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Kritik der Sicht der SDAJ auf den Bildungsstreik

10. Juli 2009

Folgenden Kommentar habe ich auf dem Blog der „AMS – Marxistische Hochschulgruppe Jena Assoziation Marxistischer Studierender AMS Jena Logo Hochschulgruppe “ gepostet zu einem Artikel mit dem Titel „Die Notwendigkeit für Marxistinnen und Marxisten, sich an den Hochschulen klar zu positionieren und aktiv in Diskussionen und Proteste einzubringen, wurde deutlich. Jetzt geht es um die weitere Vernetzung marxistischer Studierender“, da ich aber bei DKP/SDAJ-Blogs durchweg nicht zugelassen werden[Korrektur: mittlerweile wurde der folgende Kommentar dort freigeschaltet und sogar auf die hiesige Diskussion verlinkt!], das hier nochmal:

Es wäre ja schön gewesen, wenn tatsächlich Zehntausende „für eine radikale Wende“ auf die Straßen gegangen wären. Aber war dem denn überhaupt so? Was wurde denn während der Kampage an grundlegender Kritik an Zweck und Aufgabe des Schul- und Bildungswesens laut? Es ist doch alles anderes als radikal, noch nicht einmal wirklich kritisch, wenn buchstäblich in erster Linie nur mehr Geld für dieses Bildungssystem gefordert wurde.

Wenn man nicht deutlich sagt, daß dieses System der Selektion der Menschen von früh an bis zum Arbeitsmarkt in diejenigen, die schon sehr bald von Staats wegen gesagt und definitiv beschieden bekommen, daß aus ihnen garantiert nichts wird und die relativ wenigen, die sich um die paar besseren Jobs prügeln dürfen, die die Ausbeutung in diesem Land in den Betrieben und im Staatswesen organisieren und überwachen bzw. ideologisch betreuen, dann braucht man auch nicht über z.B. Bachelor und Master jammern.

Wie überhaupt die Klage über die Selektion am Ende des Ausbildungswesens, also an den Unis regelmäßig die Vorselektion an den Schulen ausblendet. Und die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, die selbst nach einem fiktiven idealen nichtselktiven Bildungssystem, was ja manche gerne hätten, weiterhin gilt.

Von daher ist es auch nur so billige leere Empörung, wenn wie hier jetzt auch gejammert wird „Es kann nicht sein, daß Banken …, und an der Bildung weiter gespart wird“. Das können doch alle sehen, daß das nicht nur sein kann, sondern so sein soll und zwar aus „gutem“ Grund für die Herren dieser Welt: Das haben sie doch erkannt als Hebel, das ganze Schul- Uni- und sonstige Ausbildungswesen noch besser auf das hinzuschneidern worum es in dieser Gesellschaft ausschließlich geht: Deutschland braucht Arbeitskräfte, die möglichst wenig kosten, also auch möglichst wenig Bildung erfordern, damit man mit ihnen eine möglichst rentable Produktion hinkriegt. Und dazu passen all die Reformen der letzen Jahre doch genauso, wie die frühere „alte“ Schule und Uni denen früher den Herrschenden als optimal erschienen ist.

Wenn man nicht den Charakter und Zweck von kapitalistischer Schule überhaupt kritisieren mag, z.B. am Notenwesen aufzeigen will, wie das Zwangsgesetz der Selektion auf die Berufs- und Arbeitsplatzhierarchie hin durchgeführt wird, dann braucht man auch nicht über „Verschulung“ jammern. Wenn einem nicht die Regulierung der Unis für den Zweck der bürgerlich/kapitalistischen Elitebildung ein Dorn im Duge ist, dann sollte man auch gar nicht erst von der „Überregulierung“ reden. Wenn man den Schülern und Studenten nicht zumuten will, daß der ganze Zweck des Schul- und Unibetriebs es ist, für Profitzwecke brauchbare Arbeitskräfte in den Relationen auszuspucken, die die Wirtschaft (und der Staat) im Schnitt so brauchen, dann kann man sich die Proteste gegen „weitere Einflußnahme von Wirtschaftsinteressen“ auch sparen.

Deshalb ist die ja nun wirklich bei praktisch jedem Protestierenden zu findende Kritik am „Mangel an Lehrkräften und Räumen“ auch nichts, was man so einfach stehen lassen sollte, sondern die Nachfrage wert, was sich den dadurch ändern würde, wenn die Selektion in kleineren Gruppen abläuft? Wenn eh vorgegeben ist, daß nur X % eines Jahrgangs zum Abitur kommen sollen oder nach dem Bachelor zum Master-Studium zugelassen werden sollen, dann ist es doch völlig piepegal, wie groß der Hörsaal oder das Klassenzimmer ist, in dem die entscheidenden Klausuren stattfinden. Und wenn es nur 10 sind, die da zusammensitzen, wissen die dann doch auch, daß meinetwegen Zweidrittel von ihnen rauszufliegen haben.

