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Update zu Moral-Vorträgen: Erfurt online

27. Mai 2009

Die politische Gruppe jena/erfurt hat jetzt den Hinweis:

Den Mitschnitt der Vortrags- und Diskussionsveranstaltung in Erfurt mit Rolf Röhrig vom GegenStandpunkt-Verlag zum Thema “Die Moral und ihre großen Werte – nichts wert” kann man jetzt bei archive.org downloaden.

Kategorien(1) MG + GSP Tags:
  1. Bierteig
    27. Mai 2009, 17:28 | #1

    Cool, danke! Ist das derselbe wo heut abend in Leipzig kommt?

  2. 27. Mai 2009, 17:33 | #2

    Ja:
    Referent: Dr. Rolf Röhrig (GegenStandpunkt-Verlag)
    Thema: Die Moral und ihre großen Werte – nichts wert!
    Zeit: Mittwoch, 27.05.2009, 18.00 Uhr,
    Seminargebäude, Universitätsstraße 5, Raum 202

  3. Ernst Geller
    8. Oktober 2010, 16:19 | #3

    Zum Thema Moral und Gesellschaftskritik gibt es demnächst einen Tag bei der Bochumer Roten Ruhr-Uni, wie ich bemerkt habe. Eine Christine Zunke scheint da eine klare Position zu haben: „Christine Zunke. Moral und Gesellschaftskritik: Es gibt nur einen vernünftigen Grund, Freiheit gesellschaftlich verwirklichen zu wollen: Moral“
    http://www.rote-ruhr-uni.com/cms/rote-ruhr-uni-2010.html

  4. Jona
    4. Januar 2011, 15:28 | #4

    Hallo,
    ich bekam gerade den Newsletter der Roten Ruhruni. Die haben den Vortrag von Zunke als MP3.
    http://www.rote-ruhr-uni.com/cms/Moral-und-Gesellschaftskritik.html
    Ist ein Frontalangriff auf die Moralauffassung des Gegenstandpunkt. Zumindest diskutierenswert.
    Jona

  5. pro_kommunismus
    4. Januar 2011, 20:46 | #5

    Oh, 10 Jahre nach Junge Linke Hannover gibt es also wieder Kantmarxisten. Die Geschichte wiederholt sich offenbar doch als Farce.

    Man kann am Kommunismus kein Interesse haben und muss ihn sich daher moralisch zur Pflicht machen? Weil es nicht nur um einen selbt geht?? Dass mich arme Leute stören, die ich nicht selber bin, geht nur so, dass ich da ein Gebot der höheren Art verletzt sehe???
    Wo kommt denn das Gebot her, sowas kenne ich sonst nur von der Kirche und vom Staat?
    Und Kommunismus ist Freiheit und zwar im Sinne von Kant??? Weiß die Frau nicht, dass Kant mit seiner Sittlichkeit die selbstbewußte Unterwerfung unter das bürgerliche Recht gefordert hat? Der wusste immerhin noch, dass Freiheit ein Gewaltverhältnis ist – auch wenn er es affirmiert hat.

    Ich glaube auch, dass wir DIE Debatte schon mal hatten, in alten KF oder xberg-Zeiten, wenn ich mich erinnere.

    Bin grad zu faul das rauszukramen. Aber wer was über Kant lernen will, schaue hier:

    http://www.gegenstandpunkt.com/mszarx/phil/kant/kantix.htm

  6. pro_kommunismus
    4. Januar 2011, 20:51 | #6

    Kommunismus mus als sittliche Verantaltung?

    Ich brauch doch keine Moral, um eine Arbeitsteilung zu organisieren, von der alle Beteiligten was haben. Dann stell ich sogar 100 Hemden in der Woche her, obwohl ich nur eines trage. Ein anderer brät mir dafür ein Steak. Und zwar nicht im Tausch, sondern als Elemente des Zusammenhangs.

    Ohne alle Details des Vortrage zu kennen: Was brauch ich denn dafür für ein Sittengesetz?

    Oder wird jede Form von Vernunft einfach zur Moral deklariert?

  7. pro_kommunismus
    4. Januar 2011, 20:59 | #7

    „Denn das individuelle Interesse, meine Bedürfnisse (und die der Menschen, die ich mag) sollen Zweck der gesellschaftlichen Produktion sein, mündet konsequent in einer Vorstellung von Weltherrschaft. Nur in einem modernen Feudalismus mit mir an der Spitze hätte ich exklusiven Zugang zum gesamten Mehrprodukt und meine Bedürfnisse könnten auf höchstem Niveau verlangen und befriedigt werden.“

    Das natürliche Bedürfnis des Menschen besteht alo darin, sich ALLES per WELTherrschaft aneignen zu wollen, außer es bremst in die Moral („Denk doch auch mal an die Anderen“). Wer denkt sich denn sowas aus? Was für ein aberwitziges Konstrukt, um Kant zu rechtfertigen.
    Das ist ja noch eine Nummer härter als die VWL-Ideologie vom Menschen als maßlosen Gierschlund, der nicht ein Auto etc., sondern unendliche viele, wenigstens aber ALLE haben will.

  8. pro_kommunismus
    4. Januar 2011, 21:02 | #8

    Und warum sollte eigentlich jemand an die Anderen denken, wenn er seine Bedürfnisse nur per Weltherrschaft realisiert kriegt? Da wäre eine Moral auch keine übermäßig scharfe Waffe dagegen.

  9. 4. Januar 2011, 21:03 | #9

    pro_kommunismus, so ähnlich geht es mir nach der ersten halben Stunde reinhören auch. Ich hab mich zwischendrin gefragt, ob das eine Stand-up-Comedian-Karikatur auf eine gaaanz gaanz linke moderne Philosophin sein soll, aber ich befürchte, ihr ist das Alles bitter ernst.

    Ich verstehe das bis heute nicht, wieso immer alles Handeln von einer ewig und für alle geltenden Richtschnur bestimmt ja geradezu gefordert sein muß: „Freiheit“, „Vernunft“, „Menschheit“! Ich backe mir da doch lieber merklich kleinere einfach nur kommunistische Brötchen. Das ist ja schon schwierig genug.

  10. 4. Januar 2011, 22:09 | #10

    ich finde ihre kantische antwort auch falsch, aber ihre kritik richtig, dass bloß aus vernunft und wohlverstandenem eigeninteresse halt kein kommunismus folgt. da gibt es halt noch diverse andere denkbare geselslchaftsformationen, auf die man hinarbeiten könnte, wenn man bloß das im interesse hat.

  11. pro_kommunismus
    4. Januar 2011, 23:06 | #11

    Gesellschaftlich gesehen schon. Als Mittel der Bedürfnisbefriedigung einer Weltgesellschaft ist der Kommunismus allen anderen Gesellschaftsformen, die allein eine bestimmte Sorte privater Interessen Weniger bedienen, haushoch überlegen.

    Vielleicht wäre dein individueller Konsum als Herrscher der Welt besser als im Kommunismus, aber ich möchte mal die Leute sehen, die dich mit dem Programm zum Weltenherrscher machen.

    Du merkst: Allein solche Gedankengänge sind total fiktive Spinnereien zur Legitiomation von Moral.

    Man muss sich den Menschen schon grundlos als maßlosen und gewaltträchtigen Vollspinner hinkonstruieren, um sagen zu können, dass er den Kommunismus erst leiden kann, wenn er sich 10 Geboten unterwirft, denen der Kommunismus dann entsprechen soll.

  12. domingo
    4. Januar 2011, 23:13 | #12

    warum sollte ich denn gegen krieg und hunger sein ohne eine bestimmte vorstellung von moral? ich persönlich bin z.b. weder von krieg noch von hunger betroffen, die menschen die sich damit rumschlagen müssen, könnten mir ja eigentlich gestohlen bleiben. tun sie aber nicht und zwar weil ich es für moralisch falsch halte, dass ihr leiden billigend in kauf genommen oder gefördert wird.

    wenn ich versuche, bestimmte verhältnisse zu kritisieren, dann ist der auslöser (!) dafür i.d.R. moralische empörung, sehe ich nichts falsches dran.

  13. 4. Januar 2011, 23:22 | #13

    ähn, falsch. du oder ich könnten zb auch sozialismus mit sklaverei verbunden anstreben – mehr annehmlichkeiten für uns, mehr plackerei für andere. erklär doch mal, warum jemand ein interesse an „Bedürfnisbefriedigung einer Weltgesellschaft “ überhaupt haben sollte!

  14. pro_kommunismus
    4. Januar 2011, 23:28 | #14

    Hört euch lieber mal den Vortrag an.

  15. pro_kommunismus
    4. Januar 2011, 23:38 | #15

    Ab ca. 1:24 geht es bei Rolf übrigens genau um die aufgeworfene Frage. Ich empfehle aber trotzdem, auch den Kram vorher zu hören.

  16. pro_kommunismus
    4. Januar 2011, 23:53 | #16

    Ab ca. 1:38 sind Altruismus und Kant Thema.

  17. Kara
    5. Januar 2011, 00:29 | #17

    „Wo kommt denn das Gebot her, sowas kenne ich sonst nur von der Kirche und vom Staat?
    Und Kommunismus ist Freiheit und zwar im Sinne von Kant??? Weiß die Frau nicht, dass Kant mit seiner Sittlichkeit die selbstbewußte Unterwerfung unter das bürgerliche Recht gefordert hat? Der wusste immerhin noch, dass Freiheit ein Gewaltverhältnis ist – auch wenn er es affirmiert hat.“
    „Das natürliche Bedürfnis des Menschen besteht alo darin, sich ALLES per WELTherrschaft aneignen zu wollen, außer es bremst in die Moral “

    Erster Satz ist Unsinn und zeigt, dass „pro-kommunismus“ nichtmal den Vortrag angehört hat. Was soll man mit solchen Leuten anfangen, die schon vorher alles besser wissen?
    Zweiter Abschnitt ist richtig, weil Kant seine eigene Moral-Theorie als rechtsphilosophisch ausformulierbar verstanden hat, was sie aber nicht ist (siehe Samuel Klar, Moral und Politik bei Kant!), da jegliche Gewalt dem Kategorischen Imperativ widerspricht.
    Dritter Satz ist ebenfalls töricht, weil Zunke das nicht behauptet. Sie sagt nicht, dass mein Bedürfnis dem der anderen stets widersprechen muss. Aber so hast Du es ja gelernt „pro-kommunismus“! Necht? Sie sagt nur, dass mein Interesse nur zufällig mit dem der anderen übereinstimmt (wenn überhaupt) und es aus dem Interesse kein Verallgemeinerungsprinzip gibt – das Du „pro-kommunismus“ immer schon unterstellst, aber nicht begründen kannst.
    Aber was weiß die GSP-Kuh vom Sonntag?

  18. Kara
    5. Januar 2011, 00:32 | #18

    „Als Mittel der Bedürfnisbefriedigung einer Weltgesellschaft ist der Kommunismus allen anderen Gesellschaftsformen, die allein eine bestimmte Sorte privater Interessen Weniger bedienen, haushoch überlegen.“

    Und hier haben wir die peinliche Unterstellung von etwas, was es erstmal zu begründen gilt: „Bedürfnisbefriedigung einer Weltgesellschaft“. Wenn Ihr das nicht mehr merkt, dann ist Euch echt nicht zu helfen, Antikapikapikapis!

  19. Wulf Pockel
    5. Januar 2011, 09:46 | #19

    Uff, der Ton auf diesen Listen ist echt aggressiv. Warum das so sein muss, weiß ich nicht, aber sei’s drum. Ich sehe auch die Stärke in Zunkes Vortrag in der Kritik der unreflektierten Universalisierung bestimmter Interessen zu objektiven Interessen. Und das wiederholt Pro-Kommunismus auch einfach, ohne das zu bemerken. Da hat Kara recht. Auch ist es richtig, dass man von GSPlern stets (und mit einer Gleichförmigkeit, die erschrecken kann) hört, den Arbeitern sei der Schaden garantiert. Da hat Zunke recht, dass die Hoffnung auf einen individuellen Aufstieg, z.B. mittels Lottogewinn, Arschkriecherei bei den richtigen Leuten oder krimineller Karriere wesentlich (zweck-)rationaler ist, als Revolutionär zu werden. Die Kantsche Begründung, die sie liefert, müsste ich auf Papier vor mir sehen. Vielleicht würde ich sie dann besser verstehen. Immerhin ein harter Brocken dieser Vortrag, den man nicht einfach mit „Königsberger Klopse“-Verweisen abkanzeln kann.

  20. pro_kommunismus
    5. Januar 2011, 09:50 | #20

    @Kara

    1. Ruhig Blut. Ich habe mich nur auf die Ankündigung bezogen und das auch gesagt. Der dort formulierte Gedanke ist so klar wie kritikwürdig.

    2. Wofür ist Kant ein Kronzeuge?

    Sich den anderen Menschen nicht bloß zum Mittel sondern auch zum Zweck zu machen, das macht jeder Vertrag, auch der über ein Lohnarbeitsverhältnis, wenn man es nur richtig interpretiert.

    „Handle stets so, daß du zugleich wollen kannst, daß die Maxime deiner Handlung allgemeines Gesetz werde.“

    „Ein Gebot, daß jedermann sich glücklich zu machen suchen sollte, wäre töricht; denn man gebietet niemals jemandem das, was er schon unausbleiblich von selbst will. … Sittlichkeit aber gebieten, unter dem Namen der Pflicht, ist ganz vernünftig; denn deren Vorschrift will erstlich eben nicht jedermann gerne gehorchen…“ (Kr.d.p.V., S. 65.)

    Kant kritisiert eben nicht die Gewalt, er unterstellt, dass sich Interssen dauernd ins Gehege kommen, sondern er fordert die selbstbewusste Unterwerfung unter die Gewalt a la „allgemeines Gesetz“, die man als sittliche anerkennt.

    „Z.B. ist es allerdings pflichtmäßig, daß der Krämer seinen unerfahrnen Käufer nicht überteure, und, wo viel Verkehr ist, tut dieses auch der kluge Kaufmann nicht, sondern hält einen festgesetzten allgemeinen Preis für jedermann, so daß ein Kind eben so gut bei ihm kauft, als jeder anderer. Man wird also ehrlich bedient; allein das ist lange nicht genug, um deswegen zu glauben, der Kaufmann habe aus Pflicht und Grundsätzen der Ehrlichkeit so verfahren; sein Vorteil erforderte es; daß er aber überdem noch eine unmittelbare Neigung zu den Käufern haben sollte, um gleichsam aus Liebe keinem vor dem anderen im Preise den Vorzug zu geben, läßt sich hier nicht annehmen. Also war die Handlung weder aus Pflicht, noch aus unmittelbarer Neigung, sonder bloß in eigennütziger Absicht geschehen.“ (Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten), S. B10)

    Sieht du, wie wenig die kant’sche Moral zur Kritik der Warenproduktion taugt? Wie beliebig man von Kommunismus bis Kapitalismus alles als sittlich begründen kann? Natürlich, sagt Kant, soll der Händler sein Geschäft machen. Sittlich ist es dann, wenn er den Kunden nicht nur nicht bescheißt, sondern den Äquivalententausch nicht aus Kalkül sondern SELBSTBEWUSST als sittliche PFLICHT begreift und praktiziert.

    WELCHE Pflichten man so praktiziert, da interessiert Kant gar nicht. Unter der Prämisse ginge auch Warentausch in Ordnung.

    Der Aufsatz des GSP zu Kant kommt denn auch zu folgendem Fazit:

    „Im Grund kommt Kant bei seinem kategorischen Imperativ nicht über das pure Wort „Pflicht“ hinaus. In diesem Wort existiert schon die Vorstellung einer Einheit von Wollen und Müssen. Der Widerspruch dieser Einheit ist die notwendige Heuchelei der Moral. Kant wollte die Vernunft der Pflichterläutern und die Moral als praktisch wirksame Haltung darstellen. Letzten Endes beruft er sich immer nur auf das Wort. Warum entspricht der „Würde des vernünftigen Wesens“ der Gehorsam gegen Gesetze? Weil es sie sich „zugleich selbst gibt“. Es kommt Kant gar nicht in den Sinn zu erklären, warum das freie Wesen seine Freiheit ausgerechnet dazu benutzt, sich Gesetze zu erlassen (Wohl damit es dann etwas hat, dem es gehorchen kann?) Ebensowenig kümmert er sich darum, welche Gesetze dem Vernunftwesen denn entsprechen würden, welche nicht. Er hat Pflicht als die vorhandene Einheit von Wollen und Müssen so grundsätzlich als praktische Vernunft geheiligt, daß mit seinem kategorischen Imperativ keine einzige Pflicht abgeleitet, aber grundsätzlich jede legitimiert werden kann. Was auch immer, warum auch immer genug Macht hinter sich hat, um Geltung als allgemeines Gesetz zu beanspruchen, verdient Gehorsam, d.h. kann von der vernünftigen Einsicht verlangen, daß keine Ausnahmen gemacht werden. Das ist die ganze Weisheit einer praktischen Vernunft.“

    http://www.gegenstandpunkt.com/mszarx/phil/kant/katimp.htm

    3. Das war gegen Großmaul gerichtet, der durchgestrichen hat, dass der Kommunismus eine Gesellschaftsform ist, also auf einem gemeinschschaftlichen Willen basiert, was seine exzentrischen Phantasien zum reinen Konstrukt macht.

    Ansonsten weiß ich nicht, was du sagen willst. Meinst du, dass Bedürfnisse eine peinliche Unterstellung sind?

    Dass Menschen Bedürfnisse haben und diese befriedigt haben wollen, ist Realität und keine Unterstellung. Wie befriedigen? Naja, wohl in einer Produktionsform, wo die Bedürfnisse selbst der Zweck sind und nicht bloß, als sog. „kleine Zirkulation“, ein Derviat der Profitmacherei.

    Oder an hast du an einen „Moral-Check“ für Bedürfnisse gedacht?

    Sprich dich aus.

  21. pro_kommunismus
    5. Januar 2011, 10:12 | #21

    Im Übrigen ist die Moral gar kein Hebel, um den Egoismus aus dem Kommunismus zu verbannen, weil sie ja nicht erzwungen sein soll, sondern – im Sinne von Kant – als selbstbewusste Pflicht daherkommen soll.

    Was die Leute im Prinzip unvernünftig finden, sollen sie als moralische Pflicht dann einsehen – bloß weil die Sache jetzt das Etikett „Pflicht“ trägt?

    Das wäre ganz schön dünnes Eis.

    Warum sollte jemand etwas aus SELBSTAUFERLEGTER (nicht erzwungener) moralischer Pflicht tun, was er gar nicht richtig und vernünftig findet? Und wenn er es eh schon vernünftig findet, wozu braucht er dann eine Pflicht?

    Dabei ist überhaupt nicht einzusehen, warum ein Mensch eine vernünftige Sache (z.B. notwendige Arbeiten aufteilen) nicht machen sollte, weil sie eben vernünftig ist.

    Noch mal anders gesagt:

    Natürlich gäbe es auch im Kommunismus Notwendigkeiten zu erledigen, die keinen Spaß machen. Man muss z.B. durch Arbeit seinen Teil zum Reichtum beitragen, wenn man ihn genießen will, eben weil die Produktion arbeitsteilig organisiert ist.
    Aber damit hat man doch einen guten Grund, sich an der allgemeinen Arbeitsteilung zu beteiligen.
    Eine Moral, mit der man sich selbst dazu zwingt, zur Arbeit zu gehen, unterstellt immer, dass die Sache selbst keinen guten Grund hergeben würde.

  22. 5. Januar 2011, 10:33 | #22

    Ach Wulf, wenn du in diesem Thread schon „Aggressivität“ abliest, dann hast du offensichtlich noch nicht viel gelesen „auf diesen Listen“.
    Ernsthaft ist das Moral-Thema schon immer eines der aufgeladensten gewesen und ist es noch, also sollte weder Zunkes philosophische Verve wirklich verwundern, noch die verärgerte Reaktion eines GSPlers.

    Das mit der „unreflektierten Universalisierung“ ist nun wirklich nichts, was besonders dem GegenStandpunkt vorzuwerfen wäre. Bei mir war das zum Beispiel der erste Eindruck von Zunkes Vortrag selber schon. Wenn jemand mit dem eingestandenermaßen Kampfbegriff „Menschheit“ ankommt, dann schaue ich immer erst mal nach, ob ich meinen Geldbeutel noch in der Tasche habe.

    Ja, es ist „richtig, dass man von GSPlern stets … hört, den Arbeitern sei der Schaden garantiert.“ Nur hat Zunke nicht recht, wenn sie einwendet, „dass die Hoffnung auf einen individuellen Aufstieg, z.B. mittels Lottogewinn, Arschkriecherei bei den richtigen Leuten oder krimineller Karriere wesentlich (zweck-)rationaler ist, als Revolutionär zu werden“. Denn das ist doch nun wirklich höchstens eine buchstäblich „individuelle“ Hoffnung, an den Klassenverhältnissen ändert es doch offensichtlich nichts, wenn mal ein Arbeiterkind es bis in eine Geschäftsführer- oder Vorstandsetage schafft oder einen Ministerposten ergattert.

    Insofern ist doch schon die „Rationalität“ in Frage zu stellen, die jeden Karrieristen angeblich antreibt, während sie den Revolutionären abgesprochen wird. Es sei denn, es wäre wieder mal nur das alte abgedroschene Argument der Chancen, die man so hätte und anders nicht. Also der klassische Verriß von revolutionären Umtrieben, mit dem Argument, daß die es einfach nicht gebracht haben. Es stimmt schon, aus der Generation von Held, Decker und Huisken haben es einige bis in hohe Ämter geschafft, der Ex-Sponti Joschka Fischer und sein Ex-KBW-Chef Joscha Schmierer fallen mir da z.B. ein, während die MGler sich immer noch mit einer Vierteljahreszeitschrift und ner Menge Veranstaltungen rumquälen. Aber wofür gibt das denn ein Argument ab?

  23. bla
    5. Januar 2011, 10:42 | #23

    Ich verweise auch noch mal auf einen älteren Vortrag aus Wien:
    .

    Zunkes Fehler besteht darin den Fehler eines Willens, welcher nur seine eigene Freiheit will zu kennen (dieser ist – so sagt sie selbst – leer und kein Wille) ihn aber zugleich retten zu wollen indem sie ein völlig inhaltsloses Gesetz, also gesetzmäßigkeit schlechthin, zum verpflichtenden Willensinhalt erklärt. Worin dieses Gesetz nun nicht eben so leer ist wie der berühmte »freie Wille der den freien Willen will« ist bleibt unklar.

    In einer Hinsicht stimmt der Vortrag dann wieder: Freiheit lässt sich gesellschaft wirklich nur verwirklichen wo die Freiheit des Willens, also die Person, geschützt wird. Dafür reicht allerdings nicht Moral sondern braucht es Gewalt.

  24. 5. Januar 2011, 11:07 | #24

    wo schließt sie denn gewalt aus?

  25. bla
    5. Januar 2011, 11:10 | #25

    Vortrag nicht gehört?

  26. 5. Januar 2011, 11:16 | #26

    genau das ist Kommunismus im hier & jetzt auch, genau so wie die idee eine futuristische sklavenhaltergesellschaft

  27. 5. Januar 2011, 11:34 | #27

    Den Inhalt des Gesetzes – die Achtung vor der Bedürfnisbefriedigung der anderen – mogelt sie rein. Zuerst fasst sie die Freiheit der Vernunft als Willens- oder Gedankenfreiheit nach dem Motto „Die Gedanken sind frei und nicht von Außen bestimmt, sonst wäre die Vernunft keine Vernunft und der Mensch kein Mensch, sondern Tier.“ Im nächsten Satz steht das Wörtchen „Freiheit“ schon nicht mehr einfach nur für die Freiheit des Denkens, sondern für die Freiheit, seinen Willen unbeschränkt verwirklichen zu können.

    So wird bei ihr aus einem Ist ein Sollen. Weil die Vernunft im Denken frei ist, soll sie auch dafür sorgen, dass alle vernünftigen Wesen frei sind. Jetzt aber frei nicht in Gedanken – da gäbe es auch nicht viel zu sorgen, im Denken sind sie schon frei – sondern im Tun. Dabei wird Vernunft bei ihr aus der einfachen Denkfähigkeit des Menschen zu so einer Art Universalsubstanz, die „die Menschheit“ irgendwie duchströmt und verbindet, so dass das einzelne Bewusstsein, weil frei im Denken, nicht nur seine EIGENE Freiheit im Tun, sondern auch noch die Freiheit ALLER anderen wollen soll.

    Das schienen mir jedenfalls die zwei Fehler ihrer Ableitung zu sein – von dem ganzen politinteressierten Drumherum, vom wegen mit Weltherrschaft wären Interessen (auch interessant, wie sie den Begriff umdefiniert zu einem genuin bürgerlichen, während Freiheit und Moral nicht bürgerliches, sondern Universalbegriffe sein und bleiben sollen) besser bedient als mit Kommunismus, abgesehen.

  28. 5. Januar 2011, 11:46 | #28

    @bla sogar live, war ja um die ecke. an welcher stelle meinst du denn setzt sie eine absolute ablehnung jeder form von gewalt?

  29. bla
    5. Januar 2011, 11:51 | #29

    bigmouth: Es ging doch gar nicht darum ob Zunke Gewalt überhaupt ablehnt; auch wenn sie deutlich macht, dass sie ihre vernünftige Gesellschaft auf gründen will, welche sie im Gegensatz zur Gewalt (Heteronomie) sieht. Mir ging es darum darauf hinzuweisen wie nah Zunkes vernünftige Gesellschaft an jener Gesellschaft der Freiheit ist, welche es bereits gibt: Sie will einen ohne seine Verselbständigung zur politischen Gewalt die Leute.

  30. 5. Januar 2011, 11:52 | #30

    die gute alte kf-disku (oder eine von mehreren) gibt’s hier: http://kf.x-berg.de/forum/thread.php?postid=21582#post21582

    pro komms hauptargument dagegen, keine leute verhungern zu lassen, auch wenn die einem lebendig nicht mehr nützen als tot, war offenbar, dass man dafür ein „ein arschloch sondergleichen“ sein müsse. wirklich überzeugend!

  31. pro_kommunismus
    5. Januar 2011, 12:10 | #31

    Dies gibt das damals Gesagte eine Winzigkeit zu verkürzt wieder.

  32. 5. Januar 2011, 12:18 | #32

    sorry für die polemik, das trägt wirklich nichts zur diskussionskultur bei. ich wette aber, du findest es auch eine spur frustrierend zu sehen, dass >5 jahre danach die positionen noch genau die gleichen sind?

  33. 5. Januar 2011, 12:25 | #33

    Ich jedenfalls finde es überhaupt nicht frustrierend, wenn schon mal zwei oder mehr Parteiungen oder auch nur Personen auch nach fünf Jahren noch auf dem Beharren, was sie damals schon für richtig befunden haben. Manche Leute ändern sich ja buchstäblich dan ganze Leben nicht. Dies hier ist doch eher ein Forum für Gedanken, die eh die gleichen bleiben, und nicht in erster Linie der battle ground, jemand auf seine jeweilige Seite zu kriegen, in dem man ihn dann doch überzeugt.

    Du kannst ja noch nicht einmal sagen, wem von den zumeist stummen Mitlesern überhaupt welches Argument einleuchtet. Es sind ja noch lange nicht mal 50.000 Leute, die hier mitreden, ja noch nicht mal 50. Es lesen ja mal gerade 500 Leute diesen Blog.

  34. Jona
    5. Januar 2011, 16:14 | #34

    Mir scheint Kant selbst recht widersprüchlich zu sein und damit kann man ihm beide hier vertretenen Positionen finden. Die Hegelsche Kritik, die der GSP anführt, passt nur, wenn der formale Imperativ ohne seine materialen Implikationen betrachtet wird. Dass man keine Bedürfnisse haben dürfe, das leugnet Zunke doch.

    Meine Fragen an Pro-K wären
    1) „Dabei ist überhaupt nicht einzusehen, warum ein Mensch eine vernünftige Sache (z.B. notwendige Arbeiten aufteilen) nicht machen sollte, weil sie eben vernünftig ist.“
    Da wird ‚vernünftig‘ einfach gesetzt. Klar: Wenn die Selbsterhaltung (und im Kommunismus ja noch viel mehr als bloß das) gewollt wird (für gut befunden), dann ist es zweckrational, notwendige Arbeiten auszuführen. Und wenn diese nicht nur bestimmten Personengeruppen auferlegt werden sollen (wovon ich mal ausgehe), dann ist es zweckrational, diese auf alle aufzuteilen, damit alle möglichst wenig unangenehme Arbeit machen. Frage: Ist es begründbar, dass man notwendige Arbeiten aufteilt? Steckt dahinter nicht schon, es sei vernünftig, dass alle (?) Menschen am Leben bleiben? Warum denn? Und warum soll man das auf alle aufteilen?
    2) Pro-K spricht diffus von „den Leuten“, die was unvernünftig finden und es – angeblich bei Kant – trotzdem gegen diese Einsicht tun sollen. Warum dieser Gegensatz? Und was ist mit der Vernunft „der Leute“ gemeint?
    3) Wie kommt man vom Interesse zum Universalismus, den Pro-K doch vertritt ohne den Taschenspielertrick, „den Leuten“ einfach das Interesse am Kommunismus immer schon zu unterstellen (und notfalls das, was man dafür hält, auzuzwingen). Vgl. Zunkes ML-Zitat?

    ad Neoprene
    Du nennst das mit Lotto/Kriminalität oder Aufstieg „doch nun wirklich höchstens eine buchstäblich „individuelle“ Hoffnung“, die „an den Klassenverhältnissen doch offensichtlich nichts“ ändert.
    Ich stimme vollkommen zu. Aber sagt Zunke, dass das was ändern würde? Ich glaube nicht. Die „höchstens individuelle Hoffnung“ ist aber objektiv (und – leider – tausendmal erwiesenermaßen) zweckrationaler, bestimmte nur individuell definierte Interessen (an Luxus z.B.) zu befriedigen. Klar, gelingt nur Wenigen und ändert nichts an der Klassengesellschaft. Aber die andere Hoffnung – Revolution – ist bisher stets gescheitert (oder hat nicht weniger unerträgliche Zustände für die Mehrheit der Menschen gebracht als der Kapitalismus)

  35. 5. Januar 2011, 16:31 | #35

    Ich bin zuwenig Philosoph um mit all den „Setzungen“, die auch hier bei Frau Zunke wieder vorkommen, irgendwas anfangen zu können. Mehr als den Ausgangspunkt von pro_kommunismusbrauche ich auch nicht. Es erscheint mir geradezu abstrus, solche Fragen zu wälzen: „Frage: Ist es begründbar, dass man notwendige Arbeiten aufteilt?“ Das begründet sich entweder aus der Sache, eine Bosporusbrücke kriegt nicht mal Superman allein hin, und es ergibt sich Zustimmung zu dem Projekt, oder es kommt halt nicht in die Welt. Ich unterstelle dabei übrigens den Leuten überhaupt keine bestimmten Interessen sondern sage nur, wenn sich Leute zusammenfinden, die so kommunistisch wirtschaften wollen, dann werden die das eben so machen. Weil sie es wollen und nicht, weil das moralisch das Senkrechte pur wäre. In Berlin hat sich vor Jahren eine Katze entschieden, mit einer alten Bärin zusammenzuleben. Das war dann halt ihr Ding. Die hat sich im Gegensatz zu Einigen hier garantiert nicht die Frage gestellt, ob das katzenmoralisch überhaupt zu rechtfertigen war.

    Zum Uralt-Kalauer, daß die ja eigentlich geteilte „Hoffnung“ auf Revolution leider leider nichts geworden ist (als wenn da nicht schon vorher und dann die ganzen Jahre eifrig dann gearbeitet worden ist, diese „Hoffnung“ kaputtzumachen) will ich hier nichts weiter sagen. Entweder es finden sich im Laufe der Streitereien hinreichend viele, die das einigermaßen einheitlich wollen, dann kommt das vielleicht, denn es gibt ja die anderen, die das partout nicht wollen, oder es wird eben nichts. Auhc das ist eine rein faktische Frage, und wirklich nichts Moralisches.

  36. 5. Januar 2011, 16:36 | #36

    Wenn man schon solche statistischen Prognosen aufstellen will, dann muss ich sagen, dass bisher weniger Revolutionen gescheitert sind, als ich im Lotto verloren habe 🙂

  37. 5. Januar 2011, 16:38 | #37

    Apple, dem kann/muß ich mich vollinhaltlich anschließen!!

  38. Labello
    7. Januar 2011, 01:01 | #38

    (Krim)

  39. 5. Januar 2011, 16:48 | #39

    Wo hast du den Taschenspielertrick entdeckt? PK sagt: ich will Kommunismus mit allen Leuten machen. Die Merheit der Leute will Kommunismus nicht (hat im Moment nicht das Interesse daran). Also muss ich die Mehrheit der Leute überzeugen. Wie? Ich weise nach, dass Bedürfnisbefriedigung im Kommunismus besser geht, als hier.

    Wo wird hier jemandem ein Interesse unterstellt?

  40. 5. Januar 2011, 17:03 | #40

    @ neo

  41. pro_kommunismus
    5. Januar 2011, 20:26 | #41

    „Ich bin zuwenig Philosoph um mit all den „Setzungen“, die auch hier bei Frau Zunke wieder vorkommen, irgendwas anfangen zu können. (…)
    Es erscheint mir geradezu abstrus, solche Fragen zu wälzen: „Frage: Ist es begründbar, dass man notwendige Arbeiten aufteilt?“ Das begründet sich entweder aus der Sache, eine Bosporusbrücke kriegt nicht mal Superman allein hin, und es ergibt sich Zustimmung zu dem Projekt, oder es kommt halt nicht in die Welt. Ich unterstelle dabei übrigens den Leuten überhaupt keine bestimmten Interessen sondern sage nur, wenn sich Leute zusammenfinden, die so kommunistisch wirtschaften wollen, dann werden die das eben so machen. Weil sie es wollen und nicht, weil das moralisch das Senkrechte pur wäre. “ usw.

    Dem habe ich nichts, aber auch gar nichts hinzuzufügen.

    Nur das mit der Katze führt glaube ich ab vom Thema, weil Katzen machen eben ihre Katzendinger und das ist auf Menschen nicht übertragbar, weil Katzen sich eh über nichts den Kopf zerbrechen. 🙂

  42. pro_kommunismus
    5. Januar 2011, 20:34 | #42

    Ich finde das übrigens ganz richtig analysiert, dass man schon im Lotto gewinnen muss, um als Löhner ein Leben nicht dem ruinösen Dienst am Kapital widmen zu müssen (wenn es einen überhaupt haben will).

    Im Ernst, den verrückten Einwand gegen Kapitalismuskritik habe ich noch von keinem, selbst dem härtesten Opportunisten nicht, gehört: Kapitalimus ist zwar scheiße, aber ich bin trotzdem dafür, weil er eröffnet mir die Chance von 1:67.000.000 im Lotto zu gewinnen und um mit dem Gewinn auch was anfangen zu könne, brauche ich eine kapitalistische Eigentumsordnung.

