Dokumentiert: Krölls vs. konkret
Antidemokratische Aktion hat folgendes hin und her geblogt, das ich hier gerne auch bringe, weil es leider nur recht wenig Auseinandersetzung mit Krölls harscher Kritik gegeben hat, jedenfalls soweit ich mitbekommen habe:
In der Ausgabe 06/07 der konkret befand sich … eine Rezension von Matthias Becker zu Krölls “Kritik der Psychologie“. Diese ist hauptsächlich von der Empörung darüber getragen, dass glatt auch Horkheimer und Adorno kritisiert werden, sowie vom Unverständnis, dass kritisiert wird, ein Menschenbild zu haben, statt ein anderes zu entwerfen. Aber genug der Vorrede, ich habe die Rezension nämlich eingescannt:
Albert Krölls:
Kritik der Psychologie.
VSA, Hamburg 2006,
160 Seiten, 12,80 Euro
»Das moderne Opium des Volkes« nennt der Sozialwissenschaftler Albert Krölls die Psychologie. »Ein Scheitern am Arbeitsmarkt oder bei der Liebeswerbung, Ärger in der Familie oder im Büro, Angst vor dem Atomkrieg oder dem Alleinsein lassen auf eine falsche Einstellung schließen«, schreibt er mit beißender Ironie. Als Alltagsreligion leiste die Psychologie heute einen unverzichtbaren Beitrag dazu, daß die Menschen sich den gesellschaftlichen Forderungen anpassen.
Krölls kritisiert die affirmative Leistung der Theorien von Behavioristen genauso wie die der Tiefenpsychologen, sein eigentlicher Gegner aber ist der »Psychomarxismus Adornos und Horkheimers«. Daß die beiden den Antrieb für Rassismus und Antisemitismus im sogenannten autoritären Charakter verorten, sei verharmlosend, weil so das Bild einer widerspruchsfreien Entsprechung von Unterwerfungswillen und Herrschaft entstehe.
Eine aktuelle Analyse des »Gebrauchswerts für die kapitalistische Konkurrenzgesellschaft« von Psychologie und Therapiegläubigkeit, wie sie Krölls verspricht, wäre verdienstvoll gewesen. Dazu allerdings hätte gehört, nach den Gründen zu fragen, warum den Mitgliedern der bürgerlichen Gesellschaft die entsprechenden Ansichten so plausibel erscheinen. Die Attacke auf den Psychologismus gerät leider zum Schlag insWasser, weil der Autor darauf besteht, deren methodische Grundlagen widerlegen zu wollen — und zwar ziemlich hausbacken. Gemeinsamer Kern aller psychologischen Theorien sei die Idee, daß der Wille der Kranken gestört sei und sie fremdbestimmt handelten. Krölls dagegen bezweifelt grundsätzlich, daß menschliches Verhalten »zumindest teilweise bedingt« sei. Wie dann eine Wissenschaft vom Menschen aussehen soll, behält er für sich. Verhalten auf nicht unmittelbar beobachtbare »Triebe« oder »Motivationen« zurückzuführen sei an sich tautologisch. Selbst wenn das der Fall wäre – die angebotene Alternative ist wenig überzeugend: Alle tun angeblich immer genau das, wozu sie sich entschieden haben.
Und obwohl er eigentlich beweisen will, wie die Psychologie durch ihr deterministisches Menschenbild entmündigt, endet der Autor schließlich selbst beim Biologismus: »Noch kein Forscher hat je den Todestrieb unter dem Mikroskop oder im Reagenzglas zu entdecken vermocht.« Diese Kritik der Psychologie führt nicht weit. Den Versuch war es wert.
Matthias Becker (konkret 06/07, S. 46)
Anlass fürs Einscannen war, dass Albert Krölls jetzt per Leserbrief in der konkret geantwortet hat und zwar wie folgt:
Psycho-logisch
KONKRET 6/07: Buch & Deckel
Das Motto der Rezension meines Buches: Kritik an der Psychologie als Herrschaftsideologie ja, aber bitte schön ohne Kritik der psychologischen Weltanschauung, auf deren Fehler die affirmativen Leistungen beruhen. Matthias Beckers Verteidigung der psychologischen Unart, die Gründe des Denkens und Handelns in Umständen jenseits von Wille und Bewußtsein der Akteure suchen zu wollen, macht sich fest an der Frage nach den Ursachen der geistigen Botmäßigkeit der lohnabhängigen Staatsbürger. Seine Unzufriedenheit gilt der Antwort des Buches, derzufolge die Befürwortung des Kapitalismus ihren Grund in den politischen Fehlurteilen der Subjekte besitzt. Für Fans politpsychologischer Erklärungen, die das falsche Bewußtsein als Werk von Einflußfaktoren zu deuten pflegen, ist diese Antwort natürlich keine. Daß sich umgekehrt die deterministische Erklärung von Willensinhalten in unauflösbare Widersprüche verstrickt, ist dem Rezensenten erklärtermaßen herzlich gleichgültig. Weil ihm unvorstellbar erscheint, daß der Mensch Subjekt seiner Entscheidungen ist, will er um jeden Preis am psychologischen Credo der (teilweisen) Bedingtheit des Denkens festhalten. Sonst müßte man sich ja von allen Theorien verabschieden, welche entschuldigend das verkehrte Bewußtsein der Lohnabhängigen auf den Zwangscharakter der Verhältnisse, den universellen Verblendungszusammenhang oder die Meinungsmanipulation zurückführen.
Albert Krölls
per E-Mail