Nur zur Erinnerung: In Folge der 68er Bewegung haben in den 70ern manche fortschrittlichen Professoren beschlossen, nur noch gute Abschlüsse zu vergeben, um nicht die eigentlich ihnen aufgegebe Selektion durchführen zu müssen. Was war das Ergebnis? Jeder bessere Personalchef hat doch gewußt, an welchen Unis in seinem Sinne „wertlose“ Abschlüsse produziert wurden. Man kann doch der harten Realität der Selektion nicht mit Wegtauchen zu entkommen suchen.

Kurz: Man sollte also Schüler, Studenten und vor allem alle Lohnabhängigen dazu bringen zu erkennen, daß dieses Bildungswesen zu *diesem* System gehört und deshalb dieses System der kapitalistischen Wirtschaftsweise (und ihr demokratischer Staat, der das immer wieder aufs Neue dementsprechend in allen Bereichen hinorganisiert) weggeräumt werden müssen, damit man sich dann, wenn man sich in der Gesellschaft „nur“ noch die vernünftige Frage stellen braucht, was die Leute so alles zum Leben brauchen, auch fragen wird, was sie an Wissen brauchen, um das vernünftig hinzukriegen. Daß das dann ein nun wirklich radikal anders aussehendes System der Wissensvermittlung erfordert, das liegt auf der Hand. In diesem unserem System gehört aber geradezu notwendigerweise dazu, daß es auf wirkliches Wissen, vor allem über gesellschaftliche Zusammenhänge auch gar nicht ankommt, solange die Schule brave Lohnarbeiter und Staatsbürger hervorbringt.

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  1. 10. Juli 2009, 15:49 | #1

    Sehr zutreffend! Nur frage ich mich, wieso du im letzten Abschnitt ein „vor allem“ vor „alle Lohnabhängige“ stellst.

  2. huh
    10. Juli 2009, 16:54 | #2

    ich denke, es ist kein schlechter anfang, wenn sich studis mal aufregen – wenn auch nur beschränkt. aber es ist immerhin ein zeichen, dass sich da jemand nicht mehr alles gefallen lassen will. dass da jemand zu merken, dass da was schädigt. dann muss man halt aufklären.

    derzeit ist es, zumindest in österreich außerhalb wiens (wo es noch ein paar mehr oder weniger linke studis gibt) so, dass fast NIEMAND sich aufregt, egal was passiert. beispiel: bei der demo gegen die ösi-uni-reform in salzburg gingen ca. 40 leute auf die straße. die anderen sagen: „es ist halt so.“ und schauen, dass sie sich alleine da durchwurschteln. manche finden das auch ok so. die wissen, dieses bildungssystem gehört zu diesem system – und finden, das passt so. da ist es noch viel schwieriger einzuhaken.

    und dann bin ich noch der meinung, dass man auch im hier und jetzt kämpfen kann. das ist dann eventuell beschränkt, dann geht’s um mehr geld für schulen und unis zB. für kleinere klassen zB. aber was ist die alternative derzeit? wem will man denn argumente „einleuchten“ lassen? zumindest in kleineren ösi-nestern ist es so, dass auf vorträge immer nur szenis kommen. wenn mal, nach ner riesen werbeaktion, zwei neue leute zu nem kapitalismuskritischen vortrag kommen, ist das echt ein erfolg.

    man muss nen weg finden, um an die leute ranzukommen. und da kann so ne beschränkte forderung ein weg sein. – wenn dann, wenn man die leute zusammen hat, agitiert wird. dann geht’s weiter (nicht mit allen freilich, weil man wohl nie alle überzeugen kann, aber mit einigen).

    gar nichts machen, geht nicht. das ist fatalistisch. – wenn man sogar die verteidigung der erbärmlichen „sozial“staatsreste sein lässt. immer nur sagen, „das ist das system“ – stimmt. und dann? dann lassen wir die scheisse geschehen, bis irgendwann genügend menschen plötzlich die argumente „eingeleuchtet“ sind? was für leute sind das und wo kommen die plötzlich her?

    die leute vergessen, dass sie macht haben, wenn sie sich zusammenschließen. das ist eines der großen übel. man sollte ihnen das nicht auch noch mal zusätzlich einreden. „kleines menschchen, großes system“.

    ich zumind. wäre froh gewesen, es wäre mehr menschen auf der sbg-demo gewesen, trotz der beschränktheit des aufrufs. dann hätte man auch mehr – recht spontan zusammengezimmerte – verbreiten können. wenn niemand da ist, kann man niemanden agitieren. ich bin froh, wenn sich einer aufregt über die scheisse – wenn zunächst auch nur auf ne beschränkte art und weise.

