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Qualtinger: Travnicek und die Wahlen

22. September 2009

Diese Frage gebe ich gern weiter:

Kennst du eigentlich den alten Hut vom Qualtinger (60-er Jahre) zu den Wahlen?
Travnicek und die Wahlen

Kategorien(3) Fundstellen Tags:
  1. der Klassensprecher von 1984
    24. September 2009, 07:05 | #1

    Weitere Beobachtungen aus dem demokratischen Alltag:

    „“Dement zu sein bedeutet ja nicht, dass man nicht in der Lage ist zu wählen“, sagt Helmut Schäfer der Leiter des Wahlbüros im Kasseler Rathaus.“

    http://www.hna.de/kasselstart/00_20090923221435_quotWaehlen_was_wir_immer_waehlenquot.html
    http://www.hna.de/kasselstart/00_20090923221404_Tausende_brauchen_Hilfe_beim_Waehlen.html
    http://www.hna.de/kasselstart/00_20090923174800_Bundestagswahl_sechsnullnullnull_Demente_in_Ka.html

  2. Koza
    24. September 2009, 11:08 | #2

    Und, warum sollen Bürger mit Demenz nicht wählen? Gerade die Willkür der Freiheit der Herrschaft, die im Wahlkreuz mit der Abgabe von Stimme und Verstand ihren statistisch-mathematisch fixierten Ausgang nimmt, wird doch dadurch nur bestätigt.

    Was in diesem Zusammenhang kritikabel ist, ist deshalb auch allein die dem Wahlrecht immanente Klausel, dass mit der durch das Vormundschaftsgericht angeordneten Betreuung des Dementen ihm das Wahl- und damit ein elementares Bürgerrecht entzogen ist.

    Diese Rechtsform der Entmündigung, die man qua hoheitlicher Sprachregelung nicht mehr so nennen darf, ist jedoch dem revolutionären keine Kritik wert, dienen ihm doch seine verlinkten Subtexte gerade einer inhaltsleeren der Wahlen ob der Wahlberechtigung von Dementen.

    Damit verfehlt der Autor zielgenau, was Wahlen als Ermächtigungsakt zur politischen Herrschaft, realisiert durch freie, gleiche und sich im Zweck ihres Willens, die Vertretung ihrer Interessen einem auserlesenen Personal anzuvertrauen, einige und vereinigte Bürger selbst, sind. Soweit nicht gleich die reine Pflichterfüllung, die Verliebtheit in die sozialen Polit-Stars, unter denen man jetzt auch noch seinen Favoriten auswählen darf, oder alternative Sehnsüchte der bürgerlichen Art die tragende Rolle bei der Wahrnehmung des Wahlrechts einnehmen.

    Indem ihm die noch nicht ganz ihrer Rechte beraubten Dementen Material seiner Kritik der Wahlen in Form der Bloßstellung der geistigen Verfasstheit einer Teil-Trägerschaft der Wahlbürger sind, gelingt dem nebenher auch noch die Bestätigung und Beförderung deren spezieller Diskriminierung.

    bei Wahlen die Dementen auch noch den im Vollbesitz ihrer Kräfte befindlichen Staatsbürgern gleichgestellt sind, geht doch wirklich nicht an, soll auch noch ein Extraeinwand gegen die Wahlen sein.

    Diese an untertänige Reflexionen in der Meinungs-, Politik- und Sozialkunde über die problematische Gewährung von Rechten auf Grund des Fehlens einer nötigen Kompetenz erinnernde Kritik nicht zu widerlegen, vielmehr zur Bekräftigung einer Kritik staatsbürgerlichen Handelns herzunehmen, ist der hier verhandelten Sache der Wahl nach deshalb auch des Wahlrechts. Die sind, so ohne Kommentar sie eingestellt sind, selber nichts als arrogante Überlegungen aus einem sich besser dünkenden intellektuellen Milieu. Die offizielle Propaganda liefert freilich reichlich das Futter dazu.

  3. 24. September 2009, 11:15 | #3

    In der Tat, es steht doch gerade an, die Semi-Demenz der ganz normalen Wähler zu kritisieren, die sich fälschlicherweise für wie weiß wie schlau halten, wenn sie erst nach langem politischen Vergleichen zu einer zumeist ganz kritischen Wahlunterstützung kommen, aber eben doch wieder hingehen und ihr Kreuz machen und sonst nichts weiter.

