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Gegen die Verharmlosung des Kapitalismus durch die Anti-Globalisierungsbewegung

4. Juni 2007

Manchmal kann man auch sowas lesen (aus einem Referat der gruppe 8. mai [ffm/brln/ny] – antifetischistische aktion, gehalten am 08.05.07 in Mülheim/Ruhr und in gekürzter Fassung am 09.05. in Mainz sowie am 10.05. in Bonn)

Die Antiglobalisierungsbewegung ist mittlerweile vor allem eines: berechenbar, langweilig, ritualisiert. Monate- oder jahrelang verfällt sie ähnlich einem Igel oder Murmeltier, also Spezies die einen ausgedehnten Winterschlaf pflegen, der Bewegungsstarre. Doch sobald wieder ein Gipfel auf der Agenda steht, taut sie auf. Dann werden Kontakte wiederbelebt, Bündnisse geschlossen und Aufrufe veröffentlicht, also der sogenannte Mobilisierungsprozess eingeleitet. Einige Wochen vor dem Gipfel, sobald die Massenmedien beginnen, intensiver nachzuhaken und den Versuch unternehmen, einzelne Fraktionen der Bewegung gegeneinander auszuspielen, kommt eine Gewaltdebatte auf. Allgemeines Geraune setzt ein, es drohe eine kaum mehr abwendbare Spaltung. Diese an sich nicht verwundernswerte Tatsache – schließlich, so sollte man denken, besteht zwischen einem gewaltbereiten Autonomen und einem pfaffenhaft-pazifistischen attaci doch eine gewisse Differenz – wird aufgrund der Abwesenheit inhaltlicher Debatten zum großen Streit überhöht. Wundersamerweise wird die befürchtete Spaltung stets im letzten Moment abgewendet und man einigt sich auf die Leerformel, verschiedene Formen des Protestes würden als legitim anerkannt. Gerade in der Verschiedenheit der Beteiligten liege ja schließlich die Stärke der Bewegung, Pluralität, Multitude usw., man kennt das ja.
An die Gipfelmobilisierung werden äußerst hochtrabende Erwartungen geknüpft. Da die Bewegung nicht dermaßen kurzsichtig und verantwortungslos handeln will wie die von ihr gescholtenen Politiker_innen, soll es nicht nur einfach während der Gipfeltage ‚krachen’, sondern in den Monaten oder Jahren der Vorbereitung sollen „tragfähige Bündnisse“ geschlossen, „langfristige Strukturen“ aufgebaut und Kontakt zur „Bevölkerung vor Ort“ geknüpft werden. Der gesamte Gipfelprozess gilt nicht nur als Gelegenheit, der Bösesten der Bösen einmal konkret habhaft zu werden, womöglich Bushs Limousine mit der Zwille anzugreifen, sondern vor allem als geeignete Bühne, um linke Inhalte einer großen Öffentlichkeit darzubieten.
Die Gipfel sollen allen Missständen der radikalen Linken abhelfen. Die Frage, wieso der Kapitalismus, der uns doch die ganze Zeit beherrscht und ankotzt, nicht als solcher bereits genügend Anlass zu Vernetzung, Bündnisbildung usw. bietet, wird gar nicht mehr aufgeworfen. So werden die Gipfel mit Erlösungswünschen überladen: sie sollen die radikale Linke aus ihrer internen Zersplitterung zusammenführen ebenso wie die Überwindung ihrer gesellschaftlichen Isolation ermöglichen.

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