  43. Jona
    6. Januar 2011, 11:07 | #43

    ad Apple:
    1) „dass bisher weniger Revolutionen gescheitert sind, als ich im Lotto verloren habe“. Wie vernagelt muss man denn eigentlich sein, um zu behaupten, es sei schonmal eine kommunistische Revolution gelungen? Vielleicht sollte man sich dann mal über das „Gelingen“ der Oktoberrevolution u.a. unterhalten. Aber das wäre ja ‚Katzenjammer‘. Wenn Eure Auseinandersetzung mit der teilweise barbarischen Vergangenheit der „gelungenen“ Revolutionen so aussieht, dann möchte ich bei Eurer besser nicht dabeisein.

    ad Pro-kommunismus
    2) „verrückten Einwand gegen Kapitalismuskritik“: Falls Du es nicht bemerkt haben solltest, ich habe hier kein Argument gegen Kapitalismuskritik, sondern gegen Dein fehlerhaftes Schließen vom Interesse auf den Kommunismus und gegen das Gerede der GSP von „garantierten Schaden“ angeführt. Es ist doch kein Wunder, dass Ihr die Arbeiter damit nicht überzeugen könnt. Die sind eben Schlauer als Ihr es seid. Dass ich jetzt als „Opportunist“ in Potenz entlarvt bin, und Du auf solche billigen Exkommunikationspraktiken zurückgreifen musst, zeigt m.E., was man von Leuten wie Dir im Kommunismus zu erwarten hätte: Sittenwächter irgendeines ZK. Im Übrigen ist der Lottogewinn nur eine Strategie. Sicherlich ist das Arschkriechen und seine Arbeitskraft so teuer wie möglich Gestalten, ist das Einheiraten oder kriminell Werden erfolgversprechender.
    Und Apple: Dass in der Planwirtschaft eher für mich gesorgt wird als im Kapitalismus, das soll ein Gegenargument sein? Man muss ja erstmal dahinkommen. Wie gesagt, ich bin strikt dafür, aber das kann man nicht bloß mit dem eigenen Interesse begründen. Das ist hier die Frage.

    Wie gesagt: Ihr wollt ja nur nicht einsehen, dass Euer Argument falsch ist. Wir streiten uns hier nicht um das Faktum, dass Klassengesellschaft scheiße ist, dass es nur Ausnahmen sind, die aufsteigen können und dass das dann auf dem Rücken der anderen stattfindet (übrigens mit Kants kat. Imperativ wunderbar zu kritisieren!). Wir streiten uns darüber, was „Scheiße“ genau heißt und wie man dazu kommt, eine universalistische moralische Position einzunehmen (sprich: den Kommunismus für alle zu fordern und keine neue Sklaverei, wie in der SU geschehen, wie in China geschehen, zu begründen).

    ad Neoprene und Pro-kommunismus:
    3) „Das begründet sich entweder aus der Sache, eine Bosporusbrücke kriegt nicht mal Superman allein hin, und es ergibt sich Zustimmung zu dem Projekt, oder es kommt halt nicht in die Welt.“
    Ihr zieht die ganze Frage immer wieder auf eine zweckrationale Ebene, um den ethisch eigentlich interessanten Fragen auszuweichen. „Abstrus“, na dann… Ihr verweigert einfach jede Debatte darüber, wie man die Ziele, die man hat (Kommunismus) begründen kann und wie man von einem Interesse auf dieses Ziel kommen kann. Dazu könnt Ihr nichts sagen und deshalb wählt Ihr, um Euch gegenseitig wohlig zu bestätigen, die üblichen GSP-Übersprungsstrategien. Wenn Ihr nur im egenen Saft schmoren wollt und keine Argumente austauschen, dann ist es eben so und ich suche mir ein anderes Forum…

  44. 6. Januar 2011, 12:53 | #44

    Ach Jona, wenn du entrüstet fragst

    möchte ich dir nur entgegenhalten, welchen „Katzenjammer“ du eigentlich angesichts der nicht nur teilweisen barbarischen Vergangenheit und Gegenwart des imperialistischen Weltsystems an den Tag legst, daß du dir – eigentlich nur „uns“ – obendrauf auch noch den mittlerweile ja zum Luxus gewordene Frage stellst, was in der SU usw. „barbarisch“ gelaufen ist?

    Willst du ernsthaft behaupten, ausgerechnet auf diesem Blog, wo sich nun wirklich keine sonderlichen Freunde von Stalin, Honecker oder Mao tummeln, müsse ernsthaft zu allererst darüber gestritten werden, „was „Scheiße“ genau heißt“?

    Wie kommst du überhaupt dazu, anzunehmen, außer dir Zunke und vielen vielen Essayschreibern, Uni-Profs und modernen Seelsorgern würden hier die Leute sich grüblerisch fragen „und wie man dazu kommt, eine universalistische moralische Position einzunehmen“?

    Nur noch mal zur Klarstellung, deine „ethisch eigentlich interessanten Fragen“ interessieren mich nicht die Bohne. Genauer noch lehne ich solch eine Herangehensweise sogar ab.
    Kurz: Ich will nicht „Ziele“ begründen, sondern „einfach“ nur Mitstreiter für die finden, indem ich sie davon überzeuge, daß sie sich die auch setzen und mit mir und den anderen erkämpfen wollen. Und „wohlig“ ist mir dabei nun wahrlich nicht, im faktischen und ideologisch warmen Bettchen scheinst mir eher du zu sitzen. Und du verwechselst da was, wenn du mir/“uns“ unterstellst, „nur im eigenen Saft schmoren“ zu wollen. Erstmal gibt es „hier“ gar keinen Einheitssaft, in dem man schmoren könnte, zweitens ist dies nicht der Blog von Freunden der Briefmarken der frühen Kaiserzeit, solche Leute wollen zumeist wirklich in ihrem Saft schmoren.

  45. 6. Januar 2011, 13:01 | #45

    @ Jona

    Hmm, sehr vernagelt müsste man sein – das stimmt. Aber wo habe ich so etwas behauptet? Ich wollte nur darauf hinweisen, dass selbst wenn man mal den Einwand ernst nimmt – was der Sache nach ziemlich absurd ist, ich habe jedenfalls noch nie jemanden getroffen, der meinte: Kapitalismusanalyse verstanden und für gut befunden, als Lohnarbeiter IST man tendenziell arm dran, aber mit Lotto spiele rechne ich mir immer noch bessere Chancen auf ein nettes Leben aus, :: das ist dermaßen aus der Luft gegriffen … – selbst wenn man das spaßeshalber ernst nimmt und statistisch die bisher versuchten und nicht gelungenen Versuche einen Kommunismus zu machen mit meinen nicht gelungenen Versuchen einen 6er im Lotto zu machen vergleicht, die Chancen für einen erfolgreichen Kommunismus immer noch besser aussähen. Nicht mehr und nicht weniger war gesagt, blas dich also nicht so auf.

    Was? Auseinandersetzung? Wo? Hat keiner hier auch nur versucht. Wenn du nicht bei „unserer“ Revolution dabei sein willst, dann musst du es nur sagen. Du brauchst es nicht vor dir selbst und der Welt zu rechtfertigen, kannst deshalb auch deine blöden Denunziantenunterstellungen lassen.

    Man braucht bloß in die Welt zu gucken, um zu sehen, wie erfolgsversprechend das ist.

    Die Moralableitung von Zunke wurde von mir doch schon kritisiert. Sie ist nicht stimmig. Natürlich kann man Kommunismus für alle wollen, man KANN das aber NICHT „universalistisch“ moralisch begründen, sondern nur zweckrational oder durch bloße Sympathie. Und wenn du meinst, dass man es doch kann, musst du mal eine Begründung vorbringen, mit der man sich auseinandersetzen kann. Das tust du aber nicht. Du stänkerst bloß rum und mahnst ohne jedes Argument bloß an, dass man doch eine moralische Begründung bräuchte, sonst hätte man nicht diesen absolut sicheren Weg auch den opportunistischsten Phantasieproleten zu agitieren. Vielleicht gibt es diesen absolut sicheren Weg ja gar nicht (und den Phantasielottoproleten auch nicht). Schon mal daran gedacht …?

    Es hat übrigens auch keiner behauptet, dass man „bloß mit dem eigenen Interesse“ für alle Menschen ganz sicher begründen kann, dass Kommunismus gut für alle ist. Sondern neo hat richtigerweise gesagt, dass wenn irgendwelche Leute nicht einsehen, dass es ihrem Interesse nützt, dann machen sie halt keinen Kommunismus. Es gibt ja schließlich auch keine geschichtliche Notwendigkeit dafür, dass es den Kommunismus gibt, die man jetzt auch noch aus der menschlichen Vernunft rausleiern müsste.

    deine Behauptung, in der Sowjetunion geschahen schlimme Sachen, weil die Menschen dort keinen universalistisch moralischen Anspruch hatten, ist übrigens auch nicht richtig. Schon logisch nicht: Der Grund für die schlimmen Sachen soll nicht sein, dass sie etwas bestimmtes dachten und taten, sondern der, dass sie etwas NICHT dachten und taten.

  46. umwerfend, was sonst?
    6. Januar 2011, 14:02 | #46

    @apple: ich will ja echt nicht schlechte stimmung verbreiten; aber angesichts dessen, wie sehr kommunistische kritik auf anklang stösst, halte ich es doch für wahrscheinlicher, dass ich im lotto gewinnen würde – würde ich es denn überhaupt spielen -, als dass ich in meinem leben noch in den kommunismus komme. ich fang aber nicht mit dem lotto spielen an. stattdessen erzähl ich den leuten was übers hier und jetzt. warum? naja, vielleicht, weil der mensch ein „soziales wesen“. weil ich denke, dass ich was weiß und das teilen will. weil man, wenn man leute findet, die das dann teilen, jemanden hat zum das bequatschen. weil ganz alleine sein mit der kritik schon trist ist (mir persönlich ist aufgefallen – vllt anderen auch? -, dass das verstehen der verhältnisse sehr entlastend sein kann, aber auch sehr deprimierend: wenn man plötzlich merkt, man nur wenig in der hand – job, zukunft etc, da stürzt ja das ganze „du hast das in der hand“ zusammen -, dann ist das einfach der psychohammer im sinne von ner „entlastenden ohnmacht“.). und natürlich: weil man es versuchen muss, weil wenn man es nicht versucht, dann steht die wahrscheinlichkeit, den kommunismus lebend zu erreichen, bei 0%. aber allzu viel über 0% ist sie derzeit auch mit versuch nicht.

  47. 6. Januar 2011, 14:38 | #47

    Jona’s auf seinem eigenen möchte ich euch hier auch noch kredenzen:

    Nur zur rein technisch/sachlichen Klarstellung: Jona mag zwar meinen, daß Frau Zunke in ihrem Vortrag die „Art der Gesellschaftskritik formuliert, die der Gegenstandpunkt vertritt“ kritisiert habe, und ich könnte mir sogar vorstellen, daß die ihr nicht ganz unbekannt ist. Aber soweit ich den Vortrag gehört habe, enthält sich Frau Zunke jeglicher „ad hominem“-Kritik, also auch einer expliziten Kritik am GegenStandpunkt.

  48. pion
    6. Januar 2011, 14:48 | #48

    „wenn man es nicht versucht, dann steht die wahrscheinlichkeit, den kommunismus lebend zu erreichen, bei 0%.“

    ‚umwerfend‘ will ein lohnendes Angebot haben, damit er Kommunisten recht gibt. Das Blöde: Jeder weiß, dass das nicht möglich ist, wenn Trottel wie ‚umwerfend‘ die real existierende Ausbeutung damit verteidigt, dass es sie gibt. Da hat der Kommunismus schlechte Karten bei ‚umwerfend‘, weil es den nämlich nicht gibt. Kurz: Der handelsübliche Maulkorb für Kommunisten, ihre Rede spiele im Kapitalismus keine Rolle, weswegen sie das Kritisieren lassen sollten.

  49. komisches Hobby
    6. Januar 2011, 14:49 | #49

    @umwerfend, was sonst?:
    da hast du dir aber ein komisches Hobby zugelegt: „weil ich denke, dass ich was weiß und das teilen will. weil man, wenn man leute findet, die das dann teilen, jemanden hat zum das bequatschen. weil ganz alleine sein mit der kritik schon trist ist“.
    Wäre es da nicht sinnvoller Musik- oder Theaterkritiker zu werden? Da hast du mehr Leute zum quatschen, die irgendein Interesse von dir teilen, ein geringeres Risiko, und die Revolution kommt bestimmt auch nicht.
    Für mich ist kommunistische Aggitation jedenfalls nur Aufwand zum Zwecke der eigenen Interessensverfolgung und wird bei Zielerreichung umgehend unterlassen.

  50. umwerfend, was sonst?
    6. Januar 2011, 15:12 | #50

    @hobby: wo hab ich geschrieben, dass es ein hobby ist wie über romane quatschen oder ausstellungen? ist ja ne unterstellung. ich bin schlicht der überzeugung, dass die marx’sche kritik richtig ist. es geht also nicht um „irgendein“ interesse.
    aber relativ klar ist: würd‘ ich mich anstrengen und endlos heucheln und mich ordentlich verbiegen, könnte ich, u.a. über beziehungen, durchaus materiell mehr erreichen für mich – so wahrscheinlichkeitenmäßig, wie das apple aufgemacht hat – als mit der nächsten und übernächsten VA. da brauch‘ ich mir doch auch nix vormachen. hat auch was mit meinem „hintergrund“ zu tun, in der lage ist lange nicht jeder.
    nun stellt sich da natürlich wieder die frage, wieso ich mich dann überhaupt für ne kritik in dem laden interessiere, wenn ich für mich eh durch geschleime was rausholen könnt‘ (bin hin zu nem eigenen kapital. betrieb). und genau das ist ja gegenstand der debatte, denke ich. und mehr noch: wieso leb‘ ich dann auch noch anders als es ginge? wieso knecht ich nicht grad lohnabhängige, sondern leb‘ „lieber“ relativ bescheiden?

  51. Riddick
    6. Januar 2011, 15:20 | #51

    Ich weiß nicht, was ihr habt:

    „Es gibt nur einen vernünftigen Grund, Freiheit gesellschaftlich verwirklichen zu wollen: Moral“

    Zunke hat doch recht! 😀 Grüße!

  52. umwerfend, was sonst?
    6. Januar 2011, 15:21 | #52

    @pion: du hast doch ein rad ab. das ist nichts als dichtung. kommies sollen nicht das maul halten, im gegenteil. was glaubst du eigentlich,
    diese masche ist doch einfach nur noch lächerlich. aber wir können ja hier auch gemeinsam so tun, als wäre der kommunismus fast schon da, das stärkt dann die moral.

  53. Felix
    6. Januar 2011, 15:30 | #53

    @ pion und komisches hobby

    Ich habe eigentlich nicht den Eindruck, dass es umwerfend um Angebote zur sinnvollen Freizeitgestaltung geht.

    @ umwerfend

    Ein zwar banaler, in seiner praktischen Bedeutung aber nicht zu unterschätzender Punkt für Menschen, die angesichts der von dir geschilderten Erkenntnis, mit wem man sich alles anzulegen hat nicht resignieren, sondern diese Situation aushalten wollen, im alltäglichen Leben also irgendwie zurechtkommen müssen:

    „Es ist nix dagegen einzuwenden, dass man sich in diesen miesen Verhältnissen wechselseitig unter die Arme greift (meinetwegen auch instutionell), einander durchzieht und Tipps und Tricks austauscht wie man den Tretmühlen des Systems, wo immer geht, ausweichen kann etc. – es ist nun mal eine praktische Notwendigkeit (…)
    Genossen schanzen einem den einen oder anderen Job zu, weisen auf Gesetzeslücken hin, wo Geld abzugreifen ist, oder machen ganz groß Karriere um von ihrem Einkommen andere Genossen mitdurchzubringen und für die Agitation frei zu halten. Das macht man halt, weil man einander mag und den gleichen Zweck verfolgt“

  54. 6. Januar 2011, 15:41 | #54

    dann kalkulierst du offenkundig ganz doll verkehrt, sorry. dann doch besser abendschule und fernuni oder sonst was, um den wert deiner arbeitskraft zu erhöhen

  55. umwerfend, was sonst?
    6. Januar 2011, 15:55 | #55

    @felix: ja, so meine ich das. und dann auch noch in bezug auf das, was ich da „entlastende ohnmacht“ genannt habe. auch wenn man sich – zumindest soweit wie man halt schon gekommen ist – kritik raufgeschafft hat, geht es einem eben doch noch immer wieder psychisch schlecht, weil man steckt ja immer noch drin und das lässt einen nicht unberührt (da kommt es zu reaktionen, die schmerzen und die auch verärgern, weil man ihre grundlage schon längst kritisiert hat etc. – bereden hilft da mmn, damit fertig zu werden). es ist ja auch eine ziemlich verzweifelte situation. und man muss auch vieles, was man verinnerlicht hat, wegkriegen – und das dauert auch.
    das ist keine agitation, aber für mich zumindest (und ich glaube, ich bin da nicht ganz alleine) wichtig; weil ich war ne zeitlang ziemlich fertig nach dem verpaffen der illusionen.

  56. pion
    6. Januar 2011, 16:09 | #56

    @felix

    „dass es umwerfend um Angebote zur sinnvollen Freizeitgestaltung geht“

    Das steht bei mir auch nicht. Umwerfend operiert mit dem Erfolgsargument, dass er angeblich wegen schlechter Erfolgsaussichten Kapitalismuskritik verwerfen würde – und diese Tour, Kapitalismus NEBEN seiner Kritik als erfolgversprechendere Alternative für einen vorgeschobenen Materialismus zu betrachten, nennt man Opportunismus.

    Wer Kapitalismuskritik mit Lottospielen vergleicht, um dann abzuwinken, hat an den Gründen für Armut und Reichtum nicht viel auszusetzen. Vielmehr will so jemand Kapitalismuskritik mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung eines Durchblickers blamieren. Was aber, wenn der Maulkorb des Misserfolgs EINER DER GRÜNDE für das schlechte Abschneiden von Kritikern ist?!

  57. umwerfend, was sonst?
    6. Januar 2011, 16:31 | #57

    wo hab ich denn abgewunken? lol
    ich hab ja im gegenteil geschrieben, dass man es weiter versuchen sollte (leute zu erreichen mit der kapkritik). das lottospielen war btw vorher schon thema.
    du bist ja schon fast funktionaler analphabet vor lauter fahnungsstandpunkt.

  58. umwerfend, was sonst?
    6. Januar 2011, 16:34 | #58

    aber ich merk‘ schon, was hier TABU ist (so viel zum maulkorb): daran zu erinnern, dass zigtausende kommies ins grab gestiegen sind, bevor der kommunismus da war. scheint zu viel des realismus zu sein für die truppe hier. daher diese hysterische pseudokritik a la ich würde der kapkritik ne absage erteilen. lol

  59. 6. Januar 2011, 16:52 | #59

    @umwerfend:
    Ausgerechnet hier kommst du mit TABU (wieso eigentlich auch noch groß geschrieben?) und Maulkorb. Habe ich irgendwas von dir verboten? Ist gar irgendein Thema, das du angeschnitten hast, als hier als moralisch unzulässig deklariert worden?

    Nein, es nicht mehr (aber offensichtlich auch nicht weniger) passiert, als daß dir hier nicht alle zustimmen, weder gleich noch nach zwei drei Runden. Und das soll jetzt sowas Spezifisches sein, was dir sonst nicht passiert?? Ach komm!!

  60. umwerfend, was sonst?
    6. Januar 2011, 16:52 | #60

    @riddick: wenn jemand, der kein absolutes arschloch sein will, moralist ist, dann bin ich moralistin. kein problem.

  61. umwerfend, was sonst?
    6. Januar 2011, 17:00 | #61

    @neo: meingott, empör‘ dich halt über mich, die maulkorbverteilerin.

  62. pro_kommunismus
    6. Januar 2011, 17:05 | #62

    Kapitalismuskritik bringt einem in dieser Gesellschaft kein Geld ein. Das soll jetzt die Weisheit gegen Kritik sein? Schon mal überlegt, warum man mit der Kritik mal angefangen hat? Sicher nicht, weil man im Saus und Braus lebt.

    @ Neoprene: Verlinkt doch noch mal das Zitat von Peter zur Fabriktoragitation und dem Argument, das Flugblatt würde ihren Lohn auch nicht erhöhen. Man muss ja nicht immer alles doppelt sagen.

    Weil bei Jona Kommentare deaktiviert sind, mal was zu dessen Ideenwelt.

    Wer sich mal das Blog von Antifa Jona anguckt, der entdeckt mit geiferndem Nobbi-Tonfall einfach nur Empörung („absurd“, „grau“, „mehrheitsfähig“) statt Argumente, eine Empörung, die beginnt in dem Vorwurf, man dürfe in seiner Theorie das Verteidigen der Republik gegen den Faschismus nicht unterlassen, zu dem „Schluss“, das wäre gleich ein praktischer Schritt in Richtung Faschismus hin zu einem Sittengemälde eines Staates unter MG-Herrschaft:

    „Dieser Kommunismus wird also eine permanente GSP-Ausrichtungs- und Schulungsveranstaltung!“

    Klar, das wäre unser Paradies. 24h am Tag Schulungen, goil. Und Neoprene dürfte dann alle Blogs der Welt administrieren. Davon hat er sicher auch schon immer geträumt.

    „Ach ja, weil die Juden für „das entscheidende Hindernis des deutschen Aufstiegs zur Supermacht gehalten“ wurden, seien sie umgebracht worden.“ – wird da, ohne jegliches Gegenargument, empört konstatiert.

    Ja, für was denn sonst bringt eine kriselnde europäische Mittelmacht mit Weltmachtambitionen Menschen um?

    Sicher nicht für ihren schlechten Kleidergeschmack.

    Oder will Jona bestreiten, dass Deutschland ab 1933 Weltmacht werden wollte? Dann bitte Argumente liefern. Aber Argumente sind ja wahrscheinlich auch so eine böse MG-Erfindungen zur Knechtung der Menschheit.

  63. pro_kommunismus
    6. Januar 2011, 17:06 | #63

    Pion war schneller, das hätte ich auch noch sagen wollen.

  64. pro_kommunismus
    6. Januar 2011, 17:09 | #64

    Und wie immer: Der Grammatik-Nazi möge die Klappe halten.

  65. pro_kommunismus
    6. Januar 2011, 17:14 | #65

    Zu Jonas Kritik an der Heinrich-Kritik ist hier alles gesagt:

    http://www.gegenstandpunkt.de/jourfixe/prt/2008/jf080714.html

    „Heinrichs Opposition gegen das, was er als falsche, moralische, arbeiterbewegungsmarxistische Kritik am Kapitalismus festhält, ist die Kritik am Vorwurf des individuellen, moralischen Versagens des einzelnen Kapitalisten. Dabei sei Kapitalismus ein Zusammenhang der Konkurrenz, der jedem einzelnen etwas aufzwingt, also „alle, auch diejenigen, die vom Wirken des Kapitalismus profitieren, sind Teil eines großen Räderwerks. Der Kapitalismus erweist sich als eine anonyme Maschine, die keinen Maschinenmeister kennt, der diese Maschine mit seinem Willen lenkt und dem man für die von dieser Maschine angerichteten Zerstörungen verantwortlich machen könnte.“ Das ist sein Gegensatz zur von ihm kritisierten parteilichen Kritik am Kapitalismus. Daraus werden im Artikel einige Schlüsse gezogen: Hier liegt eine eigentümliche Entgegensetzung von Agenten und Gesetzmäßigkeiten vor, von gesellschaftlich (mit Gewalt) gültig gemachten Interessen. Damit wird erstens das Interesse, verfolgt als gegensätzliches aller Kapitalisten, die ums gleiche konkurrieren, zum Zwang gegen alle anderen. Ihr eigenes Interesse tritt ihnen als äußere Marktanforderung gegenüber. Sie sind zweitens als Charaktermasken mit ihrem Interesse zugleich Repräsentanten des gültigen Kapitalzwecks. Diese bekannten Aussagen nimmt Heinrich sehr konsequent auseinander und stellt sie gegeneinander. Das ist keineswegs unschuldig, sondern sehr folgenreich. Eine der Folgen ist, dass er zwar laufend durchaus über Klassen redet, aber gar nicht am Klassengegensatz dieser Gesellschaft herum argumentiert, sondern an der gemeinsamen Befangenheit in Systemzwängen.
    Wer sagt, er kenne keinen bestimmten Verantwortlichen, bleibt auf der Ebene der Verantwortlichmachung. Wenn er sagt, im System seien alle befangen, löst er die Verantwortungsfrage dadurch, dass er die von Marx so genannte Charaktermaske in zwei Seiten auseinanderlegt, zum einen in Agenten, die man haftbar machen könnte, wenn sie es bewusst machten. Zum anderen macht er getrennt davon einen anderen Grund fürs Agieren in diesem System verantwortlich, eben diesen Zusammenhang selbst, in dem alle entsubjektiviert, aus dem Standpunkt der Verantwortlichkeit entlassen sind, ohne den Standpunkt selbst aufzugeben. Er macht einen falschen Parteilichkeitsvorwurf, weil er ‚durchs System erzwungen‘ abstrakt gegen Moral setzt.“

  66. umwerfend, was sonst?
    6. Januar 2011, 17:24 | #66

    ja, dann kannst du mir sicher zeigen, wo ich das gemacht haben soll:

    wo habe ich kapkritik verworfen?

  67. pion
    6. Januar 2011, 17:27 | #67

    „daran zu erinnern, dass zigtausende kommies ins grab gestiegen sind, bevor der kommunismus da war“

    Deswegen die Wahrscheinlichkeitsvergleiche? Wer’s glaubt!

    Ja, als fundamentaler Kritiker hat man’s nicht leicht. Aber ins Grab gestiegene Revoluzzer verweisen auf einen Kritikpunkt mehr, der gegen die Staatsgewalt spricht. Wie soll man denn von einer Erfolgskalkulation auch nur auf ein einziges Argument kommen? Wer also Wahrscheinlichkeiten für ein Argument hält, tritt hinter seine EHEMALIGE Kritik zurück zugunsten der herrschenden Gewalt – und wer das anderen empfiehlt, hält deren Kritik den staatlichen Erfolg entgegen.

    Ist’s so weniger Maulkorbvorwurf oder habe ich wieder ein (Nazi-)Tabu gebrochen?

  68. umwerfend, was sonst?
    6. Januar 2011, 17:40 | #68

    natürlich. und auch wenn sie einfach so alt wurden und starben, dann ist das immer noch kein grund, kapkritik einzustellen.
    da steht bei mir auch nirgends. denn ich hab eigentlich das gegenteil geschrieben, aus ner subjektiven sicht – kommt ja wohl nicht gut an. dass die situation beschissen ist – und das habe ich festgestellt – ändert eben NICHTS an den argumenten gegen die herrschenden verhältnisse.
    die wahrscheinlichkeiten und das lotto waren doch oben angesprochen – und ich hab nur was eingeworfen. ich bin lediglich realistisch, das aber heißt NICHT, dass ich kapkritik verwerfen würde. das tu‘ ich NICHT. im gegenteil.

    wo soll ich das denn getan haben?! ich habe oben – das kann man ja nachlesen – geschrieben, dass man die agitation nicht aufgeben soll (muss es immer weiter versuchen).

    tabu? hä?

    sei doch mal ehrlich: du liest einen begriff und dann springt die schallplatte an, oder?

  69. 6. Januar 2011, 17:53 | #69

    @ pion

    Außer Zunke & Co hält hier auch keiner Wahrscheinlichkeiten für ein Argument – umwerfend erst recht nicht. Sie hat doch deutlich gesagt, dass sie nicht aus irgendwelchen Wahrscheinlichkeitsrechnungen Kommunistin ist. Das blöde Lotto-Beispiel kam aus dem Moral-Vortrag, es wurde sich ein wenig darüber lustig gemacht und jetzt ist’s gut.

  70. 6. Januar 2011, 18:13 | #70

    @pion: Du haust auf „umwerfend“ ein, meinst aber die Beiträge von Wulf & Jona. Laß das!

  71. pion
    6. Januar 2011, 18:35 | #71

    Sorry, hab mich verlesen und verzettelt mit den Diskutanten, Beiträgen und Foren.

    „dass die situation beschissen ist – und das habe ich festgestellt – ändert eben NICHTS an den argumenten gegen die herrschenden verhältnisse“

    Mehr wollte ich gar nicht gesagt haben. Wär womöglich nicht mal schlecht, wenn die Welt sich ändern würde aufgrund mieser Lebensperspektiven. Das ist dem Kapitalismus allerdings mehr als nur fremd.

  72. 6. Januar 2011, 18:55 | #72

    Ich habe Christine Zunke folgende Mail geschrieben:

    Sie hat dann umgehend geantwortet:

    Und das als (räusper) „gaaanz linke stand-up-philosophin“!

  73. pion
    6. Januar 2011, 19:05 | #73

    „Nur um zu begründen, warum alle was davon haben sollen, dafür braucht es Moral.“

    Nun, wem die Einsicht fehlt, dass er „was davon hat“, wenn alle „was davon haben“, der braucht Moral.

  74. Labello
    6. Januar 2011, 19:49 | #74

    Da der Streit über das Thema „Moral“ sich wie ein roter Faden durch die innerlinken Debatten der letzten Jahre zieht, wäre eine Veranstaltung dazu (z.B. analog der Nentwig-Diskussion) doch eigentlich mal an der Zeit, oder?

  75. 6. Januar 2011, 20:02 | #75

    Nun ja, zumindest der GegenStandpunkt macht das ja ab und zu, wie man den Mitschnitten entnehmen kann. Wenn du hingegen ein Streitgespräch haben willst, müßtest du dazu überhaupt erst mal wenigstens 2 Streiter(innen) an einen Tisch kriegen. Frag doch einfach mal rum, wenn dir daran liegt.

  76. bla
    6. Januar 2011, 20:22 | #76

    Vielleicht lohnt es sich hier noch mal einzuhaken: Es mag ja sein, dass auch der GS und seine Referenten manchmal mehr oder weniger explizit auf etwas Allgemeines verweisen. Dieses Allgemeine ist aber, und darauf weist Röhrig in dem verlinkten Vortrag auch hin, keine von den Interessen getrennte Vorstellung des sondern der von allen ganz selbstverständlich praktizierte Materialismus. Noch mal ein wenig anders in den Worten von Peter Decker:

    ()

  77. pion
    6. Januar 2011, 20:44 | #77

    „‚Gebote höherer Art‘ sind selbstredent immer autoritärer Quatsch.“

    … so wie das Gebot, dass „alle was davon haben sollen“. Eine Gesellschaft, in der es moralische PFLICHT sein muss, dass alle auf ihre Kosten kommen, hat eine andere Rechnungsweise als das Produzieren für Bedürfnisbefriedigung. Umgekehrt: Wenn „was davon haben“ der gesellschaftliche Produktionszweck ist, muss man nicht mehr betonen, dass der für alle gilt.

  78. 6. Januar 2011, 20:56 | #78

    Weil gewünscht, hier einer der auch für mich zentralen Punkte von Peter Deckers Vortrag an der SED-Parteischule 1990 in Ostberlin:

    (aus meiner )

  79. pro_kommunismus
    7. Januar 2011, 06:51 | #79

    „Einige Einwände, wie die Behauptung, ich würde eine anthropologische Konstante vom gierigen, bösen Menschen aufmachen, sind auch schlicht Quatsch – das Mißverständnis beruht wohl auf dem Fehler, zu glauben, es gäbe sowas wie natürliche Bedürfnisse…“

    Das war in polemischer Absicht dahergesagt, weil ich keinen positiven Grund für den Wunsch nach Weltherrschaft angegeben sehe, zumal auf der Seite der dann Beherrschten.

    Wer sagt, es braucht eine Moral, damit die Leute etwas (Schlechtes) NICHT tun, der sollte erst mal die Gründe sagen, warum sie etwas (Schlechtes) TUN und woher diese Motive kommen – ich behaupte mal, nicht aus einem Mangel an Moral.

    Im Kommunismus gibt es erst mal gar kein Motiv für Gewalt gegen andere und zwar mangels einer materiellen Grundlage und gar nicht wegen einer allgemein geteilten Moral. Wer das quasi unterstellt, der sollte auch MOTIVE benennen, denn, wie gesagt, Dinge aus moralischen Gründen zu unterlassen unterstellt erst mal ein MOTIV, das müsste dann aber auch mal positiv benannt werden. Zum Motiv der Bereicherung auf Kosten anderer, habe ich einen Einwand ja schon gesagt.

    Wer sagt, Moral ist, die Freiheit des anderen zu wollen, weil das vernünftig ist, der sollte auch sagen, warum das keine Selbstverständlichkeit wäre im Kommunismus.

    Übrigens, wenn es keine Selbstverständlichkeit wäre und auch die kommunistische Gesellschaft lauter Motive für Gewalt hervorbrächte, dann wäre eine selbstauferlegte Moral ja wohl das Letzte, was da als Bremse wirken würde. Dann bräuchte es schon wieder eine Sittlichkeit, also eine höhere Gewalt, die drauf aufmerkt.

    P.S. Einfach zu sagen, die eigentliche Moral sei etwas anderes als Sittlichkeit, wo man selber weiß, dass sie hierzulande anders gar nicht vorkommt, erscheint mir doch etwas idealistisch zu sein. Zumal die Leute ja nicht sittlich handeln wegen der Verwirklichung der Moral, die ist immer Heuchelei; und so bringt es recht wenig, sittlichen Menschen zu sagen, dass ihre Sittlichkeit moralisch widersprüchlich ist.

  80. 7. Januar 2011, 08:45 | #80

    pro_kommunismus hatte weiter oben angemerkt:

    Dazu paßt, daß die junge Linke umgekehrt Christine Zunke auch gut findet:
    In ihrem
    empfehlen sie die Dissertation von C. Zunke

    Der Verlag dazu:

  81. 7. Januar 2011, 09:33 | #81

    Wegen solcher Sätze werde ich wohl nie zum Freund der Philosophen und Philosophinnen:

    (aus , einem Paper von Christine Zunke)

  82. 7. Januar 2011, 09:58 | #82

    GSPler ham mir privat ihr gehirn-buch, das leider bei uns in der fachbibliothek geklaut wurde, auch empfohlen, mit der bemerkung, es sei aber sehr philosophisch aufgezogen

    übrigens würden längst nicht alle PhilosophInnen so einen satz schreiben

    @pro_kommunismus:

    ihre frage ist doch eher, warum sich leute pro kommunismus entscheiden sollten, zeit & mühe drauf zu verwenden, den anzustreben, wo es doch quasi unendlich viele alternativen gibt, und davon etliche erfolgsversprechender für wohlverstandenes eigeninteresse. ich verstehe nicht, was dir daran unklar bleibt.

    und: einwände damit abzubügeln, dass man plötzlich anfängt, über angebliche „Selbstverständlichkeiten“ zu schwadronieren, ist genau so intellektuell bankrott wie von der menschennatur daher zu faseln. ist im wesentlichen das gleiche argument: ich habe meien setzungen, und will darüber nicht weiter diskutieren

  83. irgendwer
    7. Januar 2011, 10:16 | #83

    bigmouth schrieb: „davon etliche erfolgsversprechender für wohlverstandenes eigeninteresse.“

    Dann schreib mir davon mal einen erfolgsversprechenden Weg auf, der mich als Eieressender Prolet – leider gerade Arbeitslos, aber mit Berufsausbildung – aus Wolfenbüttel gegen Atommülllager, Dioxin und meine Armut machen soll. Oder, falls dir das zu extrem ist, als Lehrer mit einer round about 55 Std.Woche, dafür aber mit 2.800 € Netto in der Tasche, aber immer noch mit Dioxineiern.

