

…und zur Gesellschaft
Jetzt da wir sowohl die ökonomische als auch die ideologische Aufgabe von Schule im Kapitalismus grob erfasst haben, wird auch klarer, was ein „erfolgreiches“ Schulsystem ist. Nämlich keineswegs, wie das weiterhin von einigen naiven Gutgläubigen behauptet wird, die Vermittlung von möglichst viel Wissen für Alle – denn dann wäre der Großteil der Arbeitskräfte nämlich überqualifiziert und wer soll dann noch bei Kaisers an der Kasse sitzen?! Aber auch kein „Dummhalten“ der Bevölkerung: Deutsche Unternehmensvertreter beschweren sich regelmäßig über die schlecht ausgebildeten Arbeiter_innen, die das deutsche Schulsystem produziert, woraufhin Politiker_innen schnell verlauten lassen, dass alles Mögliche für eine Besserung der Lage getan würde. Ein erfolgreiches Schulsystem im Kapitalismus sorgt neben der ideologischen Formung der Schüler_innen vielmehr für eine möglichst optimale Befriedigung der unternehmerischen Anforderungen an „deren“ Lohnarbeiter_innen. In Nationalökonomien, in denen wenig Facharbeiter_innen, dafür viel körperliche Arbeitskraft gebraucht wird, ist es also durchaus gewollt und auch innerhalb kapitalistischer Logik notwendig, dass ein Großteil der Bevölkerung keinen guten Bildungsgrad besitzt, weshalb das Abschneiden bei den internationalen PISA-Studien kein Indikator für ein „gutes“ oder „schlechtes“ Bildungssystem ist.
Forderungen nach „besserer Bildung für alle“, Lernmittelfreiheit oder kleineren Klassen machen die Schulzeit für die_den Einzelne_n vielleicht teilweise erträglicher, greifen aber zu kurz, da sie den dummen Zweck von Schule im Kapitalismus überhaupt nicht in Frage stellen bzw. sich diesem oft gar nicht bewusst sind. Somit wird auch beim Thema Schule/Bildung ein weiteres Mal deutlich, dass die Lösung von gesellschaftlichen Problemen und damit auch eine wesentliche Besserung unserer individuellen Situation nur erreicht werden können, wenn das große Ganze, die derzeitige nationalstaatlich-kapitalistische Organisierung der Gesellschaft überdacht und letztlich durch Alternativen ersetzt wird.

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Bildungsstreik IV: Ein paar ernste Fragen an alle Freunde eines „besseres“ Bildungssystems

18. Juni 2009 1 Kommentar

Normalzustand Rot hat einen Text zum aktuellen Bildungsstreik veröffentlicht, aus dem auch ich hier einen Absatz zitieren möchte, in denen er „ein paar ernste Fragen an alle Demonstranten für ein „besseres“ Bildungssystem“ stellt:

Wenn also der wahre Zweck dieser Schule der Wissenserwerb gar nicht ist und dafür auch gar nicht vorgesehen ist, fordert man dann vom Staat „Bildung für alle“? Wenn zu dem auch noch die Bildung falsche Inhalte vermittelt, wie man sich dieser Ordnung freiwillig unterzuordnen hat, will man dann so einen Scheiß lernen? Wenn man kostenlose Bildung für alle fordert, weil alles andere an den dünnen Geldbeutel erinnert, ist es dann okay, dass man trotzdem so wenig Geld hat? Wenn sowas von Arsch klar ist, dass der Zweck dieser ganzen Schule die Selektion ist, die allein dafür da ist, dass jeder seinen Platz in der Lohnhierarchie „findet“, fordert man dann „Weg mit dem dreigliedrigen Schulsystem“? Fordert man dann Gesamtschulen? Ändert es wirklich etwas, wenn auf einem Lauti-Wagen eine Frau von der GEW fordert, dass Selektion nicht zu früh stattfinden soll? Macht es das alles wirklich besser? Soll man sich wirklich für so ein Schulsystem einsetzen und danach, wenn jeder sich in der Klassengesellschaft zurecht gefunden hat, ist alles okay? Ist es denn nicht so, dass die Schule ihren klaren Auftrag für diese Gesellschaft hat? Soll man diese Schule wirklich für einen Fehler im System halten und es bedauern, dass eine Frau Schavan wenig Verständnis für diese Proteste hat und sie dabei noch zur Toleranz aufruft? Ist es richtig, wie einer auf einem Plakat stehen hatte, zu demonstrieren, um sich bei den Politikern zu beschweren und damit doch gerade den Staat meint, dass er doch gefälligst im Interesse seiner wilden Jugend regieren soll? Ist es nicht eine Dummheit, wenn man enttäuscht ist, dass die Politiker ganz andere Sachen machen und Banken retten oder das kapitalistische System retten, wie es im Karlsruher Aufruf heißt, statt Geld in die Bildung zu stecken? Sollte man sich an der Stelle nicht einfach mal fragen, was es eigentlich mit dieser Schule und diesem System auf sich hat? Warum empört man sich, wenn die Wirtschaft zu sehr in der Schule eingreift, aber sich nach der Schule komplett den Interessen der Wirtschaft unterwirft? Was ist denn, wenn es sich eben doch alles bloß um das Wohl der Wirtschaft dreht und Privatinteressen da nichts zu melden haben? Macht man dann Revolution oder macht man dann Bildungsstreik? Wenn die Schule wegen dem Kapitalismus also so scheiße ist, dann muss der Kapitalismus weg oder man führt eben einen Kampf um veredelte Konkurrenz in der Schule!

