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Archiv für die Kategorie ‘(1) MG + GSP’

BILD zu Flüchtlingen

24. Juli 2014 Kommentare ausgeschaltet

„Was muß das für ein widerliches, unmenschliches, abartiges Regime sein, das für diese Flucht, dieses Elend, dieses Leid verantwortlich ist. Was sind das für Männer dort in xxx!?“ (BILD)

Nein, das bezieht sich natürlich nicht auf Eritrea, Somalia oder Sudan (heute Herkunftsländer vieler Flüchtlinge), das Zitat ist schon etwas älter und bezieht sich auf Vietnam nach dem Ende des Kriegs mit den USA.
[gefunden im Artikel „Vietnamflüchtlinge – Immer zu viel und trotzdem zu wenig!“ aus der Nr. 31 der MSZ vom Oktober 1979]

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Kritik an antideutscher Israel-Solidarität

23. Juli 2014 176 Kommentare

Den folgenden Text habe ich über Facebook in Netz gefunden. Es ließ sich aber nicht klären, wann er von wem an wen gerichtet war, könnte ein Brief gewesen sein.

Die Juden und der Staat Israel
Ich zitiere noch mal deine/eure Position, die ihr auf der Iran-Veranstaltung vorgetragen habt:
Die Juden, sagt ihr, sind in der Geschichte immer wieder Opfer von Pogromen geworden, dessen schlimmstes der Massenmord des nationalsozialistischen Deutschlands an ihnen war.
Das ist kein Zufall, sondern hat seine Notwendigkeit. Denn innerhalb von allen Staaten gibt es Gegensätze zwischen den Menschen, und damit die Nation trotz dieser Gegensätze zusammenhält, erfinden sich die Staaten innere wie äußere Feinde. Der erfundene innere Feind sind immer die Juden; jeder Staat ist also per se antisemitisch. Beweis: In der Geschichte hat es immer wieder antijüdische Pogrome gegeben.
Das Einzige, das die Juden in einer Welt voll antisemitischer Staaten schützen kann, ist ein eigener Staat. Dieser eigene Staat, der die Juden vor ihren Verfolgern bewahrt, ist Israel. Alles, was der Staat Israel nach innen wie nach außen unternimmt, hat insofern seine Berechtigung, als es dem Schutz der Juden dient. Und erst, wenn der letzte Staat auf der Welt gefallen und damit der Antisemitismus aus der Welt ist, kann auch der Staat Israel fallen.
So weit euer hoffentlich korrekt wiedergegebene Standpunkt.
Dazu will ich ein paar Dinge anmerken:
1. Eure Theorie haut schon von den Fakten her nicht hin.
Ja, es hat viele antijüdische Pogrome in der (europäischen) Geschichte gegeben, und es hat den Holocaust im 20.Jh. gegeben.
Sofern man nur die staatlich initiierten Morde an eigenen Bevölkerungsgruppen und nicht die an fremder Bevölkerung in einem regulären Krieg zählt, hat es ferner in der älteren Geschichte die Ausrottung von zig Millionen mittel- und südamerikanischen Indios und nordamerikanischen Indianern gegeben; es gab in der neueren Geschichte einen Massenmord an Armeniern, an Kambodschanern, an Menschen aus Biafra in Nigeria, an Tutsis in Ruanda, an Bosniern, Serben und Kroaten und in den letzten Jahren an 2-3 Millionen Kongolesen. Die Liste wäre endlos fortsetzbar.
Die Beispiele dafür, dass es die Anhänger der verschiedensten Religionen Christen in Indonesien und Nigeria, Muslime in Burma und China…- und die verschiedensten Ethnien (bzw. solche, die sich dafür halten oder von ihrem Staat dafür gehalten werden) trifft, sind so massenhaft und alltäglich zu haben, dass sich für mich die umgekehrte Frage stellt:
2. Wie kommt ihr dann eigentlich darauf, dass immer die Juden die Opfer wären?
Es können euch unmöglich die Tatsachen darauf gestoßen haben die sprechen eine andere Sprache (s.o.) Ihr müsst also einen anderen Grund haben, in einer Welt voll von staatlich verfolgten und massakrierten Menschen die Juden zum bevorzugten Schutzobjekt zu erklären.
Dieser Grund liegt in Deutschlands faschistischer Vergangenheit, der ihr eine moralische Verpflichtung entnehmt: Weil Deutschland Millionen Juden umgebracht hat, muss jeder anständige Deutsche das Seine tun, damit den ehemaligen Opfern so etwas nicht wieder geschieht.
Was euch dazu bringt, eine Hierarchie der Opfer einzuführen und die Juden für die mit Abstand schützenswerteste Zunft der Menschheit zu halten, ist also kein unschuldiger Humanismus dem ist jeder umgebrachte Mensch gleichermaßen zuwider; der macht solche Unterscheidungen nicht! , sondern ein schlechtes deutsches Gewissen. Soll heißen: Ein Bewusstsein, das sich dem Kollektiv der Deutschen zugehörig fühlt und sich deshalb für die Taten Deutschlands verantwortlich fühlt, statt den deutschen Täter zu kritisieren.
3. Diese Kritik an euch, nicht Humanismus, sondern Nationalismus ist der Beweggrund für eure Parteinahme für die Juden, empfindet ihr sicher als sehr falsch und ungerecht.
Und zwar deshalb, weil ihr euch unter Nationalismus genau das vorstellt, was ihr im Hitler-Deutschland und heute am ehesten bei der NPD beheimatet seht: Deutschlandfahnen schwenken, Deutschland, Deutschland über alles! singen, Ausländer verprügeln und Juden ermorden.
So etwas ist eine Konsequenz aus dem Nationalismus; der Nationalismus selber aber fängt schon viel früher und viel unspektektakulärer an:
National denkende Menschen sind alle, die die ihnen staatlicherseits vorgesetzten Lebensumstände (man braucht Geld zum Leben; das bekommt man nur dadurch, dass man sich für Geldbesitzer nützlich macht; man braucht also einen Job; damit man den bekommt, muss man die entsprechende Ausbildung durchlaufen…) als ihre Lebensbedingungen akzeptieren, in denen sie sich heimisch fühlen und in denen sie sich fortbringen wollen.
Wer so denkt und so denkt erst einmal jeder, auch ihr -, der hat sich ideell mit seiner Nation zusammengeschlossen; der denkt und sagt wir, wenn er seinen Staat und die anderen Staatsbürger meint.
National denken ist nichts anderes als der ganz gewöhnliche Geisteszustand von Schülern Studenten, Arbeitern und Geschäftsleuten, die Abhängigkeit der eigenen Lebensumstände und der eigenen Interessen von den Vorgaben und dem Funktionieren der Nation für selbstverständlich zu halten. Jede Forderung nach einem Arbeitsplatz, nach einem Kindergartenplatz, nach besserem Umweltschutz, geringerer Mehrwertsteuer oder Gleichbehandlung der Geschlechter ist Nationalismus, weil sie diese Abhängigkeit akzeptiert. Gar nichts gegen Forderungen aber solchen Forderungen sieht man an, dass sie nicht einfach aus materiellem Interesse erhoben werden, sondern im Bewusstsein der Verträglichkeit des eigenen Anliegens mit dem der Gegenseite: Wer z.B. einen Arbeitsplatz will, der hat seinen Existenzunterhalt für eine mit dem Kapital vereinbare Größe erklärt und der erklärt sich seinen miesen Lohn oder seine Entlassung mit Missmanagement der Unternehmer.
Ein Bürger, der so national denkt, der seine Interessen in denen seiner Nation aufgehoben sieht, der seine Nation zu seinem Lebensmittel verklärt hat, der lässt sich für jeden Krieg einspannen. Wo immer seine Nation ihre weltweiten Interessen als bedroht definiert, betrachtet er den ihm präsentierten Feind als seinen Feind: Der macht ja das kaputt, wovon er abhängt!
So erklärt sich, dass in Nazideutschland die große Mehrheit der Bevölkerung ebenso problemlos auf eine Feindschaft gegen Russen, Engländer, Franzosen und Juden einzuschwören war, wie sie sich im heutigen Deutschland Serbiens Milosevic, Iraks Hussein oder Irans Ahmadinedschad als Feind vorsetzen lässt.
4. Dass euch dieser Nationalismus genau so beseelt wie die anderen Leute auch, sieht man daran, dass ihr euch so vordringlich und ausschließlich für den Schutz der Juden einsetzt.
Wer meint, dass er den Opfern der Nation, der er angehrt, Wiedergutmachung schuldig ist, der setzt sich in eins mit der Nation und ihren Taten. Der denkt sich selbst als Deutschen, als Teil dieses Kollektivs; und nur, weil er sich als Teil des nationalen Wir denkt, fühlt er sich für die Taten dieser Nation verantwortlich.
Zur Verdeutlichung:
– Ein linker Intellektueller aus Japan oder aus Papua-Neuguinea käme wohl kaum auf die Idee, er müsse sich unter allen Opfern staatlicher Gewalt weltweit bevorzugt die Juden zum Anliegen machen. Wieso? Weil seine Nation keine umgebracht hat. Auf eine solche Idee kommen deutsche Linke.