  4. der Klassensprecher von 1984
    24. September 2009, 15:42 | #4

    Ich wollte auch nicht in der Richtung missverstanden werden, dass ich mich darüber empöre.

  5. der Klassensprecher von 1984
    24. September 2009, 15:46 | #5

    Um 7:05 reichts (auch zeitlich) bei mir halt noch nicht für weitere Ausführungen, warum ich dass bemerkenswert fand.

  6. Mazursky
    25. September 2009, 00:40 | #6

    Der Einbildung vieler ungemein kritischer Wählerinnen, mit dem Ankreuzen verbände sich mehr als ein Zeichen der Anerkennung der Herrschaft, entspricht sehr gut diese scharfsinnige Analyse eines aktuellen Kandidaten:

    »«

  7. 28. September 2009, 14:28 | #7

    Die Augsburger Freunde auch des GegenStandpunkts haben dankenswerterweise den Sketch abgeschrieben und unter http://www.koka-augsburg.com/qualtinger.html veröffentlicht.

  8. Schwarz
    28. September 2009, 18:51 | #8

    Kein Wunder, daß GSP-nahe Kreise von Helmut Qualtinger so angetan sind, war doch schon die ehemalige Marxistische Streit- und Zeitschrift dessen spezieller Freund. Insbesondere der Travnicek-Wahldialog hatte es ihr auch angetan.

    Aber man lese lieber ganz und selbst:

    MSZ 1986 Ausgabe 11
    Stichwörter: kultur/zeitgeist » Intellektuelle / Dichter / Künstler

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    Helmut Qualtinger +
    Der große Mime Helmut Qualtinger, der im Alter von 58 Jahren starb, erhielt ein Ehrengrab in der Stadt Wien

    EIN GENIE, DAS SICH SELBST ZERSTÖRTE
    („Gong“)

    Mit Qualtinger starb der bedeutendste antifaschistische Künstler Österreichs. Seine Kunst bestand vor allem darin, den (Klein-)Bürger in seiner „dumpfen, brutalen Anpasserei“ auf die Kabarettbretter zu stellen. Das konnte er gut.

    Aufklärerisch war daran gar nichts, weil die liebevolle Veranschaulichung und das Wiedererkennen der eigenen schlechten Meinung über die Travniceks auch schon die ganze kabarettistische Pointe ausmachte. „Gut getroffen“ hieß bezeichnenderweise der Kunstgenuß und machte klar, daß man nix „gelernt“ hat, was man vorher nicht schon wußte. Das wäre freilich ein ungerechter Vorwurf gegen das Kabarett, wenn Qualtinger nicht mit Vorliebe am Widerspruch, eine politische Botschaft in der Form des ironischen Kunstgenusses zu präsentieren, herumgeraunzt und seinem Publikum als dessen Flachheit übelgenommen hätte: „I waas‘ net, warum d’Leut über’n Herrn Karl lachen? Dös is dumm und gefährlich.“ Nach dem verrückten Kabarettistenideal sollte dem Publikum vor lauter Betroffenheit das Lachen im Halse steckenbleiben. Ausgerechnet den gemeinen Anpaßler wollte Qualtinger damit erschrecken, daß er ihm die Überhöhung seiner eigenen Bösartigkeit ganz „realistisch“ vorspielte („Niemand derf sicher sein, daß er sich net genauso verhalten könnt‘.“). Bei dem dabei anfallenden Merker, daß Bürger nicht aus Demokratieidealismus mitmachen –

    „Travnicek und die Wahlen
    Freund: Was, Travnicek, glauben Sie, weswegen Sie zur Wahl gehen?

    Travnicek: Weil i an Zettel krieg.

    Freund: Nein! Der Politiker braucht den Kontakt mit dem Volke. Durch diesen Zettel erfährt er, wie Sie als Wähler von ihm denken.

    Travnicek: Des kann i ihm aufn Zettel aufschreiben?

    Freund: Nein, dann ist er ungültig!