    Da bin ich jetzt ja mal ganz gespannt.

    Gruß

    irgendwer

  84. Sudelede
    7. Januar 2011, 10:25 | #84

    Wozu „passt“ das nun eigentlich? Bring halt ein Argument gegen die Ausführungen zur Hirnforschung, ob bei Junge Linke oder bei der Zunke. Wo ist hast du denn den „Kantmarxismus“ im jl-Text entdeckt?

  85. 7. Januar 2011, 10:29 | #85

    bioeier essen? die grünen wählen? spanisch lernen, nach südamerika auswandern? ist jedenfalsl alles erfolgsversprechender im kampf gegen dioxin-eier, als leute für den kommunismus zu agitieren, oder?

  86. umwerfend, was sonst?
    7. Januar 2011, 10:37 | #86

    @neo

    das ist doch das argument gegen agnes und nobbis determinismus. nur anders ausgedrückt.

  87. Sudelede
    7. Januar 2011, 10:52 | #87

    Oder wie es schon die französische Prinzessin ihren hungernden Bauern riet: Qu’ils mangent de la brioche. Du bist schon wahnsinnig (einfallsreich?), wenn du meinst diese Ratschläge würden ihm eher weiterhelfen als die Gründe für diese Schädigungen wegzuschaffen. Sowas ignorantes…

  88. irgendwer
    7. Januar 2011, 11:05 | #88

    bigmouth, das kannst du doch nicht ernst meinen. Du sagst, dass es für ein Mitglied des Proletariats, also der besitzlosen Klasse, ein gutes Leben, bei dem man seine Bedürfnisse befriedigen kann, hier und heute haben kann. Dafür hätte ich jetzt mal nen Beleg.

    Fangen wir mal mit dem einfachsten an:

    – Einkommensquelle, die nicht psychisch und physisch kaputt macht und bei der vor allem auch noch Zeit übrig bleibt, was mit seinem Leben anzufangen. Eine 40 h/Woche ist das schon mal per definitionem nicht.

    – Einkommensquelle, die so viel abwirft, das man damit seine Bedürfnisse halbwegs befriedigt bekommt. Sagen wir mal realistischer Weise für eine Einzelperson ab 2.000 netto.

    **

    Tja, und dann vielleicht auch noch Essen, das nicht vergiftet ist (Bio, das ich nicht lache: http://www.freitag.de/wochenthema/1015-1015-06-07-text-3). Wobei das nur ein Beispiel ist.

    **

    So, und das ganze jetzt nicht als Zufall, sondern als eine Sache, die für jedes Mitglied des Proletariats in absehbarer Zeit möglich ist.

    Ich bin gespannt.

  89. 7. Januar 2011, 11:51 | #89

    nein, ich sage, die wahrscheinlichkeit, mit einigen anstrengungen glück zu haben als proletarier und gesellschaftlichen aufstieg zu machen, ist vorhanden, und deutlich höher als die aufwand/nutzen-relation, für den kommunismus zu agitieren. der ist nämlich wohl auch kaum „in absehbarer Zeit möglich“ – höchstens in dem sinne, dass möglich heißt „nicht völlig undenkbar“

    und „per definitionem“ ist unsinn. es ist doch höchst subjektiv, was es heißt, daß „einem Zeit übrig bleibt, was mit seinem Leben anzufangen“, oder einen „psychisch und physisch kaputt macht“. was ist denn „psychisch kaputt“? du führst hier einfach objektiv klingende bestimmungen ein, und behauptest, die würden die meisten leute hier & und jetzt betreffen.

    außerdem: wer sagt eigentlich, daß eine revolution einen nicht „psychisch und physisch kaputt macht“, vielleicht sogar ziemlich endgültig? und da hat man bestimmt auch nicht viel zeit dazu „was mit seinem Leben anzufangen“. das scheint aus deiner rechnung rauszufallen, weil du kommunismus dir irgendwie eschatologisch als erfüllung aller wünsche vorstellst, und den whrshc recht harten weg dahin einfach rausfallen lässt

  90. 7. Januar 2011, 11:52 | #90

    hier stellt sich mir die frage: warum soll mich das interessieren? du setzt einfach voraus, dass leute ein klasseninteresse haben

  91. irgendwer
    7. Januar 2011, 12:09 | #91

    Ja, dann sag doch mal endlich diese goldene Lösung. Lotto kann’s ja nicht sein.

    Ansonsten: gesellschaftlicher Aufstieg und Bedürfnisbefriedigung sind ja auch zwei verschiedene Paar Stiefel.

  92. Krim
    7. Januar 2011, 12:26 | #92

    „mensch braucht keine Moral um Arbeitsteilung so zu organisieren, dass alle was davon haben etc. das stimmt ja alles. Nur um zu begründen, warum alle was davon haben sollen, dafür braucht es Moral.“ – Steh ich auf der Leitung? Die zwei Sätze kommen mir vor wie ein unmittelbarer Widerspruch. Was soll die Aussage sein? Man kann das Wohl Aller (ohne Moral) organisieren, aber nicht (ohne Moral) begründen? Wenn man morallos organisiert, dass alle was davon haben, dann schließt das doch ein, dass man keine moralische Begründung hat.

  93. Sudelede
    7. Januar 2011, 12:38 | #93

    Großmaul, so „höchst subjektiv“ es auch sein mag was für Interessen so ein Mitglied des Proletariats hat, so objektiv systematisch kommen diese Interessen zu Schaden aufgrund seiner Klassenstellung. Um das zu erkennen braucht es keine Moral, sondern ein stimmige Erklärung der Zwänge der diese Klasse kollektiv unterliegt. Was Du aber dem Interesse, z.B. an gesunden Lebensmitteln, anempfiehlst ist nicht „erfolgsversprechender als…“ sondern schlicht unsachlich.

  94. Krim
    7. Januar 2011, 13:05 | #94

    „nein, ich sage, die wahrscheinlichkeit, mit einigen anstrengungen glück zu haben als einzelner proletarier und gesellschaftlichen aufstieg zu machen, ist vorhanden,..“Die „Wahrscheinlichkeit“ sein Glück zu machen in dieser Gesellschaft ist genau so groß, wie es momentan Leute gibt, die ihr Glück gemacht haben. Und hast du dein Glück gemacht? Na dann ist die „Wahrscheinlichkeit“ wohl nicht so groß. Diese Überlegung, sein Glück machen zu können, produziert die momentanen Resultate.

    Wegen dieser schlechten „Wahrscheinlichkeit“ wird man Kommunist. Konkurrenz produziert nunmal wenige Gewinner und eine Masse an Verlierern mit Gewissheit. Die Wahrscheinlichkeit sein Glück zu machen ist also bloß die ideologische Schönrede der Gewissheit, dass ein Leben hier kein Spaß ist. Und dem wird dann ebenfalls ideologisch der Mißerfolg kommunistischer Anstrengungen ebenfalls als Wahrscheinlichkeit entgegengehalten. Wer natürlich solche Milchmädchenwahrscheinlichkeiten als Argument gebraucht, der geht auch vom Mißerfolg aus, hat sich also von der Alternative zum Kapitalismus verabschiedet. In Wahrheit handelt es sich nicht um eine Frage von Wahrscheinlichkeiten, sondern um eine Frage des politischen Willens.

    Ist mir klar, dass der Glaube an ein persönliches Glück systemnotwendig nur für wenige aufgeht, dann werde ich Kommunist und dann sind mir an den Haaren herbeigezogene(Miß)Erfolgsrechnungen auch egal.

  95. irgendwer
    7. Januar 2011, 13:09 | #95

    Zu den arbeitsbedingten psychischen Störungen braucht man nur Zeitung lesen. Zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung: „mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer ist der DAK zufolge bereits von typischen Symptomen für eine psychische Erkrankung betroffen: Das sind zum Beispiel Schlafstörungen (53 Prozent), depressive Verstimmungen (37 Prozent), Nervosität (36 Prozent) und Konzentrationsstörungen (32 Prozent).“ http://www.sueddeutsche.de/karriere/psychische-stoerungen-im-job-arbeit-die-krank-macht-1.483016

    **

    Zum: was heißt, Zeit zu haben zum Leben? Eine kurze Rechnung: 8 Stunden Arbeit + 1 Std. unbezahlte Mittagspause (ist gesetzlich vorgeschrieben) + 1 Std. An- und Abfahrt (und das ist sehr konservativ gerechnet) = 10 Std. vom Tag schon mal weg. Danach ist man ziemlich erledigt. Geht jedenfalls mir so und auch allen anderen Menschen, die ich kenne. Regenerationszeit kann dann unterschiedlich sein, aber nach so einem Tag noch viel machen, ist schwer. Zumal man ja am nächsten Tag wieder hin muss. Was ist daran denn so sonderbar?

    Also, jetzt mal raus mit deinem goldenen Weg zu Geld & Freizeit.

  96. 7. Januar 2011, 13:12 | #96

    umwerfend, jetzt lese ich den von mir inkriminierten Satz

    auch nicht mehr so streng. Ich bin eben alles andere als ein Philosoph. „Freiheit“ ist halt auch nur ein weiterer philosophischer Kampfbegriff, bei dem sich Christine Funke ja auch sichtlich mühen muß, daß man den nicht gleich im klassisch bürgerlich-philosophischen Sinne „miß“versteht.

  97. 7. Januar 2011, 13:51 | #97

    ich finde es ja sympathisch, wenn leute kapitalismus baschaffen wollen, aber unter berufung auf „wohlverstandenes eigeninteresse“ ist es mir nicht einsichtig, wie man da gleichzeitig ablehnen will, dass leute auch die chancen auf umsetzung in die rechnung einfließen lassen. das IST ein widerspruch!

  98. Krim
    7. Januar 2011, 14:00 | #98

    Gegen deine Wahrscheinlichkeiten/Chancen habe ich oben argumentiert. Bezieh dich darauf.

  99. umwerfend, was sonst?
    7. Januar 2011, 14:06 | #99

    @neo: naja, ein bisschen verschwurbelt halt, akademisch. aber benannt ist damit eben wohl nur der wille.

  100. 7. Januar 2011, 14:50 | #100

    sorry, krim, ich kann da kein einziges argument erkennen

  101. pion
    7. Januar 2011, 15:16 | #101

    @krim
    „Wenn man morallos organisiert, dass alle was davon haben, dann schließt das doch ein, dass man keine moralische Begründung hat.“

    Genau, und dann sagt die gute Christine: Da fehlt doch was. Wie soll man denn zu dem Zweck kommen, dass „alle was davon haben“, wenn man eigentlich nur für sich etwas will?! Philosophen UNTERSTELLEN bei allem die Moral (deswegen haben auch Moralkritiker eine, die sie in der Konstruktion angeblich leugnen) – und schon ist die Moral wieder gerettet vor ihrem Begriff. Auf der Suche nach dem geeignetsten Imperativ wird der gesellschaftlich gültige Wertehimmel als VERKEHRTE Moral aussortiert.

    „Edel sei der Mensch,
    hilfreich und gut!
    Denn das allein
    unterscheidet ihn
    von allen Wesen,
    die wir kennen.
    […]“

    (Goethe: „Das Göttliche“)

  102. 7. Januar 2011, 15:43 | #102

    das problem ist doch schlicht: wenn eben NICHT alles was davon haben, haben unter umständen die leute, die den ausschluß vornehmen, MEHR davon. wenn man sich bspw entscheidet: ne, den afrikanern nehmen wir weitehin ihre rohstoffe weg, ohne denen zu helfen, sich ein besseres leben auf die beine zu stellen – wo ist denn da der schaden für die ausschließenden, also uns europäer in dem beispiel? idr kennt man ja keine leute in afrika persönlich, da könnte man also auch mit den schultern zucken und sagen, tja, ham die halt historisch pech gehabt. ich sehe nicht, wie in so einem szenario mit verweis auf „wohlverstandenes eigeninteresse“ dagegen argumentiert werden kann, leute verrecken zu lassen, wenn einem die lebendig nicht mehr nützen.

  103. pion
    7. Januar 2011, 16:17 | #103

    @bm
    „den afrikanern nehmen wir weitehin ihre rohstoffe weg“

    Da gilt dasselbe wie bei Christine: Erst soll behauptet sein, man wolle Bedürfnisbefriedigung als Produktionszweck und dann werden die Bedürfnisse wieder sortiert – und zwar nicht nach Dringlichkeit, sondern nach Kontinent! Das eigentlich Witzige: Solche Arschgeigen, die den Schaden anderer Bedürftiger als ihr Mittel betrachten, sollen sich WEGEN EINER MORAL zurückhalten? Es ist doch umgekehrt: Für das systematische Verhungern müssen Titel wie „Brot für die Welt“ her!

  104. Labello
    7. Januar 2011, 16:29 | #104

    Aus dem :

    „Christine Zunke, Dozentin am Institut für Philosophie der Universität Oldenburg, versucht sich darin an der Entwicklung eines, bürgerlicher Sittlichkeit entgegengesetzten, gesellschaftskritisch brauchbaren Moralbegriffs. Mit seiner Hilfe kann sie zeigen, warum VertreterInnen einer Herrschaftskritik, die vom (Privat-)Interesse der/des Einzelnen her begründet und an dieses adressiert wird, hinter Marx zurück fallen und zudem ständig Gefahr laufen, autoritär zu werden, wenn sie an die Agitierten deren »eigentliches« oder »objektives Interesse« von außen herantragen. – Abstoßungspunkt ist also der – bei ihr namenlos bleibende – GegenStandpunkt und seine Moralkritik (…), der eine gewisse Verwandtschaft zum ML nachgewiesen werden kann.“

    Dann wird die gute Frau wohl demnächst als Kronzeugin für den endlich „nachgewiesenen“ ML des GS Karriere machen

  105. Krim
    7. Januar 2011, 16:52 | #105

    @pion: Ich versteh bloß nicht, wie man davon ausgehen kann, dass eine morallose Organisation der Arbeitsteilung funktioniert, aber gleichzeitig soll man sich den Zweck nicht (ohne Moral) setzen können. Oder umgekehrt: Wenn das Zwecksetzen nicht ohne Moral geht, dann wohl auch die Organisation des Zwecks. Aber wieso soll die moralfreie Organisation des Zwecks gehen, aber nicht das moralfreie Zwecksetzen. Das ist doch in sich unlogisch.

    Das machen sie, weil sie das Eigeninteresse immer mit kapitalistischem Inhalt füllen. Im Kapitalismus steht das Eigeninteresse immer in Konkurrenz zum Interesse von allen anderen. Das Eigeninteresse ist eben Konkurrenz und Eigentum, Reichtum, der alle ausschließt. Daher braucht es die Moral, ein idelles Gemeininteresse als Bremse. Es ist aber verkehrt, dass Eigeninteresse per se das Wohl aller ausschließt. (Steht auch in dem von Labello verlinkten Text)

    @bigmouth: Das Argument heißt: Deine Wahrscheinlichkeiten sind eine Milchmädchenrechnung. Wie und mit welchen Mittel stellst du dir denn den Auschluß der Amerikaner oder Afrikaner vor? Willst du dafür ne Gewalt organisieren? Willst du dafür ins Gras beißen? Da hast du dann ja was von deinem Mehr. Was soll das überhaupt für ein konkretes Bedürfnis sein?

  106. bla
    7. Januar 2011, 16:54 | #106

    Labello: Lass doch die Empörung bleiben. Es ist doch arschklar, dass Zunke bei ihren Ausführungen an den GegenStandpunkt gedacht hat und sich gegenüber dem abgrenzen wollte. Dass sie das am Ende mit dem Vorwurf garniert jene Art der Kritik führe letztlich zu autoritärem Gehabe und eine Art von ML ist zwar nicht nett, aber auch kein neuer Vorwurf. Widerleg sie doch bitte inhaltlich und heul nicht rum, weil sie etwas böses über den GS gesagt hat.

  107. 7. Januar 2011, 17:23 | #107

    @krim: heißt, könnte ich dir vorrechnen, dass ich recht habe, würdest du sagem: oh ja, dann lass uns die afrikaner ausschließen? mir geht es ja nicht um die frage, ob dem tatsächlich so ist, sondern ich versuche hier zu klären, was leute hier genau mit interesse & dem ganzen drumrum meinen. also: willst du leuten nur nicht schaden, weil du dann vielleicht ein risisko eingehst, bzw ihnen nur nützen, weil sie dir nützen, oder was?

  108. narodnik IS BACK
    7. Januar 2011, 17:48 | #108

    Ein gemeinsam gefasstes Interesse, in dem Allgemeinheit und Besonderheit nicht abstrakt voneinander getrennt sind, ist nicht dasselbe wie ein Moralprinzip. Wenn sie schreibt:
    Dann nimmt sie die JETZT HERRSCHENDE Entgegensetzung von Bedürfnis und abstrakter Allgemeinheit der Warengesellschaft zur überhistorischen Folie. Diese abstrakte Allgemeinheit abzuschaffen, ist aber ja gerade die Zwecksetzung derer, die da mit dem Kommunismus antreten, die Welt umzustürzen.

    Ein realisiertes „Interesse“ ist dann nicht mehr zwangsläufig die Schädigung des anderen; es geht dann nicht mehr schlecht-unendlich um die Vermehrung des Geldreichtums im Sinne einer exklusiven – privaten – Zugriffsmacht auf die Mittel der Bedürfnisbefriedigung.

    In der kommunistischen Zwecksetzung steckt dies alles drin. Der Grund für die Abschaffung des Kapitals ist sinnlicher Natur und bedarf keiner abstrakten Pflichtenlehre, wie Christine Zunke hier behauptet.

  109. 7. Januar 2011, 18:03 | #109

    aber sie interessiert sich ja gerade für die begründung, hergottsakra

  110. pion
    7. Januar 2011, 18:08 | #110

    „willst du leuten […] nur nützen, weil sie dir nützen, oder was?!“

    Was wäre denn gegen einen gemeinsamen Nutzen als Grund für Kooperation einzuwenden?

  111. narodnik IS BACK
    7. Januar 2011, 18:10 | #111

    Die Begründung ist – hergottsakra – eben, dass mein Bedürfnis hintangehalten wird; das einer ganzen Klasse zumal. Das geschieht notwendig qua Kapitalverhältnis, ist kein okkasioneller Zufall.

    Um das aber abzuschaffen, muss ich mich mit denen zusammentun, denen es notwendig auch so ergeht: Entweder tanzen alle oder es tanzt keiner! Dann setzt man sich den Zweck (das gemeinsame Interesse) die Produktion auf Bedürfnisbefriedigung umzustellen.

    Christine Zunke tut aber so, dass die individuellen Bedürfnisse in ihrem sinnlichen Gehalt unvereinbar sind mit einer Gemeinschaft. Das entnimmt sie dem Status Quo und extrapoliert das in den Kommunismus hinein, dessen Aufgabe ja gerade die Negation des Widerspruchs von Bedürfnis und Gesellschaft ist.

  112. 7. Januar 2011, 18:14 | #112

    „“, sagt Zunke in ihrem Vortrag und tut damit so, als ob es Interessen nur im Kapitalismus gäbe. Während sie sich sonst ständig bemüht, DIE Moral von der bürgerlichen Moral und DIE Pflicht von der bürgerlichen Pflicht abzugrenzen, soll das bei Interessen nicht der Fall sein.

    DAS Interesse ist für sie die verkrüppelte Art und Weise, wie man seine Bedürfnisse verfolgt, wenn man die herrschaftlichen Vorgaben „internalisiert“ hat. Als würden im Kapitalismus Interessen auf so eine Weise zustanden kommen, dass man sich den herrschaftlichen Zwang einleuchten lässt. Im Kommunismus sieht sie deshalb keine Interessen, muss also auch gar nicht begründen, warum sich da Interessen in die Quere kommen oder nicht. Wenn ich mich im Kommunismus an einer arbeitsteiligen Produktion beteiligen wollte, wäre es demzufolge nicht mein Interesse, sondern ein Bedürfnis, dass meinem Willen unmittelbar von der Natur gesetzt wird (so definiert sie Bedürfnis nämlich).

    Am Ende reproduziert sie den Kant’schen Quatsch: Der Mensch hat lauter natürliche Bedürfnisse, die ihm wie einem Vieh zukommen, ist seinem Begriff als vernünftiges Wesen nach aber dazu befähigt/verpflichtet (ist bei ihr das selbe), sich bei ihrer Befriedigung zurückzuhalten, wenn er die Freiheit anderer Verletzen würde.

  113. Krim
    7. Januar 2011, 18:21 | #113

    Man braucht keine Gründe etwas nicht zu tun, sondern nur Gründe etwas zu tun. Warum soll ich jemandem schaden wollen? Das ist zwar abstrakt, aber im Grunde ja. Das gesellschaftliche Verhältnis ist im Kommunismus eben so, dass der Schade der anderen auch mein Schaden ist bzw. habe ich von ihrem Schaden im allgemeinen keinen Nutzen. Man braucht die Gesellschaft ja, damit man an den konkreten Reichtum kommt. Ohne die anderen schiebt sich gar nichts. Der gesellschaftliche Zusammenhang ist einfach einer bei dem ich mit meinem Eigeninteresse auf die anderen angewiesen bin und deshalb schließt mein Eigeninteresse auch ihr Wohl ein.

  114. 7. Januar 2011, 18:24 | #114

    Zum Vortrag von Christine Zunke bei der roten ruhr uni hat sie mir übrigens geschrieben:

  115. Heinrich R.
    7. Januar 2011, 19:16 | #115

    Krim, wie machst es dann mit Leuten, die dir nichts nützen, um dir das Leben hier besser einzurichten? Sagst du, die sind mir egal?

  116. pro_kommunismus
    7. Januar 2011, 20:19 | #116

    An was denkst du?

  117. Krim
    7. Januar 2011, 20:19 | #117

    Die gibt’s im Kommunimus strenggenommen nicht. Man hat da einen gesellschaftlichen Zusammenhang vor sich, der eben nur als Ganzes funktioniert und nur als Ganzes auch die Leistungen erbringt, und deshalb fängt man da gar nicht erst an jemanden rauszusortieren.

    Insofern stimme ich pion zu: „Was wäre denn gegen einen gemeinsamen Nutzen als Grund für Kooperation einzuwenden?“ Ob ich den Nutzen von Allen wegen meinem Nutzen will oder ob ich gleich den gemeinsamen Nutzen will, indem mein Nutzen vorkommt, ist derselbe Standpunkt von verschiedenen Polen aus betrachtet.

  118. Krim
    7. Januar 2011, 21:53 | #118

    (Zunke)

    Es ärgert mich schon, wie die Argumentation des GSP mit dem Interesse bzw. der Schädigung des individuellen Interesses einerseits als stinknomales bürgerliches Interesse diffamiert wird, und gleichzeitig sein Inhalt, der ja gerade darin besteht die Bedürfnisbefriedigung zum Maßstab der gesellschaftlichen Produktion machen zu wollen, der also das Gegenteil von bürgerlich ist, als vermessen gegeißelt wird. Es ärgert mich, weil es verlogen ist. Die Tussi weiß ganz genau, dass der Inhalt des eingeklagten Interesses nicht systemkonform ist. Sonst würde sie es nicht als vermessen bezeichnen. (Subtext: Die bösen Kommunisten wollen arglosen Bürgern ihren subjektiven kommunistischen Spleen aufzwingen.) Trotzdem tut sie so als wäre es bei dem Interesse, das von GSPlern manchmal eingeklagt wird, darum gegangen ein altes Auto zu verticken oder eine Lebensversicherung abzuschließen.

  119. Krim
    7. Januar 2011, 23:16 | #119

    Klar doch! Wer Lottogewinn und Weltherrschaft nicht als Inbegriff eines nützlichen Mittels betrachtet, der kann ja bloß ein heimlicher unreflektierter Moralist sein. Und wer Karriere ablehnt, vielleicht weil er eh schon rausgeflogen ist, vielleicht weil er sich einfach, wie von der Zunke am Anfang gefordert nicht noch mehr anstrengen will, um sich gegen die vielen anderen, die das selbe wollen durchzusetzen, muss ein beinharter Moralist sein. Für sone linke Unitante ist es offenbar unvorstellbar, dass es andere Gründe als moralische geben könnte sich nicht für das Abrackern im Job, das Verzapfen von bürgerlichem Bildungsblödsinn, fürs Arschkriechen, für Skrupellosigkeit oder Tugendhaftigkeit zu begeistern.

    Wie geht das nochmal mit dem Glück, wie kann man das als Mittel für sich und gegen andere in Anspruch nehmen? Kann man das Pachten?

  120. 8. Januar 2011, 00:19 | #120

    An der Stelle hat mich auch sehr beeindruckt, wie sie einfach von jeder systematischen Kapitalismusanalyse, die vermutlich auch ihr bekannt sein dürfte, Abstand nimmt. Wenn es mit der Bedürfnissbefriedigung in der Klassengesellschaft nicht klappt, dann muss man sich halt einfach mehr anstrengen. Sie bespricht den Gedanken nicht als das, was er ist – Einbildung des Konkurrenzsubjekts – sondern hält das tatsächlich für eine !

  121. umwerfend, was sonst?
    8. Januar 2011, 00:32 | #121

    also ich weiß ja nicht. allzu realitätsnahe stellt sich mir das jetzt nicht dar, zumal ja explizit arbeiter angesprochen sind. die steigen, das lässt sich ja auch – ich weiß, das ich mir hier wieder unbeliebt mache, wenn ich sowas schreibe – astrein statistisch veranschaulichen, dass man als arbeiter äußerst selten oben ankommt (begonnen mit der selektionsmaschine schule usw., wo sich – natürlich gewollt – ein ‚mangelnder‘ bildungsbürgerlicher hintergrund durchaus negativ bemerkbar macht). sehr viel wahrscheinlicher rutscht man weiter ab.
    was sich im übrigen auch im volksspruch: „durch (ehrliche) arbeit wird man nicht reich“ ausdrückt.
    leider ziehen die menschen die falschen schlüsse und manchen sich in der regel auf schädlingssuche, die ihnen da ihren ihnen ‚eigentlich‘ zustehenden erfolg versauen.

    das ignoriert mmn, dass sich die „sachwalter des kapitals“ in der regel eben nicht aus der arbeiterklasse rekrutieren. aber die arbeiter machen ja trotzdem mit, mit schädlingssuche beschäftigt als gute nationalisten – stets ihre bedürfnisse zurücksteckend.
    die sind nicht keine kommunisten, weil es hier um die ‚chancen‘ bzw. deren verwirklichung so gut steht.

    insofern möchte ich mich apples (v.a. letztem satz) anschließen.

  122. _nobody
    8. Januar 2011, 10:26 | #122

    Zunkes Überlegung ist korrekt. Was daran stört ist die Moral und ihre Beispiele sind schlecht.

    Es ist eine Lebenslüge von Kommunisten, dass sie meinen sie hätten ein Angebot an die Bedürfnisse der Leute. Wenn man sich als Einzelner dazu entschließt an der Revolution teilzunehmen, dann steht einem eine Menge Elend und Entbehrung ins Haus und keinesfalls die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse! Dass der Kampf nichteinmal einen Vergleich mit den mickrigen Resultaten der Lohnarbeit aushält, sondern Entbehrung f. die Lohnarbeitenden bedeutet, kann man empirisch jedem der stattgefundenen Kämpfe entnehmen und das kann man theoretisch am um den da gekämpft wird beweisen. Wenn es nämlich entlang der kommunistischen Vorstellung um die geht, man dem Staat „die Machtfrage“ stellen will, dann wird sehr prinzipiell gefochten. Die Übergänge, die Kommunisten in diesem Machtkampf machen müssen, haben auch überhaupt nichts mit ihrer Idee einer Gesellschaft, die Mittel der Bedürfnisse ist zu tun. Sie müssen sich nämlich dann auf ihre lieben Mitkommunisten als Mittel beziehen und sie im Kampf mit dem Gegner verheizen.
    Offen ist auch, ob dieser schöne Machtkampf, den Leute wie Wentzke anscheinend kaum erwarten können überhaupt im Kommunismus mündet. Das hängt nämlich nicht von den Kommunisten-, sondern einfach davon ab, welche der beteiligten Parteien, die entsprechende Rücksichtslosigkeit gegen Menschen und Material eingeschlossen besser in diesem Machtkampf für sich mobilisiert. (die Revolution ist also kein Mittel der Kommunisten – so wenig, wie die Konkurrenz ein Mittel der Konkurrenten ist)
    Und last but not least haben sie auch die Dauer ihrer heiß ersehnten Kämpfe nicht unter Kontrolle. Da haben es manche Weltverbesserer schon auf reichlich eine Lebensspanne gebracht, die , wenn die Kämpfe mal angefangen haben ohnehin rapide abnimmt.

    Fazit: Das, was Kommunisten vor haben (Revolution, Machtfragen stellen) lässt sich mit den Bedürfnissen der Leute nicht begründen. Das negiert sie mindestens genauso gründlich wie der Kapitalismus.
    Weil Kommunisten dieses Gemetzel ihrer Theorie (wissenschaftlicher Kommunismus) als zu bestätigende Voraussetzung zugrunde legen (siehe Wentzke, wer’s nicht glauben will – er will Argumente die Revolution finden), produzieren sie . Wissenschaft verträgt sich eben nicht mit einem ihr vorangestellten Vorurteil, auch wenn das „Kommunismus“ heißt.

    p.s.: Diesen Kampf mit dem Ziel einer Gesellschaft, in der es um Bedürfnisbefriedigung geht, zu begründen, ist wie die Begründung der Kreuzzüge mit dem Lohn im Paradies.

  123. umwerfend, was sonst?
    8. Januar 2011, 11:38 | #123

    @nobody: es geht gar nicht um die revolution, sondern um den kommunismus. das wie man da hinkommt, ist nicht das thema, sondern ob man überhaupt hinkommen will.

  124. _nobody
    8. Januar 2011, 11:51 | #124

    Dann darf man den Umstand, dass man freilich eine Gesellschaft will, deren Mitglieder nicht gegensätzlich aufeinander bezogen sind (das ist tatsächlich eine theoretische Konsequenz der Erklärung von Kapitalismus und Konkurrenz von Nationalstaaten) nicht damit verwechseln, dass es dann richtig sei bei einem dieser Vereine mitzumachen. Die ziehen eben Schlüsse aus dem Zeug, die nicht damit verträglich sind (und die daraus überhaupt nicht folgen)

  125. 8. Januar 2011, 11:56 | #125

    @pion
    es legt die frage nahe: was ist mit leuten, die dir nicht (mehr) nutzen, bei denen es nicht so sehr um kooperation geht, sondern schlicht um hilfe, ohne gegenleistung dererseits?

  126. _nobody
    8. Januar 2011, 12:02 | #126

    Zu den Afrikanern:

    Man hat von einer Gesellschaft desto mehr Mitglieder sie hat. Es lohnt sich also wegen des Eigeninteresses dieser Gesellschaft möglichst viele Menschen zu integrieren.

    Behinderte, alte Leute etc…

    Weil das ein Zustand ist, den jeder mal erreicht bzw. erreichen könnte ist deren Versorgung auch ein Ergebis des Eigeninteresses der Gesellschaftsmitglieder.

  127. 8. Januar 2011, 12:41 | #127

    sorry, das ist unfug, wenn diese leute den durchschnitt an vorhandener ausbildung usw nach unten ziehen. außerdem gigne es erstmal darum, massiv zu produzierne, damit die irgendwann selbst produzieren können. das wäre ein deutliches vorschußgeschäft. so was fällt unter hilfe, nettigkeit oder menschenliebe, aber nicht „wohlverstandenes eigeninteresse“

    und ich sehe nicht, wie mein interesse etwa der forderung nach euthanasie bei leuten, die mit downsyndrom geboren werden, im wege stehen sollte. das etwa ist ein zustand, in den ich nicht mehr reinrutschen kann

    ich kann auch für mich subjektiv die kalkulation aufmachen, dass ich wahrscheinlich nicht im rollstuhl landen werde, und deshalb da aus bloßem interesse kein interesse daran haben, wie es denen geht.

    aus diesen gründen bin ich der meinung, dass wohlverstandenes eigeninteresse nicht reicht, um zu begründen, so einiges an scheusslichkeiten nicht durchzuziehen

  128. 8. Januar 2011, 13:17 | #128

    ich denke, was es braucht, ist: ein – wie auch immer zustande kommendes, da habe ich jetzt keine ansprüche an philosophische notwendigkeit – interesse am wohlergehen anderer, dass sie nicht am maßstab erschöpft, inwiefern deren wohlergehen mein wohlergehen wiederum im gegenzug produziert. denn sonst komme ich m E ziemlich schnell quasi automatisch darauf, leute zu sortieren usw.

    diese geisteshaltung geht aber darüber hinaus, was mein wohlverstandenes eigeninteresse ist. vielleicht fühle ich mich besser, wenn ich leuten helfe, ohne direkt materialistisch was davon zu haben; das kann befriedigend sein. aber das ist nicht grund oder maßstab.

    ich denke nicht, dass so was notwendig über moralsysteme herleitbar sein muss. ich denke, das erscheint vielen leuten auch recht evident, so viele soziopathen rennen ja doch nicht durch die gegend

  129. _nobody
    8. Januar 2011, 13:35 | #129

    @bigmouth: Du kannst nicht den Aufwand, den es ersteinmal kostet Leute auszubilden etc.. gegen den Ertrag in Anschlag bringen, den eine Gesellschaft hat, wenn sie sich vergrößert. Wenn eine Gesellschaft z.B. über einen Anteil von 20% von Leuten verfügt, die produktivere Technologien entwickeln, die dann ja für entwickelt werden, dann entwickelt eine Gesellschaft mit mehr Leuten ihre Produktivität schneller. Dein Einwand ist höchstens eine Frage, man die Leute integriert, nicht ob. Den Vorwurf mit dem Unfug gebe ich also zurück.

    Zur Euthanasie bei Leuten mit Downsyndrom: Die lässt man am Leben und sich entwickeln, weil sie Menschen sind und der Inhalt dieser Gesellschaft ist, dass alle sich entwickeln können. Und weil Zweck es jedem ermöglicht zu entwickeln, lässt er auch die Entwicklung der Kranken und Behinderten zu. Fängt man umgekehrt damit an andrerer leben zu wollen, zerstört man diese Gesellschaft, weil dann sofort Bedürfnis in Frage steht bzw. die Bedürfnisse der Anderen bestritten sind. Was bei solchen Gesellschaften herauskommt, siehst du an der heutigen Welt. Es ist eben eine Täuschung, wenn man meint auf Kosten der Anderen leben zu wollen brächte mehr ein.