– Ein kommunistisch denkender Mensch, der zufällig hier geboren und deshalb mit einem deutschen Pass ausgestattet ist, kommt ebenfalls nicht auf die Idee, unter allen von Staaten angerichteten Massenmorden den an den Juden für den allerschlimmsten zu halten. Wieso? Weil ein ermordeter Mensch ein ermordeter Mensch ist, und vom Standpunkt aus, man möchte, dass alle Menschen ein vergnügtes Leben haben, ist der tote Tutsi das gleiche Ärgernis wie der tote Kroate oder der tote Jude.
Schämen über das, was Deutschland gemacht hat, tun sich Menschen, die sich als Deutsche denken und indem sie für die von Deutschland begangenen Taten als Angehörige dieses nationalen Vereins Wiedergutmachung leisten wollen, betreiben sie Imagepflege am Täter. Sie erklären dessen Ungeheuerlichkeiten nicht als logische Konsequenz staatlichen Denkens, das Kritik verdient, sondern als Verfehlung, die eigentlich nicht sein müsste, weil Deutschland auch besser sein kann dafür stehen sie ein.
5. Das ist aber nicht wahr. Deutschland kann nicht besser sein, weil es in den Zwecken von Staaten liegt, Menschen zu Opfern zu machen:
Staaten behandeln praktisch ihre Bevölkerung als ihr Material, das für die staatlichen Anliegen kapitalistisches Wachstum und Ausdehnung staatlicher Macht gerade zu stehen hat. Ganz ohne Scham werden deshalb auch die „kleinen Leute”, die Dienstleister an diesen Vorhaben, „Humanressource” genannt.
Alle anderen, die nicht die eigenen Leute sind, sind das Material eines anderen Staates; und da Staaten einander prinzipiell feindlich gegenüberstehen einer obersten Gewalt widerspricht es ganz grundsätzlich, noch unabhängig von den konkreten Feindschaftsgründen, die kapitalistische Staaten gegeneinander haben, dass sie begrenzt ist und hinter der Grenze eine andere oberste Gewalt sitzt -, sind Staaten prinzipiell kritisch gegenüber Ausländern: Als Rohstoff eines anderen Staates ist die eigene Macht über diese Burschen beschränkt, und insofern sie loyal zu ihrem Staat stehen, sind sie höchst unsichere Kandidaten, wenn sie auf hiesigem Territorium in der Rolle des Gastarbeiters oder sonst wie ihren Aufenthalt fristen.
Staaten sind sehr anspruchsvolle Subjekte: Als die Instanzen, die mit Machtvollkommenheit über ihre Untertanen ausgestattet sind und auf ihrem Territorium Recht setzen, stehen sie auf dem Standpunkt, dass sie ein Recht darauf haben, dass ihre Zwecke aufgehen.
Wenn aufgrund der Konkurrenzlage zwischen den Nationen die Realität des staatlichen Erfolges deutlich hinter den staatlichen Ansprüchen zurück bleibt, dann erklärt sich eine Staatsgewalt nicht die Krise, den Währungsverfall etc. theoretisch, sondern dann schließt sie von diesem Anspruch auf Erfolg zurück: Wenn alles mit rechten Dingen zugehen würde, dann wäre mir der Erfolg sicher! Wenn meine Zwecke nicht aufgehen, dann ist es also nicht mit rechten Dingen zugegangen; dann hat sich jemand an mir vergangen!
So entdecken Staaten nicht nur äußere Feinde, die den Erfolg, der ihnen eigentlich zusteht, sabotieren, sondern auch innere Feinde, die das nötige Zusammenstehen der Nation gegen außen untergraben. So hat Hitler „den Juden”, die Zigeuner und Homosexuellen als Feinde des deutschen Volkes „entdeckt”, d.h. definiert. Andere Nationen „entdecken” nach derselben Logik Christen, Schwarze, Kurden, Araber oder Palästinenser als inneren Feind und gehen ihnen an den Kragen. Und damit klar ist, dass das im heutigen Deutschland nicht anders ist: Vor noch nicht allzu langer Zeit hieß die Friedensbewegung „5. Kolonne Moskaus”, und hier und heute ist es Allgemeingut, dass „uns die Ausländer die Arbeitsplätze stehlen” und für die Gewalt an den Schulen die Türken verantwortlich sind.
Dass ein Mensch ein guter Staatsbürger ist und jeder Staatsbürgerpflicht brav nachkommt, schützt ihn vor einer solchen Definition gar nicht. Denn der Grund dafür, als innerer Volksfeind identifiziert zu werden, liegt ja gar nicht in dem Menschen, sondern in der staatlichen Anspruchshaltung: Weil ihm der Erfolg zusteht, muss dort, wo er ausbleibt, ein Staatsfeind sein subversives Unwesen treiben!
6. Wenn Juden und alle anderen aus dem Holocaust oder anderen staatlichen Verfolgungen etwas gelernt hätten, dann wäre es das Folgende gewesen:
Staatsgewalten sind eine äußerst schlechte Lebensbedingung. Die nehmen ihre Bevölkerung für lauter Dienste her, von denen die Allermeisten nur den Schaden haben; sie diskriminieren ihre Bevölkerung nach deren tatsächlicher oder vermeintlicher Tauglichkeit für diese Dienste an der Nation, und wen sie dafür für unbrauchbar oder schädlich halten, den lasse sie über die Klinge springen.
Die einzig richtige Konsequenz für Juden (und alle anderen Staatsbürger!) aus dem Holocaust wäre also gewesen: Weg mit der Staatsgewalt! Und nicht: Dann wollen wir eine eigene, damit auch wir es in Zukunft so treiben können!
Euch leuchtet diese Idee: Wer durch einen Staat zum Opfer geworden ist, der braucht nichts so dringend wie einen eigenen Staat! sehr ein weil ihr euch den Staat nicht als die Gewalt denkt, die ihre Untertanen für denen schädliche Anliegen verheizt im Arbeitsprozess oder an der Front -, sondern weil ihr euch den Staat denkt als Ausschuß der Menschen auf einem Territorium (so wie den Klassensprecher), zuständig für deren Wohlergehen.
Dass das nicht der Fall sein kann, sieht man nicht nur hierzulande (wie leben denn Millionen Menschen im Exportweltmeisterland? Auf dem Existenzminimum, in ständiger Sorge, dass sie demnächst nicht mal mehr das haben werden!), sondern auch in Israel:
Auch da ist das Staatsprogramm mit seinen Eroberungen und Besetzungen fremden Territoriums nicht das Mittel für ein sicheres Leben seiner Bevölkerung, sondern umgekehrt: Diese Bevölkerung wird als Soldaten für die Ausdehnung des Staates hergenommen, hat als arbeitende Masse dieses Programm zu finanzieren und wird an den Busbahnhöfen Opfer der palästinensischen Gegengewalt, die der israelische Staat ihr mit seiner Unterdrückungspolitik auf den Hals zieht. Nirgendwo auf der Welt lebt man heutzutage als Jude so gefährlich wie in Jerusalem oder Tel Aviv.
7. Dieselbe nationalistische Denkweise von euch zeigt sich auch am anderen Pol: „Die Juden,” sagt ihr immer so ganz selbstverständlich, „sind immer verfolgt worden, brauchen Schutz, brauchen einen eigenen Staat…”
Wer sind denn „die Juden”? Was verbindet denn Menschen, die entweder jüdische Feiertage begehen oder denen ihre Religion ziemlich gleichgültig ist, tatsächlich miteinander außer eine staatliche Definition? Entweder von Seiten ihrer Verfolger, die sich Kriterien dafür einfallen lassen, wann sie jemanden als Juden ansehen und behandeln, oder von Seiten der israelischen Staatsgewalt, die wie jede andere Pässe ausgibt?
Ein israelischer Bauarbeiter, wie ernst oder gleichgültig er „seinen” Glauben nehmen mag, hat doch mit einem deutschen oder polnischen oder arabischen Arbeiter viel mehr gemeinsam als mit dem israelischen Bauherrn, für den er seinen Rücken krumm macht! Seine ganze materielle Interessenslage hat er mit denen gemeinsam zu seinem Baulöwen hingegen steht er in einem Gegensatz der Interessen. Dessen Gewinn ist nämlich um so größer, je mehr der Arbeiter schafft und je weniger er verdient.
Diese Menschen nicht als soziale Wesen zu nehmen, sondern als nationale; zu meinen, das sei das Entscheidende an ihnen, ist gegenüber Juden genau so falsch wie gegenüber Deutschen. Genau so wenig wie hier Hartz IV-Empfänger und diejenigen, die ihnen dieses Leben einbrocken, ein- und dasselbe sind, trifft das auf „die Juden” zu. Auch unter denen gibt es Politiker, die ihren Untertanen das Leben schwer machen, Unternehmer, die an der unbezahlten Arbeit ihrer Arbeiter reich werden, und Vermieter, die ihre Mieter schröpfen. Es ist doch völlig neben den sozialen Tatsachen zu meinen, dass alle Menschen, die sich aus welchen Verwandtschafts- oder Glaubens- oder staatsdefinitorischen Gründen auch immer zum Volk der Juden zählen, patente Kerle seien, vor denen man Hochachtung haben müsste.
8. Wie fatal so ein nationalistisches Denken ist, kann man nicht nur an jedem Holocaust, jedem Krieg (und natürlich dem ganz normalen anstrengenden und armseligen Alltag des größten Teils der Menschheit) studieren, sondern auch an den Konsequenzen, auf die ihr kommt:
Euch leuchtet ein Krieg gegen den Iran seitens Israels oder der USA völlig ein samt der Zigtausende toten Iraner, die so ein Krieg bedeutet.

