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Archiv für die Kategorie ‘(3) Fundstellen’

100 Blogs = Wahlcretinismus

26. September 2009 12 Kommentare

Man konnte ja auch in diesem Wahlkampf wieder ne Menge Sachen lesen, wo man sich fragen mußte, ob das ernst gemeint oder Realsatire ist. Ein besonders krasser Fall scheint mir der folgende Phönix aus der Asche des linken Wahlkämpfertums zu sein: 100 Blogs für Die Linke.
Sozusagen Fünf vor Zwölf, wo selbst nach den Maßstäben des bürgerlichen Wahlkampfwesens alle Messen gesungen sind, treten deren Initiatoren jetzt, am 25.09.09 so auf:

„Kollegen“ meinten, wir sollten das doch sein lassen, nicht Partei ergreifen und uns nicht einmischen. Doch wir mischen uns ein, denn die politische Entwicklung dieser Republik betrifft auch uns und unsere Familien und Freunde.

Auch wir haben vor Augen, daß Angela Merkel aller Voraussicht nach für vier weitere Jahre Bundeskanzlerin sein wird und entweder Schwarz-Gelb oder eine Neuauflage der großen Koalition dieses Land regieren wird. Dies aber sorgt uns, denn es bedeutet wohl, daß – wie die Herren Steinbrück und zu Guttenberg es bereits angekündigt haben – wir, die Bürger, mit weiteren Einschnitten in den Bereichen Soziales und Bildung zu rechnen haben, da die 480 Milliarden Euro für die Rettung von Banken und Industrie ja auch gegenfinanziert werden müssen. Zudem wird die „afghanische Frage“ auch von der neuen Regierung wohl nur mit Truppen-Aufstockungen beantwortet werden; Sinn und Zweck dieses „Out of area“-Einsatzes wird auch sie nicht nennen können – und ebensowenig eine ‘Exit-Strategie’ vorlegen.

All diese Entwicklungen bereiten uns aber Sorgen, denn wir stehen für ein sozial gerechtes und friedfertiges Deutschland, wie es derzeit von den, im Bundestag vertretenen, Parteien wohl nur von der Linken vertreten wird. Die Linke steht unserer Ansicht nach für ein Programm, das sich auf die vier Eckpfeiler früherer grüner(!) Politik beruft: ökologisch, basisdemokratisch, sozial und gewaltfrei. Dies sind Punkte, die auch ‘wir’ – egal, welcher politischen Provenienz wir sonst sind – tragen können und wollen, weshalb wir diese Initiative gestartet haben.

Als Hinweis zu den hehren Zielen, die Die Linke „wohl“ vertritt, nur ein paar Hinweise (aus dem Bundestagswahlprogramm 2009):
gewaltfrei„? „die Bundeswehr zu einer Verteidigungsarmee umgestalten“, „Die deutsche Außenpolitik ist von SPD und Grünen militarisiert worden“ (Gottseidank haben Adenauer bis Kohl so schlimme Sachen nicht gemacht!) „die NATO auflösen“ ist auch was anderes als die imperialistischen Gewaltapparate aus der Welt schaffen, „den Verteidigungsetat verkleinern“ ist nicht identisch mit dem alten „keinen Mann, keinen Pfennig den imperialistischen Kriegstreibern!“ aus den 20ern
sozial„? Es fällt schon beim Querlesen auf, daß die Linke „sozial“ und eben nicht sozialistisch“ oder gar „kommunistisch sein will und auch nicht ist. Wer für „gute Arbeit“ ist, ist nicht gegen Lohnarbeit, wer für „anständige“ Bezahlung ist, hat nichts gegen die Erpressbarkeit der Lohnabhängigen damit, daß sie außer sich nichts anderes verkaufen können. Wer „Hungerlöhne“ abschaffen will, will eben nicht das Lohnssystem abschaffen, wer „skandalöse Löhne“ kritisiert, findet das Lohnsystem nicht skandalös. Wer die „Binnennachfrage stärken“ will, hat nichts gegen die Profitkalkulationen der Unternehmen, die natürlich niemand für sich arbeiten lassen, wenn man deren Arbeitsergebnisse nicht mit Gewinn an irgendwenn versilbern kann. Ein besonderes Schmankerl: “ Wir fordern ein Verbot von Massenentlassungen bei allen Unternehmen, die nicht insolvenzgefährdet sind“. Denn sonst kann man als sozialer Mensch gegen Massenentlassungen ja nun wirklich nichts Vernünftiges einwenden. Auch das „Zukunftsprogramm für zwei Millionen Arbeitsplätze“ spricht Bände: Weiß nicht jeder, daß es viele Millionen mehr sind, die das Kapital hierzulande für seine Zwecke nicht mehr gebrauchen kann? Wer für „gute Arbeit“ ist, ist dann auch für „Gute Rente“. Und weil „sozial“ sein auch hier heißt, realistisch sein, sieht für Die Linke „gute“ Rente dann so aus, daß man mit 800 € dann aber auch den Mund zu halten hat. Genauso wie die Hartz IVler, denen die Partei eine „Mindestsicherung“ anbietet, „die Armut tatsächlich verhindert“. Da traut sie sich vor lauter Realismus noch nicht mal auch nur einen Mickerbetrag aufzuschreiben. Reichen da nicht eventuell auch 500 oder 600€? Aber da muß Die Linke wahrscheinlich auch erst den Genossen Steinbrück fragen, der wird das alles ganz genau ausrechnen.

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Britische Veteranen-Studie: Verroht und verurteilt

25. September 2009 Kommentare ausgeschaltet

SPON bringt einen Artikel über aktuelle Studien über das Leben britischer Veteranen nach ihren Kriegseinsätzen in den letzten Jahren. Auch wenn die Ergebnisse grundsätzlich natürlich nicht überraschend sind, ist es doch erstaunlich, in welch hohem Maße Verrohung und Verzweiflung dann vorherrschen.

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Gelbe Gewerkschaften, Rote Gewerkschaften

25. September 2009 4 Kommentare

Der Blogger ofenschlot hat folgendes Schnipsel „aus einem aufgegebenen Projekt“ gepostet. Da man bei ihm leider (noch) nicht kommentieren kann, habe ich den Text hier auch nochmal reingestellt.

Gelbe Gewerkschaften stammen ursprünglich aus dem katholischen Teil der französischen Arbeiterschaft, einem reaktionären, auch antisemitischen Milieu, in dem Vorstellungen von der höheren Einheit von Arbeiter- und Kapitalisteninteressen kursierten: Läuft das Unternehmen gut, profitieren auch die Arbeiter; Streiks sind in letzter Konsequenz autodestruktiv.

Diesen Sätzen stimmt heute jeder Gewerkschaftsführer zu. Dennoch wäre es falsch, den DGB resp. die Einzelgewerkschaften als »gelb« ab zu tun. Tatsache ist, dass die gelben Gewerkschaften – in Frankreich, wie in Deutschland – von Anfang an ein Instrument des Kapitals waren, eine authentische Interessensvertretung haben sie niemals formulieren können (und wollen). Die Real-Ideologie der gleichberechtigten Sozialpartnerschaft, wie sie sich nach dem zweiten Weltkrieg – auch unter Mithilfe der westlichen Besatzungsmächte – institutionalisierte, hat nichts mit dieser Instrumentalisierung zu tun. Diese Ideologie ist in der Tat authentisch, stammt mitten aus den Reihen jener Gewerkschaften, deren Vorläuferorganisationen aus der Weimarer Republik als rot galten, die aber bereits einem Modell der »Wirtschaftsdemokratie« und des »organisierten Kapitalismus« (Hilferding) anhingen. Getrost kann man dies als Frühform der Sozialpartnerschaft bezeichnen.

Die Existenz des DGB hat die Existenz von gelben Gewerkschaften weitgehend überflüssig gemacht hat. Umgekehrt hat der DGB alles Recht der Welt, den Vorwurf, er sei doch längst gelb, von sich zu weisen. Denn – in einem Satz: Die deutsche Gewerkschaft ist kein Instrument der Klassenspaltung (das ist in der Tat die historische Mission der Gelben), sondern Ausdruck einer Klassenstabilisierung; sie bewahrt die Arbeiterklasse vor ihrem materiellen Untergang, um den Preis, Abhängigkeit der Arbeiter vom Kapital noch zu verfestigen. Der von einst linken Gewerkschaftstheoretikern attestierte »Doppelcharakter der Gewerkschaften« (Rainer Zoll)– einerseits: Vertretung der Arbeiterinteressen; andererseits: Partnerschaft mit dem Kapital – ist kein prekäres Gleichgewicht, dass sich unter großer Kraftanstrengung nach links hin kippen ließe. Es ist dieser Doppelcharakter, der die Stabilisierungsfunktion erst bedingt!