  3. 10. Juli 2009, 17:18 | #3

    Genau das, was du Neoprene vorwirfst, unterlassen zu haben (nämlich in einen laufenden Kampf bzw. „Kampf“ zu intervenieren), hat er gemacht. Siehe den Eintrag selbst.

  4. huh
    10. Juli 2009, 17:33 | #4

    dessen bin ich mir durchaus bewusst und mein beitrag beinhaltet auch keinen „vorwurf“. mir geht es v.a. um (und auch das ist kein „vorwurf“):

    ein beispiel:

    da sag ich (wieder kein „vorwurf“): es ist ein guter anfang, zu „jammern“. da zeigt sich nämlich, dass jemand überhaupt noch ne schädigung als solche empfindet. und das ist ne voraussetzung dafür, dass man argumente unterbreiten kann, die über das – sicherlich beschränkte – jammern hinausweisen.

    neoprene sagt hier, entweder ist man von geburt an kommunist/in, oder man soll das maul halten (brauchste auch nicht jammern). – jetzt mal zugespitzt. nur: wer ist immer schon kommunist/in?!

  5. 10. Juli 2009, 17:40 | #5

    Warum braucht es Klassenkampfaktionen der dazu organisierten Arbeiterschaft, um auch an Unis oder in den Schulen Verbesserungen für die dort Arbeitenden und vor allem die dort Lernenden durchzusetzen?

    Weil ganz offensichtlich selbst eine Störung des normalen Bildungsbetriebes – und selbst davon ist die aktuelle „Bildungsstreik“-Bewegung meilenweit entfernt – also das Stilllegen des Betiebes im Staatssinne keine ernsthafte Störung darstellt, die ihn eines Besseren blehren könnte. Ich habe in meinem Artikel zu Freerks Vortrag in Leipzig ja schon darauf hingewiesen:

    Freerk hat in diesem Zusammenhang auch auf den offensichtlichen Mißbrauch des Wortes Streik im Zusammenhang mit Schülern und Studenten hingewiesen: Deren ein paar Tage, oder eben auch ein paar Wochen oder Monate nicht Lernen stört regelmäßig die Schulverwaltung oder Univerwaltung herzlich wenig, denn damit schneiden sich die Streikenden ja regelmäßig eher ins eigene Fleisch, weil ihnen dann ihre credit points, ihre Scheine etc. flöten gehen, die sie als ja weiterhin als Studenten durch Leben gehen Wollende ja letztlich doch brauchen.

    Wenn Arbeiter streiken, kostet die das zwar auch immer was, solange fällt ja der Lohn aus, den man regelmäßig so bitter nötig hat, daß man ja gerade deshalb für bessere Entlohnung ins Feld zieht, aber immerhin fällt bei jedem Streik ja auch die Produktion aus, also das Geldmachen der Kapitalisten. Und nur, weil auch der Staat vom erfolgreichen Geldmachen seiner besitzenden Klasse abhängt, können Streiks auch den ab und an zu Konzessionen zwingen. Studenten können dies praktisch nie.

  6. huh
    10. Juli 2009, 17:49 | #6

    ein bildungsstreik kann schon sinn machen und den staat erpressen, wenn alle mitmachen – bundesweit. und zwar über monate. nur leider sind die menschen heute so einzeldenker/innen, sowas kommt ihnen ja nicht in den sinn. wie auch den wissenschafter/innen nicht: auch die könnten zB die unis stilllegen über monate hinweg. das schmerzt den staat durchaus, weil er über abschlussquoten und ähnliches ständig international verglichen wird.

  7. huh
  8. huh
    10. Juli 2009, 17:55 | #8

    ach, hier kann man nicht editieren. ich bin der meinung: wenn das ALLE unis machen, dann spielen auch die abschlusszeugnisse keine rolle mehr. d.h. das problem war meiner meinung nach hier, dass nur die hälfte gestreikt hat.
    – ist vllt naiv.