Ich möchte auch auf die bei ihm angeführte weiterführende Lektüre hinweisen:

Bildungsstreik 2009: Wie aus einem Bildungsstreik ein Einsatz für veredelte Konkurrenz in der Schule wird Und dort im Anhang (PDF) der Flyer (Argumente gegen Schule und Hochschule)

Von Freerk Huisken: Zum Bildungsstreik 2009: Wieso? Weshalb? Warum? Macht die Schule dumm? (Thesen zu einer Podiumsveranstaltung in Berlin mit gleichem Titel)
Siehe auch das Buch von Freerk Huisken: Erziehung im Kapitalismus

Und ansonsten gerade zur rechten Zeit erschienene Seite: Argumente zur Schule – Kritische Gedanken zur Schule und ihrem Stoff

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Bildungsstreik III: „Kostenlose Bildung für alle auf höchstem Niveau!“

17. Juni 2009 Kommentare ausgeschaltet

Mit der Überschrift „Kostenlose Bildung für alle auf höchstem Niveau!“ hat der Spartakist in seiner Ausgabe Januar 2009 zum Schülerstreik im November 2008 seinen Artikel betitelt, der vor allem ein Flugblatt widergibt, mit dem die SpAD damals interveniert hatte. Dessen erster Absatz lautete:

Das selektive und rassistische kapitalistische Bildungssystem treibt wieder und wieder tausende Schüler, Studierende und Auszubildende in ganz Deutschland und weltweit auf die Straße: Demos gegen Studiengebühren in Hessen und anderswo, Proteste gegen die Wiederholung der MSA-Prüfungen (mittlerer Schulabschluss) in Berlin, Schüler- und Studierendenstreiks von Chile bis Italien. Nach mehreren Schülerstreiks in den letzten Jahren gegen die Kürzungspolitik des Berliner SPD/Linkspartei-Senats soll nun am 12. November gleich in dutzenden Städten gegen Bildungsabbau und für bessere Bildung demonstriert werden. Wir von der Spartakist-Jugend beteiligen uns an diesen und anderen Protesten gegen Sozialkahlschlag und kämpfen für deren Ausweitung. Unsere Perspektive ist, das gesamte kapitalistische System zu überwinden. Schüler und Studierende müssen zu dem Verständnis gewonnen werden, ihre Proteste mit den Kämpfen der Arbeiterklasse zu verbinden. Denn nur die Arbeiterklasse hat auf Grund ihrer Stellung im Produktionsprozess die potenzielle soziale Macht, den ganzen Kapitalismus lahmzulegen: So kann sie auch den Protesten gegen Bildungsabbau zum Sieg verhelfen. Solidarität mit den IG-Metall-Warnstreiks und den Streiks von Lehrern und Erziehern! Für gemeinsamen Klassenkampf gegen die Angriffe des kapitalistischen SPD/LINKE-Senats!

Es ist dabei nur, gelinde gesagt, etwas unvermittelt, wenn die Spartakisten von ihrer Perspektive „den ganzen Kapitalismus lahmzulegen“ dabei enden, „Protesten gegen Bildungsabbau zum Sieg verhelfen“ zu wollen. Per se sind das nämlich schon recht unterschiedliche Ziele, wie sicherlich auch die Genossen festgestellt haben werden.

Die SpAD stellt richtigerweise fest: „Das deutsche Bildungswesen ist berüchtigt für besonders krasse soziale Selektion“. Nur ist das bei ihnen gar keine Kritik an der Selektion, sonder nur an der krassen sozialen Selektion. Als wenn ein Schulwesen nicht mehr zu kritisieren wäre, daß das Herrschafts- und Elitepersonal statistisch ganz „gerecht“, weil zu gleichen Teilen aus allen Schichten der kapitalistischen Gesellschaft rekrutieren würde.