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Saarbrücken ¦ 21.07.14 ¦ Joseph Patrick: Kämpft die EU um Raum in Europa?

11. Juli 2014 Kommentare ausgeschaltet

Diskussion / Vortrag
Joseph Patrick, Redakteur des Gegenstandpunktes
Montag, 21.07.2014 | 18:00 Uhr
RLS-Regionalbüro Saarland, Vortragssaal, Saarbrücken
Futterstraße 17-19
66111 Saarbrücken
Krise in der Ukraine
Kämpft die EU um Raum in Europa?

Im November 2013 verweigert der ukrainische Präsident Janukowitsch seine Unterschrift unter das Assoziierungsabkommen mit der EU. Nicht einmal ein Jahr später ist ein regelrechter Bürgerkrieg längst im Gange, und nicht wenige befürchten einen neuen kalten oder gar einen heißen Krieg in Europa. Wie konnte es dazu kommen?
Politik und Öffentlichkeit in Deutschland sind sich weitgehend einig: Die andere Seite ist schuld – der korrupte Janukowitsch, die Separatisten im Süden und Osten der Ukraine, schließlich und vor allem: Vladimir Putin. Er destabilisiere die Ukraine und unterstütze prorussische Separatisten in der Ostukraine; seine Berufung auf bedrohte russische Bürger auf der Krim und in der Ostukraine sei nichts als ein Deckmantel für den Versuch des neuen Moskauer Zaren, sich ein unabhängiges Land zu krallen.
Alle, die das anders sehen, werden als „Putin-Versteher“ beschimpft. Während die hiesige Politik und ihre Presse allein Russland und die prorussischen Separatisten für die jetzige Krise haftbar machen, geben diese abweichenden Meinungen dem Westen mindestens eine Teilschuld für die gefährliche Eskalation…
Es geht um die Interessen in und an der Ukraine und was man daraus über die friedliche und weniger friedliche Außenpolitik im 21. Jahrhundert lernen kann.
In Kooperation mit dem Lesekreis Wirtschaft und Politik

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Peter Decker zur These Krise führt zu Krieg