    Travnicek: Also, was is des für a Kontakt?“ -,

    hat Qualtinger selbst die bescheidene Wahrheit über demokratische Wahlen um die Ecke gebracht, indem er sie als Ausdruck eines nepochanten Charakters interpretierte. So gelungen manche Kopien der Bürgerdummheiten waren, standen sie immer für ihre eigene Grundlosigkeit, indem sie als Ausgeburten schlechten Charakters, von Verrohung und Gemeinheit herhalten mußten. Mit dem an Figuren wie dem Herrn Karl ungewollt geführten Kompliment, daß der Faschismus und andere politische Abscheulichkeiten sich einer Entsprechung im Charakterbild des miesen Bürgers verdanken, hat Qualtinger der dummen Psychologie zur Kunstform verholfen, daß man den Faschismus vor allem einmal durch Selbstbeobachtung und Beobachtung der dunklen Seiten der anderen bekämpft. („Jeder von uns ist zumindest a klaner Lueger.“)

    Daß nach anfänglichem Befremden die Wiener Kulturschickeria diese Anklagen sehr bald als „brutal ehrliche“ Vervollständigung ihres Menschenbildes akzeptierte und sehr rasch die kabarettistische Vorführung dessen, was wir sind, für das zumindest naheliegende selbstzufriedene Resumee „So sind wir halt!“ nutzte, hat den Qualtinger bei aller Eitelkeit etwas gestört. Daß seine Warnungen inzwischen als augenzwinkernde Selbstbespiegelung österreichischen Nationalcharakters zirkulierten und beklatscht wurden, ließ bei ihm neben der Ehre vor allem den Verdacht aufkommen, seine Botschaft würde nicht genügend ernst genommen. Bei seinen darauffolgenden Lesungen der „Letzten Tage der Menschheit“ verbat er sich ausdrücklich Publikumsgelächter. Die Botschaft des Krausschen Marstheaters war ihm so heilig, daß er sich den selbstgefällig-ironischen Genuß verbat. Facettenreich unter Aufbietung seiner ganzen Schauspielkunst führte er an den Krausschen Personen seinem Publikum vor, daß ihre Ideale nur als dementierte existieren – Politik: dumm und keinem großen Auftrag verschrieben; der Adel: dekadent und seiner gesellschaftlichen Rolle nicht entsprechend; lauter Kriegsgewinnler, die für einen wahren Patriotismus keinen Platz ließen -, um mit Kraus,die Bedeutsamkeit von wahrer Kultur, Sitte und Anstand darüber zu beweihräuhern, daß sich der Untergang dieser hohen Güter im 1. Weltkrieg entäußerte. Weil Qualtinger als Warner und Gewissen für die radikalste Subsumtion des Kunstgenusses unter die moralische Botschaft eintrat, hat er das Kabarett sehr bald zugunsten eines ernsten Textes aufgegeben. Seine Lesungen von Hitlers „Mein Kampf“ zählten zum Ungenießbarsten an der Qualtingerschen Kunst. Eine Warnung vor Faschismus wollte er ausgerechnet darüber loswerden, daß er mit quengeliger, sich überschlagender Stimme das Hitlersche Staatsprogramm als Ausgeburt eines Verrückten interpretierte. Bei der Rezitation der Hitlerschen Staatskonzeption legte es Qualtinger durchaus darauf an, daß sein Publikum kopfschüttelnd über die Dummheit des längst besiegten Gröfaz lachte. Aufklärung darüber, warum demokratischen Staatsbürgern die Arbeitsplatz- und Nationalismuspropaganda eines Hitler nicht nur vor 50 Jahren durchaus einleuchten mußte, enthielt diese „Warnung“ nicht. Dafür fiel bei der lustig-gruseligen Vorführung des Negativbildes verantwortungsvoller Führerschaft ganz nebenbei jede Menge Bestätigung für den kreuzbraven Gedanken ab, wie wichtig eine gute demokratische Herrschaft ist, die mit den Hitlereien erst gar nicht zu vergleichen ist.

    Die offizielle Verabschiedung Qualtingers in sein Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof wurde dem Künstler vollauf gerecht. Den radikalsten Nekrolog hielt kein Künstler, sondern der Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, dem ausgerechnet die „Unangepaßtheit“ Helmut Qualtingers so gut gefiel, daß er sie exemplarisch für die gelungene Ergänzung von Politik und kritischer Literatenmoral „mit dem lieben Verblichenen“ hochleben ließ.

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    © Verein zur Förderung des marxistischen Pressewesens e.V. München

    Quelle: http://www.gegenstandpunkt.com/msz/html/86/86_11/qualti.htm

  9. 22. Oktober 2009, 21:55 | #9

    Da Qualtinger.. a miade Soche. des is Brutalität. Waun mi des Reisebüro ned famiddelt häd, i wa nia noch .

    Waun schoon

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