Deshalb greift auch die Forderung „Weg mit dem diskriminierenden dreigliedrigen Schulsystem! Für offenen Zugang zur Universität mit einem staatlich bezahlten Stipendium, von dem man leben kann! Unis und Schulen unter die Kontrolle derjenigen, die dort arbeiten, lernen und lehren!“ daneben, denn die Zurichtung aller Auszubildenden, Schüler und Studenten auf den Arbeitsmarkt mit seiner immer härter werdenden Konkurrenz um die weniger werdenden Arbeitsplätze wird doch in keinster Weise ausgehebelt, wenn die Selektion erst am Ende der jeweiligen Ausbildungsgänge erfolgen sollte. Nebenbei ist es eine Verharmlosung der Funktion des Lehrpersonals, wenn denen ein grundlegend gleiches Interesse an Schule und Uni zugebilligt wird wie den dort jeweils Ausgebildeten. Lehrer und Professoren sind ja nicht umsonst noch weitgehend Staatsbeamte, weil sie die Selektion, die Festlegung und Zementierung von Lebensperspektiven mit ihrer Notenvergabe zu organisieren und durchzusetzen haben.
Es ist deshalb auch hier kein Zufall, daß eine zentrale Institution der kapitalistischen Schule, die Notengebung, den Spartakisten gerade mal eine Erwähnung in einer Klammer wert war.

Zurück zur Parole: „Kostenlose Bildung für alle auf höchstem Niveau!“ vom Anfang: Was soll dabei herauskommen, in dieser kapitalistischen Ausbildungswelt? Besonders gut für die Ausbeutung qualifizierte Betriebswirte, in der Wolle gefärbte demokratische Geschichtslehrer, die selbstverständlich mitStauffenberg und nicht mit Bismarck arbeiten? Perfekt das bürgerliche BGB beherrschende Juristen, die nun wirklich fit sind in der Umsetzung der bürgerlichen Logik des Eigentums? Bildung in dieser Schul- und Uniwelt ist schließlich in erster Linie die Heranziehung des mündigen demokratischne Bürgers, den auch die zunehmenden Härten auch für sein Leben nicht davon abbringen kann, sich all diese Scheiße, von der Schule bis zum Berufsalltag gefallen zu lassen, ja geradezu als sein privates Glück zu interpretieren. Oder, um Freerk Huisken aus seinem telepolis-Interview zu zitieren:

„Es werden nämlich hierzulande keine braven, buckelnden Untertanen gebraucht, sondern mündige Staatsbürger, die sich „ihre Meinung“ bilden und dann aus freien Stücken und in voller Überzeugung das tun, was ihnen zur Pflicht gemacht oder per Sachzwang vorgesetzt wird.“

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Bildungsstreik II: Gegen das Schlechte oder doch nur gegen Verschlechterungen?

17. Juni 2009 8 Kommentare

Nicht nur GSPler machen sich Gedanken über den Bildungsstreik und sogar Diskussionsabende zum Thema, wie mir ein vielleicht wohlmeinender Genosse meinte, stecken zu müssen, nein bei Blogsport, dem Szenehoster für die neue Jugend gibt es auch die ganz alte Jugend zu bewundern: Folgenden Beitrag habe ich auf dem Blog der SDAJ Aachen gefunden (Warum die neben ihrer eigenen Webseite auch noch den identischen Abklatsch als Blog betreiben, ich weiß es nicht. Vor allem, wo sie Kommentare überhaupt nicht zu mögen scheinen:

Immer mehr Stress und Druck: Ständig Vergleichsarbeiten, Zentrale Abschlussprüfungen, Schulzeitverkürzung mit G8, Kopfnoten, Trainingsräume, überfüllte Klassen mit über 30 SchülerInnen, keine Demokratie an der Schule, Pauken statt Lernen, Konkurrenzkampf und Selektion.

Gleichzeitig fehlen vernünftige Schulkantinen oder es gibt teures, meist schlechtes Essen. Es fehlen vernünftige Aufenthaltsräume zum Erholen. Bücher, Kopien und Unterrichtsmaterial fehlen, sind veraltet oder kosten viel Geld. So manches Schulgebäude ist marode und kaputt. Die hohe Benachteiligung von Kindern aus Arbeiterfamilien, sowie von Kindern mit ausländischer Abstammung ist statistisch erwiesen. Immer mehr private Unternehmen nutzen den Geldmangel der Schulen aus und spielen sich als Sponsoren auf, nutzen ihr Geld um Werbung zu machen und Einfluss in der Schule zu gewinnen.

So geht das nicht weiter. Dagegen wollen wir uns wehren. Am Bildungssystem wurde konsequent gespart. Es wurden Druckmittel wie die Kopfnoten eingeführt, Demokratische Rechte der SV abgebaut und die Selektion beispielsweise durch die Schulzeitverkürzung verschärft. All dies nützt vor allem den Unternehmerverbänden, den Banken und Konzernen. Die Funktion liegt in der verschärften Auswahl für den Arbeitsmarkt, der Zerstörung demokratischen Bewusstseins und dem erhöhten Einfluss privater Unternehmen auf die Schule. Obendrein bleibt für die Wirtschaft mehr vom Steuergeld.

