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6. März 2024 1 Kommentar

Ich bin lange nicht mehr reingekommen in meinen Blog, deshalb sind auch die Links zu den Dateien, die zum Download bereit stehen, lange ins Leere (nämlich noch zum aufgelösten blogsport) gegangen. Ich habe jetzt alle diese Dateien nochmal hier hoch geladen und überall die Links korrigiert.

Jetzt sind alle aufgeführten Dateien wieder verfügbar!

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Zu den Vermutungen über den Anschlag auf Nord Stream 1 und 2

30. September 2022 2 Kommentare

Noch weiß man nichts Genaues, schließlich hat sich niemand zu den Anschlägen bekannt, aber eines ist für die hiesigen Medien schon glasklar, das kann überhaupt nur Rußland gemacht haben.

All die Argumente, die bisher vorgebracht wurden, warum diese Zerstörungen Rußland zu Gute kämen, halte ich aber nicht mal ansatzweise für überzeugend:
Z.B. „Moskau, sagt Peters, wolle ein diffuses Bedrohungsgefühl erzeugen und so den Druck auf Deutschland erhöhen, was die Sanktionen gegen den Nord-Stream-Miteigentümer Gazprom betrifft. „Es geht aber auch um das sogenannte Messaging, also darum, Geheimdienstkreisen und Militärs zu zeigen: Wir sind in der Lage, solche Sabotageaktionen durchzuführen.“
Wieso soll denn ein Bedrohungsgefühl entstehen, wenn die Bedrohung, nämlich im Winter zu frieren, weil die EU Wirtschaftskrieg gegen Rußland führt, real ist und zwar schon bevor die Pipelines weggesprengt wurden? Wieso eigentlich „diffus“? Die Angst vor dem wirtschaftlichen Niedergang ist doch ganz konkret und leider durchaus angemessen.
Wenn schon „Messaging“: Wieso hat dann Rußland ausgerechnet die eigenen Pipelines zerdeppert und nicht die von Norwegen nach Polen?
„Wieder andere glauben, die zerstörten Pipelines seien nur ein weiterer Baustein in Wladimir Putins Plan, möglichst viel Chaos in Europa zu stiften und die Preise ein letztes Mal in die Höhe zu treiben.“
Was für ein „Chaos“ denn? Gas ist doch eh nicht mehr geflossen, und sollte gemäß der EU/NATO-Politik doch auch gar nicht mehr fließen. Wegen zwei Tagen Paniksteigerungen der Preise auf dem Spot-Markt soll Rußland sich zwei der wichtigsten eigenen Pipelines zerschossen haben?
Rasmussen: „Es geht darum, Angst zu verbreiten, Verwirrung zu stiften und politische Meinungsverschiedenheiten sowohl innerhalb einzelner Staaten als auch zwischen verschiedenen europäischen Ländern zu schüren. Es wird versucht, einen Keil in das westliche Bündnis zu treiben.“
Worüber soll denn „Verwirrung“ entstehen? Daß die Russan an allem in diesem Krieg, also auch an dieser Sprengung schuld sind, stand für unsere Politiker und vor allem Medien doch schon nach zehn Sekunden fest. Durch den Anschlag soll also versucht worden sein, die „Meinungsverschiedenheiten“ in Europa zu fördern. Das wäre aber nur gelungen, wenn man die Front der Sanktionsstaaten hätte auseinanderdividieren können. Dazu hätte man aber Staaten wie Deutschland wieder Gas anbieten können müssen. Jetzt ist das doch gegessen. Was soll denn jetzt dieser „Keil“ sein? Wie jemand angeblich in einer Bundestagsausschußsitzung gesagt haben soll, jetzt ist allen Protesten in Deutschland, die ein Ende der Sanktionen hätten fordern können, weil dies Deutschland ins Mark trifft, endgültig der Boden unter den Füßen weggezogen worden.
Am bescheurtsten der Freitag:
„hat Russland am Ende die falschen Röhren getroffen? Am Dienstag, zwischen dem Anschlag auf Nord Stream 1 und dem auf Nord Stream 2, feierten Regierungsvertreter Polens, Dänemarks, Norwegens und der EU die Eröffnung der Pipeline Baltic Pipe, durch die nun Gas von Norwegen nach Polen fließt – und die die konkurrierenden Nord-Stream-Röhren am Grund des Meeres kreuzt. Hatte nicht die CIA jüngst vor Anschlägen auf Pipelines gewarnt?“

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Ein Wortwechsel mit Linksparteilern bei Facebook

21. August 2022 1 Kommentar

Stefan Kelmring:

„Wenn die Übergewinnsteuer nicht geht, Artikel 15 Grundgesetz ermöglicht die Vergesellschaftung des kompletten Energiesektors.“

Ich:

„Träumt weiter:

Ja, rein technisch ist sowohl eine „Übergewinnsteuer“ möglich wie auch eine Verstaatlichung (im GG euphemistisch Vergesellschaftung genannt). Nur soll sowas nicht den Interessen der Lohnabhängigen dienen sondern der Aufrechterhaltung einer funktionierenden kapitalistischen Wirtschaft. Sowas hat es deshalb in vielen kapitalistischen Staaten für alle möglichen Branchen gegeben, die den jeweiligen Regierungen zu wichtig erschienen, um sie dem Wettbewerb von Konzernen zu überlassen, die ja auf übergeordnete Ziele der staatlichen Politik nur wenig Rücksicht nehmen müssen. Einem Sozialismus nähergekommen ist dadurch die Arbeiterklassen nie. Das waren zumeist Maßnahmen im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion. Dafür waren die gut, für uns nicht.“

Stefan:

„Du stellst also fest, dass es sich um eine Maßnahme unterhalb der Weltrevolution handeln würde. Dann gibst du die Norm aus, dass man es nicht machen sollte, da es sich ja um eine Maßnahme unterhalb der Weltrevolution handeln würde. Das klingt für mich wenig Politikfähig, denn da geht es ja auch um die Verschiebung von Diskursen und um die Veränderung von Kräfteverhältnissen usw. Die von dir gewünschte Weltrevolution wird wahrscheinlich nicht vom Himmel fallen. Oder kommt die ganz automatisch?“

Ich:

„Ja, solch eine Maßnahme wäre eindeutig „unterhalb der Weltrevolution“.

Du führst als Grund für eine Befürwortung an, nur so würdet ihr „politikfähig“. Da müßte einiges „verschoben“ werden, nicht zuletzt das „Kräfteverhältnis“. Es wird dich sicherlich nicht überraschen, wenn ich dir zumindest entgegenhalte, daß ich sowas schon seit 50 Jahren von linkeren Sozialdemokraten und ein bißchen linkeren „Kommunisten“ gehört habe. Und, Überraschung, die sind alle auch nicht der „Weltrevolution“ nähergekommen. Das per se spricht natürlich nicht dagegen, Erfolg in diesem Staat hat eben all die vielen Jahre nur eine sozialimperialistische Politik gehabt. Aber sowas hat halt auch so gar nichts „Automatisches“ inne.“

Stefan:
“ Ne, einen Automatismus gibt es bei Klassenkämpfen nicht. Da muss man sich anstrengen. Es wird aber auf keinen Fall etwas, wenn man den Übergang von der Kritik nicht zum Protest und vom Protest zur Politik ich schafft. Und diese muss dann auch noch so angelegt sein, dass sie wirklich transformatorischem Charakter hat. Keine leichte Aufgabe so was….“

Ich:

„Ich kenne politisch z.B. Frau Wissler und Frau Kipping schon seit vielen vielen Jahren. Die sind für mich so ungefähr der Typ „Revolutionärin“, der dir offensichtlich vorschwebt. Nein Danke! „Politik“ will ich so nicht haben.“

Stefan:

„Woher weißt du denn was mir als Typ ‚Revolutionär:in‘ vorschwebt? Da musst du dich etwas mehr mit mir und meinen Positionen beschäftigen und weniger projizieren. Und du musst dir natürlich auch selbst Kritik gefallen lassen, wenn du selbst scharf kritisierst. Einfach nur praxisfern aus einer Lektüregruppe aus andere be- oder aburteilen, enteignet halt auch noch nicht eine einzige Kapitalist:in. Wie stellst du dir den vor, wie die große Transformation erreicht werden soll?“

Ich:

„ Ich habe nicht „praxisfern“, geschweige denn aus einer „Lektüregruppe“ Kritik vorgetragen (wie kommst du überhaupt zu solch einer Vermutung?), sondern in meinem ersten Kommentar einiges Inhaltliches zu deiner Verschiebeaktion geschrieben. Dazu hast du bisher ja noch nicht mal was geschrieben. Ob das nun „scharf“ war, nun ja, es ist halt für mich offensichtlich.

Nochmal, eine Enteignung (in unserem Staat übrigens streng geregelt einfach nur ein Abkaufen) einzelner Unternehmen oder manchmal auch Branchen ist nichts, was systemwidrig oder gar systemsprengend wäre. Sondern es dient einem kapitalistischen Staat dazu, seine jeweilige Staatsräson „besser“ (für ihn) umzusetzen. Das war so im Bismarck-Reich, das war so in den Staaten, die aus dem Ende der Kolonialzeit in Afrika entstanden sind und so wäre das heutzutage auch.

Ich stelle mir die „große Transformation“ übrigens gar nicht vor, ich habe da auch keinen Königsweg zur Revolution, ich kann nur im hier und heute versuchen dazu beizutragen, daß nicht wieder, wie schon seit mehr als hundert Jahren, Linke im kapitalistischen (und hierzulande sogar imperialistischen) Staat ein Mittel auf dem Weg zu ihrer Befreiung vom Joch des Kapitals sehen.

Schon das ist schwer genug, vor allem hier bei Facebook natürlich, aber anderswo offensichtlich auch.