  9. 10. Juli 2009, 18:00 | #9

    @ huh: Das Gejammer findet man ja vor. Mehr erstmal nicht. Also geht man hin und sagt den Jammernden zum Beispiel das, was Neoprene hier aufgeschrieben hat. Was man den StudentInnen damit implizit ja auch sagt, ist dieses: Wenn ihr grundsätzlich mit diesem Bildungssystem gar kein Problem habt, dann braucht ihr euch über die unangenehmen Wirkungen nicht wundern, denn die sind schließlich alles andere als ein unglücklicher Zufall. Wenn ihr die Schäden aber nicht hinnehmen wollt, dann müßt ihr schon grundsätzlicher, radikaler werden. Denn mit dem Gejammere alleine ist keinem geholfen, da ändert sich gar nix. Weder in die eine noch in die andere noch in eine ganz andere Richtung. Das hat also nada damit zu tun, daß man den Leuten vorwirft, sie seien nicht rot geboren.

    @ Neoprene: Was Huisken da gesagt hat ist mir ja bekannt. Mich irritierte ja auch bloß dieses „vor allem“ und ließ mich vermuten, es könnte damit etwas anderes als das gemeint sein, was anscheinend gemeint war. Allerdings hat huh schon recht, wenn er darauf hinweist, daß eine Bestreikung/Besetzung der Universitäten dem Kapital durchaus schaden kann, denn so wird ja das Nachwachsen benötigter Qualifizierten unterbrochen.

  10. huh
    10. Juli 2009, 18:11 | #10

    na, ein problem haben sie ja, auch ein grundsätzliches – sie jammern nicht ohne grund (sie sind geschädigt). nur: sie erklären es sich falsch. dann bringt aber das – ich nenne es mal so – „rummoralisieren“ nichts; wie zB: „wenn ihr das NICHT ganz grundsätzliche WOLLT (in wahrheit handelt es sich ja um ein NICHT KÖNNEN – kennen ja keine kommunistischen argumente!), dann SOLLTET ihr auch nicht jammern“. was bringt das denn? das ist nur ne kommunistische moral. das sind (noch) keine kommunist/innen, eh klar. aber kann man das kritisieren? kritisieren kann man, wenn sie, man ihnen argumente unterbreitet hat, immer noch an falschen erklärungen festhalten. dann passt das. so isses nur ne aufregerei darüber, dass das keine kommunist/innen sind.

    **

    das publizistikinstitut in wien hat mal ne zeitlang keine diplomarbeiten mehr angenommen, streikend. da kam schon ein bisschen was rum bei. würde man das systematischer betreiben, käme sicher mehr rum.

  11. 10. Juli 2009, 18:15 | #11

    Käse. Der Hinweis, daß, wenn man die Ursache akzeptiert, gar nicht anders kann, als auch die Folge in Kauf zu nehmen, ist nicht moralisch. Weiterhin enthält das auch nicht den Vorwurf, die seien nicht kommunistisch, sondern die Empfehlung, es zu werden. Denn dann weiß man/wissen sie, was weg muß, um erst gar nicht geschädigt zu werden.

  12. huh
    10. Juli 2009, 18:23 | #12

    nochmal:

    wer soll das denn deutlich sagen? die leute, die noch gar keine kommunistischen argumente kennen? also daher auch von der ursache keine ahnung haben?

    scherz?

    na klar ist das ne moral! ne moralische empörung darüber, dass das keine geborenen kommunist/innen sind! und entweder man ist das, oder man hat still zu sein und nicht zu jammern.

  13. huh
    10. Juli 2009, 18:24 | #13

    sorry, beim zitat folgendes abgeschnitten:

  14. huh
    10. Juli 2009, 18:29 | #14

    die haben sich noch nie mit der ursache auseinandergesetzt – was sollen die denn deutlich sagen?

    die merken an nem bestimmten punkt: oho, schädigung. davor ist ihnen das nie bewusst geworden. haben es verdrängt etc. und mehr wissen die doch in so nem stadium nicht, nur: oho, da ist schädigung. das ist der .

  15. 10. Juli 2009, 18:30 | #15

    Nein, sage ich. Warum, steht oben.
    Wir brauchen uns nun aber nicht weiter im Kreis drehen, ok?

  16. huh
    10. Juli 2009, 18:31 | #16

    vielleicht kommen sie – ist ja nicht so unwahrscheinlich – aus ner mittelschichts- oder oberschichtsfamilie und es macht zum ersten mal „AUA“.

  17. huh
    10. Juli 2009, 18:39 | #17

    ja, wer von denen hat sich denn mit der ursache auseinandergesetzt und dann akzeptiert? kann man denn überhaupt sagen, dass die die ursache akzeptieren? wenn sie die nicht mal kennen, weil sie sich nie damit auseinandergesetzt haben? – genau darin steckt die moral, dass ihr sagt, ja kann man. dass ihr so tut, als müsste man die ursache ablehnen, von anfang an. aber wieso denn? die kennen doch keine argumente fürs ablehnen. kann man ihnen das vorwerfen („wenn man nicht deutlich…“)? ich sage: nein.

    ich halte dran fest, das ist ne moralische empörung. wenn es ’nur‘ um aufklärung geht, verzichtet man darauf.

    aber wir müssen das wirklich nicht weiter ausbreiten.