8. Juli 2014 32 Kommentare

Peter Decker hat seinen Vortrag zu „Krise – Krisenkonkurrenz – Gewaltkonkurrenz – Krieg“, den er am 3.7.2014 in Nürnberg gehalten hat, mit folgender Kritik der gängigen (linken) Theorien begonnen:
„Erstmal eine Sache, die ein bißchen ein Gemeinplatz der politischen Bildung ist, nämlich, daß schlimme Krisen des Kapitalismus in Kriegen enden. Das wird für den Zweiten Weltkrieg ganz ausdrücklich gesagt, ja die große Weltwirtschaftskrise, der Abwertungswettlauf der Nationen danach, das hätte eben zum Zweiten Weltkrieg geführt. Es geht darum, zu beurteilen, was dran ist und was nicht dran ist an dieser „Theorie“ sagen wir einmal. Und sich im Lichte der aktuellen Ereignisse diesen Zusammenhang mal vorzunehmen. Denn wenn man den Zusammenhang ganz äußerlich nimmt, dann scheint er sich im Jahr 2014 richtiggehend zu bestätigen. Die gewaltmäßigen Konfrontationen zwischen den Staaten und zwar gerade zwischen den großen, nehmen enorm zu. Die Geschichte zwischen Japan und den anderen ostasiatischen Anrainern des südchinesischen Meeres ist bis an die Grenze von Kanonenbootpolitik gegangen, die fahren mit Kriegsschiffen auf um die Senkaku-Inseln und andere Inseln. Die sind umstritten zwischen China und Japan, zwischen China und Vietnam, zwischen China und den Philippinen usw. Auf der anderen Seite die total veränderte Lage in Europa, seit um die Ukraine gekämpft wird: Wem gehört die Ukraine, gehört die zum Westen, gehört die zum Einflußbereich Rußlands? Eine Konfrontation, die bis dahin geht, daß die NATO Kampfflugzeuge nach Litauen und Polen schickt und die Polen verlangen, daß NATO-Truppen dauerhaft bei ihnen stationiert werden sollen. Auf der anderen Seite fährt Rußland Truppen auf an den Rändern der Ukraine und Rußland hat die Krim annektiert. Die Finanzkrise, die jetzt in siebente Jahr geht, mündet, wenn man so will, aber ob sie es ist, die mündet, daß ist ja gerade das, was jetzt in Rede stehen soll, führt zu, jedenfalls findet da eine zeitliche Nachfolge statt, mit einer auffälligen Gewaltkonfrontation der großen Mächte.
Wenn man sich jetzt umschaut, welche Erklärungen dafür so kursieren für den Zusammenhang, dann muß man erstmal sage, die sind alle ziemlich schlecht, mir sind drei geläufig. Und jede der Erklärungen dementiert eigentlich den politischen Charakter von Krieg, den politischen Charakter von Gewalt zwischen den Staaten. Jede der Erklärungen, zum Teil ist es wie eine Verschwörungstheorie, zum Teil ist es einfach albern, alle haben eins gemein: Daß sie einen Grund in der Logik des Staates eigentlich für die Gewalt und die Gewaltkonfrontation nicht finden.
Die erste dieser Erläuterungen ist die ganz brutale, die sagt, in der Krise, wenn nichts geht, wenn die Arbeitslosigkeit hoch ist, und die Menschen verzweifelt sind, dann lenken die Staaten mit Krieg vom inneren Nichtfunktionieren ab. Dann gibt es politische Kräfte, die wollen davon ablenken, daß der Staat daheim nicht hinkriegt, was er für seine Aufgabe hält, erklärt und haben will. Und dafür geht er Konfrontationen mit anderen Mächten ein. Das ist insofern sehr brutal, als das die Meinung (und wer die vertritt, der hat sie) einleuchtet, daß Staaten Krieg nur wegen der guten Stimmung daheim machen. Jetzt stimmt es ja, daß nationalistische Bürger sich von außenpolitischen Konfrontationen durchaus von ihren persönlichen Nöten ablenken lassen. Trotzdem ist es vollkommen verkehrt, zu meinen, außenpolitische Konfrontationen hätten gar keinen anderen Zweck in sich, es ginge überhaupt nicht um Außenpolitik, sondern es ginge darum, daheim einen Stimmungswandel der wegen Krise mißgelaunten Bürger herbeizuführen. Das ist die eine Weise, einen Zusammenhang herzustellen, der aber selber gleich die Objektivität von Militärkonfrontation und Krieg leugnet, die kennt der gar nicht. Sondern, die Erklärung ist gleich bei, tja, Manipulation der Meinungen. Und das muß man den Staaten schon mal „zugute“ halten, bloß um daheim die Stimmung zu heben, entfachen sie dann doch keinen Weltenbrand!
Die andere Theorie geht so: In der Krise geht kein Geschäft, in der Krise wächst die Arbeitslosigkeit. Der Weg aus der Krise läuft – da wird wieder rückgeblickt auf die Vorbereitung des Zweiten Weltkriegs – lief damals jedenfalls über Rüstung. In Deutschland hat Hitler die Arbeitslosigkeit beseitigt durch die Rüstung beseitigt. In den USA hat der New Deal überhaupt erst dann richtig funktioniert, als sie Kriegsvorbereitungen getrieben haben. Auch das ist als Faktum gar nicht mal so verkehrt. Bloß, der Krieg, der dann gekommen ist, das ist quasi ein Krieg nach dem Kartoffel-Theorem (Wenn sie schon mal auf dem Tisch stehen, dann müssen sie auch gegessen werden): Erst beschafft man die Rüstung, aber gar nicht, weil man die Rüstung will, sondern, weil man Arbeitsplätze schaffen will. Dafür hätten sie auch Löcher ausheben und wieder zuschaufeln können, wenn es um sonst nichts anderes gegangen wäre. Erst gibt der Staat Geld für Rüstung aus, und es geht gar nicht um Rüstung sondern um Arbeitsplatzbeschaffung, und dann entsteht der Krieg, so nach dem Motto, wenn sie schon mal da sind die Waffen, dann muß man ja irgendwas mit ihnen anstellen (das war das mit dem Kartoffel-Theorem). Es ist absurd, einen Krieg zu erklären aus dem Argument, sie legen sich Waffen zu, obwohl sie sie gar nicht brauchen und wollen. Aber wenn man sie erstmal hat, dann werden sie „natürlich“ angewendet. Solche Zusammenhänge sind blödsinnig.
Der dritte Zusammenhang, den ich kenne, ist der, daß bei Krise auch wieder festgehalten wird, ja, der Kapitalismus hat überakkumuliert, es gibt von allem zuviel, dieses Moment der Krise wird festgehalten, es stimmt ja auch, zuviel Industrie, zuviel Produkte, die Geschäftsleute finden nichts mehr, wo sich das investieren lohnt, dann machen sie die Leute arbeitslos, dann reduzieren sie den Geschäftsumfang. Da wird sich an die Seite gehalten, daß nach einem Krieg, in Deutschland vor allen Dingen, aber auch in den anderen Ländern Europas, das nach dem Krieg alles kaputt war. Sodaß die Überakkumulation nach dem Krieg beseitigt war, sodaß jetzt der Krieg als Lösung der Überakkumulationsprobleme des Kapitals aufgefaßt wird. Nach dem Muster: Hauen wie alles zusammen, hinterher gibt es wieder viel zu tun! Auch da, es stimmt ja, daß nach dem Krieg, (übrigens nur unter speziellen Bedingungen, da muß dann nach dem Krieg auch gleich ein Weltmarkt wieder offen stehen, da muß nach dem Krieg gleich wieder Kredit vorhanden sein, den die Amerikaner damals dem kriegszerstörten Europa gestiftet haben. Selbstverständlich ist es nach einem ruinösen Krieg nicht, daß es dann gleich wieder aufwärts geht. Es kann schon auch so gehen wie mit Karthago, daß dort erst mal tausend Jahre nichts mehr ist.) Also so selbstverständlich ist dieser Zusammenhang erstmal gar nicht. Zweitens, jetzt ist er in Europe eingetreten, nach dem Krieg war ein großer Aufschwung. Dennoch ist es grundverkehrt, den Krieg aus der Leistung der Zerstörungen für den Wiederaufbau abzuleiten. Erstmal: Es fehlt für diesen Zweck das Subjekt: Es gibt niemanden, weder Geschäftsleute noch Staaten, die sagen, hauen wir mal alles zusammen, hinterher gibt es wieder viel zu tun. Im Gegenteil: Staaten und Geschäftsleute sind gerade angestrengt, in der Krisenbewältigung damit beschäftigt, die Entwertung, die Vernichtung nationaler Potenzen zu vermeiden. Der Standpunkt, machen wir alles kaputt, dann gibt es wieder was zu tun, den gibt es nirgendwo, den hat niemand. Es stimmt zwar, wenn alles kaputt ist, gibt es was wieder aufzubauen. Aber es stimmt nicht, daß es irgendwen gäbe, der den Standpunkt vertreten würde, damit es was aufzubauen gibt, machen wir alles kaputt. Zumal, und auch das ist wichtig, Krieg hat nicht den Gehalt, alles kaputtzumachen, Krieg hat vor allem den Gehalt, machen wir beim Feind alles kaputt, worauf dessen Macht gründet, und daheim möglichst gar nichts. Es war ja nicht das angestrebte Kriegsergebnis, daß Deutschland in Schutt und Asche liegt.“

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Armer Albert, böser Staat

27. Juni 2014 Kommentare ausgeschaltet

Als Nebenbemerkung in einem der Threads hier wurde auf einen noch existierenden Blog von libelle hingewiesen, den der selber hier meines Wissens nie beworben hat. Dort stehen (völlig unkommentiert) zwei Artikel:
„Armer Albert, böser Staat“ ist eine Kritik an dem Buch von Albert Krölls „Das Grundgesetz – ein Grund zum Feiern? Eine Streitschrift gegen den Verfassungspatriotismus“, genauer zu Meinung und staatlich garantierter Meinungsfreiheit.
Dieser Beitrag bezieht sich wiederum auf den anderen Artikel „Person und Meinung“, der wiederum von Harald Haslbauer „Eigentum und Person – Begriff, Notwendigkeit und Folgen bürgerlicher Subjektivierung“ inspiriert wurde (und durch eine Diskussion hier, an der ausgerechnet Wal Buchenberg mal mitgemacht hatte!!).

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Freerk Huisken zum Thema Wahlen

26. Mai 2014 107 Kommentare

Mit dem Untertitel „Was man Heranwachsenden zum Thema ‘Wahlen’ sagen müsste, was ihnen aber viel zu selten gesagt wird.“ hat Freerk Huisken vom GegenStandpunkt eine neue Kurzform der GSP-Thesen zur Demokratie vorgestellt.
Einer der zentralen Sätze lautet:

„Die Teilnahme an der freien, gleichen und geheimen demokratischen Wahl durch die Wahlbürger ist also nicht allein Zustimmung zum Regiertwerden; sie ist zugleich die Zustimmung zu einem in seinen Grundprinzipien feststehenden Regierungsprogramm des bürgerlichen Staatswesens. Jede Wahlbeteiligung ist der Sache nach – da mag der Wähler denken was er will – zugleich die Zustimmung zur Marktwirtschaft, zum Nationalstaats-prinzip, zur Existenz einer Staatsgewalt mit Gewalt-monopol, zum Interesse an imperialem Zugriffe auf andere Staaten usw. All das steht fest, weil nichts davon zur Wahl gestellt wird. All das ist beim Gang zur Urne geradezu als zustimmungspflichtig unterstellt.“

Ja, möchte man da sagen, genauso ist es und genau das wissen bzw. teilen die Wähler ja auch. *Das* ist nun wirklich nichts worüber man streiten sollte.