Wir sind aber gegen noch höheren Notendruck, Willkür, Duckmäuserei und mehr Konkurrenzkampf unter den Schülerinnenn und Schülern. Wir sind für ein demokratisches Schulsystem und die Perspektive auf ein gutes Leben danach. Dafür gilt es zu kämpfen!

Den Kampf vor Ort organisieren: Der Schulstreik ist ein mächtiges Instrument. Aber es kommt auch darauf an dran zu bleiben. Es braucht schlagkräftige SVen, die den Austausch mit jeder Klasse und jedem Schüler herstellen. Wir brauchen Sven die bereit sind auch Widerstand gegen Schulleitung und Politik zu organisieren. Wenn SchulstreikaktivistInnen der Schule verwiesen werden, neue Straf- und Druckmittel eingeführt werden, wenn Klassen aus allen Nähten platzen, Demokratie eingeschränkt wird, es an Büchern, Kantine oder Erholungsraum fehlt, dann muss vor Ort gekämpft werden. Daher: Mach mit in deiner SV! Nix mit Kuschelkurs!

– Weg mit den Kopfnoten
– Weg mit dem dreigliedrigen Schulsystem
– Weg mit G8: Nein zum Turboabi
– Weg mit Trainingsräumen und sinnlosen Verboten
– Mehr Demokratie: 50% für SchülerInnen in allen Schulgremien
– Her mit mehr LehrerInnen und kleineren Klassen: Max. 20
SchülerInnen pro Klasse
– Kostenloses gutes Mittagessen für alle SchülerInnen und Schüler
– Her mit kostenlosen Büchern, Lehrmitteln und Nachhilfe für Alle
– Allgemeinpolitisches Mandat für die SV
Eine demokratische Schule für Alle!

Denn das die Kommentare nicht übermäßig gut finden, habe ich neben der Tatsache, daß sie bisher keine zu verzeichnen haben, daran festgemacht, daß sie meinen folgenden Kommentar (auch) nicht freigeschaltet haben:

Es ist schon mal schlecht, wenn man wie ihr ausgerechnet diesen imperialistischen Staat, der nun wirklich für seine Ziele gute Gründe weiß, warum ihm die Banken soviel auch von eurem Geld wert sind, anhaut, er möge bitte stattdessen die „Bildung“ retten. So als Neuauflage der „Bildung rauf- Rüstung runter“-Sprüche von früher, mit denen ich groß geworden bin.

Zweitens, wieso eigentlich retten? Was war denn an den letzten Jahrzehnten so toll am Schul- Uni- und beruflichen Bildungswesen, daß man ausgerechnet das nun retten müßte?
Aber euch geht es offensichtlich wirklich um die verbissene Verteidung des Status Quo an den Schulen (bzw. in vielen Punkten die Rückkehr zu den guten alten Zeiten), denn euer Aufruf strotzt ja nur so vor Vergleichsformulierungen:
Schon die allerersten Worte sind da verräterisch: „Immer mehr“. Das findet ihr schlecht. Und wie wäre es mal mit einer Erklärung, warum überhaupt diese Schule „Stress und Druck“ braucht? Warum sie nicht nur Kopfnoten sondern vor allem und unabdingbar Noten braucht? Warum heißt es bei euch „Wir sind aber gegen noch höheren Notendruck“ und nicht, wir sind gegen Noten?

Wenn ihr es ernst meinen würdet mit eurer Ablehnung von „Konkurrenzkampf und Selektion“ könntet ihr nämlich gar nicht dann so danebenliegen Forderungen aufstellen wie „Weg mit dem dreigliedrigen Schulsystem“ oder „Nein zum Turboabi“. Denn daß ausgesiebt werden soll in diesem Ausbildungswesen, das wird doch mit der Verlängerung der Sieberei überhaupt nicht verändert.

Deshalb reicht es auch nicht vollmundig zu postulieren „So geht das nicht weiter“. Denn damit meint ihr ja gar nicht die demokratisch-kapitalistische Schule überhaupt, sondern nur die von euch als unangemessen angesehen aktuellen Reformen an der für euch guten alten Schule, den „Abbau“, die „Verschärfung“, „mehr Geld für die Wirtschaft“ usw. Als wenn die alte Schule nicht genauso weg gehören würde wie die neue modernisierte. Es stimmt nämlich, daß dieses Wirtschaftssystem „konsequent“ diese Art von Schule und Schulreformen braucht. Das haben sich die Herren und Frauen dieser Republik nun wirklich gut überlegt, wie sie damit den internationalen Konkurrenzerfolg Deutschlands nachhaltig fördern können. Dafür sind die ganzen miesen Maßnahmen eine einzige Förderstufe.