  18. 10. Juli 2009, 18:55 | #18

    huh hat ein Standardargument aller Bewegungslinken vorgebracht:

    „ich denke, es ist kein schlechter anfang, wenn sich studis mal aufregen – wenn auch nur be-schränkt. aber es ist immerhin ein zeichen, dass sich da jemand nicht mehr alles gefallen las-sen will. dass da jemand beginnt zu merken, dass da was schädigt. dann muss man halt aufklä-ren. “

    Nur dem letzten Satz stimme ich zu: Ja, gerade bei diesen Schüler- und Studenten-Bewegungsleuten muß man über recht viel Grundsätzliches aufklären, recht viel kritisieren, was die sich da so denken vor allem.

    Denn es stimmt doch schon mal gar nicht, daß sich da viele aus guten Gründen aufregen würden. Sehr viele tun es von einem schrecklich borniertem Standpunkt von Leuten, die ihren als Studenten immerhin erkämpften Standpunkt auf ein bißchen Elite nicht durch staatliche Reformen wieder zunichte gemacht sehen wollen, die auch sie, die doch was Besseres verdient hätten, wieder zu ganz normalen Lohnabhängigen mit all dem Prekären macht, das sie mit den Hauptschülern und Berufsschülern doch hinter sich gebracht zu haben gedacht hatten.

    Der Kern der Forderungen der Schüler und Studies sind doch reine Verbesserungen der Konkurrenzbedingungen und leider so gut wie keine Kritik der Konkurrenz als solcher. Übrigens in der irrigen Einschätzung, daß es für ihr individuelles berufliches Unter- und Fortkommen besser wäre, wenn es an den Schulen und den Unis bessere Ausstattung und ein besseres Lehrer-zu-Lernenden-Verhältniss gäbe. Dem Staat, der die schulische und unimäßige Selektion organisiert, ist es dabei übrigens relativ egal, wer zu den Siegern dieses Wettbewerbs gehört. Wer ein Einser-Examen in Jura schafft, kann eben einen tollerern Job im Staatswesen erwarten.

    Und weil die Hauptstoßrichtung der Bewegung die Verbesserung der (eigenen) Konkurrenz-bedingungen ist, kippt so was doch auch regelmäßig um in ganz normales individuelles Durchwurschteln. Wenn es mit dem Bildungsstreik nichts wird, muß ich doch sehen, wie ich beim Prof mit meiner nächsten Arbeit so einen Eindruck erwecke, dass ich einen guten Schein von ihm bekomme. Dann werde ich schon vor dem Streik eben darauf dringen, dass die Anwesenheitsprotokolle ganz strikt ausgefüllt werden, denn fallen die Streikenden schon mal ein ganzes Stück zurück in der brutalen Erfolgskonkurrenz.

    Ja, es wird schon so sein, dass so gut wie „NIEMAND“ sich aufregt, dort bei euch in Österreich wie bei uns in Deutschland und in den meisten anderen Staaten auch. Umso wichtiger ist es dann, mit einer richtigen Kritik zu versuchen, Leute zu erreichen. Das tun leider sauwenig Leute, verglichen mit all den Linken, von den nicht sonderlich linken von der Partei Die Linke oder der DKP/SDAJ bis hin zu linkskommunistischen Gruppen wie Revolution. Die sind doch durch die Bank Teil und Propagandist der Bewegung gerade in dem Blöden, was die so drauf hat.

    Ach die Kämpfe! Wenn denn wirklich Leute kämpfen würden, dann wär das schon was. Aber Demos, die reine Lautsprecherorgien in Bekenntnisbekundungen sind, Spaßaktionen wie die unsäglichen „Banküberfälle“ sind halt in keinster Weise Ausdruck davon, dass da auch nur eine Handvoll Leute irgendwas verstanden hätten Und wie auch, wenn ihnen keiner sagt. Wenn es nur bei jeder zweiten Demo welche gegeben hätte, die vernünftige Erklärungen unters junge Volk gebracht hätten, dann wäre es schon gut gewesen (Das heißt noch lange, dass ich Freerk Huisken mit seinem Aufruf für ein „Agitationsprogramm“ so ohne weiteres zustimmen würde. Da sollte schon noch was nachkommen, denke ich. Aber das wäre eine andere Diskussion.)