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Maos Großer Sprung nach vorn

23. Mai 2014 9 Kommentare

Georg Klauda, einer der Verantwortlichen von Blogsport.de, hat auf seiner Facebook-Seite einen Artikel über den Großen Sprung nach vorn und die antikommunistischen Propagandalügen darüber geschrieben
[nein, hat er nicht, wie ich mir jetzt sagen lassen mußte: Er hat nämlich nur ein Buch zum Thema zitiert: „Maoismus: China und die Linke – Bilanz und Perspektive“ aus dem Verlag theorie.org von Henning Böke]:

„Heute, im Klima eines Geschichtsrevisionismus, der die Revolutionsgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts als Ursache aller Übel der Gegenwart darzustellen bemüht ist, verbreiten die Propagandaapparate des Neoliberalismus die Mär von Mao als einem kleinkarierten Despoten, der kaltblütig Millionen von Menschenleben für abstruse Wahnideen geopfert habe. Ein primitiver Bauer soll er gewesen sein, den seine Berater nur mit Mühe dazu überreden konnten, sich vor Staatsempfängen die Haare zu waschen und die Zähne zu putzen, ein Sexmonster und Rabenvater und vor allem der mutwillige Verursacher der schlimmsten Hungersnot aller Zeiten. Das China Mao Zedongs gilt als eines der düstersten Kapitel der Menschheitsgeschichte. […] Mehr…

Der Faktencheck: Lower Class Magazin zu den neuen Montagsdemos

24. April 2014 Kommentare ausgeschaltet

Dieser Kommentar zu den neuen Montagsdemos wartet bei Lower Class Magazine noch auf Freischaltung, die sind wohl heute da nicht mehr zugange [mittlerweile kann man ihn dort aber lesen]:

„Wenn ich sowas lese:
““Klar, da waren einige Nazis. Aber was sollen wir denn gegen die machen?” Nachdem Fotos von NPD- und Kameradschaftsnazis auf diversen Demonstrationen auftauchten, wurde es immer schwieriger, das zu leugnen. Die neue Verteidigungsargumentation lautete: “Wir können die ja nicht von der Demo prügeln, wir sind gegen Krieg, also auch gegen Gewalt.” Abgesehen davon, dass Antimilitarismus nicht die Ablehnung von Gewalt gegen Faschisten impliziert (was jedem Kleinstkind einleuchten müsste), gäbe es eine selbst für bürgerliche Pazifisten einfache Möglichkeit: Der Veranstalter erklärt, er will die da nicht, im Notfall muss die Polizei sie auffordern zu gehen.”
dann fällt mir als Erstes die alte Parole vom GegenStandpunkt ein, daß Demokraten regelmäßig Faschisten nicht kritisieren können aber gerne verbieten (lassen):
Mehr, als die selber aus der schönen Demo zu prügeln, oder gleich die Polizei zu holen, die sowas bekanntlich von Berufs wegen macht, fällt Linken hier wieder mal nicht ein, wenn es um den Kampf gegen Nazis und deren Erfolge bei der Gewinnung von Unterstützern aus der ganz normalen demokratisch/nationalistischen Masse der deutschen Staatsbürger geht??

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Berlin ¦ 29.04.14 ¦ Wem gehört die Ukraine?

26. März 2014 35 Kommentare

Der GegenStandpunkt wird auch in Berlin eine Veranstaltung zum Ukraine-Konflikt machen:
Thema: Wem gehört die Ukraine?
Europa geht bis an die Grenzen seiner Methode friedlicher Eroberung – und darüber hinaus.
EU und USA schüren den Umsturz, Russland besetzt die Krim
Zeit: Dienstag | 29.04.2014 | 19:30 Uhr
Ort: Mehringhof (Versammlungsraum / 1. Etage) | Gneisenaustr. 2 | Berlin-Kreuzberg
Referent ?? (In Bremen, am 25.03.2014, hat Wolfgang Möhl, einer der Redakteure des GegenStandpunkts, die Veranstaltung bestritten, vielleicht auch in Berlin?)
Der Ankündigungstext auf kk-gruppe.net lautet wie schon wie zu den bisherigen Veranstaltungen:

„Es funktioniert auf Ansage: In ihren feierlichen Reden zum Jahreswechsel haben Kanzlerin und Bundespräsident festgestellt, Deutschland sei einfach zu groß, um bei internationalen Krisen eine untergeordnete Rolle zu spielen, und sie haben „mehr deutsche Verantwortung“ und aktiveres Eingreifen angekündigt. Wenige Monate später haben sie in der Ukraine die – nach eigener Auskunft – schlimmste Krise in Europa seit dem Mauerfall vom Zaun gebrochen; so schlimm, dass manche von einem neuen kalten oder gar heißen Krieg warnen.
Schuld daran ist, wie stets, die andere Seite: Erst der ukrainische Präsident Janukowitsch, der seine Unterschrift unter das Assoziationsabkommen mit der EU verweigert hat, dann die russischsprachigen Landesteile im Süden und Osten der Ukraine, schließlich und vor allem Putins Russland.
Was Merkel und ihre EU-Kollegen als ihr selbstverständliches Recht beanspruchen, das entdecken und verurteilen sie am russischen Präsidenten:
Ihm sagen sie Großmacht-Allüren und imperiale Absichten nach. Er wolle den Raum der ehemaligen Sowjetunion als russische Einflusssphäre bewahren, obwohl „die Zeit der Einflusszonen endgültig vorbei ist!“ Das sagt ihm allen voran die deutsche Kanzlerin Merkel, die die Ukraine jetzt „umso schneller in die EU einbinden wird.“
Merkel wirft Putin vor, er destabilisiere die Ukraine, weil er Anträge aus der Krim und vielleicht auch aus der Ostukraine, das Gebiet in die russische Föderation aufzunehmen, ermutigt. Der Vorwurf kommt von einer deutschen Kanzlerin, die nichts unversucht gelassen hat, den Staat des kaputten, zwischen seinen östlichen und westlichen Abhängigkeiten hin- und hergerissenen Landes zu destabilisieren, solange ein nicht willfähriger Präsident dort an der Macht war. Deutsche Politprominenz hat den Umsturz in Kiew ermutigt, zum Durchhalten aufgerufen und ihm die Unterstützung ganz Westeuropas zugesichert – und damit das Land endgültig zerrissen.
Der pro-westliche Umsturz mit all seinen glühenden Nationalisten und teilweise bewaffneten Demonstranten, mit seiner Lahmlegung des nationalen Lebens, den Besetzungen und Verwüstungen von Ministerien (ein Aufruhr, wie ihn sich keine westliche Demokratie gefallen lässt): Dieser Umsturz ist für die EU friedlich, demokratisch, authentischer Ausdruck des ukrainischen Volkswillens – der gilt selbstverständlich verbindlich für das ganze Volk einschließlich der dagegen aufbegehrenden Ostukrainer und muss unbedingt gegen russische Bedrohung und Übergriffe geschützt, also unter die schützende westliche Vormundschaft von USA, EU und Nato gestellt werden. Die im Vergleich dazu gesittete Volksabstimmung auf der Krim über den Beitritt zu Russland dagegen ist für sie illegal, undemokratisch – eine Farce, die nichts gilt – und Russlands Berufung auf bedrohte russische Bürger eine leicht zu durchschauende Bemäntelung der rücksichtslosen Machtübergriffe des neuen Moskauer Zaren auf ein unabhängiges Land. Die europäischen Schutzherren des Selbstbestimmungsrechts der Völker sind eben so freundlich, auch gleich die Kollektive zu definieren, die sie als Völker gelten lassen, denen Selbstbestimmung und deren Anführern das Staatswesen zusteht, und welche Ausrichtung des Staatswillens ihren machtvollen Schutz verdient; und die, für die das Gegenteil gilt.
Dabei ist die Quelle dieser Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht kein Rätsel: Legitim sind nach dem Richterspruch des Westens in der Ukraine die politischen Kräfte, die sich als Statthalter der EU und ihr Land als deren Hinterland anbieten; illegitim sind diejenigen, die sich dem europäischen Anschluss entgegenstellen. Russland liest diese Gleichung von Recht und Interesse entgegengesetzt. Beide fordern voneinander, sich aus der Ukraine herauszuhalten. Die westlichen Mächte meinen und betreiben dabei von Anfang an den Anschluss an und Unterstellung der Ukraine unter die EU und Nato und damit die Erledigung russischen Einflusses. Russland ist entschlossen, den zu verteidigen. So steht Recht gegen Recht – und der friedliche Verkehr der beiden großen „Nachbarn“ nimmt folgerichtig den Charakter einer Mobilisierung von Macht- und Gewaltmitteln zur Durchsetzung des jeweils beanspruchten Rechts an. Dabei versichert Merkel ihren Bürgern: „Zum Krieg wird es nicht kommen“ – und gibt damit zu Protokoll, dass sie sehr gut weiß, wie weit der Westen die Herausforderung der russischen Weltmacht bereits getrieben hat.“