  130. Krim
    8. Januar 2011, 14:21 | #130

    Hallo libelle: Wieso das denn? Eine Einkommensquelle ist das Revolutionär sein nicht. Meines Wissens werben Kommunisten auch nicht mit tollen Verdienstaussichten. Man muss sich eben wie jeder andere eine Einkommensquelle suchen und in der Freizeit geht man dann eben seinem Hobby nach. Und? Andere werfen auch tausende für Modelleisenbahnen oder ihre Vogelspinnenzucht raus. Zur Entbehrung wird das doch bloß, wenn man es eigenlich gar nicht will, sondern als Pflicht empfindet das tun zu müssen oder so ähnlich.

    Ja und? Auf der anderen Seite wird auch prinzipiell gefochten. Da geht es dann in Ordnung oder wie? Für den bürgerlich Staat verheizt zu werden ist dann wohl ok.

    Eine Revolution an die Wand zu malen, die man nicht entscheiden kann und die folglich in einem Blutbad endet, ist eben deine spezielle Art von Antikommunismus. Na klar. Wissen wir schon: Kommunisten finden nichts so anregend, wie ein zünftiges Blutbad. Kommunisten sind nämlich sogar noch dümmer, wie jeder durchschnittliche imperialistische Schlächter. Die führen Kämpfe, die sie nicht gewinnen können.

  131. Krim
    8. Januar 2011, 14:36 | #131

    „dass sie nicht am maßstab erschöpft, inwiefern deren wohlergehen mein wohlergehen wiederum im gegenzug produziert.“ Das ist auf den Einzelnen auch nicht runterrechenbar. Du brauchst die Gesellschaft, damit überhaupt ein Reichtum machbar ist, der dir ein angenehmes Leben ermöglicht. Deshalb gibt es deine Arbeitskraft ja auch gar nicht als individuelle, sondern nur als gesellschaftliche. Daher kannst du hinterher auch nicht ausrechnen, wieviel Produkt dir persönlich zuzuschreiben ist. Wenn aber die Produktivität bloß durch den gesellschaftlichen Zusammenhang entsteht, dann ist es notwendig, dass diese Gesellschaft sich als Ganzes reproduziert.

  132. pion
    8. Januar 2011, 15:55 | #132

    @nb & bm

    „Die Übergänge, die Kommunisten in diesem Machtkampf machen müssen, haben auch überhaupt nichts mit ihrer Idee einer Gesellschaft, die Mittel der Bedürfnisse ist zu tun.“

    Du Heuchler! Die Übergänge machen sie NOTGEDRUNGEN und die Bedürfnisse bleiben auch ohne den Versuch einer Gegenwehr auf der Strecke. Du willst allen Ernstes das Ziel Bedürfnisbefriedigung am Erfolg des bürgerlichen Antikommunismus blamieren.

    „Diesen Kampf mit dem Ziel einer Gesellschaft, in der es um Bedürfnisbefriedigung geht, zu begründen, ist wie die Begründung der Kreuzzüge mit dem Lohn im Paradies.“

    Und obendrauf nobody’s hauseigener Antikommunismus: Kommunisten sind erfolglos, also religiös und ideologisch!

    „ohne gegenleistung“ (bm)
    „Behinderte, alte Leute etc…“ (nb)

    Tja, mit der Brille von Leistung und Gegenleistung hat kommunistische Kooperation wohl nichts am Hut. Es bleibt also euer Ding, die Bedürfnisträger nach ihrer Nützlichkeit zu sortieren, Kommunisten haben das offensichtlich nicht nötig.

  133. Krim
    8. Januar 2011, 16:49 | #133

    Auf die Idee eine Gesellschaftordnung objektiv wissenschaftlich zu bestimmen und dann zu schauen, ob sie mit der eigenen Vorstellung von einem guten Leben zusammengeht, scheint Zunke nicht zu kommen. Selbst ein Bedürfnis/Interesse anzumelden, an dem sich etwas entscheidet, scheint ihr subjektiv und vermessen. Also erhebt sie die Forderung nach einem verbindlichen Maßstab, der das subjektive Interesse als moralisch berechtigt bewerten kann. Wenn das nicht subjektiv und vermessen ist. Es äußert sich hier ihr moralisches Bedürfnis, dass ein individuelles Handeln mit einem Allgemeininteresse in Einklang gebracht werden muss. Dieses Allgemeininteresse ist nicht das real existierende, sondern soll ein ideelles Allgemeines sein, das sie aus der inneren geistigen Beschaffenheit des Menschen ableiten will.

    Sie will auf eine Moral hinaus, die über jeglicher Empirie steht, damit die Moral die Empirie regieren kann, damit sie nicht mehr von Äußerem in irgendeiner Weise abhängt.

    Es ist schon ein wenig merkwürdig, wie hier die Vernunft quasi zu einem Willen hinter dem Willen gemacht wird, der den Willen bestimmt. Klar beurteilt man Umstände und findet Gründe für seine Entscheidungen. Das kann man als Vernunft bezeichnen. Aber wieso kann Vernunft etwas wollen? Der Wille will und nicht die Vernunft. – Weiter geht’s mit der Freiheit der Vernunft den Willen zu bestimmen. Unabhängig von der Empirie ist die Vernunft nur in der Lage sich selbst zu wollen. 1. Ist das als „können“, als Möglichkeit formuliert. Der Wille muss nicht sich selbst wollen. Ein Gesetz wird so nicht draus. 2. Ist es ein ziemlich inhaltleerer Wille sich selbst zu wollen. Denn die Vernunft ist ja sich selbst. Deshalb wäre es überflüssig sich selbst zu wollen. Die Vernunft ist auch frei. Deshalb ist es auch überflüssig die Freiheit der Vernunft zu wollen.

    Weil alle Bäume eine Stamm haben, besitzt der Stamm Allgemeinheit, daher ist es Gesetz, dass Bäume einen Stamm haben. Da wird allso eine Allgemeinheit, eine gemeinsame Eigenschaft zur inneren Notwendigkeit verfabelt. Aus einer gemeinsamen Eigenschaft wird ein Zusammenhang, ein Abhängigkeitsverhältnis gebastelt.

    Die Allgemeinheit der Vernunft frei zu sein, wird eine Notwendigkeit zugeschrieben, die aber sofort wieder relativiert wird, weil der Inhalt der Notwendigkeit Freiheit ist. Es handelt sich also um eine Notwendigkeit, die ihre Notwendigkeit selbst auflöst. Die Vernunft bestimmt den Menschen also naturnotwendig zur Freiheit.

    Jetzt wird auch klar, wieso Zunke den Willen oben in zwei Instanzen auflöst. Anders kommt sie nämlich nicht zu ihrem inneren Sollen. Das äußere Sollen heißt bei ihr bürgerliche Sittlichkeit. Das innere Sollen Vernunft. Dazu braucht es zwei Instanzen. Eine, die das Sollen vorschreibt und eine andere, die sich daran hält. Die Vernunft spielt die Rolle des moralischen Gesetzes, die dem Willen seine Freiheit vorschreibt. Aus dem Umstand, dass der Wille frei und nicht von außen bestimmt ist, bastelt sie einen moralischen Auftrag. Der Wille soll frei sein. Dazu benötigt sie zwei innere Akteure. Einen, der den Auftrag erteilt und einen der ihn empfängt. Da die Vernunft abgesehen von jeglicher Empirie nur sich selbst, also ihre Freiheit wollen, kann, will sie den Willen als frei bestimmen. Da die Vernunft aber frei ist, muss sie auch nicht. Es ist ein Gesetz, das von seinem Inhalt her dem Gesetzescharakter widerspricht. Daraus schließt sie aber nicht, dass sie verkehrt liegt und dieses Gesetz, das den Willen zur Freiheit verdammt nicht gibt, sondern sie rettet damit den Gesetzescharakter ihres Moralgesetzes, das keine Notwendigkeit mehr enthält.

  134. 8. Januar 2011, 20:34 | #134

    Hier der (roh nachdiktierte) Anfang des Vortrags von Christine Zunke:

    „Ich hatte das so verstanden, dass ich zu der Veranstaltung heute eingeladen worden bin, um eine moralische Steilvorlage zu bieten gewissermaßen und bin auch gerne bereit, genau das zu tun. Der Titel meines Vortrages, „Es gibt nur einen vernünftigen Grund Freiheit gesellschaftlich verwirklichen zu wollen: Moral!“ war mit bedacht provokant gewählt und verlangt nach einigen Bemerkungen zum Moral und zu linker, also emanzipatorischer Kritik am Anfang.

    Wenn linke Moral kritisieren, hat das meistens den richtigen und sympathischen Ansatzpunkt, sich gegen in Konvention geronnene Machtvorstellungen zu wehren, die jedem Menschen dieser Gesellschaft von klein auf an terrorisieren: dies tut man nicht, jenes gehöre sich nicht, man könne doch nicht einfach, usw. In solcher Art, meistens anonymen Formulierungen, die sich als Selbstverständlichkeiten und deshalb nicht kritisierbar darstellen, weil sie sich nicht auf Argumente, sondern auf Konventionen berufen, weisen bürgerliche Verhaltens- und Wertvorstellungen das eigene Verhalten in meistens enge Grenzen. Dies wird dann alltagssprachlich Moral genannt. Ich möchte dies in Abgrenzung zu dem Moralbegriff, den ich später selber entwickeln werde, bürgerliche Moral oder besser noch Sittlichkeit, Ethik nennen. Die Sittlichkeit schreibt dem Einzelnen sein Handeln vor und ersetzt dadurch das vernünftig angesehene Handeln durch durch das Befolgen einer Regel. Der Sitte folgend, übe ich also nicht keine Gewalt gegen begriffsstutzige mit Diskutanten aus, weil ich einsehe, dass sich dadurch in die Integrität eines Selbstbewusstseins eingreifen würde, sondern, weil man es schlicht einfach nicht tut, bzw. weil es verboten ist, und ich nicht bestraft werden will. In dieser bürgerlichen Ethik haben sich unterschiedliche Formen weltlicher und auch christlicher Herrschaft zu den Do’s and Dont’s kristallisiert, die dann den asozialen Menschen vom anständigen Subjekt trennen.

    Diese zur Selbstverständlichkeit verdichteten Machtverhältnisse zum Beispiel durch bewusste Übertretung der ethischen Normen zu brechen, gehörte schon immer mit zu den Aufgaben emanzipatorischer Politik. Die Philosophen der französischen Aufklärung waren politisch wirksam nicht nur durch das Verfassen von königskritischen Schriften und einer umfassenden Enzyklopädie, sondern sie haben die Vormachtstellung der Kirche auch durch einen Angriff auf ihre Sittlichkeitsvorstellung infrage gestellt, zum Beispiel durch die Verbreitung anzügliche Schriften. Durch die literarische Darstellung von Onanie und Ehebruch hinzog und widersetzte sich das Subjekt der christlich feudalen Herrschaft. Ähnlich wie das später die 68-er unter anderen Vorzeichen auch noch mal versucht haben. Der antimoralische Held der Literatur der französischen Aufklärung, den man von der Kette der Zehn Gebote befreit hatte, machte sich sodann zielsicher auf dem Weg in die Barbarei eines Marquis de Sade. Und nachdem hinreichend Köpfe gerollt waren, und die französische Revolution die Gesetze der Kirche erfolgreich aus dem Staatswesen verbannt hatte, wurde manchem Staatstheoretiker angesichts der Möglichkeiten des entfesselten Menschen, zu dessen Befreiung man angetreten war, etwas unwohl, denn man wollte für das zivile Miteinander mindestens das fünfte Gebot, du sollst nicht töten – für die, die nicht ganz bibelfeste sind – und noch so manches andere als bindend anordnen.

    Dies stieß aber auf die Schwierigkeit, wie solche Normen ohne einen Bezug auf einen transzendent Gesetzgeber allgemein und notwendig zu begründen seien, eben nicht bloß willkürlich, gewaltsam staatlich durchgesetzt. Die Lösung dieses Begründungsproblems allgemein verbindlicher Verhaltensnormen bestand darin, die christliche Moral durch eine goldene Regel zu ersetzen, die jeden Bürger in den Käfig seiner Interessen steckte, der an den Interessen der anderen Bürger seiner absolut harte durch staatliche Gewalt bewachte Grenze hatte. Diese goldene Regel lautet: Behandele andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst. Oder, in ihrer volksdeutschen, Vulgärfassung: Was Du nicht willst, was man dir tue, das füge auch keinem anderen zu. (Der Dichter Robert Gernhardt hat einmal ganz richtig darauf hingewiesen, dass gerade die Deutschen die Neigung haben, eher die Sätze für wahr zu halten, die sich reimen.) Also: ich möchte nicht getötet werden, darum bringe ich auch keinen Menschen um. Ich möchte mein kärgliches Eigentum behalten, also nehme ich auch niemandem anderen etwas von seinem Eigentum weg. So lautet der Schluss, den der Mensch aufgrund dieser Regel ziehen soll. Es ist kein logischer Schluss, sondern eine normative Vorgabe, die nur dazu eignet, bestehende Normen fälschlicherweise als rational begründet und richtig erscheinen zu lassen. Durchdeklinieren und tatsächlich anwenden darf man diese Regel nicht, aber das versucht auch niemand. Kein Kapitalist denkt, ich möchte kein Lohnarbeiter sein, darum stelle ich auch keine Lohnarbeiter ein. Oder kein Polizist denkt, ich möchte nicht eingespart werden, also sperre ich auch niemanden anders ein.

    Die scheinbare Vernünftigkeit der bürgerlichen Rechtsnormen abstrakte Allgemeinheit und Gleichheit bildet bis heute das Fundament, auf dem Ungleichheit und Ungerechtigkeit widerspruchsfrei zur bürgerlichen Sittlichkeit stehen und reproduziert werden. Durch die goldene Regel wird die Willens- und Handelsfreiheit des Menschen parzeliert in einer Art und Weise, dass alle Subjekte mit ihren Interessen und Bedürfnissen gegeneinander gestellt sind: Die Grenze meiner Handlungsfreiheit wird dort gezogen, wo meine Handlungen die legitimen, d.h. die rechtskonformen Interessen eines anderen Menschen einschränken. Das Kollektiv der Menschheit und Gesellschaft ist gemäß dieser Regel nicht die Bedingung meiner Freiheit, also gerade nicht dasjenige, was es mir überhaupt erst ermöglicht, meine Bedürfnisse zu befriedigen, also durch Arbeitsteilung und Steigerung der Produktivkraft usw., als Solitär im Wald hat auch der gesunde Erwachsene es schwer, seine Bedürfnisse auf einigermaßen hohem Niveau zu befriedigen.

    Also gemäß dieser Regel ist die Gesellschaft nicht die Bedingung, dass ich meine Bedürfnisse befriedigen kann, sondern im Gegenteil, Gesellschaft wird nach dieser goldenen Regeln in jedem ihrer Mitglieder völlig zur äußeren Grenze, zur Beschränkung meiner Neigungen. Zudem, woran jedes nicht normativ legitimierte Interesse notwendig zerschellt.

    Der Begriff des Interesses hängt also eng mit bürgerlichen Moralvorstellungen der goldenen Regeln zusammen. Er hat eine doppelte, in sich widersprüchliche Bedeutung. Einerseits wird er Synonym zum Bedürfnis verwendet, das unmittelbar ist, andererseits ist nicht jedes unmittelbar verspürte Bedürfnis auch ein Interesse, sondern nur das vermittelte Bedürfnis, das rational geprüft und für legitim befunden worden ist. Das Interesse ist also im Gegensatz zum Bedürfnis ein Wollen, dass immer schon eine normative Zugerichtetheit des Subjektes mit einschließt. Insofern ist das Interesse die Art, in der Bedürfnisse in der kapitalistischen Gesellschaft von bürgerlichen Subjekten verfolgt werden. Im Interesse schwingt die Selbstimitation der eigenen Bedürfnisse immer schon mit, die unter pragmatischen zweckrationalen, also letztendlich heteronomen, also von außen bestimmten und durch das Subjekt internaliserten und verinnerlichten Gesichtspunkten eingeschränkt wurden. Im Interesse ist das Bedürfnis durch gesellschaftliche Normen vermittelt, die der Träger des Interesses sich zu eigen gemacht hat. Indem die Reflektion auf die Art der Formierung der Bedürfnisse zu Interessen unterbleibt, ist das Interesse immer ideologisch. Es ist spezifischer Ausdruck der Art und Weise, wie freie bürgerlichen Rechtspersonen sich zu der sie beherrschenden Gewalt stellen, bzw. stellen müssen.

    Das Interesse ist somit Ausdruck der spezifischen Unterwerfung unter die Herrschaft des Kapitals. Der Kapitalismus stellt historisch eine neue Form von Herrschaft dar, eine Herrschaft die apersonal ist und die darum schwerer zu durchschauen und schwerer zu kritisieren ist, als frühere Formen direkter personaler Herrschaft. Denn Kapitalist und Lohnarbeiter, also Geldbesitzer und Arbeitskraftbesitzer sind gleichermaßen freie bürgerlichen Rechtspersonen. Das Elend, dass der Kapitalismus produziert, hat darum immanent gar nicht die Gestalt eines Unrechts, wie man im Kapital von Marx nachlesen kann: „Dort heißt das Zitat: der Geldbesitzer hat den Tageswert der Arbeit bezahlt. Ihm gehört daher der Gebrauch während eines Tages, die tagelange Arbeit. Der Umstand, dass die taktische Erhaltung der Arbeitskraft nur einen halben Arbeitstag kostet, obwohl die Arbeitskraft einen ganzen Arbeitstag lang arbeiten kann, ist ein besonderes Glück für den Käufer aber durchaus kein Unrecht gegenüber dem Verkäufer.“ Und so ist alles aufs beste bestellt in der besten aller möglichen Welten, so ist es kein Glück sondern ein Pech, aber kein Unrecht, produktive Arbeiter zu sein. Der produktive Arbeiter hat infolgedessen ein privates Interesse, diesem Pech, also dem Pech, gezwungen zu sein, seine Arbeitskraft zu verkaufen, und unter den Bedingungen der durch Konkurrenz verschärften Mehrwertaneignung Lohn arbeiten zu müssen, zu entgehen.

    Ohne Moral ist dabei nicht zu vermitteln, warum ein vom Schicksal als Arbeiter bedrohter Mensch nicht andere, für ihn persönlich Erfolg versprechendere Vermeidungsstrategien verfolgen soll, als zum Beispiel ausgerechnet seine Kraft auf die Propagierung der Weltrevolution zu verschwenden. Er könnte sich als geschickter Krimineller versuchen, er könnte Lottospielen, oder durch Fleiß, Bildung, und Arschkriecherei zu einem privilegierten Sachwalter des Kapitals aufsteigen. Viele tun das. Als Individuum kann ich mir durchaus Hoffnungen machen, durch Glück, Geschick oder durch protestantische Tugenden in die Minderheit der Profiteure des Kapitalismus aufzusteigen, und empirisch haben bisher mehr Menschen im Lotto gewonnen als die richtige Weltrevolution erlebt. Der Einsicht, dass dieser Weg nur einer Minderheit vorbehalten bleiben kann, muss ich dann eben durch mehr Glück, mehr Geschick, mehr Skrupellosigkeit oder Tugend begegnen.

    Eine rationale Abwägung der Erfolgschancen, wie ich mir für meine Bedürfnisbefriedigung ein größeres Stück des gesellschaftlichen Reichtums sichern kann, bringt niemanden dazu, seine rare Freizeit mit aufreibenden Diskussionen, dem Verfassen und verteilen von Flugblättern zu verbringen. Erst die Reflektion auf so etwas wie die immer gesellschaftlich verfasste Gesamtheit der Menschen ermöglicht es erstens seine Existenz sorgen als allgemeine, durch bestimmte gesellschaftliche Bedingungen produzierte zu verstehen, diese insgesamt abschaffen zu wollen, deren Beseitigung deshalb nicht nur eine empirisch zufällige, sondern an vernünftige Bedingungen zu knüpfen und zweitens, eine gesellschaftliche Handlungsoptionen aufzuzeigen, zum Beispiel eine Weltrevolution, um diese Bedingungen zu erreichen.

    Diese Reflektion setzt voraus, dass Vernunft nicht mit Rationalität identisch ist. Zweckrational wäre es, unter den bestehenden Bedingungen den für mich angenehmsten Weg zur Bedürfnisbefriedigung zu finden. Vernunft geht dagegen auf die Gesamtheit der Menschen. Sie begründet das, was ich hier im Gegensatz zu Sittlichkeit als Moral bezeichne. Moral ist die Reflektion auf das Handeln unter der Prämisse im Schluss auf die gesellschaftliche Verfasstheit des Menschen Vernunft in jedem einzelnen als eine zu erkennen, d.h. zu erkennen, dass vernünftiges Handeln allgemein ist und dass jedem empirisch vernunftbegabten Wesen damit Autonomie als auch einsichtiges Verhalten zuzusprechen ist. Dazu gleich mehr.

    Die goldene Regel, die überhaupt erst das Interesse von der Neigung differenzierte, bildet heute, durch einige christlich tradierte Relikte ergänzt, die Grundlage des bürgerlichen Sittlichkeitsempfindens. Um die dem Einzelnen von ihr vorgeschriebenen Grenzen einzureisen, ist zweierlei notwendig: erstens die Reflektion darauf, was Moral sein kann, wenn sie nicht von außen gesetzte, also heternome schranke ist, sondern Ausdruck der Selbstbestimmung meines Handelns, sondern Autonomie. Und zweitens: die Reflektion auf die gesellschaftlichen Bedingungen, die eine autonome Selbstbestimmung der Menschen als Kollektiv vor unmöglichen und sie stattdessen den Verhältnissen der Konkurrenz notwendig gegeneinander hetzen.

    Im ersten Schritt werde ich mich vor allem auf Kant beziehen, den zweiten Schritt werde ich hier nicht ausführlich entwickeln, weil ich ihn glaube ich weit gehend voraussetzen kann, ich werde daher vor allem auf die Schnittstelle zwischen Marx und Kant hinweisen.“

  135. zb
    8. Januar 2011, 20:58 | #135

    @bigmouth: Es wurde zwar schon zigmal gesagt, aber vielleicht nochmal ganz deutlich, weil deine Ignoranz einfach zu nervig ist: Es gibt im Kommunismus ABSOLUT KEINEN GRUND dafür, irgendwen einfach so verrecken zu lassen. Der Mensch ist immer ein soziales Wesen, dessen Beziehungen untereinander entweder negativ (im Kapitalismus) oder positiv (im Kommunismus) aufeinander bezogen sein können. Im Kapitalismus führt das dazu, dass es tatsächlich einer bedarf, weil Menschen – das hast du richtig erkannt – eben nicht alle solche Soziopathen sind, dass sie es geil fänden, wenn um sie herum alles in Tod und Elend zerfällt. Eine Moral freilich, die sich immer an den staatlich aufrecht gehaltenen Eigentums- und Produktionsverhältnissen messen muss, was dann dummerweise doch ständig zu Tod und Elend führt.

  136. zb
    8. Januar 2011, 22:27 | #136

    (Fortsetzung von http://neoprene.blogsport.de/2009/05/27/update-zu-moral-vortraegen-erfurt-online/#comment-54713)

    Schüfe man diese Verhältnisse ab, blieben die Menschen soziale Wesen, fänden aber keine Gründe mehr vor, sich gegeneinander zu positionieren. Also nix Euthanasie, nix Rollstuhlfahrer schubsen! Warum denn auch?

    Die Krux bei dir scheint mir zu sein, dass du dir weder einen Begriff einer solchen Gesellschaft machen kannst noch überhaupt einen Gesellschaftsbegriff hast – bei dir ist alles nur aufs bezogen. Du hast die Kapitalistenpropaganda des „Ich bin mir selbst der Nächste“ theoretisch verinnerlicht, merkst aber irgendwie, dass das nicht so toll sein kann und suchst dann die ganze Zeit verzweifelt nach einer moralischen Begründung für eine Gesellschaftsänderung – die es gar nicht bräuchte, wenn du mal korrekt bestimmen würdest als Gesamtheit der Individuen.

  137. bla
    9. Januar 2011, 00:22 | #137

    Man kann die Bemerkungen von zb ja auch noch mal so herunter brechen: Für Leute wie c0unt scheint es unvorstellbar zu sein, dass Menschen Interessen aneinander haben die weder moralisch sind noch konkurrenz-mäßig gegeneinander stehen. Die penetrante Nachfrage danach ob denn auch ein (exklusiver) Nutzen fürs Individuum heraussprünge, wenn man auch Behinderte durchfüttert, macht nur Sinn in einer Gesellschaft in der der Nutzen des Einen den Schaden des Anderen einschließt.
    Dass c0unt dies nicht weiß ist zwar wenig überraschend, aber dann doch wieder sehr aussagekräftig darüber worauf sich seine Ablehnung(?) des Kapitalismus gründet: Dem dummen Gefühl, dass hier doch irgendwie alles doof sei und man als Kapitalismuskritiker bei nen paar Feministinnen vielleicht auch hässlicher Philosophiestudent ne Chance hat.

  138. umwerfend, was sonst?
    9. Januar 2011, 00:39 | #138

    naja, bla. man könnte auch spekulieren: ist es sorge angesichts des umstands, dass es schonmal sowas wie ne „sozialistische eugenik“ gab? ist ja nicht so, dass da so manche sozialist/innen nicht schon so einige verquere gedanken zum besten gegeben hätten: zB dass sog. behinderte seien, die die gesunden & tüchtigen arbeiter/innen, die brav schaffen, ausbeuten?

  139. umwerfend, was sonst?
    9. Januar 2011, 00:40 | #139

    sozialist/in zu sein (bzw. sich selbst so zu sehen), schützt vor irrtum nicht, könnte man sagen.

    edit:

    führt insoweit allenfalls an eugeniker/innen vorbei, als die ja tatsächlich so zynische arschlöcher sind, dass sie behaupten, dass a.) leere hüllen (also nix mensch) und b.) eh nur krank, also ist das ermorden äußerst gnädig.
    und wie praktisch: auch keine „unnützen mitesser“ mehr, also muss man weniger arbeiten. stell dir vor, wie viel arbeit nicht mehr gemacht werden muss, wenn man keine rollstühle, keine pflegeutensilien etc produzieren muss.

    ich sehe nicht, dass bigmouth das selber so vertritt. aber dass es so arschlöcher geben kann, ist – um mal die blöde foskel zu benutzen – historisch erwiesen.

  140. pro_kommunismus
    9. Januar 2011, 09:41 | #140

    Das Gute an dem Vortrag von Rolf ist, dass er klar macht, dass moralische Prinzipien niemals eine konkrete Handlungsanleitung sein können, daher niemand nach moralischen Prinzipien handelt und handeln kann, diese Behauptung immer Heuchelei ist und die Moral niemals einen realen Gegensatz überwinden kann.

    Das wird in dem Vortrag an den verschiedenen vermeintlichen „Handlungsanweisungen“ der Moral durchgespielt. Insofern hörenswert.

    Wenn ich real in Konkurrenz zu jemandem stehe, dann ist etwa die Maxime „beschädige den anderen in seinen Interessen nicht“ völllig sinnlos. Stehe ich nicht, dann streichen sich solche Maxime auch durch.

    Jeder soll die Freiheit des anderen wollen. Was will man dann eigentlich? Inwiefern ist da die Moral ein Leitfaden für das konkrete Handeln? Sie kann es nicht sein.

    Klar, soweit ist die Referentin auch, deswegen will sie ja eine Gesellschaft ohne Konkurrenz, um den Widerspruch aus der Welt zu schaffen. Nur ist dann ihre Vorstellung von Moral „verwirklicht“ (by the way: auch ein seltsamer Zweck, den Kommunismus zu wollen, weil man nur da gut sein kann) in einem Zustand, wo sie überhaupt keinen Sinn mehr macht, abgesehen davon, dass sich auch dann aus ihr kein konkretes Handeln ableiten lässt.

    Ab ca. 2:10:00 kommt dann auch genau die Debatte hier. Da geht’s dann um den berüchtigten verletzten Vogel am Straßenrand und den ganzen Kram und wie wenig einem an der Stelle eine Moral „hilft“.

  141. umwerfend, was sonst?
    9. Januar 2011, 10:14 | #141

    ich glaub, ich weiß, was das problem ist:

    bigmouth: du siehst darin moral, oder?

  142. Krim
    9. Januar 2011, 13:17 | #142

    Kann sich vielleicht mal jemand zu meiner Kritik an der Zunke äußern?

  143. pro_kommunismus
    9. Januar 2011, 13:32 | #143

    @Krim

    Ich finde das richtig, was du schreibst.

  144. 9. Januar 2011, 14:12 | #144

    @bla: und was soll das jetzt, diese diskussion auf eine persönliche ebene von beleidigung runter zu ziehen? ich könnte ja jetzt mal anfangen, deine lebensumstände, durch meine subjektive brille gefärbt betrachtet, auszubreiten – ich sehe nur nicht, was das bringen soll

  145. 9. Januar 2011, 14:21 | #145

    @umwerfend, was sonst?:

    ob das jetzt moral im Zunke’schen sinn ist, weiß ich nicht. ich sehe aber nicht, wie das runterbrechbar sein soll auf etwas wie „wohlverstandenes eigeninteresse“. und bei der position des GSP scheint mir „interesse“ ungefähr das zu bedeuten – ich würde ja auch sagen, dass sie das erstaunlich unbestimmt lassen, oft.

    man könnte natürlich sagen: pro_kommunismus implizite forderung „menschen sollen keine arschlöcher sein“ (s kf) ist auch schon irgendwie moralisch. könnte man sich ja mal metaethische überlegungen anschauen, was moral eigentlich genau ausmacht

  146. Krim
    9. Januar 2011, 15:15 | #146

    Die Zunke meint eine Moral jenseits aller Empirie und jenseits aller historischer Gesellschaftsformen gefunden zu haben und zwar in allen Wesen mit Vernunft. Deshalb blendet sie erstmal alles Äußere aus und schaut sich dann an, was von der Vernunft noch übrig bleibt, wenn alle äußeren Inhalte aus ihr getilgt sind. Übrig bleibt, das die Vernunft frei ist. Daraus bastelt sie die Moral „die Vernunft soll frei sein“ und das geht so: Um aus einer Eigenschaft des Willens eine Moral zu konstruieren, braucht sie erstmal zwei Instanzen. Eine die das moralische Gesetz erläßt und eine andere, die sich danach richtet. Belässt man es bei einer Instanz, gibt es kein Verhältnis von Befehl und Gehorsam. Wenn der französiche König sagt: „Das Gesetz bin ich.“ Dann ist klar, dass er tun kann was er will. Er wird durch das Gesetz nicht bestimmt, weil alles was er bestimmt Gesetz ist. So soll Moral nicht sein, sie soll verpflichtend sein. Deshalb braucht es zwei Instanzen. Um diese zu erhalten verdoppelt sie den Willen in Vernunft und Wille. Den Umstand, dass Gründe, Überlegungen, Urteile den Willen bestimmen, macht sie zu einer eigenständigen inneren Instanz, zu einer Art Wille hinter dem Willen. Die Vernunft bestimmt bei ihr den Willen. Was ein Widerspruch zum Willen ist, da der Wille nun nicht mehr das Bestimmende, sondern das bestimmte ist. Nicht der Wille will, sondern die Vernunft will. Der Wille wird sozusagen zum ausführenden Organ der Vernunft gemacht.

    Da die Vernunft den Willen bestimmt, gibt sie ihm Gesetze. Gereinigt von jeder Empirie heißt dieses Gesetz. „Sei frei“ Das ist das universale moralische Gesetz aller vernunftbegabten Geschöpfe. Da der Inhalt dieses Gesetzes aber seinem Gesetzescharakter widerspricht, kann man sich daran halten „oder eben auch nicht“. Die Vernunft sagt zum Willen: Ich befehle dir sei frei. Der Wille kann nun weiterhin machen, was er will, aber sozusagen bloß von Gnaden der Vernunft, weil im das von der Vernunft erlaubt worden ist. Das ist nun ein Gedanke den bürgerliche Geister von ihrem demokratischen Souverän gut kennen und deshalb fällt ihnen der unmittelbare Widerspruch auch nicht auf. Das raffinierte an dieser Konstruktion ist, dass man ein Unterordnungsverhältnis zwischen Vernunft und Wille behaupten kann ohne es beweisen zu müssen, denn weil der Wille seine Freiheit als Gesetz vorgeschrieben bekommt, ist er eben frei und muss sich auch nicht an die Befehle der Vernunft halten.

    Der Haken an dieser Philodophie besteht darin, darauf hat Apple hingewiesen, dass die Freiheit des Willens von außen gar nicht beeinträchtigt werden kann. Der Wille ist halt auch im Kerker frei. Bloß verwirklichen kann er sich eben nicht. Dass aus der Freiheit des Denkens die unbedingte Freiheit der Verwirklichung des Willens folgt, soll man sich selbst dazu denken. Ziemlich bürgerlich ist an dieser Philosophie, dass sie ausgerechnet eine Moral für Freiheit entwickeln will. Das ist ja der bürgerliche Höchstwert schlechthin. Da hilft es auch nichts, wenn die Freiheit mit lauter emanzipatorischen Forderungen also nicht schon gültigen Inhalten gefüllt wird. Die unbedingte Gültigkeit des individuellen Willens (Freiheit) ist das Verhältnis das Eigentümer zueinander einnehmen und das in der Freiheit zum Rechtsprinzip gerinnt. Daher ist eine Freiheitsmoral das Gegenteil von „emanzipatorisch“.

  147. 9. Januar 2011, 15:51 | #147

    Teil 2 der Abschrift vom vortrag von Christine Zunke:

    „Zum ersten Punkt, dem Moralbegriff, stellt sich als erstes die Frage, gibt es Moral? Ich meine damit, gibt es einen Grund, zum Beispiel einen anderen Menschen nicht zu töten, der kein gewonnenes Herrschaftsverhältnis ist, der nicht Konvention, Tradition oder Angst vor Strafe entspricht, ein Grund, der nich heteronom von außen gesetzt ist, etwa durch die Befürchtung, man könnte mir auch etwas tun, wenn ich jemandem anderen etwas tue? Denn nur ein Grund, der nicht heteronom bestimmt wäre, wäre mit der Freiheit des Menschen vereinbar. Man könnte auch sagen, die Frage ist, beschränkt es meiner Freiheit, wenn ich andere Menschen nicht töten darf.

    Die Antwort lautet, solange mir das Verbot von außen aufgeherrscht wird, beschränkt es meiner Freiheit offensichtlich erst einmal. Der moralische Grund, andere zum Beispiel nicht zu töten, müßte wenn er autonom und zudem nicht Willkür sondern ein Grund sein soll, also notwendig und allgemein sein soll, aus der Freiheit selbst zu begründen sein. Diese Frage, ob es Moral als allgemeines notwendiges überhaupt geben könne, ist für emanzipatorische Politik zentral. Es ist nämlich die Frage danach, ob es einen objektiven Maßstab für Gut und böse gibt. Die Frage danach wir unsere Kritik an den bestehenden Verhältnissen durch etwas begründen können, das mehr ist als ein bloßes Meinen oder ein subjektives Geschmacksurteil. Die Frage, ob es nicht nur für mich angenehm wäre, sondern ob es richtig ist, Herrschaft abschaffen zu wollen. Ohne die Möglichkeit einer objektiven Bestimmung von gut und böse gibt es keinen verbindlichen Maßstab der Kritik. Und wenn es den nicht gibt, dann sind verschiedene Gesellschaften, also Sklaverei, Kapitalismus, Kommunismus, Feudalismus, was auch immer, bloß verschieden, aber nicht in bessere und schlechtere zu unterscheiden. Darum ist die Frage nach der begründet von Moral eine Kernfrage gesellschaftskritischer Politik. Oder sollte es eigentlich sein.