    „wem will man denn argumente „einleuchten“ lassen?“ Ja nun, buchstäblich allen, also den paar Handvoll Leuten, die man damit erreichen kann. Sei es bei Veranstaltungen, wo man das erwarten kann, sei es hier auf den paar Blogs, wo so was gelesen werden kann. Bei ausgewählten Schulen oder Unis, das muß „man“ dann eben sehen. Natürlich gilt, „man muss nen weg finden, um an die leute ranzukommen“ Wenn das aber heißen soll, denen nicht sagen zu wollen, was die bisher falsch gemacht haben, was die für blöde Vorstellungen im Kopf haben, sondern „die dort abzuholen, wo sie gerade sind“ um eine berühmt/berüchtigte Losung zu benutzen, dann mag man zwar eine Jugendbewegung a la SAV zusammenkriegen. Aber begründete Gegnerschaft zu diesem System bewirkt das natürlich nicht. Es ist ja auch alles andere als „gar nichts machen“, wenn man sich vornimmt, die von mir oben angerissene Propaganda und Agitation tatsächlich zu machen. Schon dafür braucht es eine ganze Menge Leute, die das umsetzen.

    „die leute vergessen, dass sie macht haben, wenn sie sich zusammenschließen“ Das ist immer so leicht gesagt. Vor allem, wenn man nicht hinzusetzt, was den Mächtigen in diesem Staat die Macht gibt: Das recht überzeugte Mitmachen der fast geschlossenen Mannschaft, die den ganzen Reichtum produzieren, den dieser Staatsapparat zu einem bedeutenden Teil für sich reklamiert, um seinen durchaus ungemütliche Ziele durchzusetzen. Und Schüler und selbst Studenten haben eben diese Macht weitgehend noch nicht. Deshalb hängt doch jeder wackere Linksreformist an Bildungsbewegungen immer dran, dass da natürlich die Einheit mit der organisierten Arbeiterbewegung (lies DGB-Gewerkschaften) angestrebt werden muß. Daß da unter anderem auch das Problem drinsteckt, dass es einem normalen Arbeiter nicht gerade einsichtig zu machen ist, warum er für bessere Studienbedingungen ausgerechnet für seine zukünftigen Chefs und Staatsagenten eintreten soll.

  19. huh
    10. Juli 2009, 19:17 | #19

    wir liegen so weit gar nicht auseinander (meine ich jetzt mal, vielleicht irre ich). dem stimme ich zu:

    dem stimme ich daher nur halb zu:

    denn das heißt ja, dass du erwartest, dass zu dir die leute kommen – zur VA oder aufn blog. und genau das tun sie nicht. wieso auch? die erklären sich die schädigungen oft falsch (was ihnen auch nahegelegt wird), wieso sollten sie dann zu kommunistischen blogs surfen oder ne kommunistische VA besuchen? oder werdet „ihr“ von interessierten ständig überrannt bei VAs?
    man muss also zu ihnen gehen, etwa auf die spärlichen und oftmals von den forderungen her beschränkten demos. flugblätter verteilen. zB
    daher war die beschränkte demo in salzburg durchaus erfreulich – zwar war der aufruf mies (und der erste flugblatt-entwurf artete auch in eine beschimpfung aus), aber da waren menschen, wo man das thema, das sie beschäftigt, aufgreifen konnte, um zumind. mal anklingen zu lassen, dass das beschränkt ist, was da gefordert wird etc.

    du tust so, als wäre das ein widerspruch: abholen und aufklären. ist es aber nicht. denn man stellt fest, was die als schädigung identifizieren, gibt ihnen zu verstehen, das man das nachvollziehen kann (was nicht dasselbe ist, wie für richtig halten) – und erklärt ihnen, wie das zustande kommt, was die ursache ist, was die erklärung ist. leute abholen und aufklären ist kein widerspruch.

    na klar, das ist die kehrseite. die mächtigen sind schnell weg, wenn die nicht mehr mitmachen. denn die sind nur mächtig, weil man ihnen macht einräumt, sie ermächtigt.

  20. 10. Juli 2009, 19:27 | #20

    zu „vielleicht kommen sie – ist ja nicht so unwahrscheinlich – aus ner mittelschichts- oder oberschichtsfamilie und es macht zum ersten mal „AUA““

    Für die Stellung zu ihrer Rolle als Studenten, für die Einschätzung, was sie von einem Uniabschluß erwarten können, ist es weitgehend bedeutungslos, ob ein studierender Mensch es nun aus den sogenannten „bildungsfernen Schichten“ bis ins dritte Semester geschafft hat oder ob er aufgewachsen ist mit den Sprüchen der Eltern, was für ein kluges Wesen er schon immer gewesen sei, dem wenigstens ein Prädikatsexamen in die Wiege gelegt worden sei, wie früher seinem Vater oder heutzutage auch malseiner Mutter.