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Lenins Völkergefängnis oder: die nationalistische Kritik des sowjetischen “Nationalismus” (rhizom)

20. März 2014 2 Kommentare

Antinationalistische Stimmen sind dieser Tage nicht nur in der Ukraine Mangelware. Antinationalistische Stimmen sind dieser Tage nicht nur in der Ukraine Mangelware. Linker Nationalismus hier und rechter Nationalismus dort sind allgegenwärtig (und antirussischer Nationalismus in Deutschland natürlich sowieso). Da freut es mich immer, wenn ich das eine oder andere Gegenwort finden kann. Hier die Replik vom blogger rhizom gegen die Softtrotzkisten/Linksparteiler von marx21:

Liebe Jenossen von marx21, man kann nicht, wie ihr, einerseits vorgeben, den Nationalismus überwinden zu wollen, und andererseits die transnationalen Gebilde früherer Zeit, einschließlich der poststalinistischen Sowjetunion, mit Lenin als “Völker-Gefängnisse” denunzieren.
Heißt ja nicht, dass es in der SU, und zwar auch und gerade unter Lenin, keine kolonialen Praktiken seitens des russischen und ukrainischen Zentrums gegenüber den (vor allem wegen ihrer “homosexuellen” Praktiken) als “unzivilisiert” konstruierten muslimischen Sowjetrepubliken gab (während der Islam aber zunächst besser und nicht schlechter behandelt wurde als die russisch-orthodoxe Kirche). Trotzdem ist die Naturalisierung der im 19. Jahrhundert entstandenen Konstrukte von Volk und Nation, die ihr mit eurer Kritik am “stalinistischen Völkergefängnis” betreibt, eben genau der Ausdruck des Nationalismus, den ihr in eurem Teaser gleichzeitig zu kritisieren beansprucht. Eine ukrainische Identität etwa, wie sie sich heute im Bandera-Faschismus Bahn bricht, hat es vor der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überhaupt nicht gegeben.
Und es ist auch überhaupt kein Fortschritt, wenn sich transnationale Reiche mit der Idee der bürgerlichen Demokratie in ethnische Nationalzoos verwandeln. Nein, es ist eine unaufhörliche Schlächterei, weil man mit dem Auseinanderdividieren der einzelnen Völkerschaften nie zum Ende, nie zu jenem von den Nationalismen erstrebten Zustand kultureller Reinheit kommt. Die Auflösung der Sowjetunion ist deshalb ein Desaster und nicht die Befreiung aus dem “Völkergefängnis”, für die ihr sie haltet.

Netterweise hat Felix dort gleich auf einen alten MSZ-Artikel zum Thema hingewiesen:
„Realer Sozialismus und Nationalismus:
UNTERDRÜCKTE ODER WAHRE, MISSBRAUCHTE ODER EDELSTE VATERLANDSLIEBE“

farbeROT zur Ukraine-Krise

17. März 2014 Kommentare ausgeschaltet

farbeROT hat eine Audio-Sendung zum Stand der Ukraine-Krise gemacht. In Erinnerung an die alte Parole der revolutionären Fraktion der Arbeiterbewegung vor hundert Jahren „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ wird hier drastisch darüber aufgeklärt, was der Block von EU- und US-Imperialismus der Ukraine gerade reinwürgen. Da wird noch nicht mal besonders betont, daß die BRD dabei natürlich buchstäblich an der Spitze steht, weil das nun eh jeder jeden Abend aus der Tagesschau mitkriegt.
Und nur Linke wie der hier ja deshalb auch aufgeführte W. Buchenberg, werden gleich schreien, wie man denn sowas machen kann, ohne ein Wort der Kritik an Putin vorzutragen.

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GSP: EU „peaceful“ conquering of the Ukraine, and more

13. März 2014 63 Kommentare

The Ukraine fights continue. And everybody in the whole world knows that it is solely a question where the Ukraine “belongs” to: to “us”, Europe, or to Russia. What this “belonging to” is including is not of any further interest after the whole events have been summarized under the useful abstraction “Force against peaceful demonstrators“, or more abstract “Freedom against oppression”.
When the EU points to its extraordinary generosity in saying that the association treaty is the “deepest going and most ambitious” offer “that the union ever offered”, then they are dead on right. This treaty offer is an all encompassing canon of blackmailing “offers” with which the EU will use the emergency situation of the Ukraine as a lever to subjugate this state. Sold to the public this is a service to an ailing nation.
With this association treaty including the far reaching acceptance of its acquis [the accumulated legislation, legal acts, and court decisions which constitute the body of European Union law] Europe demands no more but no less that the Ukraine gives up any sovereignity of its own state deliberations and decisions. This euro-imperialist programme will put an end to the unmanageable Ukrainian nationalism and its socalled “seesaw politcs”. The Ukrainian manouvering between the camps shall be finished once and for all.
The EU stands on the following position against Russia: When the Ukraine will belong to the european vested rights and belongings, when the relations to Russia that were useful for the Ukraine now have to follow EU rules and when every influence of Russia on its neighbour state will be prevented and eliminated, then all of this is nothing to Russia. And of course nothing can be better for Russia than this strategic enforcement of the EU direct at its borders!
This European attack on the whole bundle of economic, political and strategic interests that are connected with the Ukraine Russia will not take lying down. Russia tries to counter it and prevent it, calls for negotiations that take its interests into account against this ultimatist stance of the EU. Because it does not get anything from the EU it tries to react with retaliation against the Ukraine and tries to buy of its decision with enormous offers of money.
[rough translation of the mentioned theses of GegenStandpunkt]

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Imperialistische Gegensätze und mediale Scharfmacherei -Gerangel um die Ukraine

12. März 2014 1 Kommentar

Vorläufige Bilanz der Ereignisse in der und um die Ukraine
I. Die Meinungsmacher und die Opposition
Das erste, was ins Auge springt, ist die – mit wenigen löblichen Ausnahmen – sehr uniforme Hetze der Medienwelt, die sich auf Rußland als Aggressor einschießt und damit so tut, als wäre dieses Land das einzige Problem für das friedliche Zusammenleben der Völker. Dafür werden dann sogar Schöngeister aufgeboten: „In tausend Jahren hat Rußland nie jemanden befreit, sondern immer nur erobert.“ (Frederick Forsyth in „El País“, 6.3.)
Wer sich hier an die Zeiten des Kalten Krieges erinnert fühlt, täuscht sich. Damals war die Medienhetze gegen die Sowjetunion dem Systemgegensatz geschuldet – eine einige freie Welt, in der Kapital und Marktwirtschaft blühten, stand einer anderen gegenüber, die Eigentum und Profitmacherei geringschätzte und keinen freien Lauf ließ. Heute jedoch handelt es sich um einfachen Nationalismus, der sich das imperialistische Anliegen des eigenen Staates bzw. Staatenbundes auf die Fahnen schreibt und unter Anrufung aller möglicher aus dem Ärmel geschüttelter Werte gegen eine andere imperiale Macht zu Felde zieht. Es ist die ganz einfache primitive Kriegshetze, die das, was dem eigenen Staat zugestanden wird, beim feindlichen als „Provokation“ verteufelt, die Aggression des eigenen Staates als bloße „Reaktion“ verharmlost und bei allen Akten des Angriffs und der Einmischung der eigenen Seite nur von „Verteidigung“ spricht, während die andere, feindliche Seite ständig Verträge und Völkerrecht „bricht“.
In dieser Hetzpropaganda sind die Medien der Politik in den meisten Fällen einige Schritte voraus. Wenn Politiker „Interessen“ geltend machen, „Warnungen“ aussprechen und ihre geopolitischen Positionen abklären, sind die Medien schon da, um ihnen „Schwäche“, „Unentschlossenheit“, ja sogar Feigheit vor dem Feind vorzuwerfen. Die freie Presse lechzt nach Krieg und Blutvergießen, sie kann es gar nicht erwarten, Kriegsberichterstatter zu entsenden, um den Nationalismus und das Sendungsbewußtsein der eigenen Bevölkerung aufzupeitschen und den Feind das Fürchten zu lehren. Wenn es nach den Zeitungsfritzen der großen bürgerlichen Zeitungen Europas und vor allem Deutschlands ginge, so wäre der Dritte Weltkrieg auszurufen und das Armageddon um die Weltherrschaft auszufechten.
Nicht fehlen darf in diesem Konzert der Scharfmacher die Opposition. Die deutschen Grünen erinnern sich wehmütig daran zurück, wie schön es war, Serbien zu bombardieren und sich als Humanisten, die die Welt vor einem neuen Hitler schützen muß, aufzuspielen. Eifrig wird in der Menschenrechtskiste gewühlt und nach Einmischungstiteln gesucht, um die eigene Regierung an ihre vermeintlichen „Aufgaben“ zu erinnern.
Ebenso bringt sich „die Linke“ in Position. Ihre Propagandapostille, die TAZ fordert Sanktionen und beklagt die „Gespaltenheit“ der EU und die Zögerlichkeit der eigenen Regierung, die ein geschlossenes und entschlossenes Auftreten verhindern. Die Linke möchte sich selber einmischen und bietet ihre „Vermittlerdienste“ an – so sieht alternative deutsche Außenpolitik im Schatten von EU und NATO aus.
Die Sozialdemokraten lancieren über alternative Medien und Sympathisanten eine Kampagne, bei der die USA als Buhmann, und die EU-Politiker, die bei den Ereignissen der letzten Monate aktiv waren, als deren verlängerter Arm hingestellt werden sollen. Sie fordern „De-Eskalation“, um sich dann als die wahren Ordner darzustellen, und werfen ausgerechnet den Scharfmachern der EU mangelnde Souveränität vor. Damit wollen sie sich als Ordnungsstifter ins Spiel bringen, um die Lage vor Ort zu „entschärfen“ – wie, das wissen sie wahrscheinlich selber nicht.
In dieser ganzen Anti-Rußland-Front geht der Umstand unter, daß die westlichen Hegemonialmächte sich in der Frage der Handhabung der Lage überhaupt nicht einig sind. Mehr…