Gewerkschaften beziehen ihre Stärke gegenüber dem Kapital aus der Produktionsmacht, die sie repräsentieren (»Alle Räder stehen still …«). Aber diese Stärke realisiert sich erst, wenn die Gewerkschaft ihrem Verhandlungspartner signalisiert, dass sie die Produktionsmacht der Arbeiter unter Kontrolle hat. Nur dann, wenn sie für Ruhe in den eigenen Reihen sorgen kann und allzu aufmüpfige Proleten abserviert, wird sie als Verhandlungsmacht ernst genommen.

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Qualtinger: Travnicek und die Wahlen

22. September 2009 9 Kommentare

Diese Frage gebe ich gern weiter:

Kennst du eigentlich den alten Hut vom Qualtinger (60-er Jahre) zu den Wahlen?
Travnicek und die Wahlen

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„Das Wesen des Staates ist die Angst der Menschheit vor sich selbst“

22. September 2009 Kommentare ausgeschaltet

»Wenn das Wesen des Staats, wie der Religion, die Angst der Menschheit vor sich selber ist, so erreicht diese Angst in der konstitutionellen und namentlich der englischen Monarchie ihren höchsten Grad. Die Erfahrung dreier Jahrtausende hat die Menschen nicht klüger, sondern im Gegenteil verwirrter, befangener, hat sie wahnsinnig gemacht, und das Resultat dieses Wahnsinnes ist der politische Zustand des heutigen Europas. Die reine Monarchie erregt Schrecken – man denkt an den orientalischen und römischen Despotismus. Die reine Aristokratie ist nicht weniger furchtbar – die römischen Patrizier und der mittelalterliche Feudalismus, die venezianischen und genuesischen Nobili sind nicht umsonst dagewesen. Die Demokratie ist fürchterlicher als beide; Marius und Sulla, Cromwell und Robespierre, die blutigen Häupter zweier Könige, die Proskriptionslisten und die Diktatur reden laut genug von den »Greueln« der Demokratie. Zudem ist es weltbekannt, daß keine dieser Formen sich je hat lange halten können. Was also war zu tun? Statt geradeaus vorwärtszugehen, statt von der Unvollkommenheit oder vielmehr Unmenschlichkeit aller Staatsformen den Schluß zu ziehen, daß der Staat selbst die Ursache aller dieser Unmenschlichkeiten und selbst unmenschlich sei, statt dessen beruhigte man sich bei der Ansicht, daß die Unsittlichkeit nur den Staatsformen anklebe, folgerte aus den obigen Prämissen, daß drei unsittliche Faktoren zusammen ein sittliches Produkt machen können, und schuf die konstitutionelle Monarchie.«

(Friedrich Engels, »Die Lage Englands«, 7-teilige Artikelserie im Vorwärts, 18.9.-19.10.1844, abgedruckt in MEW Bd.1, S. 571/572)
geklaut von Ofenschlot, der sich wiederum auf ein von Frank Schirrmacher kolportiertes Engels-Zitat: »Das Wesen des Staates ist die Angst der Menschheit vor sich selbst.«
(Faz vom 11.10.2008, »Wie die Finanzkrise das Denken ändert«) bezogen hat.

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Er und Sie neulich im Instant Messenger

22. September 2009 4 Kommentare

kennen wir uns denn?
06:44:41
Die Andere
Anscheinend, sonst wärst du nicht in meiner Liste
06:44:49
Der Eine
hm, du bist nicht in meiner Liste.
06:44:54
Die Andere
Aber du in meiner…
06:44:57
Der Eine
wo wohnst du?
06:45:01
Die Andere
[ein Bundesland]
Hm.. kennen wir uns von.. [nennt zwei Orte]
06:45:17
Der Eine
kenn ich beides nicht.
06:45:31
Die Andere
Politik?
06:45:50
Der Eine
Politik… hm es sind ja bald Wahlen. Bist du in einer Partei oder so?
06:45:56
Die Andere
Ja
06:46:11
Der Eine
Oh, na ich bin gegen Wahlen.
06:46:17
Die Andere
Inwiefern?
06:46:53
Der Eine
Es wäre besser, man würde nicht Abgeordnete wählen sondern sich selber um seine Dinge kümmern.
06:47:00
Die Andere
Ja sowieso
Deshalb bin ich auch für den Sozialismus.
06:47:30
Der Eine
Den kann man aber nicht wählen.
06:47:38
Die Andere
Das ist richtig, den muss man erkämpfen
06:49:00
Der Eine
Bei uns sind heute solche Politiker. Gregor Gysi und Renate Kühmast
Die erzählen was.
06:49:21
Die Andere
Ja der werte Gysi ist soweit noch einer der weniger üblen Sorte.
06:49:42
Der Eine
Ich mag den nicht. Der macht immer so viele Witze statt den Leuten zu sagen wie ernst es ist.
06:49:51
Die Andere
Was ist denn ernst?
06:50:26
Der Eine
Na die Lage. Die leute werden zum arbeiten genötigt und zum Zivildienst und müssen sich an dumme Gesetze halten
viele haben keine richtige Medizin
06:50:40
Die Andere
Die tatsache allein finde ich ja nicht schlimm.
Also ich finde es legitim, dass man Zivildienst leisten muss.
Und auch das man sich an Gesetze hält und arbeitet
es kommt eben auf die Bedingungen an
06:51:03
Der Eine
andere kriegen es in der Schule alles nicht gut erklärt
06:51:12
Die Andere
Najaaa..
okaaay..
Das ist aber Jammern auf sehr hohem Niveau.
06:51:33
Der Eine
Arbeiten müssen um leben zu dürfen ist niveaulos
06:51:37
Die Andere
Die meisten Menschen weltweit dürfen gar keine Schule besuchen.
Das ist wiederum richtig
06:51:46
Der Eine
und da kommt dann der Gysi und macht seine Witze
06:51:46
Die Andere
Ja.
Der Kapitalismus ist historisch überlebt.
Und das zeigt der Gysi keineswegs auf, richtig
06:52:17
Der Eine
und die Kühmast kommt die ausschaut wie so ein glückliches Biohuhn, das alle essen sollen (und was man sich gar nicht leisten kann)
06:52:30
Die Andere
auch richtig
Die einzige Lösung für die Zukunft nennt sich Sozialismus.
06:52:42
Der Eine
als ob die mehrheit freiwillig den minderwertigen Fraß kauft
mit dem gysi und der kühmast ist eine Änderung nicht in Sicht
die kriechen lieber dem Steinmeier in den Hintern
06:53:14
Die Andere
So ist es.
Deswegen braucht man auch mehr Organisation in den Massen
Eine anständige Revolution
06:53:33
Der Eine
Deshalb sehe ich das eher zwiespältig mit den Wahlen. Ich werde wahrscheinlich nicht wählen.
06:53:49
Die Andere
Ich sags mal so: Taktisch am klügsten ist es immer noch Linke zu wählen
06:54:00
Der Eine
Die Linke ist auch nur eine Partei wie die anderen auch
06:54:23
Die Andere
Das ist soweit korrekt. Allerdings ist das die einzige Partei die bis jetzt konsequent für den Frieden eintritt.
06:54:27
Der Eine
Die wollen sogar ein Recht auf Arbeit. Sowas verrücktes will ich nicht.
06:54:34
Die Andere
Warum?
Was ist daran verrückt?
06:54:51
Der Eine
Wozu brauche ich ein Recht, mich abzuplacken?
06:55:10
Die Andere
Ja, richtig. Deshalb braucht es erstmal sozialistische Verhältnisse.
06:55:11
Der Eine
Ich brauche eher ein Recht, möglichst wenig zu arbeiten.
06:55:15
Die Andere
Moment!
06:55:28
Der Eine
Der Schwiegersohn vom Marx hat das auch gesagt: Recht auf Faulheit
06:55:32
Die Andere
Also wenn wir von sozialistischen Verhältnissen reden, ist ein Recht auf Arbeit angebracht.
Dann bin ich auch für die Pflicht zur Arbeit.
06:56:19
Der Eine
Das ist doch aber dumm. Die Leute befreien sich doch nicht, um sich dann gleich wieder zu zwingen.
06:56:34
Die Andere
Im Sozialismus _will_ der Mensch ja arbeitne.
06:56:39
Der Eine
Es gibt Dinge, die erledigt werden müssen. Am Besten mit so wenig Aufwand wie möglich.
Ich glaube nicht, dass irgendwer freiwillig arbeiten will außer ein paar verrückten (workaholics und so)
06:57:05
Die Andere
Ja. Allerdings ist Arbeit, also befreite Arbeit die frei von Ausbeutung ist, eine edle Pflicht und eine wundervolle Sache die allen nützt.
Kennst du denn befreite Arbeit?
In der ausbeutergesellschaft will natürlich keiner arbeiten.
06:57:46
Der Eine
Ich kann mir nicht vorstellen, warum einer es toll finden soll, sich anzustrengen
06:59:21
Die Andere
Na ganz einfach: Weil es ihm nützt, weil es befreite Arbeit ist. Weil er unmittelbar davon profitiert
15:00:13
Der Eine
Wenn ich arbeite, weil es mir nützt, dann arbeite ich nicht, weil ich Arbeit toll finde sondern das Ergebnis. Auch dann werde ich die Arbeit so weit es geht vermindern und vermeiden.
15:00:33
Die Andere
Was ist wenn man arbeitet um sich selbst zu verwirklichen?
15:01:09
Der Eine
Keine Ahnung. Das muss ein armer Kerl sein, der nur durch Plackerei er selbst ist.
15:01:34
Die Andere
Bist du schon mal auf die Idee gekommen, dass Arbeit im Sozialismus eben nicht Plackerei ist?
Weil alle Menschen weniger arbeiten müssen, weil sie freier sind in der Arbeit, weil sie bessere Arbeitsbedingungen haben
Weil sie Demokratie im Betrieb haben
Und weil sie ihre Arbeit in schöpferischer Weise fortentwickeln
15:02:12
Der Eine
Bloß weil die Arbeit weniger wird (was toll ist) wird sie nicht erstrebenswert
15:02:42
Die Andere
Nein. Aber wenn sie frei von Ausbeutung, demokratisch, in optimalen Bedingungen und mit allseitiger förderung des Menschen gedeiht, wird sie erstrebenswert.
Die Arbeit ist erst das, was den Menschen zum Menschen macht
15:03:15
Der Eine
Ich hacke zum Beispiel Holz für das Lagerfeuer, weil ich Holz für das Lagerfeuer brauche. Ich hacke es nicht, weil ich gern Holz hacke. Eine bessere Axt oder eine Motorsäge oder ein genmanipulierter Baum ändert da nichts dran.
Auch ein sozialistisches Lagerfeuer braucht Feuerholz
15:03:39
Die Andere
Was ist aber, wenn du deine Fertigkeiten dadurch verbessern willst?
Und wenn dir bewusst ist, dass du mit dem Holz der Gemeinschaft hilfst?
15:04:01
Der Eine
Dann ist das Training, eine besonders nervige Form der Plackerei
15:04:16
Die Andere
Das ist Arbeit die dich entwickelt.
Im Sozialismus hat der Mensch den Anspruch allseitig gebildet und entwickelt zu sein
15:04:29
Der Eine
zum besseren Arbeiter. Na schönen dank
15:04:34
Die Andere
Und dazu trägt die Arbeit hauptsächlich bei
Ja.
15:04:52
Der Eine
Ehrlich gesagt, deinen Sozialismus will ich nicht. Das ist ja ein einziges Arbeitslager
15:04:54
Die Andere
Dir fehlt das Bewusstsein. Du denkst nicht sehr fortschrittlich, weil du ja auch nur die Ausbeutergesellschaft kennst.
15:05:29
Der Eine
Marx hat gesagt, der Reichtum der Gesellschaft ist die disposible time, also die Zeit, in der man nicht arbeiten muss. Und der muss es ja wissen.
15:06:06
Die Andere
Ja, da ging er aber von der Ausbeutergesellschaft aus.
15:06:18
Der Eine
nein, das hat er allgemein gemeint.
15:06:20
Die Andere
Richtig ist aber auch, dass im Sozialismus und vor allem im Kommunismus wesentlich weniger gearbeitet werden muss.
15:06:48
Der Eine
Also ist Arbeit ein zu vermeidendes Übel und keine Wohltat
15:07:03
Die Andere
Arbeit ist etwas wichtiges und kein Übel. Eine edle Pflicht.
15:07:26
Der Eine
Alle Pflichten stinken. Sonst wären es keine Pflichten. Zu dem, was ich will, muss mich keiner zwingen
15:07:26
Die Andere
(wenn sie in den Bedingungen ohne Ausbeutung verrichtet wird)
Die Menschen verpflichten sich selbst dazu.
Weil sie wollen.
15:07:48
Der Eine
Als ob das Holzhacken ein Spaß wird, wenn mir hinterher keiner mein Holz wegnimmt.
Wenn ich etwas will, dann brauche ich dazu keine Pflicht.
15:08:23
Die Andere
Du verpflichtest dich selbst dazu, weil es dein innigstes Bedürfnis wird.
15:08:52
Der Eine
Nein, das ist wirklich absurd. Verpflichte ich mich zum Sex mit der schönen Frau von gestern abend?
Verpflichte ich mich zu einem dritten Bier?
15:09:06
Die Andere
An dieser Stelle wird die Diskussion sinnlos, weil du hast nicht das dafür notwendige Bewusstsein und wirst es jetzt auch nicht entwickeln.
15:09:35
Der Eine
Ein Bewusstsein, in dem Plackerei schön und das Schöne Pflicht ist will ich nicht haben.
Das ist was für die Klapse oder für Selbstmotivationsseminare, aber doch nicht für die Befreiung des Menschen vom Elend.