    Wie also kann Moral als ein allgemeiner objektiver Maßstab der Kritik möglich sein? Eine solche Moral ist nur unter der Bedingung möglich, dass die menschliche Vernunft selbst einen Grund enthält, der den willen bestimmen kann, unabhängig von allen äußeren empirischen Gründen die unseren willen natürlich auch bestimmen. Denn die äußeren Umstände, unter denen Menschen leben, ändern sich fortwährend, und mit ihnen ändern sich auch die Vorstellungen von Sittlichkeit. Wenn Moral etwas allgemeines sein soll, dass immer und überall für alle Menschen Gültigkeit hat und deshalb einen verbindlichen Maßstab der vernünftigen Gesellschaftskritik ermöglicht, darf sie also nicht von den jeweiligen Umständen direkt abhängen, unter denen Menschen gerade leben. Da die Vernunft allgemein ist, also die Gesetze der Logik wurden zwar im Laufe der Geschichte erkannt und hatten zu jeder Zeit dieselbe Gültigkeit, da die Vernunft als allgemein ist, kann, wenn überhaupt, nur sie eine allgemeine Bestimmung des Willens liefern, die dann für jedes von uns gewesen gleichermaßen gültig wäre. Für den Willen jedes Menschen kann nur eine Bedingung gültig sein, die aus der Vernunft selbst stammt, und nicht aus der individuellen Erfahrung, die jeweils verschieden ist. Also kann Erfahrung eine allgemeine Moral niemals begründen. Der Grund der Moral ist nur über die Reflexion zu erschließen. Das einzige, was bloße Vernunft, jenseits von empirischer Erfahrung des Subjekts wollen kann, ist sich selbst. Sonst ist jeder andere Gegenstand durch Erfahrung gegeben. D.h., Vernunft will Vernunft. In dem Vernunft etwas wollen, etwas bestimmen kann, ist sie frei. Freiheit und Vernunft sind untrennbar, wäre der Wille nicht frei durch Vernunft bestimmt war, dann gebe es keine Grenze zum tierischen Instinkt. Dann könnten nämlich keine Gründe den willen bestimmen, sondern unser Verhalten hätte bloß Ursachen und wäre vollständig durch eine Kette von Ursachen und Wirkungen bestimmt. Reflektion auf die Bedingungen des eigenen Willens, und damit das entscheiden für oder gegen bestimmte Handlungen, wäre ohne Freiheit unmöglich. Vernunft beinhaltet also Freiheit, und sie kann den willen unabhängig von der Erfahrung dahingehend bestimmen, dass sie sich selbst will. Diese Abstraktionen sieht ab von den Unterschieden zwischen dem, wodurch einzelne Menschen ihren willen empirisch verschieden bestimmen, und geht auf das allgemeine, wo jeder einzelne seinen willen notwendig allgemein bestimmen könnte, aber nicht bestimmen muss, denn auch dann wäre er nicht frei, also nicht vernünftig. Hierin ist die Reflektion enthalten, dass es nicht viele verschiedene vernünftig gibt, sondern, dass alle Menschen eine Vernunft teilen. Es gibt zwar unzählig verschiedene Bedürfnisse, aber es gibt zum Beispiel keine weibliche und männliche Logik, weil es nur eine Vernunft gibt. Diese allgemeine Willensbestimmung, dass die Vernunft aus sich selbst heraus sich will, ihre eigene Freiheit will, nenne ich dann, mit Bezug auf Kant, Moral.

    Gegen die Moral ist also alles, was gegen Vernunft, gegen die Freiheit der Menschen der Menschen in ihrer Gesamtheit, also gegen die Menschheit gerichtet ist. Die Menschheit, auch ein wichtiger moralischer Begriff, ist die Vorstellung der Totalität aller Menschen unter Bedingungen, die ihren Begriff gemäß sind, also, die vernünftig und frei sind, als in ihrer Gesamtheit autonom von Vernunft und Freiheit bestimmte. In Begriff der Menschheit schwingt darum immer das Moment der Forderung nach der Verwirklichung eines Ideals mit, dass die Reflektion der Vernunft auf sich und die Freiheit unabhängig vom empirischen Denken hervorbringt. In Begriff der Menschheit ist mitgedacht, dass alle Menschen nicht nur als biologischer Art, sondern vor allem als Gesellschaft immer aufeinander bezogen sind. Meiner Freiheit ist somit nicht trennbar von der Freiheit anderer sie haben einander als wirkliche in der Gesellschaft wechselseitig zur Bedingung. Anders als die empirisch bedingten Bedürfnisse, die können tatsächlich in jeder Gesellschaftsform einander ausschließend und unmittelbar gegeneinander auftreten. Wenn Vernunft den willen notwendig und allgemein bestimmen kann, dann gibt sie sich eingesetzt. Dieses gesetz heißt jetzt nicht Gesetz in dem Sinn einer juristischen Verordnung, sondern es Heißt gesetz, weil es Allgemeinheit hat, indem es für jedes Wesen das mit anderen die Begabung der Vernunft teilt, gültig ein und dasselbe ist. D.h., der Begriff der Menschheit umfasst dann, wenn er alle Vernunftswesen umfasst, eben logisch nicht nur die biologische Art des Homo Sapiens sapiens, sondern, wenn man in den Bereich der Science-Fiction geht auch vernunftsbegabte Aliens als Teil der Menschheit in diesen moralischen Sinne. Anders als das juristische Gesetz, deren allgemeine Gültigkeit an der Grenze des Souveräns, die er willkürlich setzt und dann gewaltsam durchsetzt, ist das Gesetz, das Vernunft sich allein geben kann, nicht bloß allgemein, in einem bestimmten Geltungsbereich, sondern zudem auch notwendig. Die Reflektion der Vernunft auf sich selbst, und ihre Art den willen unabhängig von Erfahrungen bestimmen zu können, führt zu nichts anderem als sich selbst zu wollen. Die einzigen Gesetze die zugleich allgemein und notwendig sind, die wir sonst noch kennen, sind die Naturgesetze. Das moralische Gesetz, das die Vernunft sich gibt, ist der Form nach also ebenso allgemein und notwendig und unhintergehbar wie ein Naturgesetz.

    Aber da sein Inhalt nicht Natur-Notwendigkeit, sondern Freiheit ist, ist die Nötigung, sich an dieses Gesetz zu halten, keine von außen auf uns einwirkende Nötigung, sondern eine, die man sich nur selbst zumuten kann, oder eben auch nicht. Das moralische Gesetz sagt, im Gegensatz zu Naturgesetzen, nicht was ist, sondern was sein soll. Nur Menschen können Adressaten eines Sollens sein. Mit der Möglichkeit, sich selbst Gesetze zu geben, also mit der die Menschen eigenen Autonomie, ist zugleich gesetzt, dass der Mensch nicht zugleich unter einem fremden von außen vorgeschriebenen Gesetz der Sollens stehen soll. Von der Einschränkung durch die heteronomen Vorgaben der Natur emanzipiert der Mensch sich, wie man auch schon bei Marx im erstem Band des Kapitals erfährt, durch Arbeit im allgemeinsten Sinne, also durch Aneignung des Naturstoffs. Indem die Naturgesetze erkannt werden, werden sie im technischen Fortschritt nutzbar gemacht, um sich weniger abhängig von unmittelbaren Naturereignissen zu machen. Dies ist ein Prozess der graduellen Emanzipation der bei Menschen, die auf den Stoffwechsel mit der Natur angewiesen sind, nie vollständig sein kann. Anders ist es mit der Emanzipation von Herrschaft. Sie ist vollständig möglich, und nur sie ist auch moralisch als falsch zu beurteilen, weil Herrschaft von Menschen über Menschen immer ein Resultat des Vernunftsvermögens ist. Die Natur ist dagegen kein vernünftiges Subjekt, und deshalb auch kein möglicher Adressat eines moralischen Sollens, d.h. man kann ihr das mit der Schwerkraft und ähnlichen mit bisweilen ärgerlichen Dingen schwerlich vorwerfen, man muss halt irgendwie damit umgehen. Moral fordert demnach, dass Folgen des selbst gegebenen Gesetzes, und zwar ohne jede heteronome macht, zu zwingen. D.h. ich kann keinem anderen Menschen Moral vorschreiben, denn damit würde ich den anderen in seiner Freiheit verletzen, und ihn unter einen heteronomes, nämlich unter mein Gesetz stellen. Steht eine empirische Vernunft unter dem Gesetz einer anderen, dann ist dies zwar nur mit Vernunft möglich, Tiere tuen so etwas nicht, aber es ist der Vernunft, ihrer Bestimmung nach frei ist, nicht gemäß. Damit ist Herrschaft zwar ohne Vernunft gar nicht möglich, aber unvernünftig, und darum auch unmoralisch. Weil es die Möglichkeit der autonomen Selbstbestimmung verhindert und den willen des beherrschten heteronom von außen bestimmt. Jedes von außen heteronom Aufgeherrschte Gesetz ist damit per Definitionen, und zwar völlig ungeachtet seines Inhaltes, schon der Form nach unmoralisch, weil es gegen die Freiheit und damit gegen die Vernunft gerichtet ist. Ganz egal, was es die Menschen vorschreiben will.

    Die autonome Macht, mich zu zwingen, also mich selbst zu Befolgung des allgemeinen Vernunftsgesetzes zu bewegen, heißt bei Kant darum nicht Herrschaft, sondern Pflicht. Wieder nicht zu verwechseln mit der von außen auf benötigten, und deshalb immer unvernünftigen bürgerlichen Pflicht. Pflicht ist demnach der Ausdruck für eine Selbstnötigung. Allein diese Selbstnötigung, dass ich mich meiner Vernunft verpflichtet fühlen, ist keine Form von Herrschaft. Sie ist im Gegenteil gerade der Ausdruck der Freiheit, also die Verwirklichung meiner Freiheit, weil ich mir nur aus Freiheit selbst ein Gesetz geben und befolgen kann. Das klingt jetzt erst einmal widersprüchlich, wie also kann Freiheit in einer Nötigung bestehen? Alltags sprachlich ist Freiheit ja erst einmal, dass ich das tuen kann was ich will. Das ist beim Kant Freiheitsbegriff im Grunde auch so, nur ist im Begriff des Willens die Reflektion eingegangen, dass der Wille genau dann unfrei ist, wenn er von einem sinnlichen Reiz zum nächsten treibt, weil er dann nicht selbst bestimmen kann, was er will, sondern im Gegenteil, von außen, durch das Bedürfniss fremdbestimmt wird. Denn Freiheit ist gerade nicht Instinkische Willkür der Bedürfnisbefriedigung, sondern gerade das, dass ich vorher darüber nachdenken kann, was ich will. Frei ist der Wille, wenn er sich für den Inhalt, den er will, entscheidet. Das ist, wenn er nicht blind dem Bedürfnis folgt, also wenn er nicht Instinkt ist, sondern das Bedürfnis mittels vernünftiger Reflektion prüfen kann. Daraus wurde dann in der, wie ich finde dünsten aber leider auch weit verbreiteten Kant Interpretation der Wiedersinngemacht, der Wille sei frei, wenn er auf den Inhalt, den er will, verzichte, und Freiheit bestünde in der asketischen Abkehr von allen sinnlichen Bedürfnissen. Das ist, kurz gesagt, Quatsch. Dann nämlich wäre der Wille kein Wille, sondern leer. Ein Wille, der nichts will, ist kein Wille, schon gar kein freier Wille. D.h., frei ist der Wille nur, insofern ihm kein bestimmter Inhalt von außen vorgeschrieben werden kann, wenn er also auf den empirischen Inhalt dessen, was das Subjekt begehrt, verzichten könnte. Nicht frei ist der Wille, wenn die Vernunft als bloße Rationalität erscheint, indem sie als Mittel zur Erreichung eines heteronomen Zweckes missbraucht wird. Also wenn der Wille die Form bekommt, um etwas zu erreichen, muss ich Zweck rational Das und das tuen. Dann wird die Form des Tuns durch das Ziel, was ich erreichen will vorgeschrieben. Hierzu schreibt Kant, ein kurzes Zitat: „allenthalben, wo ein Objekt des Willens zum Grunde gelegt werden muss, um diesem die Regel vorzuschreiben, die ihn bestimme, da ist die Regel nichts als heteronomie. Wenn oder weil man dieses Objekt will, soll man so oder so handeln, ich soll etwas tun, darum weil ich etwas anderes will.“ Dies ist die Form der Vernunft denn sie bloß technisch, praktisch ist. Die Form, die sie auch bei der Verfolgung von Interessen hat. Auch hierfür ist die Freiheit vorausgesetzt, sich aus eigener Willkür einen subjektiven Zweck als den Inhalt des Willens zu setzen. Die Wahl des Objektes das dem willen …. ist als empirische subjektive Wahl durchaus im einzelnen Subjekte zuzurechnen. Aber dass eine solche Wahl von Objekten zu Bedürfnisbefriedigung erfolgen müsse, das ist durch die Leiblichkeit des Menschen notwendig gesetzt. Nämlich darin, Bedürfnisse zu haben, und seinen willen dementsprechend zu bestimmen, ist der Mensch nicht frei, sondern durch Natur bestimmt.
    Noch ein kurzes Kant Zitat: weil der Antrieb, den die Vorstellung eines durch unsere Kräfte möglichen Objektes nach der Naturbeschaffenheit des Objektes auf seinen willen ausüben soll zur Natur des Objektes gehört, wäre eigentlich die Natur das Gesetz, welches an sich zufällig ist. Tieren gibt die Natur ein Gesetz vor und nicht die Vernunft. Diese Unterordnung des Willens unter einer gegenüber der Vernunft nur zufällig erscheinende Naturvorgabe bezeichnet Marx als logische und und hintergehbare Grenze der menschlichen Freiheit. Dass Marx-Zitat ist etwas leichter verständlich: „Am Ende des Arbeitsprozesses“, schreibt er, “ kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war. Nicht daß er nur eine Formveränderung des Natürlichen bewirkt; er verwirklicht im Natürlichen zugleich seinen Zweck, den er weiß, der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er seine Willen unterordnen muß. Und diese Unterordnung ist kein vereinzelter Akt. Außer der Anstrengung der Organe, die arbeiten, ist der zweckmäßige Wille, der sich als Aufmerksamkeit äußert, für die ganze Dauer der Arbeit erheischt“. Arbeit ist ewige Naturnotwendigkeit, und im Stoffwechsel mit der Natur schreibt die Natur mit ihren Gesetzen den Menschen seinen Handlungsrahmen vor. Freiheit bestünde darin, die gesellschaftliche Produktion zum einen möglichst bei hohem Reduktionsniveau so zu organisieren, dass der einzelne nicht allzu viel Zeit in ihr verbringen muss, und zum anderen die Produktion nicht auch noch unter Bedingungen der Herrschaft zu organisieren, indem das Bedürfnis nicht Zweck, sondern bloßes Mittel der Produktion ist. Hierin hat sich menschliche Freiheit unter dem ökonomischen Gesetzen der kapitalistischen Produktion in ihr Gegenteil verkehrt. Nicht Produktion für das Bedürfnis, sondern Bedürfnis als Mittel der Produktion. Dabei kann und muss jeder Einzelne sein Interesse verfolgen, weil er nur über sein Bedürfnis zur Einwilligung in die Mehrarbeit gezwungen werden kann.

    Dieses gesellschaftlichen Verhältnisse der Verklärung der Freiheit, indem das Bedürfnis nicht erzählt, sondern nur Mittel der Produktion ist, als verkehrtes zu bewerten, nicht, weil zahlreiche Interessen beim Versuch ihrer Durchsetzung keinen Erfolg haben, sondern weil die Interessen selbst schon Ausdruck einer spezifischen Herrschaftsform sind, das ist die Aufgabe der Moral, denn ihr Gesetz, das Freiheit fordert, ist unter diesen verkehrten Verhältnissen systematisch gebrochen. Das moralische Gesetz beinhaltet eine Handlungs Aufforderung, ein sollen, diese Handlungs Aufforderung liegt kein gewöhnliches Geschmacksurteil zu Grunde, sie ist auch nicht mit der Androhung einer Sanktion, einem erzwingen verbunden. Eigentümlicherweise richtet sich diese Aufforderung auch nicht bloß an ein einzelnes Individuum, sondern in jedem Menschen an die Gesamtheit aller Menschen, an die Menschheit, an den gesellschaftlichen Zusammenhang. Es formuliert eine allgemeine vernünftige Handlungs Aufforderung an das einzelne Individuum, eine Handlungs Aufforderung , die eben immer gesellschaftlich bestimmt ist, und deren Vernunft begründet ist in der Totalität der Gesellschaft. Dieses moralische Gesetz schreibt also auch ein sollen vor, … es macht die Reflektion auf gesellschaftliche Wirklichkeit der Freiheit möglich und so erscheint unmoralisches Handeln und erscheint unmoralische Zustände als Abweichung von diesem moralischen Gesetz. Dabei stehen die empirisch bedingten Bedürfnisse der Menschen nicht gegen das moralische Gesetz, das ist ganz wichtig, denn sie stehen als empirisch bedingte außerhalb seiner Form und tangieren es nur, wenn der Inhalt des Bedürfnisses sich gegen die Freiheit richtet.
    (Kurz zur Erklärung was ich mit außerhalb der Form stehend meine, ob ich Erdbeereis oder Schokolade oder Morphium oder Brötchen zum Frühstück essen will, davon ist nichts moralisch oder unmoralisch, das sind einfach Bedürfnisse, die erst einmal außerhalb der Form von Moral stehen. Sie sind sozusagen am moralisch. Wenn ich aber zum Beispiel gebratene Kinder zum Frühstück essen will, dann sollte ich von der Verwirklichung meines Wunsches vielleicht aus moralischen Gründen absehen, weil die Vernichtung von Vernunft- und Freiheitssubjekten bei der Erfüllung dieses Wunsches der Inhalt wäre und weil Vernunft Vernunft will, steht die Vernichtung von Vernunftssubjekten und die Brechung eines freien Willens dann zu ihr im Widerspruch. D.h., nicht jedes Bedürfnis steht in irgendeinem Verhältnis zur Moral, aber man hat damit gewissermaßen einen Maßstab um zu gucken, wo findet eine Brechung der Freiheit statt. Eine Brechung statt von dem, was Vernunft für sich will.)“

  148. 9. Januar 2011, 19:44 | #148

    So argumentiert ein Hegelianer u.a. gegen Christine Zunke:

    „Ich halte es für verkehrt die Kant’sche Moralphilosophie für eine linke Kritik wieder aufzuwärmen und finde es ein wenig bedenklich, dass die meisten aktuellen linksradikalen theoretischen Strömungen es momentan mehr oder weniger offen mit Kant halten. Nur kurz dazu: Das freie Ich, das die Voraussetzung für Kants Moralphilosophie ist, ist eine abstrakte und leere Allgemeinheit in dem Sinne, dass es nur in seiner Selbstreflexion, also selbstbezüglich gedacht ist und es begegnet den anderen Vertretern der Vernunft nur dahingehend, dass diese ebenfalls eine reine, sich auf sich beziehende Einheit sind. Wie aus dieser abstrakten Allgemeinheit monologischer Einzelner, deren Autonomie einfach vorausgesetzt wird, eine Gesellschaftskritik entspringen soll, ist mir ein Rätsel – es ist nichts Transzendentales darin, wenn ich meine Handlung im Nachhinein darauf überprüfen kann ob sie moralisch war oder nicht. Im Gegensatz zu Kant, bei dem jeder Einzelne zu handeln hat als sei er das einzige Bewusstsein (also komischerweise gewissermaßen das der Fall ist, was Christine Zunke in der Vortragsankündigung denen vorwirft, die von ihrem individuellen Bedürfnis ausgehen), entwickelt Hegel einen Begriff des Individuums, bei dem Ich als Identität von Einzelnem und Allgemeinem gedacht ist, in dem Sinne, dass die Reflexion des Ich an die Auseinandersetzung mit anderen Subjekten gekoppelt ist und weist damit auf die Sozialität und das Gewordensein des Ichbewusstseins hin. Kritik, die hiervon ausgeht, muss notwendig einen Bezug auf Geschichte und die konkreten Verhältnisse haben. Dass Zunke aber einen Kritikmaßstab fordert, der überhistorisch und für immer und ewig gültig ist, liegt m.E. nicht nur daran, dass die Linke momentan ob ihrer Marginalität nach Begründungen sucht, die ihre Berechtigung sichert, sondern auch daran, dass sie selbst überhaupt nicht weiß, warum es sich lohnt gegen die Verhältnisse anzugehen. Dass es sowas wie Leid gibt, dessen Beseitigung keiner weiteren Begründung bedarf, auf die Idee kann Zunke überhaupt nicht kommen, weil diese Kategorie bei Kant vollkommen aus der Moralphilosophie draußen gehalten wird – bei ihm soll man sich noch vorstellen, dass ein Galgen vor der Tür steht an dem man erhängt wird wenn man so oder so handelt, um überprüfen zu können, dass man ein freies Wesen ist. Jegliche Leiderfahrung oder so etwas wie Schmerz wird bei Kant explizit aus der Bestimmung des kategorischen Imperativs rausgehalten. Der Kategorische Imperativ Marxens, dass alle Verhältnise umzuwerfen seien in denen der Mensch ein geknechtetes, verlassenes … Wesen ist, kann in Kants Sinne kein kategorischer Imperativ sein, weil er eben auf Leiderfahrung rekuriert und darin evident ist, also keiner weiteren Begründung bedarf.

    Im Gegensatz zu irgendwelchen akademischen Kant-Widerkäungen empfehle ich die Vorlesungen zur Philosophie des Geistes von Hegel (erschienen in den gesammelten Vorlesungen im Felix-Meiner-Verlag), denen eine Kantkritik implizit ist und die Vorlesungen zur Moralphilosophe von Adorno („Probleme der Moralphilosophie“), in denen dieser ebenfalls eine m.e. sehr sinnvolle Kant-Kritik entwickelt.“
    [gefunden bei audioarchiv.de: http://audioarchiv.blogsport.de/%5D

  149. 10. Januar 2011, 09:49 | #149

    Teil III meiner Zunke-Abschrift:

    „Darum, weil die empirisch bestimmten Bedürfnisse außerhalb des moralischen Gesetzes stehen, wäre es falsch, zu sagen, dass es bei dieser Moral um Lustfeindlichkeit oder Bedürfnisunterdrückung ginge. Es geht allerdings darum – wie ich in meinem Beispiel eben vielleicht gezeigt habe – dass empirisch unmittelbarere Bedürfnis nicht zum alleinigen und ersten Grund der Handlungen zu machen, sondern eine Reflektion über die Vereinbarkeit des Bedürfnisses mit der Verwirklichung menschlicher Freiheit anzustellen. Und genau hierin liegt dann die Differenz zwischen der Forderung nach befreiter Gesellschaft und der Forderung nach Weltherrschaft mit mir persönlich an der Spitze. Wenn ich meine Bedürfnisse vor die Verwirklichung der Freiheit der Menschheit stelle, dann wäre nach wie vor Herrschaft das beste Mittel zu ihrer besten Befriedigung, weil ich dann dafür sorgen könnte, dass das gesamte gesellschaftliche Mehrprodukt meinen Bedürfnissen individuell zur Verfügung gestellt wird. Anders als bei einem Maßstab des Handelns, der das Interesse und die goldene Regel belegt, steht die Forderung, dass die Menschheit unter der Bedingung der menschlichen Freiheit verfasst sein soll, nicht einzelner gegen einzelnen, stehen hier also nicht die Bedürfnisse verschiedener Menschen gegeneinander, sondern kann und soll nur der Einzelne sich die Nötigung zumuten, zu beurteilen, ob bestimmte Bedürfnisse nicht vielleicht zurückgestellt werden sollten. Dies ist dann die Forderung nach Autonomie statt Heteronomie.

    Das hier entwickelte moralische Gesetz ist, wenn man es als ethische Handlungsanweisung zu lesen versucht, erst einmal vollkommen leer. D.h. es bietet keine Liste von Do’s and Don’ts wie die bürgerliche Sittlichkeit, das, was man alltagssprachlich Moral nennt, und es bietet keine goldene Regel, die die Freiheit der anderen als äußere Grenze meiner Freiheit bestimmt. Denn das, was Kant als Moralbegriff entwickelt hat, enthält die Reflektion darauf, dass Freiheit nichts singulär Individuelles sondern etwas Allgemeines ist, und darum ist Freiheit letztendlich auch nur gesamtgesellschaftlich zu verwirklichen, als Menschheit, gerade eben nicht individuell, durch einen Lottogewinn, und nicht einmal durch die real gewordene Weltherrschaft. Dass das moralische Gesetz insofern leer ist, als es keine positive Handlungsanweisung enthält, kein Tue dies, kein Tue das, heißt jedoch nicht, dass es keinen Inhalt haben, denn als bloße Form der Gesetzgebung, als bloß logische Form der Willensbestimmung wäre es überhaupt kein Gesetz. Der Inhalt des moralischen Gesetzes ist aber nicht die empirische Handlung, sondern die Menschheit, also die Forderung zur gesellschaftlichen Verwirklichung von Freiheit und Vernunft.

    Damit schützt das moralische Gesetz Vernunft nicht vor pragmatischen Dilemmata, es bietet keine Ethik, die sich in moralische Handlungen irgendwie umsetzen ließe. Hier wieder mal ein Beispiel, um das zu verdeutlichen: Jemand will mich umbringen, ich kann ihn überwältigen und sperre ihn ein. Gemessen an den subjektiven und zugleich moralischen Zweck, mich am Leben zu erhalten, ist mein Verhalten erst einmal richtig. Moralisch ist es zugleich aber auf jeden Fall falsch, jemanden gegen seinen Willen einzusperren. Und zwar genauso falsch, wie es falsch ist, jemanden zu töten. Weil der moralische Maßstab in seiner Abstraktheit absolut ist, kann er keine graduelle Verschiedenheit im falschen begründen. D.h., es ist nicht das eine mehr oder weniger falsch als das andere. Zumindestens nicht aus diesem Maßstab heraus begründbar.

    Kants Moralphilosophie hilft darum, übrigens ganz im Gegensatz zu seinen eigenen Versuchen, das zu tun, nicht dabei, das moralisch Richtige, das Gute zu tun, wenn die Welt mich vor einer Wahl stellt, wo die Alternativen alle falsch sind. Aber, und hierin liegt das politische Moment von Kants Moralphilosophie, für das ich mich stark machen möchte, ich kann mit ihr erkennen, was moralisch richtig und was falsch ist. D.h., sie gibt einen Maßstab in die Hand, der immer über das Bestehende hinausreicht. Ich kann in dem genannten Beispiel zwar nicht richtig handeln, aber ich kann wissen, dass beides falsch ist. Und ich kann den Schluss ziehen, es sollte so etwas nicht geben. Es ist dieser Maßstab der Kritik, der unabhängig von der gesellschaftlichen Realität gültig ist und gerade darum über die wirklichen Verhältnisse weit hinausweist, der jeder aufklärerische und emanzipatorische Politik erst ermöglicht und ohne den, möchte ich behaupten, Marx seine politischen Ökonomie nicht als Kritik hätte verfassen können. Das ist der Vorteil, zugleich auch die Schwierigkeit, von der völligen Abstraktheit der KantschenTheorie. Marx konnte zeigen, wie Ausbeutung entsteht, und implizieren, dass es falsch ist, wenn eine Gesellschaft der Art ökonomisch informiert ist, dass die Menschen zum bloßen Mittel der Mehrwertproduktion gemacht werden, und notwendig Armut und Elend produziert werden. Kant zeigt, welchen Grund unser Empfinden gegenüber unmenschlichen Verhältnissen in der Vernunft hat, und zwar unabhängig von unserer Prägung durch gesellschaftliche Verhältnisse, Gewöhnung oder das hier selber kaum oder nicht von dem sozialen Unrecht betroffen sein mögen. Im Gegensatz zur bürgerlichen Sittlichkeit appelliert dieser Maßstab nicht an das individuelle Verhalten, sich ihm immanent den gesetzten Verhältnissen anzupassen, sondern an die Menschheit, die Welt als Gesellschaft so zu verfassen, dass die Freiheit des Menschen durch nichts eingeschränkt werde als durch sich selbst. Denn genau und nur darin hätte Freiheit dann ihre Wirklichkeit. Pflicht, und nicht das Interesse motiviert darum den Kampf um eine befreite Gesellschaft.

    Warum ich das mit dem Interesse als mögliche Motivation linker Politik so falsch finde, möchte ich im Folgenden noch etwas länger ausführen:

    Die Verschiebung der Marxschen Einsicht, dass Kapitalismus notwendig Elend produziert, weil in ihm die Menschheit nicht Selbstzweck sondern zum bloßen Mittel der Verwertung des Wertes degradiert ist, hin zu Formulierungen, die ich in letzter Zeit oft höhere, dass dem Einzelnen im Kapitalismus einer Schädigung garantiert sei, weil ökonomische Strukturen herrschen, die systematisch gegen sein Interesse gerichtet seien, ist deshalb keine bloß sprachliche Verschiebung, sondern eine inhaltliche Verschiebung in den Gehalt der Kritik. Wenn eine Kritik an der Gesellschaft das von ihr erzeugte Elend anprangert, muss sie erklären, warum das Elend schlecht ist. Die klassische Begründung, die auch bei Marx impliziert ist, ist die moralische oder teilweise auch sittliche. Die modernere …, die sich zusammen mit dem positivistischen Wissenschaftsvständnis der modernen Gesellschaft entwickelt hat, vermeidet es jedoch, sich auf nicht empirische Gegenstände, wie zum Beispiel Gott, oder auch ein Ideal der Menschheit zu berufen. Positivistischen lässt sich auch gar keinen Begriff von der Menschheit bilden, da der Positivismus immer ein bloß technisch praktisches, ein rein zweckrationales Verständnis von Vernunft hat und sie somit auf den Verstand zu reduzieren versucht. Darum gibt es dann keine Menschheit mehr, sondern bloß noch die biologische Art des Homo Sapiens sapiens. Und darum kann das Schlimme am Elend bloß individuell über die Beschädigung der die einzelnen Bedürfnissbefriedigung erklärt werden, und eben nicht darüber, dass die ganze Menschheit einen Schaden gerade eben in der Unmöglichkeit, ihre Vernunft zu verwirklichen, erleidet.

    Das Elend ist damit dann, wenn ich sage, es gibt ganz viel je einzelne Beschädigungen in der Bedürfnisbefriedigung, nicht objektiv schlecht, sondern eben bloß etwas, was viele Menschen betrifft, und was viele Menschen nicht wollen. Und an diesem Punkt scheitert dann eine Kapitalismuskritik, die mit den beschädigten Interessen zu argumentieren versucht, wenn zum Beispiel Leute versichern, dass es ihnen so schlecht ja gar nicht gehe, und dass sie die kapitalistische Wirtschaftsweise durchaus für geeignet halten, in ihr zu leben. Oder vielmehr, hier müsste eine solche Kapitalismuskritik eigentlich scheitern. Tatsächlich schafft sie es, dem subjektiven Interesse ein allgemeines unterzumogeln, indem die Agitatoren der Revolution anfangen, den von den Leuten bekundeten eigenen Interessen ein objektives Interesse entgegenzuhalten, dass sie entgegen ihrer Beteuerung eigentlich hätten, oder haben sollten. Hierin schwingt dann wieder der Bezug auf ein Allgemeines mit, als der Bezug auf ein moralisches Sollen, dass der eigenen Willkür übergeordnet sei, allerdings, und das ist das Problem, in einer unreflektierten Form. Als unreflektiertes wird dieses objektive Interesse an der Sache nach zu einer äußerlichen, zu einer heteronomen Bestimmung des Willens, die man anderen Menschen aufherrschen würde, könnte man denn. Hierin liegt ein autoritärer Gestus begründet, der auch in einer ansonsten recht hellsichtigen Kapitalismuskritik jeden emanzipatorischen Gehalt rauben kann. Der Fehler liegt darin, die Verknüpfung von positivistischen Wissenschaftsverständnis und goldene Regel, was im Begriff des Interesses immer enthalten ist, und damit ein Konstituens der bürgerlichen Gesellschaft, der Herrschaft des Kapitals, affirmativ und unhinterfragt übernommen zu haben.

    Kürzer gesagt: der Fehler liegt darin, keinen entwickelten Begriff von Moral zu haben. Weil in dem Interesse an gesellschaftlich vermitteltes als unmittelbar erscheint und weil es immer zweckrational ausgerichtet ist, und dies gerne mit Vernunft verwechselt wird, darum eignet der Begriff des Interesses sich so hervorragend als Moralsurrogat. So wird in das Interesse das hinein projiziert, was das legitime Interesse vom unvernünftigen Bedürfnis unterscheiden kann. Das Interesse erscheint zum einen immer berechtigt zu sein, eben, weil es wie das Bedürfnis unmittelbar und damit schlicht subjektiv vorhanden ist, zum anderen ist es immer schon als berechtigtes Interesse formiert, weil es ein Subjekt voraussetzt, dass sich nicht jedes Bedürfnis zu verfolgen gestattet. Es ist also eine Instanz, die auf das gesellschaftskonform zu gerichtete, bürgerliche Individuum rekurriert, dass schon von selbst sich nur das Bedürfnis zuzuschreiben erlaubt, dessen Rationalität also Herrschaftskonformität von außen vorgegeben und verinnerlicht wurde. Dies ist dann allerdings etwas ganz anderes als eine autonome Bestimmung des Willens durch die eigene Vernunft. Dieser Mangel ist wesentlich. Denn mit dem bloßen Interesse als Maßstab mündet die Kritik am bestehenden nicht notwendig in der Forderung nach einer vernünftigen Gesellschaft, es sei denn, man grenzt ein dementsprechend zugerichtetes, dann vernünftiges Interesse gegen ein unvernünftiges Interesse ab, wie es auch die bürgerliche Moral tut.