Wenn es euch Ernst wäre mit eurer Forderung nach einer „Perspektive auf ein gutes Leben danach. Dafür gilt es zu kämpfen!“ dann müßtet ihr die Schüler (und vor allem den Rest der arbeitenden Bevölkerung) schon zu mehr auffordern, als nur kleinere Klassen durchzusetzen. Dann müßten die nämlich die Klassen überhaupt abschaffen. Und zwar in der ganzen Gesellschaft.

Und dann könnte und müßte man sich recht bald hinsetzen und sich fragen, was die Menschen wissen und deshalb möglichst bald lernen sollten und was das dann für die Wissensvermittlung heißen würde. Aber darum geht es jetzt erst mal(leider) nicht. Und euch leider auch nicht.

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Bildungsstreik und Brandschutz

12. Juni 2009 3 Kommentare

Die Schülerstreiks haben nicht nur zehntausende Schülerinnen und Schüler politisiert. Sie haben auch zu wichtigen Einsichten geführt, z.B. dass der Staat oft massiv einschreitet, wenn sich SchülerInnen politisch betätigen und von ihrem Recht auf Streik gebrauch machen. Sie haben erlebt, dass Schulleiter – entgegen der Brandschutzordnung – die Schule abschließen, um zu verhindern, dass SchülerInnen zur Demo gehen.

Das kann man jedenfalls bei der Gruppe Arbeitermacht über den Bildungsstreik lernen. Da nützt es auch wenig, wenn die GAM nachschiebt:

Die Krise und die damit einhergehenden oder drohenden Verschlechterungen werden viele Probleme des Bildungswesens weiter vergrößern. Auch das verweist auf einen, ja auf den zentralen Aspekt des Kampfes für ein besseres Bildungswesen. Der Kampf muss im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang gesehen werden – ein qualitativ anderes, besseres Bildungssystem ist nur in einer anderen, sozialistischen Gesellschaft möglich.

Denn buchstäblich im nächsten Satz landet sie schon wieder bei:

Bei den Bildungs-Protesten und Schulstreiks ging es naturgemäß v.a. um aktuelle Fragen wie Lehrermangel, zu große Klassen, Leistungsdruck, mangelnde Möglichkeiten der Einflussnahme auf Bildungsinhalte, schulische Abläufe usw.

Wieso eigentlich „natürlich“? Und auch im folgenden kommt wieder das verräterische Wort:

So geht es um mehr LehrerInnen, kleinere Klassen, mehr Geld, mehr Demokratie und die Abschaffung des mehrgliedrigen Schulsystems sowie anderer sozial diskriminierender Strukturen.
All diese Forderungen sind natürlich unterstützenswert.

Immerhin muß die GAM ja selber zugeben

selbst wenn sie umgesetzt würden, änderte das noch nichts am Wesen von Bildung im Kapitalismus. Inhalt, Zweck und Form dieser Bildung dienen der Aufrechterhaltung, der Regeneration des Kapitalismus und der ideologischen Indoktrination.

Wenn sie im folgenden gar nicht mal falsch den Rahmen der kapitalistischen Schule beschreiben

Wie immer die Bedingungen und Inhalte von Bildung modifiziert werden – das Bildungswesen bleibt eingebunden in die bürgerliche Gesellschaft. Ohne Revolutionierung der Gesellschaft bleiben auch substanzielle Verbesserungen – selbst im Sinne von Reformen – letztlich illusorisch. Auch deswegen ist es wichtig, den Kampf für „bessere“ Bildung“ mit dem Kampf für die Veränderung der gesamten Gesellschaft zu verbinden und über ein grundsätzlich anderes, sozialistisches Bildungssystem nachzudenken. Doch wie könnte „Bildung“ im Sozialismus aussehen?

frage ich mich jedenfalls nicht gleich, wie „Bildung“ im Sozialismus aussehen müßte/könnte/sollte, sondern wie man den Leuten beibringt, daß sie nicht nur das Schulsystem loswerden sollten. sondern vor allem das System. Denn sonst sind Gedanken über die im Schulwesen sich entfaltende allseits gebildete sozialistische Persönlichkeit wirklich Luxus.

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Fundstelle des Tages (bei DgA)

10. Juni 2009 Kommentare ausgeschaltet

Schade, ich dachte ja, als noch nicht auf der Website stand, dass Freerk referiert – Maxim wäre der RAP-Name von Freerk. So was wie maximale Kritik oder so. Ich hab mich offenbar getäuscht. 🙁

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17.06.09 Wien: Der Reale Sozialismus

8. Juni 2009 6 Kommentare

Der Seite von Amelie Lanier entnehme ich auch folgenden aktuellen Veranstaltungshinweis:

Nächste Veranstaltung Gegenstandpunkt/Gegenargumente Wien:

Der Reale Sozialismus
Eine verkehrte Kapitalismuskritik, die immer noch in Mode ist

Mittwoch, 17. Juni 2009, 19 Uhr
Amerlinghaus, Stiftgasse
1070 Wien

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Nachtrag zur Europawahl (von Amelie Lanier)

8. Juni 2009 Kommentare ausgeschaltet

Auch wenn fürs Erste wieder mal alle Messen gesungen sind, möchte ich doch zur Europa-Parlamentswahl der letzten Woche auf folgenden schönen öffentlichen Brief von Amelie Lanier hinweisen, der man inhaltlich so auch an manch andere kandidierende linke bis linksradikale Partei hätte richten können:

Liebe Herren X, Y, Z!