gefunden bei stromsau (Spass und Lebensfreude durch Elektrifizierung), paßt auch ganz gut zur Wahldebatte.

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Wählen ist verkehrt! Auch 2009 II

16. September 2009 Kommentare ausgeschaltet

Die Onlinezeitung trend bringt ein Interview mit einer Aktivistin der Stuttgarter Kampagne „Haben wir eine Wahl?“, Der Text erschien am 10.09.2009 bei Indymedia. Es handelt sich um eine Vorab-Veröffentlichung, die in in gedruckter Fassung in der Stattzeitung für Südbaden Nr. 75 veröffentlicht ist.

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Die „Fundamentalopposition“ von Attac

16. September 2009 2 Kommentare

Sie werden eines Tages wie Heiner Geißler bei Attac eintreten?

Das würde nicht zu mir passen. Aber es wäre ein Fehler, diese Leute falsch einzuschätzen. Sachlich sind sie gut präpariert. Sie sind nur unerfahrener, was die Umsetzung in praktische Politik betrifft. Manche Ausdrucksformen des Protestes akzeptiere ich auch nicht. Bei G-20-Treffen demonstrieren die Attac-Leute gegen Politiker, die ihre Zielsetzung im Grunde teilen.

Wo Peer Steinbrück Recht hat hat er Recht.
(gefunden beim Luxemburger Anarchist, der das wiederum der taz vom 15.09.09 entnommen hatte.

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Karl Held: Neues vom Juglar (Konjunkturprognosen in KONKRET 1994)

12. August 2009 2 Kommentare

Zwar gibt es den folgenden Text von Karl Held aus der KONKRET 04/1994 schon im Web bei fortunecity, da Google aber eindringlich wegen Malware davor warnt, hier nochmal:

Karl Held: Neues vom Juglar
Wie beurteilen einschlägig spezialisierte KONKRET-Autoren die »gesamtwirtschaftliche Entwicklung« in der BRD? Die Redaktion hat Robert Kurz, Winfried Wolf, Jürgen Kuczinsky, Kurt Hübner und Karl Held um ein knappes »Jahresgutachten 94« gebeten. Obwohl sie in der Beurteilung des weiteren Krisenverlaufs sich nahezu einig sind, hätten ihre Beiträge doch kaum unterschiedlicher ausfallen können. Mehr…

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Kurzer Abriß der Nationalökonomie

12. August 2009 1 Kommentar

Nationalökonomie ist, wenn die Leute sich wundern, warum sie kein Geld haben. Das hat mehrere Gründe, die feinsten sind die wissenschaftlichen Gründe, doch können solche durch eine Notverordnung aufgehoben werden.

Über die ältere Nationalökonomie kann man ja nur lachen und dürfen wir selbe daher mit Stillschweigen übergehn. Sie regierte von 715 vor Christo bis zum Jahre nach Marx. Seitdem ist die Frage völlig gelöst: die Leute haben zwar immer noch kein Geld, wissen aber wenigstens, warum.

Die Grundlage aller Nationalökonomie ist das sog. ›Geld‹. Mehr…

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Krähen benutzen drei Werkzeuge in Folge

5. August 2009 19 Kommentare

Spiegel online weist auf eine neue Studie der Uni Oxford hin, die sich wieder mal mit Krähen beschäftigt haben:

Krähen bauen sich selbst Werkzeuge und reiten zum Spaß auf Wildschweinen umher, Papageien demonstrieren in Videos ein geradezu unheimliches Taktgefühl – alles Fähigkeiten, die noch vor einigen Jahren allein Menschen oder bestenfalls Menschenaffen zugetraut wurden.

Nun haben Krähen im Experiment erneut Verblüffendes demonstriert: Sie benutzten nicht ein, sondern drei Werkzeuge hintereinander, um an einen Leckerbissen zu gelangen – und manche mussten dafür nicht einmal trainieren. …

Die Auswahl und der Austausch der Werkzeuge sowie die Verbesserung über die Dauer des Experiments hätten gezeigt, dass die Krähen nicht zufällig, sondern zielgerichtet vorgegangen seien. Die Forscher schränken jedoch ein, dass dies noch kein handfester Beweis für die These sei, Krähen seien zu menschenähnlicher Planung fähig.