    Diese Trennung in bessere und schlechtere Interessen ist aber immer eine ideologische und falsche, wenn sie nicht den Maßstab aufzeigt, an dem das jeweilige Interesse bewertet wird. Von selbst stehen die verschiedenen und widersprüchlichen Interessen in keiner anderen Rangordnung als in der subjektiv gefühlten Stärke der hinter ihnen stehenden Bedürfnisse. Aber da Bedürfnisse heteronom sinnlich affiziert sind, sind sie niemals für sich vernünftig. Darum werden auch in jeder Gesellschaftsform zahlreiche Bedürfnisse jedes Individuums scheitern müssen. Bedürfnisse sind nicht statisch, sie wachsen und entwickeln sich mit den Möglichkeiten zu ihrer Befriedigung. Wenn der Maßstab für die Freiheit der Gesellschaft das individuelle Maß der Bedürfnisbefriedigung sein soll, formiert als Interesse, dann bleibt der andere Mensch immer heteronom Schranke meiner Freiheit, dann ist aus dem Käfig der goldenen Regel nicht auszubrechen, dann bleiben die Individuen im Verhältnis der Konkurrenz zueinander, und zwar auch dann, wenn sie die Produktionsmittel gemeinsam besitzen sollten. Also beim Streit darum, für dessen Sonderbedürfnis produziert werden soll, also welche materielle Form man dem gesellschaftlichen Reichtum geben will, muss es naturgemäß Verlierer geben, naturgemäß hier im wahrsten Wortsinn, denn die Natur ist endlich.

    Das Interesse ist die spezifisch bürgerlich kapitalistische Form, um die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse zu ringen, und zwar strukturell bedingt unter Ausschließung der Bedürfnisse aller anderen Menschen. Darum schreibt Marx: „das Motiv des Austausches unter den Bedingungen der kapitalistischen Produktion nicht die Menschheit, sondern der Egoismus“. Befreite Gesellschaft kann nicht heißen, dass mein Bedürfnis an oberster Stelle steht, und ich immer kriegen muss, was ich gerade will. Das wäre die Fantasie eines Paradieses oder eben der Weltherrschaft (materialistisch gefasst). Sondern, eine befreite Gesellschaft wäre die Verwirklichung der Freiheit der selbstbewussten Menschheit, d.h., sie wäre frei von Herrschaft, also gerade frei davon, dass die willen der einzelnen sich bloß als gegeneinander bestimmte denken können. Das reden davon, Kapitalismus schädige mein Interesse, bleibt dagegen immer Teil der apersonalen Machtform, in der durch die subjektlosen Gesetze der kapitalistischen Produktion die einzelnen Menschen als Mittel dieses kleines muss gegeneinander formiert werden. Menschen gegen das Interesse, das sie selbst äußern, ein davon unterschiedenes objektives Interesse zu unterstellen, stellt eine autoritäre Entmündigung dar, in der, würde ich sagen, tatsächlich noch mehr Beachtung gegenüber dem individuell bestimmten Willen der Menschen steckt, als in den Vorgaben bürgerlicher oder christlicher Sittlichkeit. Denn bürgerliche Normvorstellungen wissen wenigstens, dass sie als Nötigung von außen an die Menschen herangetragen werden. D.h., Sie wissen um den ihnen innewohnenden Herrschaftsanspruch und finden ihn, nebenbei, auch richtig und unproblematisch.

    Die Unterscheidung eines objektiven Interesses dagegen, sei es als ein Interesse aller Menschen an einer befreiten Gesellschaft als Bedingung, sei es als Klasseninteresse aller Lohnarbeiter, nicht mehr ihre Arbeitskraft verkaufen zu müssen, tut so, als wäre es in Wahrheit ein innerliches, dass die Menschen bloß nicht bewusst sei. D.h. das objektive Interesse enthält entweder die psychologische Anmaßung, die Menschen hätten irgendwo in sich vergraben, durch das gesellschaftliche Sein tief unten im Bewusstsein verschüttet ein Interesse, von dem sie gar nicht wissen, und das ist dann archäologisch-agitatorisch freizulegen gilt. Oder aber man hat mit diesem objektiven Interesse tatsächlich etwas, das über die Sinnlichkeit von Bedürfnissen hinausgeht und darum gar kein Interesse mehr sein kann, sondern einen objektiven Maßstab, einen moralischen Maßstab der Kritik darstellt. Das Allgemeine, auf das in dem objektiven Interesse rekurriert wird, bezieht sich auf den Maßstab der Vernunft und transzendiert damit gerade dasjenige, was ein Interesse seiner Bedeutung nach überhaupt ist.

    Noch ein kleines Marxzitat zum Interesse, er schreibt in den Grundrissen: „Die Pointe liegt vielmehr darin, daß das Privatinteresse selbst schon ein gesellschaftlich bestimmtes Interesse ist und nur innerhalb der von der Gesellschaft gesetzten Bedingungen und mit den von ihr gegebnen Mitteln erreicht werden kann, also an die Reproduktion dieser Bedingungen und Mittel gebunden ist. Es ist das Interesse der Privaten; aber dessen Inhalt, wie Form und Mittel der Verwirklichung, durch von allen unabhängige gesellschaftliche Bedingungen gegeben.“

    Die Interessen der Menschen unter kapitalistischer Produktion sind also spezifisch formiert als private, als gegeneinander stehende. Das Beharren auf dem eigenen Interesse und damit auch der vermessene Wunsch, dass mein subjektives Privatinteresse Maßstab der gesellschaftlichen Produktion werden möge, ist schon Ausdruck und Resultat von Verhältnissen, in denen alle Eigenheit und Individualität des Menschen in Tauschwert ausgelöscht ist. Denn der Tauschwert ist das allgemeine, durch das alle Menschen unter den Bedingungen der kapitalistischen Produktion auf einander bezogen sind. Indem dieses Verhältnis nicht die Form eines Verhältnisses der Menschen, sondern der Sachen, nämlich der von ihnen hergestellten Produkte zueinander hat, ist alle Individualität, durch die die bürgerliche Subjektivität sich doch gerade bestimmt, in ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang nicht aufgehoben sondern negiert, ausgelöscht. Dadurch erhält das Privatinteresse den falschen Anschein, sich gerade gegen diese Entfremdung zu richten, wo es doch in Wahrheit Ausdruck dieser begründeten Verhältnis ist. Das Privatinteresse geht auf dem individuellen Vollzug eines entfremdeten Zusammenhangs. Es ist also ein Ausdruck der Unfreiheit, meine Bedürfnisse als Interessen formulieren zu müssen.

    Anstatt diese hellsichtige Marxsche Kritik der Interessen als zutiefst an die Privatsphäre es bürgerlichen Individuums gebunden und damit formiert aufzunehmen, und für die Abschaffung des Interesses durch eine Befreiung der Gesellschaft und damit der Bedürfnisse zu fordern, machte insbesondere die marxistisch-leninistische Theorie daraus etwas ganz anderes: Sie affirmierte das Interesse grundsätzlich und trennte es dann in subjektives und objektives auf. Das Interesse sollte nicht kritisiert werden, da es ja als unmittelbar und damit als immer berechtigtes missverstanden wurde, sondern es sollte stattdessen umgeformt und politisch genutzt werden. Das Interesse als vorgeblicher Selbstzweck des Menschen wurde so zum Mittel, um die Leute zu Revolution zu führen, ebenso wie die Interessen des Menschen im Kapitalismus als bloßes Mittel dienen, und die Kette darstellen, um sie zur freiwilligen Lohnarbeit zu zwingen. Das falsche bürgerliche Interesse wurde unter dem Blick des Marxismus-Leninismus zum ideologischen Interesse, dem das sozialistische und objektive weil richtiges Interesse entgegengesetzt wurde. Als Argument dafür wurde aufgeführt, dass eine Übereinstimmung von gesellschaftlichem und individuellem Interesse erst im Sozialismus überhaupt möglich sein werde. Dies verkennt, dass das Interesse ein Privatinteresse und als solches notwendig bürgerlich bestimmt ist. Die individuellen subjektiven Interessen, etwa das Interesse an einem Arbeitsplatz, die Menschen innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft haben und vielleicht auch haben müssen, und die sich dann auch oft ideologisch als ein Interesse an der bestehenden Gesellschaftsform artikulieren, würden unter herrschaftsfreien Bedingungen, unter denen das Bedürfnis Zweck der Produktion und eben nicht Mittel wäre, wahrscheinlich gegenstandslos werden.

    Genau gesprochen wäre also gerade das Privatinteresse, einen Job zu haben usw. ein objektives Interesse, also ein Interesse das durch die materiellen Gesellschaftsverhältnisse und die Form der Produktion notwendig gemacht wurde. Ich muss mich darüber freuen, dass ich eine schlecht bezahlte Arbeit habe. Aber dieses, mit der kapitalistischen Produktionsweise notwendig zusammenhängende und damit objektiv zunehmende Interesse, dass jeder Bürger sich als sein Privatinteresse zu eigen machen muss, ist explizit nicht gemeint, wenn in linken Zusammenhängen von objektiven Interesse gesprochen wird. Im Gegenteil scheint objektives Interesse doch eher dass zu meinen, was der Marxismus-Leninismus darunter verstanden hat. Der formulierte als objektives Interesse das „Interesse der Arbeiter aller Länder am Zusammenschluss zum gemeinsamen Kampf für den Sieg des Sozialismus und Kommunismus im Weltmaßstab, dass ein ein objektives, vom Bewusstsein der Arbeiter unabhängiges Interesse darstellt“.(Das habe ich aus einem Philosophischen Wörterbuch, gedruckt in der DDR) dieses Interesse sei also nicht nur objektiv, sondern es sei zugleich vom Bewusstsein derjenigen, die Träger dieses Bewusstseins sind, vollkommen unabhängig. D.h., die Klasse der Arbeiter weiß nicht, dass sie dieses Interesse hat. Da sie heutzutage nicht einmal mehr weiß, dass sie eine Klasse ist, wundert einen das nicht sehr, doch es ist etwas ganz anderes, ob ich die Existenz einer Klasse als objektiv bestimmen kann, unabhängig davon ob die darunter subsummiert Menschen wissen, dass sie eine Klasse sind, oder ob ich ein wollen unterstelle, dessen Subjekt einzig in der Hypostasierung des Klass3nbegrifes existiert, und dass sich darum allen unter diesen Klassenbegriff subsummiert Menschen als eigenes Interesse unterstelle. Beim auf den Sozialismus gerichteten objektiven Interesse, dass der Marxismus-Leninismus durch diese Hypostasierung der Arbeiterklasse zu einem Privatsubjekt mit Interessen erfunden hat, ist es interessanterweise sogar egal, ob es materiell bestimmt ist oder ideell.“

  150. n0b0dy
    11. Januar 2011, 19:01 | #150

    Ist euch die Ethikbegründung & Moralablehnung von Schmidt-Salomon bekannt? Hat mich bisher am ehesten überzeugt.
    Zur Begründung von Ethik: http://www.schmidt-salomon.de/muench.htm

    Zur Trennung Moral/Ethik:
    „Viele verwenden Moral und Ethik als Synonyme. Ich halte mich an die Begriffsunterscheidung des Philosophen Michael Schmidt-Salomon. Moral beruht vor allem auf willkürlichen, beliebigen Festlegung im Sinne der Machtausübung einiger weniger beziehungsweise wilder Spekulationen, was irgendeinem Gott gefallen könnte oder nicht (häufig hört man auch: „Das macht man einfach nicht.“ Was nur zeigt, dass Moral tatsächlich auf Willkür und Beliebigkeit aufgebaut ist). Ob Menschen dabei geschadet wird oder nicht, ist bei der Moral nur zweitrangig. Die Ethik hingegen orientiert sich daran, für Interessenskonflikte Lösungsstrategien auszuarbeiten, die für alle Beteiligten halbwegs akzeptabel sind. Anders ausgedrückt: Die Moral teilt die Welt in „gut“ und „böse“, die Ethik beurteilt Handlungen und Zustande in „fair“ und „unfair“. Man kann Homosexualität ohne Probleme für „unmoralisch“ erklären und diese Behauptung durch eine entsprechende Bibelstelle noch untermauern (was natürlich nur funktioniert, wenn Bibelstellen als Begründungen akzeptiert werden). Dagegen wird es ziemlich schwierig sein, zu erklären, warum und vor allem wem gegenüber Homosexualität unfair sein soll. Gerade in Bezug auf Sexualität kann man sehen, dass Moral keineswegs zum friedlichen Miteinander beiträgt, sondern im Gegenteil, diesem sogar hinderlich ist.“
    http://oli-kube.blog.de/2009/05/21/ethik-vs-moral-moderne-ethik-moral-verzichten-6154460/

  151. Krim
    12. Januar 2011, 15:55 | #151

    Ich seh den Unterschied zu einem Gerechtigkeitsideal nicht.

  152. n0b0dy
    12. Januar 2011, 22:08 | #152

    Ethik beinhaltet den Bezug auf andere Interessen und hat eine gewisse Objektivität, während Moral auch ohne dem auskommt und daher ziemlich willkürlich ist – oft von der Natur oder religiös abgeleitet. Z.B. Homosexualität oder auch Drogenkonsum. Bsp.: Kind nimmt nem anderen die Nachspeise weg. Moralistische Reaktion: „Böser Junge, das macht man nicht.“ Ethische Reaktion hingegen sieht von subjektiver Verurteilung ab, zielt auf Schadensbegrenzung und Wiedergutmachung. Insofern also auf die Zukunft und nicht auf die Vergangenheit. Der Grundsatz für Ethik sollte möglichst für jeden einsichtig sein und der gemeinsame Nenner aller verschiedenen Interessen ist die Subjektivität schlechthin. Mit dem folgenden Grundsatz von MSS werden die Probleme der Letztbegründung zumindest minimiert:

    Humanistische Basis-Setzung (HBS)
    „Alle Menschen (ungeachtet welcher Gruppe sie angehören – auch die kommenden Generationen werden hier mit einbezogen!) sind gleichberechtigt und frei in ihrem Streben, ihre individuellen Vorstellungen vom guten Leben im Diesseits zu verwirklichen, sofern dadurch nicht die gleichberechtigten Interessen anderer in Mitleidenschaft gezogen werden, und es ist die unaufkündbare Aufgabe eines jeden Menschen, mit allen zur Verfügung stehenden Kräften dazu beizutragen, daß möglichst wenigen (im Idealfall: niemandem) die Inanspruchnahme dieses fundamentalen Rechts versagt bleibt.“

  153. Krim
    12. Januar 2011, 23:13 | #153

    Hast du eigentlich das: http://fk.siteboard.de/fk-about96.html gelesen. Hier wird in drei Sätzen erklärt was Moral ist.

    Ich halte von der humanistischen Basissetzung nichts, weil da auch bloß Freiheit und Gleichheit drin steht. Den Mesnchen werden Rechte zugestanden (von wem?) und dann soll es auch noch meine unaufkündbare Aufgabe sein, Gerechtigkeit und Freiheit in die Welt zu bringen. Ne Danke! Außerdem bin ich gar nicht dafür, dass jeder gleichberechtigt und frei seine individuellen Vorstellungen vom guten Leben verwirklichen können soll. Kommt schon auch drauf an, was das für individuelle Vorstellungen sind.

    „1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ Ohne die letzten beiden Punkte klingt das ähnlich. Im Grundgestz ist von Rechten, hier ist von gleichberechtgten Interessen die Rede. Was ist ein gleichberechtigtes Interesse. Eigentum?

    Ich halte es für besser sich einig zu werden und dann entsprechend dieser Übereinkunft zu handeln, statt übergeordnete Rechte zu postulieren und dann jeden darauf verpflichten zu wollen.

  154. n0b0dy
    12. Januar 2011, 23:36 | #154

    „Kommt schon auch drauf an, was das für individuelle Vorstellungen sind.“
    >Und an welchen Kriterien willst du die bitte messen? Was gehn die dich an, sofern andere Interessen gewahrt bleiben? „Sich einig werden“ bedeutet ja nichts als Interessen in Einklang zu bringen, so dass diese sich nicht mehr widersprechen und somit leicher umgesetzt werden können. Insofern steht das völlig im Einklang mit dem Grundsatz.

  155. Krim
    12. Januar 2011, 23:58 | #155

    Na werden z.B. durchs Eigentum andere Interessen gewahrt? Der Arbeiter verkauft ja bloß seine Arbeitskraft und kriegt dafür ganz gerecht auch einen Lohn. Der Arbeiter hat eben sein Interesse an Lohnarbeit und der Kapitalist sein Interesse an der Vermehrung seines Eigentums. Beide ergänzen sich wunderbar. Wenn einer bedürftig ist, und geht klauen, dann verletzt er ein gleichberechtigtes Interesse.

    Die Interessen will ich eben gar nicht messen. Ein Interesse hat man und versucht es durchzusetzen. Wenn das nicht geht, weil man andere z.B. nicht dafür begeistern kann, hat man Pech gehabt (wenn’s dazu mehrere braucht).

  156. n0b0dy
    13. Januar 2011, 00:10 | #156

    Das Privateigentum an Produktionsmitteln verhindert die reale Gleichberechtigung von Interessen, weil die Arbeiter strukturell unentgeltliche Mehrarbeit für die Kapitalisten leisten müssen. Ladendiebstahl istn Witz dagegen. So kannst wunderbar Kommunismus begründen. Nur musste das dem Arbeiter halt klarmachen. Leninismus, der per Parteidiktat vermeintliche Interessen des Proletariats durchsetzen will, würde dem hingegen widersprechen.

  157. pion
    13. Januar 2011, 08:50 | #157

    „Das Privateigentum an Produktionsmitteln verhindert die reale Gleichberechtigung von Interessen, weil die Arbeiter strukturell unentgeltliche Mehrarbeit für die Kapitalisten leisten müssen.“

    Das stimmt nicht, die reale Gleichberechtigung von gegensätzlichen Interessen ermöglicht erst die Ausbeutung. Es ist auch ein Missverständnis des Kapitalismus, wenn man ihn für eine Betrugsveranstaltung hält. I.d.R. wird jede Stunde Mehrarbeit genauso bezahlt wie die zur Reproduktion notwendigen. Deine „strukturelle“ Ungleichheit von reich und arm unterstellt eine Gleichheit der gegensätzlichen Parteien als Geschäftspartner.

  158. Krim
    13. Januar 2011, 10:10 | #158

    @nobody: Du denkst wohl es reicht, damit zu werben, das man damit „wunderbar Kommunismus begründen“ kann, damit die dummen, instrumentell denkenden Stalinisten auf Gleichberechtigung reinfallen. Das dürfte dir doch bekannt sein, dass Kommunisten damit nichts am Hut haben.

    Außerdem musst du deine Interpretation von „realer Gleichberechtigung“, die deiner Ansicht nach zum Kommunimus auch doch auch erstmal gegen abweichende Interessen durchsetzen. Also geht es in Wirklichkeit doch bloß um das Interesse und seine Durchsetzung gegen ein anderes das z.B. reale Gleichberechtigung auch schon im Kapitlaismus für möglich hält. Also hast du das, was Moral eben schon immer ist, auch wenn du das Ethik nennst, nämlich ein Titel das eigene Interesse als Allgemeininteresse zu behaupten, um damit den Gegensatz von Einzelinteresse und Allgemeininteresse im Bewusstsein zum Verschwinden zu bringen. Weil du willst, dass dein Einzelinteresse im Allgemeininteresse aufgehoben ist, imaginierst du einfach ein Allgemeininteresse, welches dein Einzelinteresse widerspruchsfrei enthält.

  159. n0b0dy
    13. Januar 2011, 10:52 | #159

    @pion:
    Das is mir schon klar. Die formale Gleichheit führt aber zu inhaltlicher Ungleichheit und struktureller Abhängigkeit. So zufrieden?

    @Krim: Logisch, dass es andere Meinungen darüber gibt, was Gleichberechtigung & Freiheit heißen könnte. Dieser einfache Grundsatz ist ja gerade absichtlich so einfach gehalten, damit über konkretere Sachen die theoretische Auseinandersetzung folgen kann. Das mit Einzel & Allgemeininteresse versteh ich einfach nicht. Magste das mal beispielhaft erläutern? Erklär mir mal bitte von welchen Kriterien aus du Kapitalismus ablehnst und Kommunismus willst.

  160. pion
    13. Januar 2011, 13:15 | #160

    @n0

    Wenn (meinetwegen formale) Gleichheit eine von dir kritisierte Abhängigkeit begründet, dann ist es erst recht unverständlich, dass du für den Titel ‚Gleichheit‘ und die Tour des Moralisierens Partei ergreifst. Jetzt soll man Gleichheit doppelt denken: Einerseits ist das ein hoheitliches Ziel derer, die die politische Gleichheit für ihre Armutsproduktion benutzen, andererseits soll man sich das als etwas Erstrebenswertes vorstellen. Daher deine kritischen Zusätze „reale“ Gleichheit, „strukturelle“ Ungleichheit usw., die stehen für einen Rettunsversuch des Wertes Gleichheit. Moral, Ethik oder Wertehimmel sind aber immer nur Begleitmusik der herrschenden Verhältnisse, auch wenn sie mit kritisch meinenden Inhalten gefüllt werden.

  161. n0b0dy
    13. Januar 2011, 13:21 | #161

    @pion:
    Ich würd auch Freiheit nicht ablehnen, nur weil ich die spezifische Form von Freiheit im Kapitalismus, nämlich die meine Arbeitskraft zu verkaufen, ablehne. Nochmal auch an dich: Von welchen Kriterien sollte Kritik denn sonst ausgehen??

  162. Krim
    13. Januar 2011, 14:21 | #162

    Ich mag was anderes machen, nämlich dir die Sache mit Einzel- und Allgemeininteresse erklären. Der Mensch, der den Staat bzw. das Gemeinwesen affirmiert, der entdeckt hierzulande natürlich, dass zwischen dem, was der Staat will und dem was er selbst will ein Widerspruch besteht. Er kommt in dem realen Gemeininteresse schlecht weg. Jetzt haben wir die folgende Situation: Der Einzelne will nun beides. Das Gemeininteresse, weil er Staatsbürger ist, und sein eigenes Interesse. Zwischen beiden gibt es einen Widerspruch. Er lebt sozusagen eine reale Persönlichkeitsspaltung, er will zwei Dinge die nicht zusammengehen. Daher braucht es eine Auflösung. Er könnte sich natürlich für das eine und gegen das andere entscheiden. Das will er aber nicht, im einen Fall würde er auf sein Interesse verzichten, im andern Fall müsste er Gegner des Gemeininteresses werden. Die einzige Lösung besteht darin ein Gemeininteresse zu erfinden, das keinen Widerspruch zu seinem Interesse mehr enthält. Und dieses ideelle Gemeininteresse ist die Moral. Moral ist daher die Art und Weise wie Staatsbürger ihr Intresse äußern, indem sie es in ein erfundenes Allgemeininteresse verwandeln.

    (http://fk.siteboard.de/fk-post-744.html#744)

    Eine Moral ist nur dann notwendig, wenn man das Allgemeininteresse nicht kritisieren, sondern affirmieren will. Dann entspricht es nämlich eigentlich schon dem eigenen Interesse, wird aber mißbraucht und durch Katastrophen, Unglück von seiner eigentlichen Bestimmung abgehalten.

  163. Krim
    13. Januar 2011, 14:53 | #163

    „Von welchen Kriterien sollte Kritik denn sonst ausgehen??“ du müsstest doch jetzt mitgekriegt haben, dass wir Moral ablehen. Da kannst du nicht fragen, welche Moral es denn sein darf. Was sollen denn Kriterien (immerwährend gültig und über allem stehend) anderes sein als Moral, ein allternatives allgemeines übergeordnetes Gesetz, an dem man sein Handeln ausrichten soll.

  164. pion
    13. Januar 2011, 15:48 | #164

    „Von welchen Kriterien sollte Kritik denn sonst ausgehen?“

    Kriterien gibt es allerdings bei jeder Kritik, nur müssen es keine moralischen sein. Ich schlage folgendes Kriterium vor: Eine gute Kritik muss den Gegenstand treffen, den sie in Frage stellt, sie muss den Beweis liefern, warum das Untersuchte dem eigenen Interesse widerspricht. Mehr ist nicht nötig.

  165. Ohr
    13. Januar 2011, 16:04 | #165

    Krim
    13. Januar 2011 um 14:21 Uhr

    Sehr schön ausgeführt.

  166. 13. Januar 2011, 16:21 | #166

    Krim möchte ich noch dahingehend ergänzen, daß zur Verlogenheit der vorgeblichen Identität von persönlichem Interesse und Allgemeinwohl ganz häufig und geradezu notwendig das Wort „eigentlich“ gehört. Damit wird einerseits das ja offensichtliche Auseinanderklaffen eingestanden aber gleich wieder dementiert. Wenn es stimmen würde, „XXX kann doch nicht sein bei uns!!!“, dann brächte man ja nur dafür sorgen, das es wahr und real wird. Aber nein, weit gefehlt, das Klagen darüber, daß das gültige Prinzip leider irgendwie doch nicht gilt, das ist ja immer schon Ende der moralischen Fahnenstange. Insofern ist es eben bei aller Kritik etwas schrecklich Affirmatives.

  167. pion
    13. Januar 2011, 16:45 | #167

    Ergänzung zu

    „im einen Fall würde er auf sein Interesse verzichten“

    Das geht natürlich nicht. Man kann noch so sehr versuchen, auf sein eigenes Interesse zugunsten des Allgemeinwohls zu verzichten, man sieht auch dem dann verwandelten Interesse seine Herkunft an: Von Askese bis Zölibat haben natürlich auch die Mütter Theresas dieser Welt Interessen, die nicht als Allgemeinwohl auf die Welt kommen.

    An dem Wert Gleichheit: Die Berufung auf Ungleichbehandlung hat schon von Haus aus den Pferdefuß, dass eine Schlechterbehandlung der ehemals Privilegierten einer Gerechtigkeitsforderung auch schon genüge tut. Wer aber etwas dagegen hat, dass sein Interesse geschunden wird, der ist eben schlecht beraten seinen Gegnern einen gemeinsamen Maßstab zu unterstellen. Es ist auch bloß die Vorstellung, die Ungleichbehandlung könne niemand wollen – faktisch kommen die Bürger mit ihrer Lage deswegen so gut klar, gerade weil sie einen Wertehimmel besitzen und die Technik der Eigentlichkeit (s. Neo) beherrschen: „Eigentlich“ müsste es – der Wirklichkeit zum Trotz – um Gleichheit gehen.

  168. n0b0dy
    13. Januar 2011, 17:47 | #168

    @pion
    „Eine gute Kritik muss den Gegenstand treffen, den sie in Frage stellt, sie muss den Beweis liefern, warum das Untersuchte dem eigenen Interesse widerspricht. “

    Auch wenn ich von dem Kant-Gebrabbel wenig halte würde ich hier auf den Vortrag von Zunke und ihre Kritik am Konstrukt des „objektiven Interesses“ verweisen, die ich sehr treffend finde:
    http://neoprene.blogsport.de/2009/05/27/update-zu-moral-vortraegen-erfurt-online/#comment-54824

    „Die Unterscheidung eines objektiven Interesses dagegen, sei es als ein Interesse aller Menschen an einer befreiten Gesellschaft als Bedingung, sei es als Klasseninteresse aller Lohnarbeiter, nicht mehr ihre Arbeitskraft verkaufen zu müssen, tut so, als wäre es in Wahrheit ein innerliches, dass die Menschen bloß nicht bewusst sei. D.h. das objektive Interesse enthält entweder die psychologische Anmaßung, die Menschen hätten irgendwo in sich vergraben, durch das gesellschaftliche Sein tief unten im Bewusstsein verschüttet ein Interesse, von dem sie gar nicht wissen, und das ist dann archäologisch-agitatorisch freizulegen gilt. Oder aber man hat mit diesem objektiven Interesse tatsächlich etwas, das über die Sinnlichkeit von Bedürfnissen hinausgeht und darum gar kein Interesse mehr sein kann, sondern einen objektiven Maßstab, einen moralischen Maßstab der Kritik darstellt. Das Allgemeine, auf das in dem objektiven Interesse rekurriert wird, bezieht sich auf den Maßstab der Vernunft und transzendiert damit gerade dasjenige, was ein Interesse seiner Bedeutung nach überhaupt ist.“

    Im Gegensatz zu bürgerlicher Moral oder dem kategorischen Imperativ von Kant ist der Grundsatz von MSS situativ-unabhängig und daher sozusagen „nach oben offen“ und nicht in Gefahr autoritär zu werden.

  169. 13. Januar 2011, 20:22 | #169

    Einerseits habe ich mir überhaupt nur unter anderem wegen der von nobody (früher libelle) angeführten Stelle die Mühe gemacht, den Vortrag nachzudiktieren. Aber, nun mal ehrlich, kennt hier irgendjemand überhaupt jemand, der noch von „objektivem“ Interesse redet? Die da bei Zunke rausgelesene GSP-Kritik kann ich jedenfalls in diesem Punkt nicht erkennen.

  170. Krim
    13. Januar 2011, 20:23 | #170

    Pion hat nicht von einem objektiven Intresse gesprochen, sondern bloß von einem Interesse und das ist bei Kommunisten auch keines, das der hiesigen Gesellschaft entnommen ist, sondern einfach die Überlegung, will ich das haben was der Kapitalismus mit mir anstellen will oder nicht.

  171. pion
    13. Januar 2011, 20:31 | #171

    „tut so, als wäre es in Wahrheit ein innerliches, dass die Menschen bloß nicht bewusst sei“

    Das stimmt nicht. Wer Lohnarbeiter einigermaßen vernünftig kritisiert, geht davon aus, dass die NICHT das Interesse haben, sich von Lohnarbeit zu befreien. Sonst wäre auch keine Kritik fällig, sondern ein Graben nach

    „verschüttetem Bewusstsein“

    Was die Zunke allerdings verschweigt, ist, dass den verkehrten Löhnerinteressen objektiv bestimmbare Bedürfnisse zugrunde liegen. Nur so kann man den Lohnabhängigen überhaupt beweisen, dass sie mit ihrem Sich-Einrichten einen Fehler machen und ihre (Un-)Zufriedenheit immer mit einer Portion Heuchelei verbunden ist.

  172. pion
    13. Januar 2011, 20:40 | #172

    @neo

    Das mit dem „objektiven Interesse“ ist eine Krücke, um Moralkritikern moralisches Bewusstsein nachsagen zu können. Nach dem Motto: Die tun bloß so, als wären sie nicht moralisch. Der Ausgangspunkt für diese Kapriole ist das Toleranzgebot, man solle an Lohn Interessierten nicht die eigene Kritik überstülpen. Nur so kommt die auf die zwei Alternativen: pädagogische Kritik vs. kategorische Imperativ.

  173. n0b0dy
    13. Januar 2011, 21:00 | #173

    @pion: Meinste das Interesse an materiellem Wohlstand? Wieso soll man dafür den Aufwand machen ein ganzes System zu wechseln anstatt einfach ein paar Stunden mehr zu arbeiten und es tatsächlich zu einem einigermaßen guten Leben schaffen? Für materielles Interesse wäre zudem die hypotethische alleinige Weltherrschaft deutlich besser als Kommunismus, weil ich alle für mich arbeiten lassen kann.

  174. 13. Januar 2011, 21:08 | #174

    nobody/libelle, ich kenne dich zu lange, als daß ich dein
    „Wieso soll man dafür den Aufwand machen ein ganzes System zu wechseln anstatt einfach ein paar Stunden mehr zu arbeiten und es tatsächlich zu einem einigermaßen guten Leben schaffen?“ als Scherz nehmen könnte. Denn du mußt schon ein verdammter Scherzkeks sein, um angesichts der recht mageren Erwartungen der meisten Lohnabhängigen hierzulande (wo es ja bekanntlich noch vergleichsweise toll läuft, Boom und so), sowas ernst zu meinen.
    „Einigermaßen“, ein wirklich anspruchsvolles Ziel!

  175. n0b0dy
    13. Januar 2011, 21:20 | #175

    Mit libelle hab ich nix zu tun. Sollt mir vll. mal nen neuen Namen suchen. n0b0dy gibts irgendwie öfter. 😀

    Ich mein das völlig ernst. Dass ein Systemwechsel, wozu man ohnehin erst mal ne Mehrheit überzeugen müsste ein unglaublicher Aufwand ist sollte eigentlich klar sein. Dazu ist nicht mal sicher, ob man den Kommunismus dann überhaupt noch erlebt und davon profitieren kann. Für mein unmittelbares materielles Interesse gibts wirklich einfachere Möglichkeiten dem nachzukommen.

  176. 13. Januar 2011, 21:31 | #176

    Das mit dem „Namen“ ist mir bekanntlich recht egal. Und wenn ich „dich“ verwechselt haben sollte, dann tut mir das leid.
    Nicht leid tut mir der inhaltliche Vorwurf. Wenn du wirklich meinst, mit deinen ostentativ abgeleisteten Überstunden deinen Chef nachhaltig beeindrucken zu können, dann mach dich halt auf auf diesem deinem Weg. Nur was verschwendest du dann hier deine dafür ja eindeutig zweckmäßiger eingesetzte Zeit? du glaubst doch nicht etwa, ausgerechnet die hiesigen Leser fahren auf sowas ab??

  177. n0b0dy
    13. Januar 2011, 21:45 | #177

    Ich diskutier nun mal gerne, überprüfe meine Argumente, lerne neue kennen usw. 🙂
    Ich argumentiere ja selbst oft mit dem materiellen Interesse, aber eben auch mit dem ethischen. Menschen die weniger materielle Probleme haben, lassen sich dadurch meist deutlich besser überzeugen. Zugespitzt steht die grundsätzliche Frage immer noch: Wieso wäre eine alleinige Weltherrschaft für das betroffene Individuum schlechter als Kommunismus? Ob das umsetzbar ist oder nicht ist eine andere Frage, es geht mir hier erst mal nur um die Beurteilung.

  178. pion
    13. Januar 2011, 21:53 | #178

    „Dass ein Systemwechsel, wozu man ohnehin erst mal ne Mehrheit überzeugen müsste ein unglaublicher Aufwand ist sollte eigentlich klar sein.“

    Wenn du schon mit deiner fiktiven betriebswirtschaftlichen Brille auf die Welt glotzt, warum fällt dir der unglaubliche Aufwand nicht auf, dieses „System“ zu ertragen? Ausgerechnet die Überstunden, also zusätzliche Arbeit über den normalen ruinösen Verschleiß hinaus, sollen mit einem „unmittelbar materiellen Interesse“ vereinbar sein?

  179. Krim
    14. Januar 2011, 02:40 | #179

    Erstmal ist das ja ne Phantasie, nach der Devise: „Das alles und noch viel mehr, könnt ich machen, wenn ich König von Deutschland wär.“ Ist halt ne Freiheitphantasie, alles machen zu können was man will, aber ohne Notwendigkeiten. Frei von Sorgen, frei von Last, alles zu haben, nichts zu müssen, die Welt ist für mich da, alle müssen sich nach mir richten. Es ist bloß so, dass Rio gewusst hat, dass es ne Phantasie und keine Utopie ist. „Jede Nacht um halb eins, wenn das Fernsehen rauscht, leg ich mich auf’s Bett und mal mir aus, wie das wäre, wenn ich nicht der wäre, der ich bin, sondern Kanzler, Kaiser, König oder Königin.“

    Wär Weltherrscher in Wirklichkeit so erstrebenswert? Da hat man mit lauter Weltherrschaftskram zu tun. Und wo’s einen Weltherrscher gibt, gibt’s natürlich auch Leute, die ihn stürzen wollen. Die muss man dann einen Kopf kürzer machen oder wird selber nen Kopf kürzer gemacht. Dann muss man wegen der Weltherrschaft Kriege führen und son Scheiß. Ich würde das nicht wollen.