Ich nehme Ihre Aufforderung, eine Unterstützungserklärung für die KPÖ abzugeben, zum Anlaß, Ihnen meine grundlegenden Einwände gegen den ganzen Wahlzirkus mitzuteilen.

Meine vorherige Unterstützungserklärung für die Nationalratswahl ist so zustandegekommen, daß mich mein früherer Studienkollege A. B. angerert hat: Wir haben so wenig Zeit und die Nationalratswahl steht vor der Tür und bitte bitte! und so hab ich ihm den Gefallen getan und ihm geschrieben, ok, solang ich nicht wählen gehen muß wegen dir, so mach ichs, damit die arme Seel eine Ruh hat.

Ansonsten ist meine Einstellung zu Wahlen:
NUR DIE DÜMMSTEN KÄLBER WÄHLEN IHRE SCHLÄCHTER SELBER.

Es gab ja einmal in den Anfangszeiten der KPÖ eine Debatte darüber, ob sich diese Partei an Wahlen beteiligen soll. Die Argumente waren ungefähr so: Der bürgerliche Staat ist ein Instrument der Klassenherrschaft, seine Institutionen dienen der Aufrechterhaltung der Scheidung in Arme und Reiche und sorgen dafür, daß die Armen für die Reichen arbeiten gehen müssen und dabei selbst immer arm bleiben. Sollen wir das unterstützen, indem wir in diese Institutionen irgendwelche Leute hineinwählen – und dadurch die Institutionen bestätigen?
Die Debatte ist dann per Komintern-Beschluß beendet worden, und alle kommunistischen Parteien wurden auf die Wählerei verpflichtet.
Heute kommt kein KPÖler auf die Idee, sich zu fragen, was eine kommunistische Partei – die doch in ihrem Namen irgendwie andeutet, gegen das Privateigentum und den ganzen darauf aufbauenden Kapitalismus zu sein – eigentlich auf einem Wahlzettel verloren hat?
Ihr Brief ist ein schönes Beispiel dafür: Sie begründen überhaupt nicht, warum Sie sich an der Wahl fürs Europäische Parlament beteiligen wollen und warum ich Sie dabei unterstützen soll – nein, sie nehmen selbstverständlich an, daß ich auch das Wählen für eine feine Sache halte und Ihr Anliegen daher unterstützen werde und man mir nur gut zureden muß, damit ich die Mühe auf mich nehme, auf die Gemeinde zu traben und den Wisch bestätigen zu lassen. Als einzigen Grund, es nicht zu machen, vermuten Sie also Bequemlichkeit. Daß es Einwände gegen das Wählen-Gehen geben könnte, kommt Ihnen gar nicht in den Sinn. Und das ist auch konsequent. Müßten Sie nämlich begründen, warum ich Sie bei der Bemühung, sich für die Europa-Parlamentswahl aufstellen zu lassen, unterstützen sollte, so täten Sie sich schwer. Es ist nämlich weder einzusehen, wofür ich das Europäische Parlament brauche, noch, was die KPÖ dort zu suchen hätte.

Jahraus, jahrein tritt die KPÖ zu Nationalratswahlen – und jetzt auch Europa-Parlamentswahlen – an, wohl wissend, daß sie Null Chancen hat hineinzukommen. Während es auf Gemeinderatsebene noch hin und wieder möglich ist, ein Mandat zu ergattern, ist es auf nationaler Ebene oder EU-weit unmöglich. Dafür stürzt sich die KPÖ in Unkosten und strapaziert ihr schon arg geschrumpftes Vermögen. Ihre Mitglieder beteiligen sich an der Wahlkampagne und opfern ihre Freizeit dafür.
Man nimmt diese Partei überhaupt nur in Vorwahlzeiten wahr. Ansonsten sieht und hört man kaum etwas von ihr.
Sie macht auf jeden Fall keine Propaganda gegen den Kapitalismus. Sie klärt die Arbeiterschaft nicht über den Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit auf. Stattdessen nervt sie das Publikum regelmäßig mit moralischer Empörung über irgendwelche Bösewichte, Sündenböcke, also Personengruppen, die unser angeblich so wunderbares Gesellschaftssystem darin hindern, seinen Segen über die weniger betuchten Gesellschaftsschichten auszuschütten: Politiker, die sich vom Kapital kaufen lassen und dafür dann wieder den Unternehmern die Steuergelder des kleinen Mannes in die Taschen stecken. Klagen über Ungerechtigkeit und menschliche Schlechtigkeit. Und dann wendet man sich an genau die miesen Subjekte, denen man gerade alles mögliche Schlechte nachgesagt hat, und fordert von ihnen lauter Dinge, die doch eigentlich gegen ihre Interessen sein müßten.