Die Geschicklichkeit der Geradschnabelkrähen von der Pazifikinsel Neukaledonien ist Wissenschaftlern bekannt. In der Natur bewaffnen sich die Vögel mit eigens angefertigten lanzettartigen Werkzeugen, um damit nach Insekten zu stochern. Auch hatten Forscher in Neuseeland bereits gezeigt, dass die Krähe zwei Werkzeuge hintereinander benutzen kann. Die Laborkrähe Betty verblüffte Forscher damit, dass sie einen Draht gar zu einem Haken bog, um damit einen kleinen Futterbehälter aus einer Röhre zu angeln.

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Kann Marx zum Verständnis der aktuellen Wirtschaftskrise beitragen?

22. Juli 2009 3 Kommentare

Aufgrund des Verweise von „Schwarz“ auf „Nestor“, hier ein Luxemburger Anarchist, „Zur evtl. Erweiterung des Papiergeld-Horizontes„, hier noch nachgereicht ein link zu dessen Übersicht „Kann Marx zum Verständnis der aktuellen Wirtschaftskrise beitragen? (Résumé)
Hier, zum besseren Überblick, was wir bisher bei der Beschäftigung mit Marx und Krise gelernt haben“

(Es irritiert dann doch etwas, das dieser Nestor-Fan ausgerechnet für „Wahrheit“ und „Recht“ ins Feld zieht. Er mag ja manches tatsächlich wahr sein, zumindest interessant, konsistent aber mit Sicherheit nicht.)

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Fegefeuer, zum x-ten mal

17. Juli 2009 51 Kommentare

Günther Sandleben zitiert, ich nehme an zustimmend, unter dem Titel „„Eure Ordnung ist auf Sand gebaut“. Chancen für eine sozialistische Veränderung“ Eugen Varga, einen der bedeutendsten Ökonomen der Komintern, der 1934 geschrieben hat:

Im Mittelpunkt der Analyse der Zyklen steht bei Marx immer die Krise als jene Phase des Zyklus, in der alle Widersprüche des Kapitalismus zum offenen, gewaltsamen Ausbruch kommen, die Gefüge der kapitalistischen Gesellschaftsordnung bis in seine Tiefen erschüttern, das Proletariat von jenen Illusionen, die in den Prosperitätsphasen entstehen, befreien, den historisch vorübergehenden Charakter des Kapitalismus kraß demonstrieren.“ (Die Entwicklung zur Depression (1934)

Wenn doch nur die „Kraßheit“ dazu geführt hätte, das der Kapitalismus „vorübergeht“. Bekanntlich war damals davon leider keine Rede und ist es heute auch nicht. Weil, wie man an diesem historischen Beispiel wieder lernen könnte: Die pure Erfahrung der Schrecken des kapitalistischen Lebens lehrt die Leute einen Scheißdreck. Weshalb auch alle diejenigen als zynische Ignoranten zurückzuweisen wären, die darauf hoffen, daß es irgendwie besser würde, wenn es nur drastisch schlechter wird. Das Zweite ist billig zu haben, das Erste eben nicht.

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Marx versus Keynes: Warum Staatsinterventionismus die Krise nicht stoppen kann

12. Juli 2009 6 Kommentare

Ein führender Wortführer der sich wieder stark fühlenden Linkskeynesianer ist Joachim Bischoff, unter anderem Mitherausgeber der Zeitschrift Sozialismus. (Bischoff war bis Ende 2004 Mitglied der PDS. In den 1990er Jahren sowie kurzfristig im Jahr 2000 war er Mitglied des Bundesvorstands der Partei. Er arbeitete unter anderem in der Arbeitsgemeinschaft Wirtschaftspolitik mit. 2004 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der WASG, bis April 2006 war er Mitglied des Bundesvorstands der Partei. Seit ihrer Gründung 2007 ist er Mitglied der Partei Die Linke. Bei der Wahl 2008 in Hamburg wurde er für diese Partei in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt.)

Gestern hat er in bei den Linken Buchtagen 2009 in Berlin sein Buch „Jahrhundertkrise des Kapitalismus – Abstieg in die Depression oder Übergang in eine andere Ökonomie?“ vorgestellt. Wie im Buch waren da viele Fakten und Zahlen zur aktuellen großen Krise zu hören und wie im Buch diente die ganze Beschreibung, wie schrecklich das doch alles schon eine Weile läuft, auf nicht anderes hinaus, als zum x-ten Mal eine weitere Version von keynesianischer Regulierungspolitik zu fordern und das auch noch als den wahren Marxismus unserer Tage zu verkaufen, von dem sein ideologischer Mitstreiter vom Verlag VSA mir dann sogar noch vorgehalten hat, daß der Keynes damals um Längen vernünftiger, geradezu marxistischer argumentiert hätte als die damaligen ökonomischen Koryphäen der Komintern wie Jürgen Kuczynski und Eugen Varga!

Ich hatte Bischoff entgegengehalten, daß er und die seinen so völlig ausblenden, daß vor 35 Jahren der bis dahin in der Tat recht einflußreiche sozialdemokratische Keynesianismus der Nachkriegszeit weithin als Sachgasse für die Rettung des Kapitalismus angesehen wurde. In dieses Horn bläst auch der folgende Artikel, ein wiederveröffentlichter Artikel von Joseph Seymour, dem „Chefökonom“ der trotzkistischen IKL, den der 1975 geschrieben hatte:

From the Archives of Workers Vanguard
Fiscal Fiddling Can’t Stop Depression
Marx vs. Keynes

By Joseph Seymour
The deepening economic crisis has meant the loss of jobs, homes and savings for millions of working people. It has also demonstrated the utter fallacy of the economic doctrine of monetarism, which maintained that economic crises could be minimized, if not eliminated, by adjusting the amount of money in the banking system along with interest rates. Monetarism was the gospel for bourgeois economists in the right-wing climate marked by the ascendancy of Ronald Reagan and Britain’s Margaret Thatcher in the 1980s. The counterrevolutionary destruction of the Soviet Union in 1991-92 and the attendant “death of communism” triumphalism in the western imperialist countries, centrally the U.S., put more wind in the sails of the “free market” ideologues of monetarism.

Today, with the monetarist myth in tatters, bourgeois economists have rushed to embrace the ideas of John Maynard Keynes, the British economist who, during the Great Depression of the 1930s, championed the notion that capitalist economic crises could be overcome through government deficit spending. That is the idea behind President Barack Obama’s “stimulus” package, an expenditure of almost $800 billion financed by government borrowing that is supposed to “jump start” the economy. In reality, Keynesian economic schemes, no less than monetarist ones, run up against the destructive irrationality of the capitalist system, analyzed and explained by Karl Marx and highlighted by the boom-and-bust cycle.

The article reprinted below, first published in WV No. 64, 14 March 1975, presents a Marxist critique of Keynes’s economic theory. Mehr…

Kategorien(2) Trotzkismus, (3) Fundstellen Tags:

Kritik der Sicht der SDAJ auf den Bildungsstreik

10. Juli 2009 34 Kommentare

Folgenden Kommentar habe ich auf dem Blog der „AMS – Marxistische Hochschulgruppe Jena Assoziation Marxistischer Studierender AMS Jena Logo Hochschulgruppe “ gepostet zu einem Artikel mit dem Titel „Die Notwendigkeit für Marxistinnen und Marxisten, sich an den Hochschulen klar zu positionieren und aktiv in Diskussionen und Proteste einzubringen, wurde deutlich. Jetzt geht es um die weitere Vernetzung marxistischer Studierender“, da ich aber bei DKP/SDAJ-Blogs durchweg nicht zugelassen werden[Korrektur: mittlerweile wurde der folgende Kommentar dort freigeschaltet und sogar auf die hiesige Diskussion verlinkt!], das hier nochmal:

Es wäre ja schön gewesen, wenn tatsächlich Zehntausende „für eine radikale Wende“ auf die Straßen gegangen wären. Aber war dem denn überhaupt so? Was wurde denn während der Kampage an grundlegender Kritik an Zweck und Aufgabe des Schul- und Bildungswesens laut? Es ist doch alles anderes als radikal, noch nicht einmal wirklich kritisch, wenn buchstäblich in erster Linie nur mehr Geld für dieses Bildungssystem gefordert wurde.

Wenn man nicht deutlich sagt, daß dieses System der Selektion der Menschen von früh an bis zum Arbeitsmarkt in diejenigen, die schon sehr bald von Staats wegen gesagt und definitiv beschieden bekommen, daß aus ihnen garantiert nichts wird und die relativ wenigen, die sich um die paar besseren Jobs prügeln dürfen, die die Ausbeutung in diesem Land in den Betrieben und im Staatswesen organisieren und überwachen bzw. ideologisch betreuen, dann braucht man auch nicht über z.B. Bachelor und Master jammern.