  180. n0b0dy
    14. Januar 2011, 10:05 | #180

    Ihr seid echt unglaublich. 😀
    Na klar, ist das eine Phantasie, aber trotzdem kann man damit die Frage um die es geht auf den Punkt bringen, nämlich welche Gesellschaftsform „besser“ ist und dass man dafür Kriterien braucht die über das Individualinteresse hinausgehen. Ihr müsst das immer – imho auch ziemlich unglaubwürdig und konstruiert – auf das Interesse umbiegen, während ich ohne Probleme von genanntem Grundsatz ausgehe. Der ähnelt übrigens auch dem Marxschen Satz, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes usw. Wesen ist.

  181. 14. Januar 2011, 10:16 | #181

    Na klar, man kann – vor allem beim frühen – Marx reihenweise Sentenzen finden wie
    (aus )
    Was weiß ich eigentlich über die Lebenslage eines Menschen, wenn da die Beschreibung bzw. eigentlich ja nur das Urteil kommt, „erniedrigt“, „geknechtet“, „verlassen“ gar und „verächtlich“? Nebenbei, zu sowas sind auch GSPler in der Lage, die dem heutigen Lohnarbeiter ihr „Depp“ oder „Idiot“ entgegenhalten. Mir ist das sehr hoch und leider auch sehr leer aufgehängt.

  182. Krim
    14. Januar 2011, 13:31 | #182

    Du hast nicht verstanden, warum man eine Phantasie nicht beurteilen kann. Eine Phantasie sucht sich immer das schöne raus und will von der unschönen Seite nichts wissen. Deshalb kann man damit eine Gesellschaform eben nicht auf den Punkt bringen. Eine Phantasie ist nämlich keine objektive Einschätzung einer zukünftigen Gesellschaftsordnung. (Mal abgesehen davon, dass Weltherrschaft ohnehin keine Gesellschaftsornung imaginiert, sondern persönliche Freiheit auf den Thron setzt und die Abwesenheit der Zwänge des Kapitalismus. Du sagst ja gar nicht, ob deine Monarchie jetzt kapitalistisch, kommunistisch oder feudal gestrickt ist.)

    „Ihr müsst das immer – … – auf das Interesse umbiegen, während ich ohne Probleme von genanntem Grundsatz ausgehe.“ Müssen tun wir gar nichts. Was ist jetzt das Argument? – dass das eine angeblich kompliziert ist (umbiegen), während deine Moral „ohne Probleme“ geht für dich. Dazu sage ich dir, dass es mir ziemlich egal ist, ob das nun einfach oder kompliziert ist. Deine Moral taugt nichts und läuft auf den üblichen bürgerlichen Blödsinn raus.

    Dass eine Moral nichts taugt, habe ich doch nun ausführlich in obigem Text darsgestellt, auf den du bis jetzt nicht eingegangen bist.

  183. pro_kommunismus
    14. Januar 2011, 14:36 | #183

    Wenn du Weltenherrscher werden willst, dann versuch halt Weltenherrscher zu werden. Ich wünsche dir viel Spaß, die 7 Milliarden Menschen zu finden, die sich deiner Herrschaft unterwerfen und alles für dich tun wollen. 🙂

  184. n0b0dy
    14. Januar 2011, 16:17 | #184

    @Krim:
    „Eine Phantasie sucht sich immer das schöne raus und will von der unschönen Seite nichts wissen.“
    Trotzdem kannst du beurteilen ob die Phantasie zu befürworten wäre! Wieso soll das nicht gehen? Genauso kannst du beantworten, ob es sinnvoller wäre das Leben eines Menschen oder das eines Tieres zu retten.
    Das Ziel des Kommunismus „jedem nach seinen Bedürfnissen“ kann man ebenso beurteilen, auch wenns unrealistisch ist das von heut auf morgen umzusetzen. Vom ethischen Grundsatz wird es zudem möglich auch Leute zu überzeugen, die gar nicht vom Kommunismus materiell profitieren würden, aber die Vernünftigkeit der Ordnung nachvollziehen können. Ja, es soll auch reiche Linke geben. Mit eurer Argumentation bzgl. Interesse verbaut ihr euch solche Möglichkeiten prinzipiell.

    Bürgerlich ist da garnix, weil der Grundsatz darauf hinausläuft die bürgerliche Gesellschaft abzuschaffen.

    @pro_kommunismus: Dann überzeug du mal 7 Mrd. Menchen vom Kommunismus, um dein materielles Interesse zu befriedigen. Das Argument haut doch hinten und vorne nicht hin.

  185. Krim
    14. Januar 2011, 18:25 | #185

    1. Wieso sollte ich befürworten, dass du Weltenherrscher wirst? Kaum ausgesprochen weiß man (ich jedenfalls) ja schon, dass das ne Schnapsidee ist. Nicht umsonst ist der Weltenherrscher zur Klischeefigur in diversen James Bond Filmen verkommen und nicht umsonst wird er dort als leicht bis schwer gestört dargestellt.

    2. Wieso sollte man das wollen? Willst du Krieg führen, und diverse Blutbäder veranstalten, um Weltherrscher zu sein? Was glaubst du wie man Weltherrscher wird – doch wohl höchstens gegen den Willen von vielen Menschen. Also braucht man Gewalt, also musst du Blutbäder veranstalten. Welches Interesse befriedigst du damit? Deinen Blutdurst oder was? Das ist doch absurd, ganz davon abgesehen, dass du die Mittel gar nicht hast, um sowas hinzukriegen.

    3. „die gar nicht vom Kommunismus materiell profitieren würden“ es gibt auch andere Interessen als materielle. Wenn du den verlinkten Text auf meinem Forum gelesen hättest, würdest du wissen, dass es unzulässig ist das Interesse bloß auf seine materielle Seite verpflichten zu wollen. Was ich will ist mein Interesse und ich will keine Blutbäder veranstalten und ich will auch nicht, dass die Welt um mich herum in Chaos, Elend, Rohheit und Dummheit versinkt. Wozu brauch ich denn da eine Moral. Ich halte es nunmal nicht für erstrebenswert in einer Gesellschaft zu leben, wo man es mit lauter ideologisch verblödeten Dummbratzen zu tun hat.

    Doch es haut hin und zwar deshalb, weil Weltherrschaft gar keine Gesellschaftsordnung ist, die du anbietest, sondern eine absurde Spinnerei, die noch dazu davon ausgeht man könnte die Leute davon überzeugen, dass sie sich dir g r u n d l o s unterordnen. Warum sollten sie das tun? Das ist völlig inhaltslos. Kommunismus ist dagegen nicht das Mittel nur ein persönliches materielles Interesse zu befriedigen, sondern eine Gesellschaftsordnung, in der die Menschen sich gegenseitig ihre Bedürfnisse befriedigen, weil es so leichter geht und sie produktiver sind. Deshalb gibt es da ne Chance, weil eben alle was davon haben und das zugleich der Grund ist, warum sich eine Gesellschaft auf der Grundlage eines solchen Gemeinwillens zusammenfinden kann.

  186. 16. Januar 2011, 19:55 | #186

    Rest vom Vortrag von Christine Zunke:

    „Weiter heißt es in dem gerade schon zitierten Artikel: „Die Aneignung der sozialistischen Kultur als ideelles Interesse ist zum Beispiel ein objektives Interesse der sozialistischen Persönlichkeit, das zugleich ihr subjektives Interesse werden muss.“ (Vielleicht muss ich kurz noch den Begriff Hypostasierung erklären: das heißt, einen abstrakten Begriff zu so etwas wie einem Daseienden, einer Person zu machen.)

    Meine Behauptung ist, wenn man den Klassenbegriff, den man ja objektiv bilden kann, wenn man den gewissermaßen personalisiert und dann eben diesen, durch den Begriff gewonnenen, eingebildeten Personen, der ganzen Klasse, ein Interesse unterstellt, dann hat man dieses objektives Interesse. Was sich dann wiederum jeder einzelne dieser Klasse zugehörige gefälligst zu eigen machen soll. Die Agitation arbeitet dann daran, eine Einheit zwischen objektiven und subjektiven Interesse herzustellen. Das Objektive soll zum subjektiven Interesse werden. Die Antagonismen zwischen divergierenden Interessen, die bürgerliche Staatstheoretiker über das Allgemeinwohl zu vermitteln versuchten, soll im Sozialismus dann vollständig aufgehoben werden.

    In dieser explizit auf die positive Bestimmung einer sozialistischen Gesellschaft bezogenen Form, taucht das Interesse in linken Debatten heute nur noch ganz am Rande auf. Aber gerade in Diskussionen um Moral erscheint das Interesse wieder in zentraler Funktion, nämlich als dasjenige, worauf man sich als aufgeklärter Mensch stützen und dafür das metaphysische Konzept des Guten und Bösen fallen lassen soll. Es hat dabei wesentliche Züge, die der Marxismus-Leninismus ihm aufprägte, beibehalten. Es macht denselben Fehler, in dem es sich positiv auf das Interesse bezieht, anstatt es als bloß technisch praktische Vernunft gemäß zu kritisieren. Und es kommt mit dem besserwisserisch autoritären Gestus daher, eine Moral durch etwas Zweckrationales ersetzen zu können, womit es auch wieder dem Wissenschaftsverständnis gerade der gesellschaftlichen Verhältnisse verhaftet bleibt, ist vorgeblich abschaffen möchte.

    Bei der Erhebung des Interesses zu Maßstab der Kritik gibt es nicht darum, was Vernunft für sich selbst will, sondern nur um die technisch praktische Seite der Vernunft, die in positivistische Manier zum bloßen Mittel der Bedürfnisbefriedigung verkommt. Hinter dem Gerede von Nützlichkeiten schwingt jedoch immer noch und unreflektiert das moralische Maß des Guten mit. Nämlich dann, wenn eben nicht Lottogewinn, Karriere, oder Weltherrschaft zum Ziel gewählt werden, um mein Interesse bestmöglich durchzusetzen, sondern die Reflektion auf das Ganze der Menschheit in der Forderung nach der Abschaffung jeder Herrschaft mündet, was dann fälschlich als objektives Interesse betitelt werden kann, um zu kaschieren, dass es sich in Wahrheit um eine moralische Forderung handelt, die rein zweckrational und individuell gar nicht zu begründen wäre.

    Ohne einen moralischen Maßstab könnte man nämlich verschiedene Nützlichkeiten, zum Beispiel der Nutzen, den die Herrschaft über viele Menschen mir persönlich bringen würde, nicht in gute und schlechte differenzieren. Ein genuin moralischer Maßstab ist darum jeder emanzipatorische Gesellschaftskritik immanent. Doch wenn dieser moralische Maßstab nicht explizit gemacht wird, dann schlägt der emanzipatorische Gehalt in ein autoritäres Moment um. Das Autoritäre liegt darin, dass man die Bewusstseine in irgendeiner Weise formieren will, um sie dem objektiven Interesse gemäß zu machen. Das ist etwas anderes als Aufklärung durch das bessere Argument, auch wenn es oberflächlich identisch erscheinen mag. Denn in der Formulierung des objektiven Interesses schwingt nicht nur der zwanglose Zwang des besseren Argumentes mit, sondern man maßt sich ein Urteil an über die Formierung der Bedürfnisse und damit über die Form und insbesondere den Inhalt der Bedürftigkeit der Sinnlichkeit der Menschen an, und das ist vermessen.

    Mit dem Interesse appelliert man gerade nicht an die allgemeine Vernunft eines Menschen, sondern an seine gesellschaftlich vermittelte Sinnlichkeit. Deshalb ist das obige Zitat, nach dem die sozialistische Persönlichkeit ein ideelles Interesse an Arbeiterkunst haben solle, nicht bloß als Überspitzung zu lesen, sondern es zeigt sehr deutlich die Vorstellung von Vernunft, die hinter dem Appell ans Interesse steht. Sie ist hier nämlich wieder einmal nur technisch praktisch gedacht. Wer nichts Besseres weiß, als an das Interesse zu appellieren, zeigt damit vor allem, dass er sich eine wahrhaft Ideelles, d.h. etwas was rein aus Vernunft gesetzt ist, ohne bloß technisch praktisch als Mittel auf ein Äußeres gerichtet zu sein, gar nicht denken kann. Der in die engen Grenzen des positivistischen Wissenschaft eingepferchte Geist, der gelernt hat, ausschließlich in diesem engen Rahmen zu denken, entdeckt das Interesse dann als taugliches Mittel für die Agitation.

    Die Nähe zum Positivismus war seit jeher ein großer Mangel materialistische Gesellschaftskritik, weil Gesellschaftskritik auf die Menschheit gerichtet ist, von der der Positivismus keinen Begriff haben kann. Ein Interesse an der Menschheit kann es nicht geben, auch kein objektives, weil die Verwirklichung der Freiheit der Menschen als gesellschaftliche kein sinnliches Bedürfnis eines Einzelnen ist, sondern ein Bedürfnis der Vernunft. Ein Wollen das rein aus der Reflektion des Denkens auf sich selbst entstehen kann. Als Nichtsinnliches und Allgemeines hat es mit dem Interesse als sinnlichem und privatem dann nichts gemein. Denn im Wollen der Verwirklichung der Menschheit als freie geht es gar nicht um die Frage der Vermittelbarkeit oder der Unvermittelbarkeit verschiedener persönlicher Bedürfnisse.

    Die Existenz einer eventuell antagonistischen Verfasstheit der Bedürfnisse stellt unter dem Gesichtspunkt der Vernunftsmoral gar kein zu lösendes Problem dar, sondern allein, ob die Bedingungen, unter denen die Menschen mit ihren divergierenden Bedürfnissen zusammen leben, Bedingungen ihrer Freiheit sind oder durch Herrschaft sie bedingen. Anstatt also Rattenfänger Roche an das Interesse zu appellieren, und fadenscheinige Bonuspunkte für die Bedürfnisbefriedigung nach der Revolution zu versprechen, sollte die Aufklärung über die menschenfeindlichen Verhältnisse des Lebens unter den Bedingungen der Selbstverwertung des Wertes wieder deutlich machen, dass alle Menschen als Menschheit moralisch auf einander bezogen sind, und dass es mir darum nicht egal sein darf, wenn eine Gesellschaft Elend produziert. Und zwar auch dann nicht, wenn die Betroffenen mir persönlich unbekannt sind unsexy aussehen, oder ihr Elend sogar meinen Interessen zugute kommt. Die Forderung, die herrschende Verwechslung von Sittlichkeit und Moral zu kritisieren und nicht ihr aufzusitzen, ist deshalb auch keine begriffliche Haarspalterei das beharren auf der Differenz von Sittlichkeit und Moral ermöglicht nämlich erst die richtige Kritik der bestehenden Verhältnisse als auch an einem Vernunftsbegriff, der Vernunft bloß technisch praktisch versteht, und die Frage der Notwendigkeit der Weltrevolution damit auf eine Interessenabwägung reduziert.“

  187. pion
    17. Januar 2011, 12:59 | #187

    Noch einmal der (moralische) Antimaterialismus, der sich in diesem Forum bedürfnisorientiert gibt:

    Wer die brutale Welt von Ausbeutung, Hunger, Krieg etc. nicht schätzt, womöglich darunter leidet, dem wird empfohlen, IN DIESER SCHEISSE nach „einfacheren Möglichkeiten“ zu suchen. Das ist ein Kritikverbot im Namen des erzwungenen Materialismus: Man soll sich nach der Decke strecken (als täten das nicht längst alle!), statt Gründe für den eigenen Schaden zu benennen.

    Die Entdeckung (z.B. von Marx), dass Kapitalismus eine Ausbeutungsmethode ist, die wegen der beabsichtigten Armut Überstunden nötig macht, soll durch den Opportunismus ersetzt werden, Überstunden seien gut für (erlaubten) Materialismus. Statt einen Gedanken auf die Prüfung der schädlichen Kapitalismuswirkungen zu verwenden (inkl. dem Verheizen mit Überstunden), blamieren Durchblicker lieber die ERFOLGLOSIGKEIT kritischer Stimmen: Weil es keinen Kommunismus gibt, soll man den Kapitalismuas für seine Überstunden schätzen. Das ist eine sehr aufschlussreiche Kapitalismuswerbung!

  188. 26. Januar 2011, 10:41 | #188

    Der Blog versteht den Vortrag von Christine Zunke so:

    Das zeugt eher von einer Verweigerung der Kenntnisnahme wie GSPler tatsächlich argumentieren, denn gerade mit den blöden Interessen der Menschen kämpfen die doch ewig an statt das zu affirmieren.

    Wie man dann gleich zu „autoritäre Form des Auftretens“ und „autoritären Inhalt ihres Denkens“ kommen kann, steht eh noch mal auf einem anderen Blatt.

  189. n0b0dy
    27. Januar 2011, 16:30 | #189

    @pion:

    Ganz genau. Darauf läuft nämlich die Argumentation ausgehend vom Interesse auch hinaus: egoistischer Opportunismus und Pragmatismus. Wie man da zum Kommunismus kommen soll ist mir schleierhaft.
    Angenommen jemand verzichtet auf beruflichen Erfolg und widmet den Großteil seines Lebens der kommunistischen Agitation, weil er die Welt verbessern will. Was wäre denn daran falsch?
    Ich wüsste nichts kritikables daran. Wenn du jedoch vom egoistischen materiellen Interesse ausgehst, wäre das kontraproduktiv. Da käme dann raus: Scheiß auf Politik, gibt eh keine Aussicht, dass ich Kommunismus in Deutschland noch erlebe. Mach ich halt das beste draus.

  190. AgneS
    3. Februar 2011, 10:30 | #190

    „… weil er die Welt verbessern will“

    Wer der Kommunismus nicht zuerst für sich will, der braucht ihn auch gleich überhaupt nicht zu wollen.
    Als Weltverbesserer, mit ´ich weiß was euch gut tut´ sich vielleicht noch über das hinwegzusetzen, was die zu Beglückenden selber davon halten, kann kaum Inhalt eines Kommunismus sein.

    Wenn alle an sich denken ist zumindest mal an alle gedacht.
    Wenn jeder an die anderen denkt und keiner an sich, ist in Wirklichkeit an niemanden gedacht.

    „Angenommen jemand verzichtet auf beruflichen Erfolg und widmet den Großteil seines Lebens der kommunistischen Agitation, weil er die Welt verbessern will. Was wäre denn daran falsch?“
    Wenn es ihm Spaß macht und das die optimale Form der Befriedigung Bedürfnisse ist, dann nichts. Egoismus muss ja nicht gleich mit den vordergründigen materiellen Interessen in eins gesetzt werden. Auch im Kapitalismus ist eben noch lange nicht gleich jede Bedürfnisbefriedigung vom Geldbeutel abhängig. (Hand in den Schritt und … grins) Das ist aber natürlichnur gültig, wenn denn die materiellen Grundbedürfnisse weiterhin zu befriedigen sind.

    Die Aufforderung aber: Unterscheidet sich doch im Grunde nicht von jener: ´Lebt bescheiden, damit wenigstens die Kapitalisten ein geiles leben haben.´

  191. AgneS
    3. Februar 2011, 10:55 | #191

    Nachtrag hier im Thread etwas weiter zurück
    „Jede Erkenntnis hat die Freiheit zur notwendigen Bedingung; ein Denken, das seine Freiheit leugnen will, entzieht sich darum sein eigenes Fundament.“
    Freiheit, Freiheit, … !
    Frei wovon?
    Freien Zugang zu den den Erscheinungen der Objekten der Erkenntnis ja.
    Frei von den Objekten der Erkenntnis wohl kaum.
    Frei von den Biologischen Grundlagen des Denkens und also der Erkenntnis – wohl kaum.

  192. n0b0dy
    3. Februar 2011, 12:16 | #192

    @AgneS: Kannst es drehen wie du willst. Nach deiner Argumentation gibt es also keinen Ansatz jemand vom Kommunismus zu überzeugen, der die Position von Pragmatismus & Opportunismus vertritt?
    Andererseits ist es also falsch auf beruflichen Erfolg zugunsten kommunistischer Agitation zu verzichten, wenn es nicht der eigenen Bedürfnisbefriedigung taugt?

    Abgesehen davon, dass ich niemand moralisch verurteilen werde, weil er nicht die Welt verbessern will – die Sache mit der Willensfreiheit ist schließlich Blödsinn – ist der Unterschied des ethischen Grundsatzes zur Aufforderung den Kapitalisten ein gutes Leben zu ermöglichen doch evident. Zwar kann beides dem egoistischen Interesse entgegenstehen, aber mit dem Grundsatz wird ein gutes Leben für alle angestrebt, während die andere Aufforderung darauf hinausläuft den Ausbeutern noch mehr Geld zuzuschieben, was selbst im utilitaristischen Sinne Blödsinn wär.

  193. AgneS
    3. Februar 2011, 13:25 | #193

    @ 00-nobody:
    „Nach deiner Argumentation gibt es also keinen Ansatz jemand vom Kommunismus zu überzeugen, der die Position von Pragmatismus & Opportunismus vertritt?“
    (Nun, da haben sich ja einige hier schon sehr schwer getan im Versuch, mich vom Kommunismus ihrer jeweiligen Bedeutungsgebung zu überzeugen 😉 ).
    Wenn der Kommunismus nicht für den Egoisten selber taugt, dann wird man ihn auch wohl kaum davon überzeugen können.
    Andersherum ist es aber eben auch andersherum:
    Wenn der Kommunismus aber für die von ihm Betroffenen zumindest in der Theorie eine (praktische 😉 ) Bessere Bedürfnisbefriedigung verspricht, dann ist auch der Pragmatiker und der Opportunist dabei.

    „Andererseits ist es also falsch auf beruflichen Erfolg zugunsten kommunistischer Agitation zu verzichten, wenn es nicht der eigenen Bedürfnisbefriedigung taugt?“
    Na – Ja, ich würde es lassen.
    Wenn es andere aber tun, muss ich das deswegen nicht irgendwie falsch finden. Letztlich muss dahinter ja ein Bedürfnis stecken, dies zu tun. Also ist eigentlich schon die Frage unsinnig.

    „Abgesehen davon, dass ich niemand moralisch verurteilen werde, weil er nicht die Welt verbessern will – die Sache mit der Willensfreiheit ist schließlich Blödsinn -“
    Soll dieser Einschub die Begründung sein? (Über dem Blödsinn mit der Moral mal zu schweigen) Hätten die Leute einen freien Willen, dann würde (moralisch) Verurteilen wohl Sinn machen???
    Wenn der Wille frei von der Rücksichtnahme auf dein Urteil wäre, dann macht das Verurteilen doch erst überhaupt keinen Sinn.

    Im Übrigen geht Ethik und Moral nicht der gesellschaftlichen Entwicklung voran, sondern hinterher. Sie sind auch nicht wirklich menschheitsübergreifend gleich und besonders ja von der gesellschaftl. Stellung abhängig. Aus den ethischen Grundsätzen braucht man da also auch nichts ableiten zu wollen, und ob etwas in deinen Grundsätzen evident ist, ist mir hier auch recht egal.

    „aber mit dem Grundsatz wird ein gutes Leben für alle angestrebt“ Na eben nicht! Nicht für mich, sondern ja nur für irgendwen – nachkommen etc.

    Und wenn wir schon mal dabei sind hier ein Blödsinn nach dem anderen zu outen, auch ein Wort zum
    „Handle so, dass das größtmögliche Maß an Glück entsteht!“
    Wie bekommt man denn bitte dein Glück und meines in ein gemeinsames Maß? Ist 5 mal ein Stück n0b0dy-Glück mehr oder weniger als 1 Stück AgneS-Glück? Ich denke mal weniger, also verzichte doch bitte! – Ja?

  194. Krim
    3. Februar 2011, 13:48 | #194

    „Na – Ja, ich würde es lassen.“ Stattdessen betreibst du Antikommunimus auf Kosten deines beruflichen Erfolgs – na ja kommt drauf an – aber wahrscheinlich kann man noch nicht mal beim Verfassungsschutz Karriere machen, wenn man sich auf kommunistischen Blogs als als verwirrter Troll aufführt.

  195. Felix
    7. Februar 2011, 14:56 | #195

    Leute aus Bremen und Umgebung können sich Christine Zunkes o.a. Vortrag zu am 15. März 2011 um 19.30 Uhr in Bremen anhören (Veranstaltet von der Antinationalen Gruppe Bremen in Kooperation mit dem AK Kritik des Antisemitismus des AStA der Uni Bremen, sowie der Rosa-Luxemburg-Initiative Bremen).

  196. Jona
    29. Juli 2011, 13:38 | #196

    Der Vortrag von Zunke zur Kritik der Interessenmoral ist nun in ausführlicherer Form als Text erschienen. Leider gibt es keine Entgegnung darauf in dem Buch. Wäre interessant gewesen.
    Hier der Link:
    http://www.rote-ruhr-uni.com/cms/Die-Moral-in-der-Kritik.html

  197. Teh Asphyx
    19. September 2013, 15:39 | #197

    Ich gestatte mir mal, dieses Thema auch zwei Jahre nach dem letzten Beitrag jetzt noch zu kommentieren. Schließlich verjähren solche Themen (leider) nicht.

    Ich frage mich ja schon immer, was da eigentlich für ein Bedürfnis hinter steckt, wenn jemand ein moralisches Gebot erlassen will. Mir scheint es hier folgendes zu sein, was ich schon öfter bei linken Moralisten festgestellt habe:
    Weil der sachlichen Kritik das Zwingende fehlt, das jeden, der sie anhört, automatisch zum revolutionären Subjekt macht, der sogleich alle seine Verhältnisse umwirft, soll irgendein klug formuliertes moralisches Gebot diesen Zweck erfüllen. Das muss halt nur so gut konstruiert und begründet (?) sein, dass es jedem doch sofort einleuchten muss.
    Der Witz an der Sache ist halt nur, dass diese Wunderwirkung, die einer vernünftig begründeten Moral so nachgesagt wird, ja gar nichts ist, was die Moral wirklich leistet. Selbst eine Moral wie die bürgerliche Moral, die dann per Gewalt durchgesetzt wird in Form von Gesetzen ist nicht für alle zwingend. Sonst gäbe es ja nicht andauernd Verstöße, trotz der Gewalt, die die Leute, die dagegen verstoßen, dann ja auch zu spüren bekommen. Das fängt ja schon bei Kindern an, deren moralisches Fehlverhalten zwar mittlerweile meist nicht mehr mit Prügel aber dafür mit anderen Sanktionen geahndet wird und geht dann nahtlos in die staatlich ausgeübte Gewalt über (wobei die Sanktionen der Erzieher gegenüber den Kindern genzugenommen auch nur ein verlängerter Arm dieser staatlichen Gewalt ist). Da ja trotzdem immer wieder dagegen verstoßen wird, kann die Moral ja von sich aus so einleuchtend nicht sein, jedenfalls nicht so, dass sie deshalb schon zwingend wäre.
    Was soll ich aber mit einem „Argument“, das gar keinen überzeugt und das auch noch mühsam erst konstruiert werden muss?
    Wie sollen Proleten, deren gesellschaftliche Wirklichkeit (Kapitalismus) sie schon nicht zwingend zu kommunistischen Agitatoren, geschweige denn Revoluzzern, macht, ausgerechnet dann durch ein Gedankenkonstrukt – auf das sie ja auch erst kommen müssen – zu welchen werden?
    Da hätte für mich schon die Beschäftigung mit Moral ein Ende.
    Hier wird aber dann gleich behauptet, anders ginge es nicht gar nicht als mit Moral und jeder, der den Kapitalismus kritisiert, hätte in Wirklichkeit moralische Gründe und solle sich doch in seiner Kritik lieber auf die beziehen als auf das Interesse. Dies ist ärgerlich, weil es für eine agitatorische Praxis vernichtend ist, deswegen erfordert es leider doch eine nähere Befassung.
    Denn anstatt sich mit den guten Gründen, die sich aus dem Interesse und den herrschenden Verhältnissen ableiten lassen, mal inhaltlich auseinanderzusetzen und sie ihrem Inhalt nach zu überprüfen wird dann einfach mal gleich von vornherein bestritten, dass es die überhaupt geben kann.

    Dabei ist es gar nicht mal schwer, ohne Moral darauf zu kommen. Wenn ich 1. feststelle, dass ich meine Interessen nicht verfolgen kann, 2. dann aufgrund einer Erforschung der Umstände, die dazu führen, darauf komme, dass es im Kapitalismus auch gar nicht vorgesehen ist, weil Bedürfnisse immer nur Mittel und nie Zweck der Produktion sind und 3. diese Analyse dazu führt, dass ich merke, dass nur eine Gesellschaftsform, in der grundsätzlich für Bedürfnisbefriedigung (aller!) produziert wird, diesem mir eigenen Interessensanspruch überhaupt genügen kann, dann ist der Fall doch klar. Da brauche ich doch keine Moral. Dann ist das Bestreben danach, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ eben kein kategorischer Imperativ mehr, sondern durch das Interesse gegeben.
    Zunke schlussfolgert anscheinend aber aus ihrer Analyse der Zustände, dass nur eine Weltherrschaft dafür in Frage käme, diesem Interesse genüge zu tun. Der Schluss ist aber falsch und zwar immer noch aus dem Interesse heraus. Denn ich muss doch davon ausgehen, dass andere das gleiche Interesse haben und sich damit, weil eben mit dem Weltherrschaftsanspruch schon gleich ein Gegensatz hergestellt ist, zu mir in Konkurrenz stellen. Und schon habe ich das Problem, dass ich meine unangefochtene Interessensbefriedigung eben nicht mehr habe. Also ist das gar keine Option dafür. Es kann eben NUR dann gehen, wenn eine Gesellschaftsform da ist, in der Interessen keine Gegensätze darstellen. Und das ist dann halt für alle so. Nur dann kann ich doch überhaupt sicher sein, dass ich keine Konkurrenz darin bekomme.
    Wo soll denn da jetzt bitte eine heimliche, nichteingestandene Moral hinter stecken?

    Dann gucken wir doch mal, wie Zunke das begründet.

    Lustig finde ich übrigens das Beispiel mit dem Polizisten, der angeblich nicht der goldenen Regel folgt. Für eine Person, die sich eigentlich mit Moral besser auskennen müsste, ist das ziemlich schwach. Die goldene Regel lässt sich durchaus auch relativ anwenden, also in dem Sinne, dass der Polizist nicht, weil er jemanden einsperren will, auch wollen muss, dass es ein allgemeines Gesetz würde, dass Leute eingesperrt werden, sondern wenn er jemanden für ein bestimmtes „Vergehen“ einsperrt, will er halt, dass jeder für dieses „Vergehen“ eingesperrt würde. Und dann kann er sich auch ganz wunderbar miteinschließen, er, der als treuer Staatsbürger ja niemals ein solches Vergehen begehen würde.
    Deswegen geht der kategorische Imperativ ja wirklich perfekt als Grundlage bürgerlicher Moral auch in seiner Anwendung auf.

    Dass dieser dann aber, wie in den darauf folgenden Absätzen behauptet wird, gleich Grundlage aller Interessensgegensätze sein soll, ist nun wirklich totaler Quark. Da wird einfach unterstellt, dass der kategorische Imperativ der ganzen gesellschaftlichen Ordnung des Kapitalismus vorausgehen würde. Als hätte sich Kant den erst ausgedacht und anschließend wurde das adäquate Wirtschaftssystem dazu, also der Kapitalismus, etabliert und deswegen sind jetzt alle Interessen „Ausdruck der spezifischen Unterwerfung unter die Herrschaft des Kapitals“, weil Interessen ja gar nicht mehr außerhalb des über allem stehenden kategorischen Imperativs existieren können und somit „immer ideologisch“ sind.
    Dabei ist der kategorische Imperativ nur ein weiteres Mittel, dem Mitmachen in einem System, das einem gar nicht gut tut (das aber schon existiert!), etwas abgewinnen zu können.

    Inwiefern es eben doch ohne Moral zu vermitteln ist, warum sich jemand für Weltrevolution stark machen sollte, habe ich ja weiter oben schon erwähnt. Wobei das selbstverständlich zur inhaltlichen Prüfung offen steht.

    Die vermeintlich gleichwertigen Alternativen sind keine.
    Wer den Kapitalismus richtig analysiert, wird zu dem Schluss kommen, dass diese Beispiele alle keine adäquaten Mittel sind, um die eigenen Interessen durchzusetzen.
    Lottospielen tut doch keiner, ohne seinen Lebensunterhalt gleichzeitig durch was anderes abzusichern. Da geht doch niemand hin, kauft sich einen Lottoschein und sagt seinem Chef adieu, weil er sich sicher ist, dass er 6 Richtige + Superzahl haben wird. Da mag eine Hoffnung drin sein, aber doch keine Berechnung. Außerdem nimmt das Lottospielen kaum Zeit in Anspruch, sodass es wohl kaum als vollständiger Ersatz für Agitation, Arbeit oder anderes dienen würde. Ist doch gar nicht so, dass es gegeneinander stehen würde.
    Bei den anderen Beispielen sieht das anders aus, da diese durchaus viel Zeit in Anspruch nehmen. Nur wird halt nur jemand mit falschem Bewusstsein wirklich denken, dass das adäquate Möglichkeiten wären. Damit befreit sich doch keiner aus der Konkurrenz.
    Nur weil nicht jeder zwangsläufig zu den richtigen Urteilen kommt, heißt das doch nicht gleich, dass das gar nicht möglich wäre und es dann so was wie Moral dafür brauchte. Auf die Idee kommt wirklich nur jemand mit affirmativer Stellung zur Moral.
    Klar kann ich mir als Individuum Hoffnungen machen, dass mich irgendwas anderes auch zum Ziel bringt, ich kann mir auch Hoffnungen machen, dass ich nach dem Tode im Jenseits belohnt werde. Ich kann verdammt vieles. Und? Nur weil der Schluss, dass eine Revolution nötig ist, aus meiner Situation heraus nicht DAS zwingende Urteil ist, soll das heißen, dass dieses Urteil gleich gar nicht möglich ist, ohne dass irgendwas anderes dazu herangezogen wird? Das ist doch Blödsinn.
    Und eine Person, die so einen billigen falschen Umkehrschluss als Argument heranzieht hat im Gegensatz zu mir einen universitären Titel? Jetzt fühle ich mich aber vom System um meine Gerechtigkeit betrogen! (Den konnte ich mir jetzt nicht verkneifen)

    Im nächsten Absatz wird der falsche Umkehrschluss noch mal deutlich:

    Es ist eben nicht so, dass es niemanden dazu bringt. Es bringt nur halt auch nicht jeden dazu. Aber nur weil es nicht jeden dazu bringt, heißt das noch lange nicht, dass es niemanden dazu bringt. „Alles oder nichts“ ist ja in einigen Fällen sehr angemessen, hier aber gar nicht.