Man fragt sich wirklich, wofür Marx seine „Kritik der politischen Ökonomie“ geschrieben hat und warum er den Sozialismus wissenschaftlich begründen wollte, wenn nicht einmal eine Partei, die sich auf ihn beruft, sich die Mühe macht, in seine Werke hineinzuschauen und sich das eine oder andere Argument zu Gemüte zu führen.
Und überhaupt, die Forderungen der KPÖ! Wenn man ihr glaubt bzw. ihre Sicht der Dinge übernimmt, so gibt es Armut und Elend überhaupt nur deshalb, weil noch nicht der richtige Steuersatz für die verschiedenen Bevölkerungsschichten gefunden worden ist!

Schließlich, zum Abschluß: Marx schreibt in der „Kritik des Gothaer Programms“ über die Demokratie, sie sei die „letzte Staatsform der bürgerlichen Gesellschaft“, in der „der Klassenkampf definitiv auszufechten ist.“

Er meinte damit nicht das Antreten zu Europa-Parlamentswahlen.

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„der weg zum paradies führt übers grab“

31. Mai 2009 Kommentare ausgeschaltet

also wenn der kommunismus jetzt schon der weg zu einem paradies sein soll, ist meine polemik alles andere als unnötig.
der weg zum paradies führt übers grab. sag ich, und ich weiß das, weil ich ner erzkatholischen gegend groß wurde.

gefunden bei lahmacun

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PDF-Scan der Staatsbroschüre des „…ums-Ganze!“-Bündnis

27. Mai 2009 4 Kommentare

Ich habe auf die Schnelle die gerade vom „…ums Ganze!“-Bündnis herausgebrachte Broschüre mit dem Titel „Staat, Weltmarkt und die Herrschaft der falschen Freiheit“ – Zur Kritik des kapitalistischen Normalvollzugs“ eingescannt und stelle es hier als PDF zur Verfügung. Die Herausgeber schreiben im Impressum „Nachdruck der Texte dieser Grundlagenbroschüre ist bei Angabe der Quelle gestattet“.

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Update zu Moral-Vorträgen: Erfurt online

27. Mai 2009 197 Kommentare

Die politische Gruppe jena/erfurt hat jetzt den Hinweis:

Den Mitschnitt der Vortrags- und Diskussionsveranstaltung in Erfurt mit Rolf Röhrig vom GegenStandpunkt-Verlag zum Thema “Die Moral und ihre großen Werte – nichts wert” kann man jetzt bei archive.org downloaden.

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I would rate corvids as being as intelligent as primates in many ways

26. Mai 2009 6 Kommentare

„In the past, people thought birds were stupid,“ laments the aptly named scientist Christopher Bird.
Im gleichen Artikel von BBC NEWS vom 7.5.09 heißt es aber auch:
Christian Rutz, who also works for Oxford’s behavioural ecology group, says: „There are such enormous semantic issues. How do you define intelligence? How do you define what it means to understand something?“
Der Tagesspiegel hatte zum Thema folgenden AP-Artikel:

Saatkrähen stellen bei Bedarf ihr Werkzeug sogar selbst her. Das stellten Verhaltensforscher der Universität Cambridge jetzt fest, wie sie im Fachblatt „PNAS“ berichten. In den Studien testeten die Experten um den Verhaltensforscher Chris Bird an vier Saatkrähen, wie weit die Intelligenz der Vögel reicht. Im ersten Experiment lernten die Vögel schnell, dass sie mit Steinen ein Gerüst zum Einsturz bringen müssen, um so an eine Mottenlarve zu gelangen. Ohne viel Training erkannten sie zielstrebig, welche Größe und Form ein Stein haben muss, um die Plattform kollabieren zu lassen. Im zweiten Versuch mussten die Krähen dann ein kniffligeres Problem lösen. In einem senkrecht aufgestellten Zylinder hatten die Forscher ein kleines Eimerchen mit einer Mottenlarve platziert. Mit dem Schnabel konnten die Vögel ihre Beute nicht erreichen. Allerdings hatten die Forscher ihnen Drahtstücke hingelegt. Daraus formten alle vier Tiere einen Haken, mit dessen Hilfe sie dann das Eimerchen am Griff aus dem Röhrchen angelten. „Wir glauben, dass dies der erste eindeutige Beleg von Einsicht bei Tieren ist, denn die Saatkrähen machten die Haken schon im ersten Durchgang“, sagt Nathan Emery von der Queen-Mary-Universität in London.

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Veranstaltung am 4.6.09 in Berlin: 60 Jahre Grundgesetz: Kein Grund zum Feiern!