Wie überhaupt die Klage über die Selektion am Ende des Ausbildungswesens, also an den Unis regelmäßig die Vorselektion an den Schulen ausblendet. Und die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, die selbst nach einem fiktiven idealen nichtselktiven Bildungssystem, was ja manche gerne hätten, weiterhin gilt.

Von daher ist es auch nur so billige leere Empörung, wenn wie hier jetzt auch gejammert wird „Es kann nicht sein, daß Banken …, und an der Bildung weiter gespart wird“. Das können doch alle sehen, daß das nicht nur sein kann, sondern so sein soll und zwar aus „gutem“ Grund für die Herren dieser Welt: Das haben sie doch erkannt als Hebel, das ganze Schul- Uni- und sonstige Ausbildungswesen noch besser auf das hinzuschneidern worum es in dieser Gesellschaft ausschließlich geht: Deutschland braucht Arbeitskräfte, die möglichst wenig kosten, also auch möglichst wenig Bildung erfordern, damit man mit ihnen eine möglichst rentable Produktion hinkriegt. Und dazu passen all die Reformen der letzen Jahre doch genauso, wie die frühere „alte“ Schule und Uni denen früher den Herrschenden als optimal erschienen ist.

Wenn man nicht den Charakter und Zweck von kapitalistischer Schule überhaupt kritisieren mag, z.B. am Notenwesen aufzeigen will, wie das Zwangsgesetz der Selektion auf die Berufs- und Arbeitsplatzhierarchie hin durchgeführt wird, dann braucht man auch nicht über „Verschulung“ jammern. Wenn einem nicht die Regulierung der Unis für den Zweck der bürgerlich/kapitalistischen Elitebildung ein Dorn im Duge ist, dann sollte man auch gar nicht erst von der „Überregulierung“ reden. Wenn man den Schülern und Studenten nicht zumuten will, daß der ganze Zweck des Schul- und Unibetriebs es ist, für Profitzwecke brauchbare Arbeitskräfte in den Relationen auszuspucken, die die Wirtschaft (und der Staat) im Schnitt so brauchen, dann kann man sich die Proteste gegen „weitere Einflußnahme von Wirtschaftsinteressen“ auch sparen.

Deshalb ist die ja nun wirklich bei praktisch jedem Protestierenden zu findende Kritik am „Mangel an Lehrkräften und Räumen“ auch nichts, was man so einfach stehen lassen sollte, sondern die Nachfrage wert, was sich den dadurch ändern würde, wenn die Selektion in kleineren Gruppen abläuft? Wenn eh vorgegeben ist, daß nur X % eines Jahrgangs zum Abitur kommen sollen oder nach dem Bachelor zum Master-Studium zugelassen werden sollen, dann ist es doch völlig piepegal, wie groß der Hörsaal oder das Klassenzimmer ist, in dem die entscheidenden Klausuren stattfinden. Und wenn es nur 10 sind, die da zusammensitzen, wissen die dann doch auch, daß meinetwegen Zweidrittel von ihnen rauszufliegen haben.

Nur zur Erinnerung: In Folge der 68er Bewegung haben in den 70ern manche fortschrittlichen Professoren beschlossen, nur noch gute Abschlüsse zu vergeben, um nicht die eigentlich ihnen aufgegebe Selektion durchführen zu müssen. Was war das Ergebnis? Jeder bessere Personalchef hat doch gewußt, an welchen Unis in seinem Sinne „wertlose“ Abschlüsse produziert wurden. Man kann doch der harten Realität der Selektion nicht mit Wegtauchen zu entkommen suchen.

Kurz: Man sollte also Schüler, Studenten und vor allem alle Lohnabhängigen dazu bringen zu erkennen, daß dieses Bildungswesen zu *diesem* System gehört und deshalb dieses System der kapitalistischen Wirtschaftsweise (und ihr demokratischer Staat, der das immer wieder aufs Neue dementsprechend in allen Bereichen hinorganisiert) weggeräumt werden müssen, damit man sich dann, wenn man sich in der Gesellschaft „nur“ noch die vernünftige Frage stellen braucht, was die Leute so alles zum Leben brauchen, auch fragen wird, was sie an Wissen brauchen, um das vernünftig hinzukriegen. Daß das dann ein nun wirklich radikal anders aussehendes System der Wissensvermittlung erfordert, das liegt auf der Hand. In diesem unserem System gehört aber geradezu notwendigerweise dazu, daß es auf wirkliches Wissen, vor allem über gesellschaftliche Zusammenhänge auch gar nicht ankommt, solange die Schule brave Lohnarbeiter und Staatsbürger hervorbringt.

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Michael Heinrich: Tulpen sind Aktien?

8. Juli 2009 Kommentare ausgeschaltet

Michael Heinrich hat vor recht genau einem Jahr in Phase 2. 28, Juni 2008, S.56-59 einen Artikel zur Krise veröffentlicht. Dort heißt es:

Man sollte sich diese Krise also etwas genauer anschauen. Ihren Anfang nahm sie in einer Überspekulation mit anschließendem Platzen der spekulativen Blase. Seit der holländischen Tulpenkrise im frühen 17. Jahrhundert haben diese Spekulationskrisen immer wieder denselben Verlauf genommen: Ein bestimmtes Vermögensobjekt (seien es nun Aktien, Häuser oder eben Tulpenzwiebeln) wird immer höher bewertet, was die Nachfrage nach diesem Objekt ankurbelt, denn alle wollen am scheinbar unaufhaltsamen Wertzuwachs teilhaben. Das eigene Vermögen, schließlich auch Kredite werden zum Erwerb des Spekulationsobjektes benutzt. Aufgrund der großen Nachfrage steigt dessen Preis weiter, was zu weiterer Nachfrage führt. Doch irgendwann ist dieser Anstieg erschöpft. Es wird schwieriger, neue Käufer zu finden, und die ersten Anleger wollen ihre Gewinne realisieren und verkaufen. Der Preis des Spekulationsobjektes fällt. Jetzt wollen alle aussteigen, um keine Verluste zu machen, was aber den Preis noch weiter drückt. Viele von denen, die spät in die Spekulation eingestiegen sind und zu einem hohen Preis gekauft haben, machen jetzt hohe Verluste. Da mit diesen Verlusten auch ein allgemeiner Nachfrageeinbruch verbunden ist, kann sich eine solche Spekulationskrise auf die gesamte Wirtschaft auswirken. Im Prinzip ist deren Verlauf heutzutage auch denjenigen bekannt, die sich an der Spekulation beteiligen. Doch ist eben nicht klar, in welcher Phase der Spekulation man sich befindet: relativ am Anfang, wo noch gute Gewinnchancen existieren, oder eher am Ende, kurz vor dem Platzen der Blase. Jeder hofft, dass er noch bei den Gewinnern sein kann, auch wenn er weiß, dass der Absturz kommen wird.

Ich bin mir nun nicht sicher, ob die Gleichsetzung genuiner Waren, die auch etwas Nützliches sein müssen, um überhaupt Waren mit Bezahlanspruch zu sein, also in seinem Beispiel die berühmten Tulpen (semper augustus!!) aus der ersten kapititalistischen(?) Spekulationskrise mit reinen Rechtsansprüchen auf spätere Zahlungen (wie bei dem meisten Finanzmarktpapieren und erst recht bei den Derivaten, bzw. Hoffnung auf solche (wie bei Aktien) überhaupt zulässig ist.

Ich habe früher, auch hier, gegen die häufig allzuvorschnelle Unterscheidung zwischen „echten“ Werten in der „Real“wirtschaft und den Werten des „fiktiven Kapitals“ anargumentiert, deshalb meine ich jetzt aber nicht, daß es der Analyse gut tut, da gar keinen Unterschied mehr zu machen. Letztlich ist das also wieder die leidige Frage nach der relativen Verselbständigung des Finanzkapitals, bzw. wie elastisch das Band ist, was die klassischen Waren produzierenden Kapitale und die ach so modernen Finanzkapitale, die über deren Begrenzungen schon weit hinaus waren, zusammenhält.

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Ofenschlot: Adam Smith zur Immobilienkrise

6. Juli 2009 11 Kommentare

Wieder ein schönes Fundstück von ofenschlot:
Zitat Anfang:

A dwelling-house, as such, contributes nothing to the revenue of its inhabitant ; and though it is, no doubt, extremely useful to him, it is as his clothes and household furniture are useful to him, which, however, make a part of his expense, and not of his revenue. If it is to be let to a tenant for rent, as the house itself can produce nothing, the tenant must always pay the rent out of some other revenue, which he derives, either from labour, or stock, or land. Though a house, therefore, may yield a revenue to its proprietor, and thereby serve in the function of a capital to him, it cannot yield any to the public, nor serve in the function of a capital to it, and the revenue of the whole body of the people can never be in the smallest degree increased by it.