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[online] 11.02.14 ¦ Berlin ¦ Köper: Wohnungsfrage im Kapitalismus

12. Februar 2014 16 Kommentare

Von der Veranstaltung des GegenStandpunkt
„Warum steigen die Mieten und die Wohnungsnot?
Die kapitalistische Wohnungsfrage
Referent: Jonas Köper, GegenStandpunkt
Datum: Dienstag 11.02.2014
Mehringhof Berlin
gibt es einen Mitschnitt bei archive.org
Auch hier wurde wieder wie in Bremen, wo Jonas Köper seinen Vortrag auch schon gehalten hat (16.01.2014), nach „schnellen“ Lösungen gefragt, was angesichts eines zweistündigen(!!) Vortrags, warum dies in diesem Staat mit dieser Gesellschafts- und vor allem Eigentumsordnung und damit eben auch und gerade beim Grund und Boden ausgeschlossen ist. Kann man sich nicht doch irgendwie „ranschleichen“ an eine Lösung schon jetzt, fragte hier eine Wohnungskampfaktivistin. Nein kann man nicht, selbst wenn solch seltsam reaktionäre Miniforderungen stellt, daß doch bitte alles wenigstens so (lausig) bleiben möge, wie es bis gestern noch zu haben war auf dem Wohnungmarkt.

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MSZ bis Ende 1978 jetzt online

8. Februar 2014 Kommentare ausgeschaltet
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Renate Dillmanns Buch über China jetzt auch auf chinesisch

6. Februar 2014 Kommentare ausgeschaltet

Das Buch von Renate Dillmann über die VR China (mit dem ganz langen Untertitel: „Ein Lehrstück über alten und neuen Imperialismus, einen sozialistischen Gegenentwurf und seine Fehler, die Geburt einer kapitalistischen Gesellschaft und den Aufstieg einer neuen Großmacht“) kann man auf ihrer Webseite jetzt auch auf chinesisch lesen!

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Dillmanns MASCH-Vortrag zu China jetzt vollständig

20. Januar 2014 2 Kommentare

Bei der MASCH gibt es jetzt jetzt einen vollständigen Mitschnitt des Vortrags von Renate Dillmann „Woran ist der Sozialismus in China gescheitert?“

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„Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ Interview mit Freerk Huisken

19. Januar 2014 63 Kommentare

Vor seiner Veranstaltung „“Das Elend der Kritik am (Neo-)Faschismus“ am 14. November 2013 in Hamburg-St. Georg gab Freerk Huisken vom GegenStandpunkt der elektronischen Zeitschrift Schattenblick ein Interview:
Schattenblick: Herr Huisken, die Linke hat immer Kritik an der bürgerlichen Moral geübt. Nun gibt es aber Tendenzen, eine Art von linker Moral zu etablieren, die im Endeffekt mit den Zuweisungen falsch-richtig oder gut-böse argumentiert. Müßten, ausgehend von einer linken emanzipatorischen Gesellschaftskritik, eigentlich nicht alle moralischen Implikationen und Wertsetzungen zugunsten einer rein materialistischen Analyse ausgeschlossen werden?
Freerk Huisken: Klares Ja. Deswegen ist für mich die Unterscheidung zwischen bürgerlicher und nicht-bürgerlicher Moral in beiden Fällen ein Festhalten an Moral. Moral ist, in welcher Variante auch immer, kritisch oder unkritisch, in Anlehnung an einen alten Aufsatz, den ich ganz passend finde, das gute Gewissen der Klassengesellschaft. Darin werden alle Abteilungen der Beschädigung von Interessen an Werten wie Gerechtigkeit, Freiheit oder Solidarität gemessen, dann nicht beschädigte Interessen eingeklagt, sondern die Einhaltung von Werten gefordert. Und zwar von der Politik, von der dann behauptet wird, daß sie Hüter von Werten sei bzw. sein müsse. Das ist aber die vollständige Verkehrung des tatsächlichen Verhältnisses von Moral und Politik. Auch wenn wir früher in der Schule gelernt haben, daß die Politik als ein auf das Grundgesetz gestütztes Handeln sich aus moralischen Erwägungen ableiten würde, so reicht ein Blick ins Grundgesetz, um sich davon zu überzeugen, daß es sich genau umgekehrt verhält. Das Grundgesetz ist von vornherein nichts anderes gewesen als die gesetzliche Fassung der Prinzipien des demokratisch regierten Kapitalismus. Daraus werden dann Formen der Moral abgeleitet, die alle auftretenden Beschädigungen nicht auf politische und ökonomische Interessen zurückführt, sondern auf Abweichungen von Moral. Und diese Abweichungen werden dann wiederum der politischen Herrschaft als Auftrag zurückgegeben, sie hätte sich doch bitte schön daran zu halten.
Aktuelles Beispiel dafür sind die Proteste zu den Lampedusa-Flüchtlingen in Hamburg. Dort gab es ein Plakat mit der Aufschrift: „Was moralisch falsch ist, kann politisch nicht richtig sein“. Da wird ein Verhältnis von Moral und Politik von der Linken behauptet, das genau diese Verdrehung ausdrückt, Politik hätte sich an Moral zu halten. Dabei verhält es sich genau umgekehrt, nämlich daß die politischen Interessen des demokratisch regierten Kapitalismus die moralischen Legitimationskriterien vorgeben. Leider fällt die Linke auf dieses Verwirrspiel weitgehend rein.
SB: Von Theodor W. Adorno stammt der Satz: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Wie bewerten Sie seinen Einfluß auf eine linke Moral, die sich an Wertsetzungen wie falsch und richtig orientiert?
FH: Falsch und richtig hat mit gut und böse nichts zu tun. Falsch und richtig sind, jetzt einmal unabhängig von Adorno, Kategorien der Klassifizierung von theoretischen Urteilen, nämlich ob sie stimmen oder nicht stimmen. Gut und böse ist deren moralische Verwandlung oder moralische Einordnung. Adornos Spruch „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ hat einerseits etwas Richtiges an sich, aber andererseits erfährt er eine moralische Interpretation, die Adorno selbst nahegelegt hat. Das Richtige an dem Spruch von Adorno ist: Wenn man die systemischen Beschädigungen der Interessen der Lohnarbeiterklasse erkannt hat und weiß, daß diese nicht ohne Angriff auf die Grundprinzipien der politischen Ökonomie des Kapitalismus zu beseitigen sind, dann wäre der reformistische Ansatz ihrer Behebung im Sinne von Adornos „kein richtiges Leben im falschen“ die ständige Korrektur von Löhnen; also gerade nicht der Angriff aufs Lohnsystem. Reform beseitigt die Ursachen dieser systemischen Beschädigungen, wie sie in Ausbeutung und auch Beschäftigungslosigkeit zum Ausdruck kommen, eben nicht. Das ist das Richtige an dem Adorno-Spruch. Das Falsche und seine moralische Deutung besteht darin, daß immer ein „eigentlich“ davorgesetzt wird. Eigentlich gibt es ein richtiges Leben im falschen nicht. Und dieses „eigentlich“ eröffnet den Zugang zu der Frage, inwieweit es unter den Verhältnissen von zivilisierter Demokratie, die den Faschismus schon hinter sich gelassen hat, nicht doch so etwas gäbe wie die immanente Korrektur des Kapitalismus durch Reformen oder gar die Überwindung des Kapitalismus durch das Leben in autonomen Netzwerken usw. Mehr…