26. Mai 2009 Kommentare ausgeschaltet

Albert Krölls wird nächste Woche im Rahmen der politikwissenschaftlichen Referate, veranstaltet vom Sozialreferat des AStA FU, sein neu erschienenes Buch vorstellen:
60 Jahre Grundgesetz: Kein Grund zum Feiern!
Vortrag & Diskussion
FU-Berlin, Henry-Ford-Bau,
Hörsaal B 14195 Berlin-Dahlem Garrystr. 35 (U-Bhf Thielplatz)
Donnerstag, 04. Juni 2009 – Beginn: 17h
Der Ankündigungstext lautet:
Das Grundgesetz begeht seinen 60. Geburtstag – und die Nation ist aufgerufen, zu feiern und sich für den Genuss der Freiheiten zu begeistern, die die staatliche Ordnung ihren Bürgern so großzügig gewährt. Dass im Reich der Freiheit alle Unternehmungen des Einzelnen von der Arbeitsplatzsuche bis zur Familiengründung unter dem staatlichen Vorbehalt des Dürfens stehen und selbst die Meinungsäußerung eine Frage der Erlaubnis ist, erscheint niemandem weiter fragwürdig. Vielmehr herrscht eine grundsätzliche Dankbarkeit gegenüber der staatlichen Hoheit, dass man im freiheitlichsten Gemeinwesen, das je auf deutschem Boden existierte, leben darf. Die Frage nach den Vorteilen dieser Ordnung für diejenigen, die darunter zu leben haben, ist gemeinhin von den Lizenznehmern der Freiheit längst im Sinne des großen demokratischen Gewährers aller dieser schönen Erlaubnisse beantwortet. Die vom demokratischen Rechtsstaat in Kraft gesetzten Zwänge des kapitalistischen Wirtschaftslebens erscheinen denBürgern nämlich wie naturgegebene Lebensbedingungen, die man als Mittel begreift, um in aller Freiheit für sich daraus das Beste zu machen. Vom Geld über den Arbeitsmarkt bis zu Sozialstaat, Familie und Schule
werden alle staatlich unterhaltenen gesellschaftlichen Einrichtungen als eine Welt voller Chancen für die Verwirklichung eigener Anliegen betrachtet. Merkwürdig ist nur, dass aus den schönen Gelegenheiten zur freien Entfaltung der selbstbestimmten Persönlichkeit für die große Mehrheit der Bevölkerung wenig bis gar nichts wird – und heutzutage bereits die Verfügung über einen Arbeitsplatz mit wenig Lohn und dafür umso mehr Leistung das Optimum dessen bildet, was der
Normalsterbliche im Reich der Freiheit zu erwarten hat. Die Veranstaltung will die Lücke einer objektiven Bilanz von Kosten und Nutzen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung schließen, indem sie die Leistungen eines politischen Gemeinwesens prüft, das Freiheit, Gleichheit, Eigentum, Menschenwürde, Demokratie und Sozialstaat auf seine Fahnen geschrieben hat. Die Antworten auf die Frage nach dem Gebrauchswert der staatlichen Ordnung fallen freilich ein wenig anders aus
als in den üblichen Festtagsreden. Anders auch als die gängige linke Gesellschaftskritik, welche die schlechte Verfassungswirklichkeit des Sozialstaatsabbaus, der ungleichen Vermögensverteilung oder der menschenverachtenden Asylpraxis als Verstoß gegen Buchstaben und Geist der Verfassungsnormen ansieht und alle sozialen Missstände auf nicht eingelöste Verfassungsversprechen oder auf ein Zuwenig an Freiheit, Gleichheit und Sozialstaat zurückzuführen pflegt.

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29. Mai: Referat & Diskussion zu Amokläufen an Schulen mit Freerk Huisken

25. Mai 2009 Kommentare ausgeschaltet

ARAB weist jetzt auf die schon länger grundsätzlich angekündigte Veranstaltung mit Freerk Huisken vom GegenStandpunkt hin:

Amokläufe sind weder besonders modisch, noch erregen sie sonst irgendwelche positive Resonanz unter Mitmenschen und doch lassen sich Jugendliche immer wieder zum SchoolSchooting hinreißen. Prof.Dr.Freerk Huisken arbeitet seit mehreren Jahren zu Erscheinungen und Problemen im Bildungswesen und wird an diesem Abend zur Thematik der Amokläufe an Schulen referieren, die mit dem noch recht jungen Fall von Winnenden wieder einmal an Aktualität gewonnen hat. Im Anschluss ist Zeit für Fragen und Diskussion.
Die Veranstaltung findet im Institut für Sozialwissenschaften der Humbold-Universität(Universitätsstraße 3b/Nähe S+U-Bhf. Friedrichstraße) in Raum 002 statt. Bitte seid pünktlich, wir fangen um 18 Uhr an.

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