  21. 10. Juli 2009, 19:38 | #21

    Hier liegt in der Tat ein Mißverständnis vor: „das heißt ja, dass du erwartest, dass zu dir die leute kommen – zur VA oder aufn blog. und genau das tun sie nicht“

    Nein das erwarte ich nicht, so überheblich bin ich nun auch wieder nicht. Da die paar Leute, die anfänglich sich zusammenfinden werden, um Agitation z.B. zum Schul- und Bildungswesen zu machen, selber nur in recht wenigen Fällen schon eigene Veranstaltungen machen können, müßen die eben zu denen gehen, die es sonst so gibt zu diesem Thema. Sowas mache ich ja auch ab und zu.

    Es ist übrigens erstaunlich, daß selbst diese wahrlich in den Kinderschuhen steckende Diskussion hier jetzt auf diesem Blog für so viele Mitleser und ja sogar mal wieder sogar für Kommentatoren interessant ist, daß hier gestern/heute so viele Leute reingeschaut haben, daß der Blog zu den TOP3 der Referer-Liste gehört hat. Ein paar Hundert Interessierte gibt es also selbst hier.

  22. bla
    10. Juli 2009, 20:26 | #22

    huh, das von dir verlinkte Flugblatt macht aber doch gerade das was Neoprene einfordert . Statt den ihre verkehrten Argumente auseinanderzunehmen, werden sie erst einmal ganz abstrakt – also getrennt(!) von ihren Gründen – fürs Demonstrieren gelobt.
    Dieses Lob wird dann mit der Forderung darüber zu gehen verknüpft und so eine Einigkeit unterstellt die tatsächlich gar nicht vorliegt.

    Es stimmt ja, dass man so einen Bildungsstreik als eine Gelegenheit zur Agitation Nutzen kann und evtl. sollte. Das erfordert allerdings, dass man einen zu den Bildungsstreikern aufmacht und nicht (zumindest strategisch) so tut als wäre man im Grunde im Namen der selben Sache unterwegs.

  23. huh
    10. Juli 2009, 21:01 | #23

    da steht nicht, dass man in derselben sache unterwegs ist, sondern: „Es ist erfreulich, dass es Menschen gibt, die sich nicht jede Zumutung gefallen lassen.“
    und das ist in der tat erfreulich (auch das bezieht sich auch das zuvor). weil diese 40 menschen sich zwar vieles gefallen lassen und sicher vieles davon auch gut finden, aber es wohl doch einen punkt gibt, wo schluss ist. wieso – das mag falsch bestimmt sein. das muss bestandteil weiterer aufklärung sein. aber sie sind da und (mehr ist es manchmal gar nicht) geschädigt. tausende waren nicht da, es gibt in salzburg 12.000 studis, die stören sich offensichtlich nicht mal mehr an selektions. vor allem natürlich dann nicht, wenn es andere trifft.
    anmerkung: die jetzt bereits studierende werden von den verschärfungen nicht betroffen sein; die demoteilnehmer/innen haben also nicht für die verbesserung konkurrenzsituation oder -bedingungen protestiert.

    wenn du mal den aufruf vergleichst mit dem von uns geschriebenen, glaube ich kaum, dass dann der eindruck übrig bleibt, wir hätten so getan, als wolle man das gleiche. woraus ziehst du das – aus den ersten zwei sätzen? und sonst so?

    wir hatten zuerst einen anderen entwurf, wie erwähnt. den haben wir verworfen, weil wir dann der meinung waren, dass er in seiner scharfen formulierung vielleicht die leute so vor den kopf stößt, dass sie dann alles ablehnen.
    ich bin mir selber nicht sicher, was besser ist. andere empfanden die erste version als zu „angriffig“.

  24. huh
    10. Juli 2009, 21:09 | #24

    hier ein ausschnitt aus der ersten version:

  25. 10. Juli 2009, 21:16 | #25

    Ich habe das Flugblatt von der eingelesen:

  26. bla
    10. Juli 2009, 21:51 | #26

    huh, beide Versionen argumentieren mit dem Bild das der Protest gegen so etwas wie die Vorstufe zu einer Kritik an der sei, die Bildungsstreiker diesen allerdings noch nicht gegangen wären.
    Anders herum wird ein Schuh raus: Die gesamte Kritik der Bildungsstreiker speist sich aus einem Idealismus über die schulische Selektion, welche anders organisiert werden soll um ihrem Ideal von ihr gerecht zu werden.