Dieses Zitat aus „Wealth of Nations“ kursiert bereits durch die Blogs, u.a. wurde es gleich zweimal auf der ödkonservativen, aber viel gelesenen ACHSE DES GUTEN aufgerufen. Klar, in Zeiten der Not versichert sich der Bürger gerne mal wieder bei seinen Alten. Dabei ist das Schicksal Smiths in der bürgerlichen Wirtschaftswissenschaft noch ärger ausgefallen als das Marxens im Realsoz. Marx MUSSTE man lesen (durfte aber keine eigenen, parteiunabhängigen Schlüsse daraus ziehen); Smith WIRD GAR NICHT MEHR GELESEN (gilt aber als unumschränkter Klassiker). Dass in diesem Zitat schon die ganze objektive Werttheorie steckt (soll heißen: die einzig taugliche Werttheorie, die Marx vorfand); dass dieses Zitat eine revolutionäre Haltung zum Ausdruck bringt (die des produktiven Bürgers, der im Gegensatz zu den Feudalherren tatsächlich Werte schafft) — das spielt ja alles keine Rolle mehr.
Smith hat selbstverständlich eine ernsthafte Lektüre verdient.

Hier die deutsche Belegstelle, zitiert wird aus der aktuellen, gelungenen Übersetzung von Monika Streissler.
Adam Smith, Untersuchungen über Wesen und Ursachen des Reichtums der Völker (2 Bände). Herausgegeben und eingeleitet von Erich W. Streissler, Verlag Wirtschaft und Finanzen, Düsseldorf 1999. 1. Band, 2. Buch („Wesen, Anhäufung und Verwendung von Vermögen“), 1. Kapitel („Die Gliederung des Vorrats oder Vermögens“), S. 317

Ein Wohnhaus trägt als solches zum Einkommen seines Bewohners nichts bei, und obwohl es ihm ohne Zweifel äußerst nützlich ist, ist es das ebenso, wie seine Kleidung und seine Möbel ihm nützlich sind, die aber einen Teil seiner Ausgaben und nicht seines Einkommens ausmachen. Soll es einem Mieter gegen eine Miete überlassen werden, so muß der Mieter, da das Haus selbst nichts hervorbringen kann, die Miete stets aus einem anderen Einkommen bezahlen, das er entweder aus Arbeit oder Vermögen oder Grundbesitz bezieht. Obwohl also ein Haus seinem Eigentümer ein Einkommen liefern und für ihn insofern Kapitalfunktion haben kann, kann es doch der Allgemeinheit keines erbringen und für diese keine Kapitalfunktion haben, und das Einkommen der Gesellschaft insgesamt kann sich dadurch niemals auch nur im geringsten vergrößern.

Zitat Ende

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Das „fiktive Kapital“ in der „Real“wirtschaft

6. Juli 2009 Kommentare ausgeschaltet

Das Handelsblatt hat in seiner Ausgabe vom 06.07.09 einen Artikel zum Thema Abschreibungen auf Geschäfts- oder Firmenwerte (Goodwill). Er zeigt, wie in der ganzen kapitalistischen Welt Ertragserwartungen genauso wie Ertragsversprechungen hochgerechnet werden zu aktuellen Kapitalwerten. Jedenfalls werden diese Erwartungen bezahlt und deshalb offensichtlich auch von der erwerbern buchstäblich für bare Münze genommen. Das geht solange gut, wie es gut geht. Und dann sind diese wahren Werte eben weg, wie jetzt. Insofern ist dies aber nur die konzerninterne Variante dessen, was die Börsen eh Tag und Nacht mit dem Firmenwerten anstellen, indem sie die Zukunftserwartungen schon immer so gut sie das eben können in die aktuellen Kurse einfliessen lassen. Vorher ist sowas dann immer ein bombensicherer Zukunfstsmarkt. Hinterher die vermeidbar gewesene Blase.

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Der Kapitalismus ist scheiße, aber alternativlos

3. Juli 2009 Kommentare ausgeschaltet

Ich war etwas verwundert, daß der Spiegel-Leitartikel „Das Prinzip Gier“ vom 11.05.2009, den ich hier selber kommentiert hatte, so gar kein Echo hervorgerufen hat. Dem hat sich nun der GegenStandpunkt erbarmt und im Heft 2-09 folgenden Kommentar veröffentlicht:

Der Kapitalismus ist scheiße, aber alternativlos
„Die Krise“ – zum neuen Sprachdenkmal gewordene Bezeichnung dafür, dass diverse Profitansprüche momentan nicht aufgehen – frisst sich inzwischen ein gutes halbes Jahr durch alle Abteilungen unserer Wirtschaft. Jedem ist bekannt, dass noch eine ganze Reihe mehr oder weniger spektakulärer Einbrüche in der so genannten Realwirtschaft bevorstehen und mit noch mehr Arbeitslosen zu rechnen ist. Das abhängig beschäftigte Volk hält still – durchaus zur Verwunderung der politischen Klasse, die es verwaltet. Die weiß offenbar sehr gut, mit welchen Zumutungen sie ihre Massen momentan konfrontiert, und erlaubt sich den Spaß, über die Möglichkeit von „sozialen Unruhen“ zu räsonieren, die keiner wollen kann, das Volk, das sie allenfalls anzetteln könnte, zuallerletzt.
Die Krise „herrscht“ also auf unabsehbare Zeit und ihre Wirkungen entfalten sich in schöner Negativität in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft – ein beredtes Zeugnis dafür, dass und wie hierzulande alles davon abhängt, dass die Geldrechnungen der Finanz- und sonstigen Kapitalistenklasse aufgehen. Angesichts dessen stellen die öffentlichen Vordenker der Nation anscheinend eine gewisse Verlegenheit fest: Ihre Textbausteine von gestern, die die kapitalistische Marktwirtschaft als „effizientestes“, „innovativstes“ „produktivstes“ und überhaupt einfach bestes System lobpreisen, lassen sich nicht mehr wie gewohnt einfach ausschneiden und einfügen. Natürlich kann man auch stur bleiben: „Sie können sicher sein: Der moderne Kapitalismus ist garantiert auch in seiner größten Krise dem Sozialismus überlegen. Turmhoch.“ (BILD, 20.5.09) Dem gehobenen Journalismus ist diese Tour einfach zu durchsichtig. Klar – das Ergebnis soll schon so rauskommen, aber irgendwie doch ein wenig reflektierter, begründeter, nicht so plump apologetisch. Also führt man in einigen deutschen Schreibstuben eine herrliche Debatte auf hohem Niveau. In der geht es um nicht weniger als „die Systemfrage“, die sich jetzt angeblich allen stellt. Mit Verve tut man selbst in ,Zeit‘ und FAZ so, als befinde man sich gerade in einem Werbespot der „Gesellschafter“. Künstlich naiv, so als gäbe es keine durch staatliche Gewalt gültig gemachten Interessen, denken Mitglieder und Eliten dieser kapitalistischen Gesellschaft allen Ernstes darüber nach: „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“
Insbesondere legt sich der SPIEGEL kritisch ins Zeug. „Warum der Kapitalismus nicht aus seinen Fehlern lernen kann“ (SPIEGEL, 11.5.), titelt das Blatt und überrascht seine Leser zunächst einmal damit, alle möglichen Erklärungen, die seine Redakteure selbst ein ums andere Mal aufgetischt haben, in einem großen Rundumschlag zu widerlegen. Gier lässt sich demnach gar nicht von Profit trennen – nachdem man genau das in den letzten Monaten erbittert durchkonjugiert hat! Die Real- gegen die Finanzwirtschaft auszuspielen, ein Standardgedanke des bisherigen Krisenjournalismus – grober Unsinn, überall dasselbe Prinzip am Werk, das in die Krise führt! Den Grund für die Krise den Amis zuschustern, auch da war der SPIEGEL ganz vorne dabei – absolut ignorant gegenüber den allgemeinen Gesetzen der Marktwirtschaft! Also nicht Einzelphänomene, sondern, man denke nur, „System“, und was für eines: „Wer im Kapitalismus ein System sieht, das eine schöne Idee ist, die von Gierigen leider missbraucht wird, der ist ungefähr so weltfremd wie ein Marxist, der glaubt, Sozialismus sei eine gute Idee, die leider von Lenin, Stalin und Fidel Castro missbraucht worden sei.“ Selbst „die Kapitalisten wundern sich am lautesten über ihren Kapitalismus“, und eigentlich sei schon jetzt allen klar, dass der Versuch des Staates, die Krise zu bekämpfen, höchstens „ein Problem löse, indem er zwei neue produziere, mehr Staatsverschuldung und drohende Inflation“.
Mit einer in diesem Stil seitenlang aufgeblasenen Tirade , die völlig abgeklärt mit allem abrechnet, was man bis gestern behauptet hat und demnächst sicher auch wieder steif und fest behaupten wird, steuert der Artikel zielstrebig darauf hin, dass sich der Kapitalismus diesmal nicht in einer seiner üblichen Verwertungskrisen befindet, die dann die Restwelt auszubaden hat. Es ist viel schlimmer: „Die systemische Erkenntnis dieser Krise ist nicht, das der Markt systemisch zu Krisen führt, das wusste man vorher; die Erkenntnis ist, dass die ideologische Hülle der Marktwirtschaft zerstört ist, wohl für immer.“ Mein Gott! Keine Ideologien mehr zur Marktwirtschaft – das ist natürlich wirklich grässlich, nicht auszudenken und schon gar nicht auszuhalten. Wie soll es da weitergehen? „Nackt steht die Marktwirtschaft da, ein kaltes Gerüst, dem Gespött ausgeliefert.“ Schon entdeckt der SPIEGEL fürchterliche Tendenzen: „SAP-Gründer Hasso Plattner hat bemerkt, dass es so eine Stimmung im Land gibt, dass wir Kapitalismus eigentlich gar nicht mehr wollen, sondern was anderes, Netteres“. Bei der bisher „anachronistisch“ in der Ecke stehenden Sarah Wagenknecht ist ein Lächeln der „Genugtuung“ zu sehen angesichts der „antikapitalistischen Schlagzeilen der vergangenen Wochen“, und das Ami-Magazin „Newsweek“ behauptet „We are all socialists now“. Die Lage ist also wirklich ernst.
Aber dann doch: Entwarnung!, der Artikel biegt auf die Zielgerade ein. „Ein schlüssiges Gegenkonzept zum Kapitalismus gibt es nicht“ – das sagt ausgerechnet seine Gegnerin Wagenknecht, und die muss es ja wissen. Sonst nimmt ein Spiegel-Redakteur den „Spinnern von links“ ihre Einsichten und Kritiken zwar nicht ab, aber in diesem Fall? Eine Kommunistin als Kronzeugin dafür, dass es zum Kapitalismus keine Alternative gibt – bingo! Das ist es doch, wonach man in der Krise verzweifelt gesucht hat: Legitimation ohne den Umweg über eine momentan unglaubwürdige Schönfärberei! Der Kapitalismus steht mit seiner Krise vielleicht „nackt“ da, muss aber einfach sein – ohne aufwendige Begründung, ohne großartige Versprechen, ohne lateinische Adjektive. Das System ist große Scheiße, mangels Alternative aber unumgänglich und notwendig – wenn das mal nicht ein geradliniger Schluss ist und eine Werbung für den Laden, die überzeugender nicht ausfallen kann.