    Es muss aber, wenn das schon nicht gehen soll, dann eben was anderes her: ein leeres moralisches Gesetz, sagt Zunke. Eine Moral aber, die sich auf nichts Konkretes beziehen darf, weil sie allgemein sein soll, hat halt auch keinen Inhalt. Wieso immer wieder danach gesucht wird, ist mir schleierhaft, genau wie Metaphysik und der ganze Scheiß. Wer das gerne als Hobby betreibt, soll das tun, aber den Anspruch zu haben, dass daraus irgendwas Praktisches folgen soll, ist dann doch sehr vermessen, weil es der Sache gar nicht entspricht. Aus einer Vernunft, die sich selbst will, folgt dann eben nur Vernunft selbst. Warum nicht gleich richtig heideggerianisch sagen, dass die Vernunft vernunftet während der Wille will usw. Viel fehlt da ja nicht mehr.
    Auch das mit der Grenze zum tierischen Instinkt hat irgendwie so gar nichts Wissenschaftliches, sondern baut auf falschen philosophischen Vorstellungen von einer Mensch-Tier-Differenz auf. Auch hier lässt Heidegger grüßen.
    Dann nennt man das Ergebnis dieser totalabstrakten Vernunftsbestimmung eben, „mit Bezug auf Kant, Moral“. Was Wert wird sie dadurch aber auch nicht.

    Der Begriff der Menschheit, der da aufgeworfen wird, ist irgendwie auch sehr seltsam anthropozentrisch vermessen. Wenn es schon so allgemein wird, dann bin ich doch gleich auf den ganzen Planeten Erde, sowie auf die Sonne und eigentlich das ganze Universum bezogen. Ohne das alles wäre ich sehr unfrei. Und auf den Apfelbaum in meinem Garten bin ich wahrscheinlich mehr bezogen als auf einen Reisverkäufer in China, dem soeben ein Sack mit seiner Ware umgefallen ist. Eine konkrete Bezogenheit auf diesen Reisverkäufer ergibt sich doch erst aus den gesellschaftlichen Verhältnissen, die man sich als Menschen eben macht. Deswegen dürfen ja auch täglich tausende von Kindern an Hunger verrecken, weil für das Funktionieren des Kapitalismus auf die eben keiner Bezogen ist. Da hilft auch die Vernunfts-Moral einfach gar nichts, höchstens um wie Adorno die Wirklichkeit mal wieder um ihre bessere Möglichkeit betrogen zu sehen.

    Der Inhalt des Gesetzes, das die Freiheit erschuf, ist die Freiheit selbst. Tautos lässt grüßen. Klar kann daraus auch nur folgen, dass man halt „kann, oder eben auch nicht“.

    Falsch, auch z.B. ein Hund ist Adressat eines Sollens, wenn ihm beispielsweise mit dem Befehl „Sitz!“ eine bestimmte Handlung konditioniert wird.
    Das Traurige an diesem Beispiel ist, dass Moralisten meistens dem Menschen wirklich nicht viel mehr zutrauen als dem konditionierten Hund und deswegen eben an die Moral appellieren. Es sei denn, sie trauen dem Menschen wie in diesem Fall Autonomie dabei zu. Dann ist der Mensch im Gegensatz zum Tier (ja ja, dieses eine abstrakte Tier …) eben eins, das sich selbst konditionieren kann.

    Von „heteronomen Vorgaben der Natur“ zu sprechen ist auch ziemlich verfehlt. Der Mensch findet – wie jedes andere Lebewesen eben auch – Bedingungen in der Natur vor, die er sich – ihre Erkenntnis vorausgesetzt – eben zunutze macht oder nicht. Manche sind sicher auch eher störend als nutzend, wie ein Grippevirus, dann hilft die Einsicht eben dabei, die Störung beseitigen zu können. Nichts von alldem gibt dem Menschen aber irgendwelche Befehle, wie er sich zu verhalten hat. Das tut eben erst die Moral bzw. das Gesetz (oder genauer: diejenigen, die sich per Gewaltmonopol für die Einhaltung des Gesetzes/der Moral stark machen). Sich von der Natur zu emanzipieren würde nach der Bedeutung des Begriffs bedeuten, dass der Mensch zunächst von der Natur versklavt wäre und sich aus diesem Verhältnis befreien würde. Der Fehler dabei ist, dass der Mensch nie Sklave der Natur sondern immer Teil von ihr ist und mit ihr (bzw. der Natur außerhalb von ihm, also seiner Umwelt) schon immer umgehen muss. Aus herrschaftlichen Verhältnissen allerdings kann er sich in der Tat befreien, indem er sie abschafft. Das kann er mit der Natur nicht, denn das würde bedeuten, sich selbst abzuschaffen, da die Natur durch ihren Gebrauch weder zerstört noch aufgehoben wird. Sie bleibt immer Natur, aber eben in einem veränderten Zustand. Hier geht Zunke voll dem im bürgerlichen Denken verhafteten falschen Unterschied von Natur und Kultur auf den Leim. Was soll auch überhaupt eine nicht vollständige Emanzipation sein? Entweder man ist von etwas befreit oder nicht, im Gegensatz zu oben wäre hier ein „alles oder nichts“-Denken wirklich angemessen.

    Wenn heteronom aufgeherrschte Gesetze damit per se unmoralisch sein sollten, weil sie dem Prinzip Freiheit widersprechen, inwiefern ist damit gesagt, dass ein Mensch sich dann für die Freiheit entscheiden sollte? Ist es nicht viel eher so, dass die Menschen reichlich gute Gründe finden, auf ihre Freiheit ein Stückweit zu verzichten, weil sie sich die Notwendigkeit heteronom aufgeherrschter Gesetze für ein möglich angenehmes Zusammenleben einleuchten lassen? Da wären wir wieder da, dass man halt „kann, oder eben auch nicht“.
    Anstatt sich mal damit auseinanderzusetzen, WAS einem da eigentlich heteronom aufgeherrscht wird und wer sich damit welche Zwecke zu erfüllen gedenkt und daran dann zu messen, ob das überhaupt im eigenen Interesse ist oder nicht, kommt hier gleich eine prinzipielle Absage an sämtliche inhaltliche Beschäftigungen, die sich wohl eh nicht lohnen, weil keine Heteronomie sich an dem hohen Maß der Moral überhaupt messen kann. So einen ähnlichen Blödsinn gibt es auch bei Chomsky zuhauf. Das ist aber keine Kritik. Das ist Affirmation zu einem leeren Begriff.
    Den gleichen Käse von wegen Autonomie=gut und Heteronomie=schlecht ungeachtet des jeweiligen Inhalts fand auch schon die Frankfurter Schule sehr kritisch.

    Die praktische Ausübung der Willensfreiheit zu einer Selbstnötigung zu erklären ist auch nur eine weitere Tautologie.
    Dem Freiheitsblabla vom Kant hat schon Hegel was passendes entgegengehalten mit der Einsicht in die Notwendigkeit. Kurz gesagt, nicht das (innere) Bedürfnis wird überprüft, sondern eben die (äußeren) Bedingungen (Notwendigkeiten) zur Betätigung des willentlichen Inhalts. Dass der Mensch eben das kann, anstatt einfach den Bedingungen unterworfen zu sein, macht ihn frei und nicht etwa, dass er sich seine Bedürfnisse noch mal genau überlegen kann. Wenn ich Hunger habe, stelle ich doch nicht einfach ein paar überlegungen an und überlege mir frei, ob ich das denn nun auch will oder nicht. Dann überlege ich halt, wie ich meinen Hunger mit den Vorgefundenen Bedingungen, die ich halt dazu überprüfen muss, stillen kann und bin eben sehr frei darin, wie ich das mache. Ob ich aus Mehl und Hefe im Schrank dann ein Brot oder eine Pizza mache oder was improvisiere und damit kreativ was neues erfinde, darin bin ich halt frei, wenn ich weiß, dass und wie ich Mehl und Hefe dazu verwenden kann (oder mir dieses Wissen eben aneignen kann). Dazu muss ich nicht über mein Bedürfnis nach Essen reflektieren, ob ich das denn auch will, sondern darüber, ich essen will.
    Dass Kant bestreitet, dass der Wille sich auf diese Art frei äußern könnte, liegt dann daran, dass er eine falsche Vorstellung darüber hat, wie die Dinge von außen auf einen wirken. Wenn ich mir meine Gedanken darüber mache, ob ich Brot oder Pizza backe, dann bestimmen doch nicht Mehl und Hefe heteronom, was ich essen soll und schon gar nicht ob ich Hunger habe oder nicht. Auch wenn ein angenehmer Duft appetitanregend sein kann, dann doch auch nur, wenn ich schon Anflüge von Hunger habe. Wenn ich mich gerade satt gegessen habe, dann wird mich kein noch so angenehmer Duft heteronom zwingen, noch was zu essen. Erlebe ich oft genug, wenn ich sattgegessen einkaufe und dadurch Entscheidungsschwierigkeiten bekomme, weil mir aufgrund meiner Sättigung eben nichts wirklich den Appetit anregt. Dann will ich halt auch eigentlich nichts haben, bin aber so frei aus praktischen Interessen für den späteren Fall von Hunger jetzt schon mal vorzusorgen.

    Aber doch nicht, indem jeder sein Interesse verfolgen kann und seine Bedürfnisse erfüllen, sondern weil er davon per se ausgeschlossen ist und seine Arbeitskraft für den Kapitalisten rentabel verkaufen muss, damit er überhaupt nur ansatzweise was von seinen Interessen befriedigt kriegt. Das reicht aber halt nie aus. Daraus folgt doch gar nicht, dass sein Interesse nur im Kapitalismus von Belang ist und für den Kommunismus unwichtig. Der Unterschied ist, wie ja vorher schon richtig gesagt wurde, dass im Kapitalismus das Interesse Mittel der Produktion und im Kommunismus Zweck derselben ist. Genau dann folgt doch aber der Wunsch nach Kommunismus aus dem Wunsch, dass das Interesse Zweck und nicht Mittel der Produktion sein soll. Wo braucht es denn da bitte Moral?

    Dass „die Interessen selbst schon Ausdruck einer spezifischen Herrschaftsform sind“ ist halt eine Mystifikation des Interesses, die bisher ziemlich unbegründet da steht. Außerdem auch wieder tautologisch abgeleitet. Wenn der Kapitalismus gleichzeitig die Interessen erschaffen soll, die er als Mittel einsetzt, wieso sollte es ihn dann überhaupt geben? Dann muss es ja das, was er erzeugt, um es als Mittel – also als Grundlage seines eigenen Bestehens – einsetzen zu können, eben doch vorher gegeben haben, da er wohl kaum ohne seine Grundlage einfach existieren kann. Also sind Interessen eben doch nicht NUR Ausdruck einer spezifischen Herrschaftsform, Interessen es aber durchaus sein.

    Es hat schon was ironisches, dass gerade eine Person die so was schreibt, Leuten ankreidet im bürgerlichen Denken verhaftet zu sein, wenn sie sich auf unmittelbare Interessen beziehen um dann mit einem Satz anzukommen, der über die Plattitüde „Handle stets so, dass Deine Freiheit nicht die Freiheit eines anderen eingrenzt“ inhaltlich gar nicht hinausgeht (nur so umgestaltet, dass nicht die Freiheit anderen, sondern gleich die Freiheit nicht beeinträchtig werden darf). Dass die Freiheit eines anderen also ein Widerspruch zur Freiheit eines (oder aller) anderen ist, wird hier einfach als gegeben gesehen, was wirklich pure bürgerliche Ideologie ist. Wieso soll ich dann überhaupt noch nach befreiter Gesellschaft rufen? Diese Moral ist doch im Grundgesetz hier längst verwirklicht. Nur hilft mir das eben gar nicht, meine Interessen zu verwirklichen und dann frage ich mich halt, warum es überhaupt so sein muss, dass meine Freiheit (also die praktische Ausübung meiner Interessen) im Gegensatz zu derer von anderen steht. Und dann stelle ich eben fest, dass es an der kapitalistischen Produktionsweise liegt und dann will ich doch deswegen eine andere Produktionsweise, in der Interessen keine Gegensätze sind, weil ich meinen dann eben nachgehen kann. Ganz praktisch unmoralisch begründet. Mit einer Weltherrschaft mit mir an der Spitze sind doch meine Interessen weiterhin im Widerspruch zu denen meiner dann Untergebenen. Die wollen mir dann nämlich nicht einfach nur dienen, sondern halt auch was für sich haben und schon habe ich Konkurrenten um den Thron, die ich mir mühsam vom Leib halten muss, anstatt dass ich einfach meinen Interessen nachgehen könnte.

    Wenn Herrschaft halt so einfach funktionieren würde. Als ob ich als Herrscher nicht einen enormen Gewaltapparat einrichten müsste, der mir das gesellschaftliche Mehrprodukt erst gefügig macht, um den ich mich dann auch stets kümmern muss. Dass mir das vielleicht noch lieber ist als Arbeiter zu sein, mag ja noch aufgehen, aber dass damit meine Bedürfnisse zu ihrer besten Befriedigung kämen ist halt falsch (mir Illusionen machen darüber und es deshalb anstreben kann ich natürlich trotzdem).

    Da bleibt doch die Forderung, bestimmte Bedürfnisse zurückzustellen aufrecht erhalten. Ob ich sie mir selbst stelle oder jemand anders ist doch für das Bedürfnis, das nicht befriedigt wird, ziemlich egal. Aber was soll denn damit für eine Kritik möglich sein? Wie soll ich denn nach dem Prinzip überhaupt darauf kommen, an den Verhältnissen zu untersuchen, was Bedürfnisse eigentlich zu Gegensätzen macht. Dann überlege ich halt bei jedem Interesse eben nur, dass ich damit jemanden (oder einer abstrakten Menschheit) schaden könnte und lasse es gleich. Und am Ende bleibt mir halt der Selbstmord, weil ich an meinen autonom gesetzten moralischen Nötigungen scheitere (was aber auch nicht geht, weil das auch ein Schaden der Menschheit wäre und schon wurde mal wieder ein völlig unnötiges Dilemma konstruiert).

    Womit wir vollständig in der bürgerlichen Blablawelt angekommen wären. Genau diese Denke führt doch dazu, dass eben alle eigenen Interessen hinter ein abstraktes Allgemeininteresse zurückgestellt gehören (und das aus eigenem Antrieb heraus). Ein abstraktes Allgemeininteresse, das aber eben niemandes Eigeninteresse ist. Das ist dann eben die allgemeine Freiheit. Wieso sollte ich denn damit eine Revolution anzetteln wollen? Genau mit diesem Mist legitimiert sich doch die demokratische Herrschaft, indem sie sich auf die autonome Freiheit aller beruft, dieser Herrschaft über sie zuzustimmen. Indem jeder autonom dieser abstrakten Freiheit und damit ihrer Herrschaft über den Einzelnen zustimmt, wird eben die Heteronomie als moralische legitimiert. Womit wir halt bei der Staatsableitung wären. Wo soll denn da der Kapitalismus mit kritisiert sein?

    Womit wir dann theoretisch auch noch bei Menschenrechten und dem ganzen Mist wären.

    Das wäre ja noch schöner, wenn Kommunisten jetzt anfingen, auf diese Weise über solche Dinge zu philosophieren.
    Die relevante Frage im Sinne eine Kritik ist doch die, was für Gründe Menschen haben, sich gegenseitig umzubringen. Dann schaffe ich doch lieber die Gründe ab, dann muss ich auch niemanden einsperren und erspare mir die Dilemmata. Jedenfalls aus praktischem Interesse heraus. Moralisch muss ich mir ja nun eher Gedanken machen, ob eines der beides Sachen schlimmer ist oder beides gleich schlimm, was, wie schon zugegeben wurde, überhaupt keinen praktischen Nutzen hat. Aber drüber nachdenken kann man ja mal, immerhin kriegt man mit so was ja universitäre Abschlusstitel und wer will heute schon auf so was verzichten?

    Und wieder ist die Wirklichkeit um ihre schöne Möglichkeit betrogen. Aber dass daraus irgendeine konkrete Kritik des Bestehenden folgt, ist eben gar nicht gegeben, sondern erst aus einem praktischen Interesse heraus. Das kann ich aber auch gleich machen, ohne mir vorher mühsam eine abstrakte, inhaltsleere Moralformel ausdenken zu müssen, aus der nichts folgt.

    Die Analyse, wie Ausbeutung entsteht und dass Kapitalismus notwendig Armut und Elend produziert hat doch aber gar nichts damit zu tun, ob der Zustand nun falsch oder richtig ist. Wenn ich das abschaffen will, dann doch, weil ich ein praktisches Interesse daran habe, eben nicht ausgebeutet zu werden. Einfach weil es mir nicht genehm ist und nicht, weil irgendwem damit unrecht getan wird.

    Seltsam nur, dass diejenigen, die sich aktiv für dieses System der Ausbeutung und Profitmacherei einsetzen, sich da eher sehr unempfindlich zeigen und beispielsweise tote Zivilisten im Krieg ganz unmoralisch als Kollateralschaden betiteln. So zwingend scheint dann dieses universelle Gebot dann doch wieder nicht zu sein. Oder fühlt sich hier nur wieder die Wirklichkeit um ihre schönere Möglichkeit betrogen, die sie ja bei korrekter moralischer Einsicht eigentlich haben müsste?

    Was soll denn da noch erklärt werden?

    Und wieso soll das ein Problem sein, dass ich deswegen Leid vermeiden möchte, weil ich nicht leiden will? Wieso soll da ausgerechnet die Beschädigung eines abstrakten Konstrukts für mich mehr Motivation zu einer bestimmten Handlung sein als mein Leid? Abgesehen davon müsste man dann halt auch erstmal Leute dazu bringen, die Menschheit wichtig zu nehmen. So selbstverständlich ist das auch nicht und es gibt auch welche, die sich dann so abstrakt dann eher affirmativ zur Auslöschung der Menschheit stellen. Auf solch einer abstrakten Ebene kann man eben auch einfach zu diesem Schluss kommen. Dazu kann man mal die ideologischen Texte einiger satanistischer Gruppierungen lesen (die Church of Satan geht dabei nicht als Satanismus durch, ich meine schon die, die theologisch damit ernst machen), die treiben dieses abstrakte Spielchen ganz gut auf die Spitze. Da kommt halt gar nichts mehr gut weg und „alles was entsteht – ist wert, dass es zugrunde geht“. Da wird die Affirmation zum abstrakten moralisch Guten eben einfach umgekehrt zu einer Affirmation zum abstrakten Gegenteil davon. Lustigerweise führt das im Resultat oft zu einer realistischeren Sicht auf die Zustände der Welt als die Affirmation zum Guten. Und auch da gab es dann auch schon Leute, die das mit dem Kommunismus vereinbar hielten oder es sogar als Begründung hernahmen. Wobei da wohl eher GULag als Bedürfnisbefriedigung zum Zweck des Kommunismus erklärt wurde. Aber das soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Es soll nur zeigen, dass daraus notwendig und vernünftig gar nichts folgt.

    Und „objektiv schlecht“ ist ein Oxymoron, da gut und schlecht halt immer subjektive Wertungskriterien sind. Da aber schon seiner Definition nach Elend nichts angenehmes sein kann und Dinge durchaus objektiv zu solchem führen können, erübrigt sich da doch jede weitere Wertung oder Begründung einer Wertung. Wenn das Elend systemisch verbindlich fabriziert wird und ich das weiß, dann frag ich doch nicht, wie das Elend nur für mich ausgeschaltet werden kann – das wäre doch gar keine zweckdienliche Frage – sondern eben gleich, wie ich das System abschaffen kann, dass dieses Elend produziert.

    Die Moral aber doch auch. Die hilft da doch keinen Schritt weiter. Wenn sie diese Wirtschaftsweise für geeignet halten, dann halten sie sie eben für geeignet und dann wird die abstrakte Menschheit auch darin aufgehen. Und wenn es dann mal für einen einzelnen nicht so passt, hat der sich eben nicht genug angestrengt. Aber der Menschheit geht es doch so gut wie nie, sie hat ja im Kapitalismus sogar ganz und gar an ihre Natur appellierende Menschenrechte.

    Also ist sie sogar erfolgreich? Aber weil sie nicht dem affirmativen Verhältnis zur Moral genüge tut, die Zunke hier von ihr als Leistung haben möchte, soll sie das gar nicht sein? Worum geht es denn jetzt eigentlich?

    Wenn untermogeln ein Synonym ist für sachliches Begründen, dann wäre dem zuzustimmen.
    Es ist schon interessant, anstatt Gründe für Misserfolge der Agitation ausfindig zu machen, um anhand dieser Verbesserungen vornehmen zu können, wird gerade der vermeintliche Erfolg der Agitation zum Problem gemacht. Danke, das hat die Welt sicher noch gebraucht. Wo war Zunke eigentlich als Gysi Held vorgeworfen hat, mit der MG einen Erfolg von einer Weltveränderung in Höhe von 0,0% gehabt zu haben?

    Für diese Aussage wäre eine Begründung weitaus angemessener zu liefern als für die Schlechtigkeit von Elend. Es bleibt aber bei der puren Behauptung.
    Auf so was kommt dann nur jemand, der gar nicht erst versucht den Schritt von einem einzelnen Interesse über die Kritik zu einem allgemeinen Interesse nachzuvollziehen. Der wirft dann dieser Kritik einen Mangel an einer Sache vor, die sie weder haben will noch braucht – nämlich einen Mangel an moralischer Begründung als Maßstab.

    Wer sagt denn auch, dass es notwendig sein muss? Aus einer sachlichen Kritik des Kapitalismus resultiert es allerdings tatsächlich auch notwendig. Nur muss die halt erstmal vollzogen sein. Und es hängt eben auch sehr vom Bestehenden ab, dass diese Forderung folgt. Wäre das Bestehende nicht gerade der Kapitalismus, dann wäre das Resultat halt auch ein anderes. Aber gerade weil die Kritik sich am Kapitalismus und nicht an irgendwas anderem abarbeitet, kommt ja aus den Bedingungen des Kapitalismus eben dieses Resultat heraus. Da muss man sich halt mal auf das Inhaltliche der Kritik einlassen, anstatt sich immer an der abstrakten Form abzuarbeiten, dann klappt das auch mit dem Interesse als Grundlage. Dass sich so ganz abstrakt aus Interesse nichts ableiten lässt, ist doch gar nicht der Punkt.

    Der Maßstab, der hier mühsam konstruiert wurde, ist selbst doch auch rein ideologisch.

    Jetzt wird da auch noch Psychologieunsinn untergemischt. Bedürfnisse entspringen also einem Reiz-Reaktions-Schema und sind deshalb nie für sich vernünftig. Vernünftig ist am Menschen dann auch nur, dass er zu diesen Bedürfnissen selbst ja oder nein sagen kann. Und wenn es nicht passt, soll er halt nein dazu sagen.

    Es ist doch aber ein Unterschied, ob sie systematisch scheitern oder ob sie deshalb scheitern, weil sie halt grundsätzlich nicht realisierbar sind. Dann scheitern sie nicht daran, dass sie in einem systematischen Gegensatz zueinander gestellt sind, sondern an ihrer Unerfüllbarkeit. Deswegen ist es mir doch trotzdem lieber, meine Bedürfnisse sind Zweck und nicht Mittel der Produktion ohne, dass ich das noch extra moralisch begründen müsste.

    Das klingt schon fast nach VWL. Es gibt doch trotzdem Grenzen. Wer sich vorher nur ein Brötchen am Tag leisten konnte, wird sich sicher freuen, dass er jetzt drei davon am Tag essen kann, aber er wird doch nicht eine Million davon am Tag haben wollen, irgendwann ist er dann auch satt.

    Das klingt dann nicht mehr nur fast nach VWL, sondern das ist genau der Müll, der da verzapft wird. Daran gibt es bereits eine Menge an fundierter Kritik, die ich an dieser Stelle nicht wiederholen möchte. Auf jeden Fall bestätigt das nur, dass es Zunke hier sehr offensichtlich lediglich darum geht, ihren Mangel, den sie an der Kapitalismuskritik entdeckt haben will, geltend zu machen, als irgendwas inhaltlich mal zu überprüfen.

    (Das Marx-Zitat hab ich dem Original-Wortlaut von Marx angepasst)
    Ausgerechnet das moralisch aufgeladene Frühwerk von Marx soll hier noch die Bestätigung liefern, dass Moral hier angemessen ist. Marx hat schon selbst noch entdeckt, dass Begriffe wie „Menschheit“ und „Egoismus“ keine adäquaten Benennungen für Motive sind. Es wird auch im Kommunismus keiner hingehen und produzieren, weil er die „Menschheit“ im Sinn hat und die „Menschheit“ Zweck der Produktion sein soll. Außerdem würde ich eine Gesellschaft, in der das das alles beherrschende Motiv ist, gar nicht wollen. Ich will eine Gesellschaft, die die Bedürfnisbefriedigung aller zum Zweck hat, weil sie am produktivsten auch für meine eigene Bedürfnisbefriedigung arbeitet und weil ich mir dann um Konkurrenz und den ganzen Scheiß keinen Kopf mehr machen muss. Ein Paradies ist das nicht, Probleme wird es da schon noch geben, aber keine systematisch gemachten. Dieser Unterschied müsste doch mal einleuchten.

    Es geht aber eben nicht einfach nur darum, frei von Herrschaft zu sein. In der ganzen Moral ist auch gar keine praktische Anleitung enthalten, wie es zu solch einer Gesellschaft kommen soll, wieso auf einmal alle diesen moralischen Blickpunkt teilen sollen. Wer soll denn das gewährleisten? Die Frage wurde ja oben schon beantwortet, indem man halt „kann, oder eben auch nicht“. Nur dann bleibt das Ganze halt eine schöne Vorstellung, anhand derer man die Wirklichkeit um ihre bessere Möglichkeit betrogen sehen kann und das ganz furchtbar finden, aber weiter nichts.

    Wer macht denn das? Das allgemeine (=objektive?) Interesse ist doch nicht entgegengestellt, sondern ergibt sich halt aus dem speziellen Interesse und der Kritik an der mangelnden Durchführbarkeit. Wo soll da eine Entgegenstellung sein?

    Vorstellungen wissen einen Scheiß, aber Leute, die Inhaber solcher Vorstellungen sind, können es wissen oder auch nicht. Ich weiß dafür, dass ein allgemeines Interesse, das einer zutreffenden Kritik , eben keine Nötigung ist. Deswegen steht ja auch immer zur inhaltlichen Prüfung, ob die Kritik zutreffend ist. Das steht schon jedem frei, das dann zu prüfen und auch abzulehnen, wenn es nicht zutrifft.

    Es geht doch nicht um innerlich und äußerlich. Entweder folgt das auf die Kritik, dass man diese andere Gesellschaft will, weil sie eben am besten dazu dient, die eigenen Interessen zu verwirklichen, oder eben nicht, weil man sich dann seine Verhältnisse doch anders zurecht erklärt.

    Weil ja aber die Kritik gar nicht nachvollzogen wird und dann auf irgendein objektives Interesse, das geweckt werden will (als ob es darum ginge), kommt dann solcher Unsinn zustande:

    Leuten einen moralischen Maßstab anzumaßen, den sie irgendwo ja eigentlich in ihrer Vernunft hätten, weil sie ja eigentlich durch ihre pure Vernunft die Vernunft aller wollen müssten, also die ganze Menschheit, das geht dann aber schon in Ordnung.

    Der vollständige Absatz, aus dem dieses Zitat stammt, lautet so:
    „Diese wechselseitige Abhängigkeit ausgedrückt in der beständigen Notwendigkeit des Austauschs und in dem Tauschwert als allseitigem Vermittler. Die ökonomen drücken das so aus: Jeder verfolgt sein Privatinteresse und nur sein Privatinteresse und dient dadurch, ohne es zu wollen und zu wissen, den Privatinteressen aller, den allgemeinen Interessen. Der Witz besteht nicht darin, daß, indem jeder sein Privatinteresse verfolgt, die Gesamtheit der Privatinteressen, also das allgemeine Interesse erreicht wird. Vielmehr könnte aus dieser abstrakten Phrase gefolgert werden, daß jeder wechselseitig die Geltendmachung des Interesses der andern hemmt und statt einer allgemeinen Affirmation vielmehr eine allgemeine Negation aus diesem bellum omnium contra omnes[vii] resultiert. Die Pointe liegt vielmehr darin, daß das Privatinteresse selbst schon ein gesellschaftlich bestimmtes Interesse ist und nur innerhalb der von der Gesellschaft gesetzten Bedingungen und mit den von ihr gegebnen Mitteln erreicht werden kann, also an die Reproduktion dieser Bedingungen und Mittel gebunden ist. Es ist das Interesse der Privaten; aber dessen Inhalt, wie Form und Mittel der Verwirklichung, durch von allen unabhängige gesellschaftliche Bedingungen gegeben.“

    Gerade durch dieses Zitat ist widerlegt, dass Weltherrschaft eine adäquate Form der Interessensverfolgung ist. Es sagt doch vielmehr aus, dass die Verfolgung von Interessen gar nicht ohne die Gesellschaft zu denken ist. Nur geht es doch gar nicht darum, dass die Interessen heteronom aufgeherrscht wären. Es geht darum, dass sie durch die Bedingungen, die vorgefunden werden, eben ihren speziellen Inhalt bekommen. Es ist eben nie so, dass private (=für sich stehende Interessen) wirklich nur für sich stehen. Mehr ist damit gar nicht gesagt. Aber nein, das Zitat soll etwas ganz anderes aussagen, nämlich:

    Dass im Kapitalismus Interessen spezifisch als gegeneinanderstehende formiert sind, ist zwar richtig, folgt aber nicht aus dem Zitat und bedeutet erst recht nicht, dass Interessen dann grundsätzlich gegeneinander stehen, sondern eben nur im Kapitalismus und es sagt eben auch, dass Interesse nicht auf den Kapitalismus allein beschränkt ist, was aber vorher die Behauptung war.

    Diese Schlussfolgerung ist demnach auch falsch. Gerade hat Marx aufgezeigt, dass kein Privatinteresse wirklich nur privat sein kann. Daraus folgt eben, dass die Verfolgung eines Interesses auch immer eine Befassung mit den gesellschaftlichen Bedingungen erfordert. Wenn diese Befassung dann zum Resultat hat, dass mein Interesse in den bestehenden Verhältnissen niemals Zweck, sondern immer nur Mittel der Produktion sein kann, dann folgt daraus eben im Interesse des Interesses, diese Verhältnisse verändern zu wollen und zwar so, dass Privatinteressen nicht gegeneinander stehen. Und das ganz ohne die Menschheit dabei im Sinn zu haben.

    Nein, es wäre lediglich ein Fehler, sie als Privatinteressen zu bezeichnen.

    Hier wird dann die Aussage von Marx gleich mal komplett umgedreht. Nun soll er kritisiert haben, dass Interessen immer an die Privatsphäre gebunden sind, obwohl er umgekehrt gesagt hat, dass eben jedes noch so private Interesse an gesellschaftliche Bedingungen gebunden ist.
    Was die ML-Therorie daraus gemacht hat, ist dann noch mal ein anderes Thema. Lenin sah halt mehr das Interesse der Arbeiter nach ordentlicher Entlohnung durch den Kapitalismus verhindert als dass er die Ausbeutung im Kapitalismus als grundsätzliches Hindernis für das Verfolgen von Interessen gesehen hätte.

    Da wäre es doch dann erstmal angemessen zu fragen, warum das Interesse an einem Arbeitsplatz besteht. Und dann wird man eben feststellen, dass der Arbeitsplatz eben gar kein Zweck, sondern ein Mittel ist. Und dann auch kein sonderlich gutes, aber für viele eben das einzige. Und wenn Leute halt schon so weit mit ihrem notwendig falschem Bewusstsein sind, dass sie glauben, der Arbeitsplatz wäre Zweck und nicht Mittel – was ja durchaus vorkommt – und sich um dieses Interesse betrogen fühlen, dann ist das doch kein Problem, ihnen das ganze theoretisch aufzulösen und zu zeigen, dass Arbeitsplatz eben nicht Zweck, sondern bloß Mittel ist. Jedenfalls ist es inhaltlich kein Problem, das Problem ist eher, diese Leute dafür zu interessieren, aber daran ändert die Moral ja auch nichts. Daran ist auch nichts autoritär. Dann muss ich daraus doch nicht gleich eine generelle Absage an das Interesse basteln.

    Aber nur dann, wenn man in dem falschen Schluss verhaftet bleibt, dass der Job Zweck und nicht bloß Mittel der Interessensverfolgung wäre. Dann, aber auch nur dann folgt auch:

    Stimmt, weil es eben dann erst als Interesse brauchbar wird, wenn es nach seinen Zwecken aufgelöst ist und nicht bloß eben ein falsches Interesse nach den Mitteln ist (Mittel ?).
    Und deswegen bleibt die Kritik aus dem Interesse heraus auch brauchbar.

    Zusammenfassend lässt sich also aus Zunkes Vortrag heraus folgendes feststellen:
    Weil Interessen sich auf äußeres beziehen und nicht rein innerlich sind, besteht die Möglichkeit, dass Interessen schon so auf die spezielle Gesellschaftsform gemünzt sind, dass sie sich nicht mehr eignen, um die Herrschaft abzuschaffen. Anstatt die Interessen deswegen einer inhaltlichen Prüfung zu unterziehen, erteilt man lieber gleich eine komplette Absage an das Interesse. So wie im bürgerlichen Wissenschaftstheoriebetrieb gleich eine Absage an die Erkenntnis erteilt wird, weil Irrtümer ja möglich sind.
    Um die armen Arbeiter aber nicht deswegen mit einem Mangel zu hinterlassen, muss eben ein Ersatz her. Zunke hält die Moral für geeignet. Diese soll jetzt, gerade weil sie abstrakt ist und gar keinen Inhalt hat, nämlich ein adäquater Ersatz sein, denn durch das Fehlen sämtlichen Inhalts und Bezug auf äußeres sie ja gar nicht durch den Kapitalismus entfremdet sein.
    Wieso aber ausgerechnet ein neuer her soll – den keiner bestellt hat –, um für die Abschaffung des Kapitalismus zu sein – als gäbe es nicht dafür schon Gründe genug –, folgt eben lediglich aus dieser Feststellung, dass dieser Grund gar nicht Kapitalismus zu suchen sein darf, sondern einer höheren Natur entspringen muss, an der der Kapitalismus sich halt messen lassen muss. Wieso sich dann jemand überhaupt affirmativ auf die Suche nach einem Grund machen sollte (das ja aus subjektiven Interessen gar nicht begründet sein kann), bleibt schleierhaft bzw. lässt sich nur als tautologisch begründete Moral erklären aber niemandem näherbringen.
    Weil diese Moral rein tautologisch „begründet“ ist, erspart man sich halt auch gleich jegliche Agitationspraxis (außer Linken gegenüber, denen man noch erklären muss, dass sie falsch liegen, wenn sie vom Interesse als Grund für irgendwas ausgehen), weswegen sich auch niemand mehr den Vorwurf gefallen lassen muss, autoritär zu sein. Man hat die Moral und die damit einhergehende Selbstnötigung halt oder eben auch nicht.

    Warten wir halt mal ab, ob sich die Menschen ihrer moralischen Pflicht der Menschheit gegenüber doch noch bewusst werden und die Welt verändern oder eben auch nicht. Bis dahin bleibt die Wirklichkeit eben um ihre bessere Möglichkeit betrogen.

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