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Warum hat der Kommunismus bei den westdeutschen Arbeitern keine Chance?

14. Januar 2014 23 Kommentare

Die Bourgeoisie: …
Der Revisionismus:
Weniger gern, aber noch viel häufiger befassen sich Linke mit eben derselben Frage. Auch sie müssen sie gewissermaßen aus beruflichen Gründen beantworten, haben sie sich doch das Ziel gesetzt, die arbeitende Klasse zur Durchsetzung ihrer Anliegen – gewöhnlich unter der entschiedenen und entschlossenen Führung einer, nämlich ihrer Partei – zu bewegen. Was sie zur Erklärung ihrer Mißerfolge beibringen, macht nicht ihnen, dafür aber den bürgerlichen Ideologen alle Ehre: auch bei ihren Theorien über das so schmerzlich vermißte Klassenbewußtsein kommt das Verständnis für Arbeiter, die an Klassenkampf nicht denken, nicht zu kurz: Ihr Klassenbewußtsein mußte Schaden erleiden angesichts der materiellen und ideologischen Einflußnahme seitens der Bourgeoisie. Diese hat es sich nicht nehmen lassen, mit der bösen Absicht der Korruption Ökonomische Zugeständnisse aller Art zu inszenieren und die Arbeiterklasse zu spalten. So haben die Proleten den Klassenkampf aufgegeben, weil sich das Kapital im Zuge seines Nachkriegsaufschwungs etwas ganz Verwerfliches geleistet haben soll – es hat einerseits dem Lebensstandard der Massen so manche Steigerung gestattet und andererseits mit Ideologien wie der vom Wirtschaftswunder die Köpfe derselben Massen schwer verwirrt, was bei der Arbeiteraristokratie am leichtesten gelang. Auch hier sind – wie bei den Apologeten der freien Wirtschaft und ihrer sozialen Republik die Gründe für ein revolutionäres Gebaren Mangelware, obgleich sie für einen aufrechten Linken eigentlich schon gegeben sind und vor allem mit der nächsten Krise wieder der Erfahrung auch der Proleten zugänglich werden – die „subjektiven“ Interessen sind Gegenstand des Verständnisses und werden mit dem Verweis auf Schuldige entschuldigt, die „objektiven“ Interessen werden beschworen, weil sie zwar nicht wirklich, aber revolutionär sind. Diese Art und Weise, besagte Frage zu beantworten, hält das Ideal einer kämpfenden Arbeiterschaft hoch und weigert sich standhaft, die Realität so zu sehen, wie sie ist.

Beide zusammen:

Während der Versuch der Lohnarbeiter, mit ihrer Abhängigkeit vom Kapital zurechtzukommen, von den bürgerlichen Ideologen als Beweis ihrer Zufriedenheit, und zwar ihrer begründeten, hergenommen wird (höchstens die politische Verwaltung ihrer Sorgen mit Geldbeutel, Gesundheit und Alter sowie Familie taucht als Anlaß zur Kritik – natürlich an der gegnerischen Partei – auf), entdecken Linke mit dem ihnen eigentümlichen Idealismus in jeder Form der Unzufriedenheit sogleich den Willen, sich gegen Kapital und Staat zur Wehr zu setzen. Weder die eifrige Beteiligung an Wahlen noch die Unterwerfung unter die Rationalisierung mit ihren Folgen für Arbeitsplatz und Lohntüte, wie sie die Gewerkschaft, „die Organisation der Arbeiterklasse“ praktiziert, macht die Freunde der Arbeiter daran irre, daß es mit der proletarischen Sache vorwärts geht. Aus der Betroffenheit, dem Resultat des Bemühens, mit der Lohnarbeit über die Runden zu kommen, entziffern sie Klassenbewußtsein. An die Stelle der Kritik der Lohnarbeit, die MARX in all ihren Verlaufsformen als Mittel des Kapitals erkannt hatte, tritt bei ihnen das Lob der Arbeit, und die Anstrengungen der Leute, die an der Lohnarbeit als ihrem Mittel festhalten, daher beständig zu spüren bekommen, daß sie es nicht ist, erscheint ihnen ebenso gerecht, wie sie die Konsequenzen in lauter soziale Ungerechtigkeiten umdichten.
Die Wahrheit:
Kurz, die richtige, materialistische Antwort auf die Frage lautet: die westdeutschen Arbeiter sind weder bestochen noch verführt, und schon gar nicht fehlt es ihnen an Gründen für revolutionäre Taten. Wenn sie den Ansinnen der Kommunisten gegenüber gleichgültig bis feindlich auftreten, so liegt das daran, daß sie auf ihre Arbeit setzen, um ihre Existenz zu bestreiten, also ein falsches Bewußtsein bezüglich ihrer eigenen Lage haben. Aus der Abhängigkeit vom Kapital, das sie zwingt, ihr Leben an der Arbeit zu orientieren, wird bei ihnen die positive Einstellung, der Wille, die Lohnarbeit so zu verrichten, als wäre sie das Mittel ihrer Reproduktion. Die Logik, der sie darin folgen, ist die des Zwangs, aus dem es das Beste zu machen gilt, indem man sich fügt. So steigern sie Jahr für Jahr ihre Leistung und gestatten dem Kapital seinen sparsamen Umgang mit Arbeitsplätzen; so opfern sie Gesundheit und Einkommen für die Sicherheit, weiter arbeiten zu dürfen; so sind sie nicht nur in Wahlen bereit, dem Staat ihre Unterstützung zu bekunden, denn auch er ist eine Bedingung ihrer Lohnarbeiterexistenz, weil er sie sozial verwaltet und sie dies am Lohnstreifen, im Umgang mit Versicherungszwangsbeiträgen und auch sonst merken läßt. Sie tun eben alles, um weiterhin die abhängige Variable der Akkumulation zu bleiben – und schimpfen auf die DDR, weil man das bei uns darf und die drüben sich ähnliches gefallen lassen – müssen?
aus: MSZ 25 – Oktober 1978
Auf der Archivseite für die frühen MSZ msz1974-80.net ist nämlich mittlerweile auch diese Ausgabe nachzulesen.

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MASCH-Vorträge zur Ökonomie der Übergangsgesellschaft jetzt online

18. Dezember 2013 33 Kommentare

Die Marxistische Abendschule Hamburg (MASCH) hatte vom 15.-17. November 2013 eine Tagung zum Thema „Aufhebung des Kapitalismus – die Ökonomie einer Übergangsgesellschaft“ mit Unterstützung des Gesellschaftswissenschaftlichen Instituts Hannover (GI) abgehalten. Die Referate dieser Veranstaltung sind jetzt online (leider nur die Referate, Mitschnitte von den Diskussionen scheint es nicht zu geben)
Unter anderem
Renate Dillmann „Woran ist der Sozialismus in China gescheitert?“
Rüdiger Mats „Mit ökonomischen Hebeln in den Ruin – das Scheitern der realsozialistischen Wirtschaftsweise“
Heiko Vollmann „Notwendige Kriterien und mögliche Schwierigkeiten des Aufbaus einer vernünftigen Planwirtschaft“

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