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Gerechtigkeit für Kautsky (und Bernstein)! Ein Fundstück und seine heutige Editionsgeschichte

2. Juli 2009 11 Kommentare

Ein neuer Blogger namens „Ofenschlot„, der auf seinem Blog leider keine Kommentare zuläßt, scheint ein klassischer Bücherwurm zu sein, heutzutage muß man sowas wohl Webcrawler nennen. Jedenfalls hat er zwei interessante Fundstücke ausgegraben, die ich hier auch noch mal reintun will, damit man das doch kommentieren kann, wenn man denn will:

Peter Hacks und die MG: »Um die Wirklichkeit zu begreifen, sind sie manchmal zu klug.« (MPunkt hat das schon vorher gefunden und mit dem klassischen Zitat bedacht)

Peter Hacks, erster, aber nicht letzter Vertreter der Sozialistischen Klassik, schreibt einen Brief an seinen Schriftstellerkollegen Dieter Noll. Es ist der 14.11. 1990, Hacks setzt sich jetzt also auch mit Noll, der ihm zu DDR-Zeiten kaum das Wasser zu reichen vermochte, nun aber, nach der Schreckenswende, sich in den Augen Hacksens als standhafter Kommunist erwiesen hat, auseinander. Man sucht nach Orientierung. Noll hat aus diesem Grund offensichtlich eine Ausgabe des Organs der Marxistischen Gruppe: MSZ – Marxistische Streit- und Zeitschrift, gelesen und das Exemplar an Hacks weitergereicht. Hacks leist nach und bringt so einiges auf den Punkt. Kurios ist das Dokument allemal. Es ist die einzige ernstzunehmende MG-Rezeption aus der Sicht des Marxismus-Leninismus (vergesst den sozialdemokratistischen DKP-Quatsch à la Bernd Gäblers »Das Prinzip Ohnmacht. Eine Streitschrift zur Politik der MG«, Dortmund 1983).

Lieber Herr Noll, MSZ hat zu meiner Bildung beigetragen, ich danke für die freundliche Übersendung. Die Hauptaussage zu dem Blättchen, da sind wir einig, lautet: die Kritik und die Analysen sind fast immer richtig, vielleicht immer. Und der Fleiß, der da aufgewandt ist, ist enorm.
Die Sprache – und es liest sich, als ob ein einziges Riesenhirn oder ein Zentralkomputer (ZK) alle Artikel verfaßt habe – ist ein terroristisches Hegelianisch; in ihrer »wissenschaftlichen« Abstraktheit übersieht sie, flüssig wie sie sonst ist, manchmal das Konkrete an der Wahrheit. Zum Beispiel die PDS widerlegt unser ZK sehr gründlich und sehr überflüssiger Weise dem Begriff nach, statt daß er sie der politischen Funktion nach widerlegte.
Dahinter steckt ein zweifellos weltfernes Sozialismus-Ideal, (wobei gelobt sein muß, daß ZK den bisherigen Sozialismus immerhin als ein funktionierendes System begreift und daß er vor der Machtfrage keine Angst hat). Ich sage weder, ZK sei trotzkistisch, noch, er sei arbeiterdemokratisch. Ich sage nur, um die Wirklichkeit zu begreifen, ist er manchmal zu klug.
Ich habe, lieber Noll, äußerstes Lob und keinen Einwand gegen die MSZ, finde sie aber schwer zu lesen. Die Golf-Analyse ist, ohne Einschränkung gesprochen, brillant.
(…)

Nachtrag 1: Der Brief findet sich in der wundervollen Schatzkiste: Peter Hacks, »Verehrter Kollege. Briefe an Schriftsteller, Ausgewählt, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Rainer Kirsch. Berlin 2006: Eulenspiegel Verlag«.

Nachtrag 2: Hacks an Noll, nochmals zur MG. Der Brief datiert vom 2.12.1990:
Dank für den Herrn Held, den man nun anfängt kennen zu lernen. Der Mensch ist revolutionärer als Marx und Lenin, das ist vielleicht bissel sehr revolutionär. Gegen den Kapitalism ist er zu brauchen, für den Sozialismus gar nicht.

Nachtrag 3 + 4: Auf der Gegenstandpunkt-Verlagsseite (www.gegenstandpunkt.de) findet sich ein MSZ-Archiv. Die PDS-Abrechnung findet sich gebündelt als »Kritik der Linie der PDS« und ist hier zu finden: www.dearchiv.de

Nachtrag 5: www.peter-hacks.de

Gerechtigkeit für Kautsky (und Bernstein)! Ein Fundstück und seine heutige Editionsgeschichte

I Das Fundstück

»Mit einem Antrag (Frankfurt an der Oder) glauben wir, eine Ausnahme machen zu müssen, weil er in verschiedener Form von verschiedenen Orten gestellt worden ist: der Antrag auf staatliche Unterstützung der Arbeitslosen oder: staatliche Sicherung der Arbeiter gegen Arbeitslosigkeit (…) Aus Hamburg kommt der Antrag, allen Erwerbslosen aus Staatsmitteln ausreichendes, den heutigen Kulturverhältnissen entsprechenden Unterhalt zu gewähren (…) Arbeitslosigkeit heißt nicht, dass der Arbeiter überhaupt keine Beschäftigung findet, auch unter den schlechtesten Bedingungen und von der gröbsten Art – sondern dass er keine Arbeit findet, zu der er sich eignet und ihm ein entsprechendes Einkommen garantiert.
In der Sache stehen wir vor der Frage: „Wer ist arbeitslos?“ Wer bestimmt, ob wirkliche Erwerbslosigkeit vorliegt? Es kann doch nicht Aufgabe der Sozialdemokratie sein, das Simulantentum systematisch zu fördern und die Großziehung des Lumpenproletariats auf Kosten des arbeitenden Teils der Bevölkerung zu verlangen! … heißt nicht nur jeden, der nicht Arbeit finden kann, sondern auch jeden, der nicht Arbeit finden will – und deren züchtet die Gesellschaft nur zu viele – auf den Staatstrog anweisen.
Arbeitslosigkeit, in die jeder Arbeiter zeitweilig verfällt – in den meisten Fällen mit großen Entbehrungen verknüpft – die beständige Gefahr steht als ein drohendes Gespenst hinter dem Rücken des Proletariats … die stets geschwungene Peitsche, die ihn zur Arbeit treibt – zugleich der Sporn, der ihn antreibt, für die Beseitigung einer Herrschaftsordnung zu wirken, in der er nur ein Sklave ist – sie ist der Aufhetzer, der den Proletarier zum geborenen Revolutionär macht. Wenn der heutige Staat diesem Unterhalt gewähren würde, würde das zur Folge haben eine vollständige Erschlaffung der Arbeiterbewegung – die Arbeiterklasse würde aufhören eine revolutionäre Klasse zu sein.
Den Arbeiter auf Staatsalmosen zu verweisen – Konsequenz wäre Staatssozialismus.«
[Friedrich Engels, zur Diskussion um das Erfurter Programm der SPD 1890, erstmals wiedergegeben in »Die Neue Zeit«, 9. Jahrgang 1890/91, Nr. 42, S. 49-52.]