  27. huh
    10. Juli 2009, 22:07 | #27

    und ich bin tatsächlich der meinung, dass dem so ist. die sind zumindest „näher dran“ als die, die gar nicht protestieren (jetzt mal abgesehen von den wenigen kommunist/innen, die zu sowas nicht kommen, weil es eben beschränkt ist). da äußert sich eine unzufriedenheit. die erklären sich die vielleicht falsch: ja. die sagen oft: früher war es besser, das ist der neoliberalismus. und hegen attac-mäßige vorstellungen vom kuscheligen 1970er-sozialstaat. das ist falsch.
    aber dass sich da eine unzufriedenheit äußert, ist alleine schon deshalb erfreulich, als sich so die möglichkeit ergibt, einzugreifen.

    was man gegebenenfalls sagen kann: ihr habt das nicht gut rüber gebracht, klarzumachen, dass es nicht um eine systemimmanente verbesserung gehen sollte. ihr habt es nicht geschafft, das auf den punkt zu bringen. ok.

    das bild an sich ist aber richtig. es ist wie wenn du es mit einem lohnarbeiter zu tun hast, der bei weiteren lohnsenkungen nichts mehr sagt, weil er schon zerbrochen ist. und mit einem, der was sagt, weil es ihn stört – aber dabei einen idealismus rum schleppt. der zweite hat noch ein bisschen das verlangen, nicht geschädigt zu werden (und das ist der punkt); unterliegt aber fehlern. meine ich.

  28. huh
    10. Juli 2009, 22:23 | #28

    das ist doch auch der grund, warum sich der gsp in innerlinke debatten oft „einmischt“? warum verteilt man flugblätter bei bildungsstreiks statt irgendwo?

    da kann es nur zwei gründe geben:
    1. (halte ich für keinen guten grund) man interveniert da, weil die sich „links“ nennen und man sich mit menschen, die sich „links“ nennen, verbunden fühlt.
    2. man glaubt, dass die trotz ihrer fehler „näher dran“ sind als andere. aber eben die richtigen argumente fehlen.

    sonst könnte ich mich auch vors nächste kaufhaus stellen und beliebig flugis verteilen.

  29. Klaus U
    10. Juli 2009, 22:25 | #29

    Hallo Huh

    Zu glauben, das Leute, die eine Art der Selektion wollen, Selektion seien, ist absurd. Dem entsprechend kann man sie auch nicht damit ansprechen, das sie doch bitte auch noch den nächsten Schritt hin zur Kritik der Selektion machen sollten, denn das wäre so ziemlich eine 180 Grad Wende ihrer Politik. Diese Schlagrichtung hat aber der Einstieg deines / eures Flugblatts.

    Ihr legt den Studenten nahe, doch gegen Selektion zu sein, weil die Verlierer der Konkurrenz verloren haben. Warum sollte aber einem Studenten das bitte einleuchten, wenn er sich gerade darüber freut, zu den Gewinnern zu gehören?

    Zu deinem Punkt mit der Bedingung der Möglichkeit der Kritik an den Studenten: Dass es u.U. leichter ist, Studenten auf einer Demo ein Flugblatt in die Hand zu drücken als wenn er übers Lehrbuch gebeugt da sitzt und nichts wissen will, außer das, was er für die nächste Prüfung braucht, ist ziemlich oft so. Deswegen braucht man die Demos aber nicht abfeiern. Denn zunächst ist das Verbreiten von Flugblättern nur das und nicht so was ähnliches oder ein Schritt in die Richtung, dass die Leute den Inhalt auch einsehen.

    Klaus

  30. Klaus U
    10. Juli 2009, 22:27 | #30

    „sonst könnte ich mich auch vors nächste kaufhaus stellen und beliebig flugis verteilen.“

    Hätte man die Leute, auch das noch zu machen, würde man das glatt machen.

  31. huh
    10. Juli 2009, 23:02 | #31

    das ist klar. aber die priorität wird, bei den gegebenen möglichkeiten, anders gesetzt.

    ich leite die kritik auf jeden fall auch weiter. war das erste flugblatt, wir können sicher noch viel lernen!

    ps: es wäre noch zu klären, inwieweit sich die menschen überhaupt dessen sind, dass sie nur eine selektion fordern. also ob sie wissen, was sie alles schlucken. ich bin mir nicht sicher, ob das immer jeder weiß. ?

  32. Klaus U
    10. Juli 2009, 23:09 | #32

    Wenn du / ihr beim nächsten Flugblatt – oder auch sonst – interesse habt, das vorab zu diskutieren, meldet euch.

    Klaus

  33. huh
    10. Juli 2009, 23:39 | #33

    danke für das angebot!

  34. Klaus U
    10. Juli 2009, 23:49 | #34

    Kontaktmöglichkeit: kunruh at gmx dot net

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