II Seine Geschichte

Dieses Friedrich Engels zugeschriebene Zitat hat Frank Böckelmann im aktuellen Vorwort zur Neuausgabe seines Werks »Über Marx und Adorno. Schwierigkeiten der spätmarxistischen Theorie« (Ca Ira Verlag, Freiburg 1998, S.13 — »In den Diskussion über den Entwurf eines neuen Parteiprogramms im Jahre 1890 meldete sich auch Friedrich Engels zu Wort und nahm Stellung zu Anträgen bestimmter Ortsvereine.«) ausgegraben.
Der alte Engels klingt hier unerhört, aufregend – radikaler Anti-Etatismus!
Aber was tischt uns da Böckelmann eigentlich genau auf? Ist das wirklich ein authentischer Text vom Alten?
Fakt ist: In den MEW findet sich dieser Text nicht.
Er müsste sich in Band 22 finden, siehe www.mlwerke.de, dort befindet er sich aber nicht, stattdessen ein anderer Text »Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs«, geschrieben zwischen dem 18. und 29. Juni 1891 und zwar für Karl Kautsky. Kautsky veröffentlicht diese Kritik in: »Die Neue Zeit: Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie.«, 20. Jg, 1901/02, 1. Bd.(1902), H.1, S. 5-13
In diesem Text findet sich die oben genannte Passage nicht.
Nun ist bekannt, dass in den MEW Marx- und Engels-Texte fehlen, nicht nur, weil sie zum Zeitpunkt der Herausgabe noch unentdeckt waren, sondern weil sie der Partei (SED-KPdSU) nicht genehm waren. Das betrifft vor allem Russland-kritische Texte von Marx (»Die Geschichte der Geheimdiplomatie des 18. Jahrhunderts«). Unwahrscheinlich, dass die Editoren ausgerechnet an der Sozi-Kritik des alten Engels herum geschnibbelt haben, dann hätten sie erst recht Marxens Randglossen zensieren müssen (»Kritik des Gothaer Programms«, 1875, MEW 19).
Und was sagt die MEGA? (Noch) Nichts. Der Band 31 (2.Abteilung), »Friedrich Engels: Werke, Artikel, Entwürfe Oktober 1886 bis Februar 1891«, enthält keine Erfurter Kritik. Der letzte Band (32) ist noch ediert.
Halten wir uns an Böckelmann! Er gibt ja eine Quelle an (s.o.). Sogar noch eine zweite: Der Text von Engels sei nachgedruckt in »Sozialistische Hefte«, München 1948, S. 45ff.
Wie der Zufall so will, hält die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung diesen Text als Online-Edition zugänglich: http://library.fes.de/prodok/fa00-03482.pdf
Und tatsächlich, der Text beginnt auf Seite 45 unter dem Titel, »Friedrich Engels, Der Entwurf des neuen Parteiprogramms«. Das Zitat Böckelmanns findet sich übrigens erst auf S. 84, und es zeigt sich, dass Böckelmann es ordentlich gekürzt hat, sodass erst durch die Kürzung der harte, anti-etatistische Sound entstanden ist. Der letzte Satz – »Den Arbeiter auf Staatsalmosen zu verweisen – Konsequenz wäre
Staatssozialismus.« – lautet vollständig:
»Daß der Staat und die Gemeinden solcher Arbeitslosigkeit, wie überhaupt der Not gegenüber MEHR tun können und daher auch sollen, als sie heute tun, das ist unbestritten, und daß die verabfolgte Unterstützung keine Beeinträchtigung der politischen Rechte der Unterstützten zur Folge haben soll, das sind Forderungen, denen auch wir uns gerne anschließen; aber generell und schlechtweg den Arbeiter auf STAATSALMOSEN verweisen, statt ihm zu zeigen, daß ›ausreichender, den heutigen Kulturverhältnissen entsprechender Unterhalt‹ vom heutigen Staat nun und immer gewährt werden kann, das halten wir für absolut verfehlt. Die Konsequenz dieses Vorschlags wäre der STAATSSOZIALISMUS, und man braucht wirklich kein Anarchist zu sein, um die ewigen Anweisungen auf den Staates des Guten zuviel zu finden.« (Hervorhebungen im Original)
Klingt doch schon ein bisschen anders, nicht wahr?
Auf S. 96 des Sozialistischen Heftes finden sich die Quellenangaben, dort ist ausgewiesen, dass »Der Entwurf des neuen Parteiprogramms« eben dort ursprünglich erschienen ist, wo ihn auch Böckelmann platziert.
Kürzen wir es ab: Böckelmann lag das »Sozialistische Heft«vor, aber nicht »Die Neue Zeit«. Er hat abgeschrieben, ohne zu überprüfen.
Die wunderbare Bibliothek der Friedrich Ebert Stiftung! Sie bereitet zurzeit eine komplette Online-Edition der Neuen Zeit vor, ein Teil der Hefte ist bereits Online, alle Jahrgänge bis zur Jahrhundertwende. Also auch der Jahrgang 1890/91.
http://library.fes.de/nz/index.html
Man kann ja mal suchen… Von einem explizit von Friedrich Engels unterschriebenen Aufsatz »Der Entwurf des neuen Parteiprogramms« keine Spur. Allerdings findet man diesen Aufsatz, er hat vier Teile, alle nicht namentlich gekennzeichnet, sie finden sich in den Heften 49, 50, 51 und 52 des zweiten Bandes der Jahrgangsausgabe 1890/91 (Böckelmann verwechselt die Hefte mit den Seiten). Die »Staatsalmosen«-Passage findet sich im vierten Teil, Heft 52, S. 825
Aber wer ist der Autor?
Kautsky listet in seiner Selbstdarstellung »Das Werden eines Marxisten« (1924, http://www.marxistsfr.org/deutsch/archiv/kautsky/1924/xx/werden.htm)
Seine für die »Neue Zeit« geschriebenen Aufsätze – darunter auch »Der Entwurf des neuen Parteiprogramms«! Aber nur die ersten drei Teile. Den vierten Teil nicht. Stammt also der vierte Teil doch von Engels? Eine kurze Literaturrecherche ergibt: In der Regel ist die Rede davon, dass Kautsky damals eine vierteilige Artikelserie veröffentlicht habe. Bisweilen wird aber auch Bernstein als Ko-Autor genannt!
Um es kurz zu machen: Bernstein und Kautsky lebten um 1890 in London und waren dort enge Mitarbeiter von Friedrich Engels (Kautsky reiste noch 1890 ab, um in Stuttgart die »Neue Zeit« zu redigieren). Beide verstanden sich als orthodoxe Marxisten, was sie schrieben, sollte sich noch unmittelbar an Engels anlehnen. Sagen wir also: Obiges Zitat stammt von Kautsky; ein Co-Autorschaft von Bernstein ist nicht unwahrscheinlich; dass der Text von Engels stammt, ist falsch. Dass er aber in dessen Geiste geschrieben wurde, vielleicht sogar direkt mit ihm diskutiert wurde, davon ist auszugehen.
Es gab damals ein Kontinuum sozialistischer Kritik, in dem auch Bernstein und Kautsky eingefasst sind. Über ihrer weiteren Lebensweg – kein Wort (an dieser Stelle)!
Hier soll nicht weiter herumorakelt werden. Das »Geheimnis« um diese Passage ist leicht aufzulösen, wahrscheinlich schon anhand eines Nachvollzugs der Briefwechsel zwischen Bernstein, Kautsky und Engels. Diese liegen vor.
Das setzt aber doch ein bisschen Archivarbeit voraus. Die sparen wir uns an dieser Stelle (wird aber bei Bedarf nachgereicht).
Aber sagen wir es so: Der Lektor bei Ca Ira, der dieses natürlich hochgradig brisante »Engels«-Zitat durchgewunken hatte, der hätte sich diese Arbeit nicht sparen sollen. Und Böckelmann ist ein kleiner Schlawiner. Eh klar.

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