Viel Glück mit deinem Typ Revolutionär:in, was auch immer du dir da vorstellst. Ich befürchte, meine Vorstellungen kommen da nur am Rande vor, um es nett zu formulieren.“

Stefan:
“ Schön, dass du es nett formulierst. Das meine ich ehrlich. Dass du dir die Transformation gar nicht vorstellen magst, bestätigt natürlich meine Annahme einer Praxisferne eher, als dass es sie widerlegt. Ja, du hast Recht, erst mal modifiziert eine Verstaatlichung nach Paragraph 15 GG  den Kapitalismus nur und es ist keine Vergesellschaftung, da müßten die Produzent:innen die Organisation des Rnergiesektors schon selbst vornehmen, was gegenwärtig nicht absehbar ist. Ein solcher Schritt wäre aber eine massive diskusive Verschiebung, da es nach vorherrschend neoliberalen Glauben ein Unding ist, dass die Privatwirtschaft dysfunktional sein könnte und dann auch noch, wenn auch nur in einen Sektor, zum Wohle einer Mehrheit einzuschränken wäre. Das wäre eine Bresche, die politisch viel Neues möglich machen würde. Man muss in Schritten denken…“

Ich:

„Nun gut, was war denn für dich die letzte „Bresche“, die „viel Neues“ nicht nur möglich gemacht hat, sondern tatsächlich auch nach sich gezogen hat?“

Stefan:

„Die letzten ‚kritischen Ereignisse ‚, die die Geschichte wirklich kontingent gemacht haben, sind natürlich lange her, wie die ‚Nacht der Barrikaden‘ im Pariser Mai 1968 oder die Wahl von Allende in Chile. Wir leben halt in echt konservativen Zeit, wo es erst lange, wahrscheinlich Jahrzehnte dauernde Kämpfe um Gegenhegemonie braucht, um die Kräfteverhältnisse wieder umzukehren. Das oben wäre ein Mosailsteonchen dazu…“

Ich:

„Ja, so wie der Ramelow der deutsche Weg zu Lenin war, halt auch ein Mosaiksteinchen…“

Stefan:

„Hm, das ist jetzt aber ganz schön unsachlich…“

Ich:

„Nein, das war nicht unsachlich, sondern der Inbegriff von „linker“ Realpolitik. Man, was war das für eine „Bresche“!!“

Stefan:

„Ein Plädoyer für eine linke Realpolitik habe ich jedenfalls nicht gehalten…“

Ich:

„Was sind denn deine winzigen „Mosaiksteinchen“, deine Forderungen, deren Verwirklichung das „kräfteverhältnis“ „verschieben“ würden, anders als Realpolitik? (Und natürlich immer ganz auf dem Boden des GG, das hat ja auch schon 50 Jahre Tradition.)“

Stefan:

„Schau dir doch mal zb das Konzept der revolutionären oder radikalen Reformen von Andre Gorz aus den 1960er Jahren an und dann können wie sachlich diskutieren und dann musst du mich nicht immer in bestimmte Schubladen stecken oder polemisieren oder wie mit dem Bezug auf Ramelow das Thema wechseln…“

Ich:

„Den Gorz habe ich ein paar Jahre später sogar gelesen. Jetzt beim großen Bücherausmisten ging der dann auch raus. Von daher kommst du damit zu spät für mich.“

Stefan:

„Ja, dann wird es nicht das richtige für dich gewesen sein. Mir ist aber immer noch nicht klar, welche Veränderungsstrategie du so hast…“

Ich:

„Hättest du mich vor dreißig Jahren gefragt, da hätte ich dir wie aus der Pistole antworten können. Da habe ich als Trotzkist noch bei LL (wir sagten damals LLL) eine Zeitung an Gregor Gysi zu verkaufen versucht (sowas hat er aber schon damals nicht gemocht). Man fängt als kleine, streng leninistische Kadergruppe an. Mit revolutionären Umgruppierungen, sprich dem Gewinnen von Teilen anderer sich auch als revolutionär verstehender Gruppen wird man größer. Dann macht man exemplarische Gewerkschaftsarbeit in zentralen Bereichen und erarbeitet sich revolutionäre Gewerkschaftsfraktionen. Ganz wichtig war es dann, die Massen der typisch reformistischen Arbeiter, in der BRD also in erster Linie die SPDler (und in der DDR die SEDler) von ihrer klassenkollaborationistischen Führung wegzubrechen und damit den revolutionären Pol zu stärken. Garniert mit einigen Wahlkämpfen kommt man so schon irgendwie einem proletarischen aufstand näher. Und dann sieht man weiter.

Daraus wurde nichts und ich glaube mittlerweile auch, daß es so auch zukünftig nicht gehen wird. Aber damit habe ich jetzt auch keine Wundertüte aus der ich eine „revolutionäre Strategie“ ziehen könnte.“

Stefan:

„Ja, es ist eine Sysiphus Arbeit, sie ermüdend sein kann…“

Ich:

„Nein, das ist nicht die Hauptfrage. Sondern in welche Richtung man vorgeht, auf welche Gipfel man sich hocharbeiten will. In einem klugen Film meiner Jugend sagt Leni Peikert, »Mit großen Schritten macht man sich nur lächerlich. Aber mit lauter kleinen Schritten könnte ich Staatssekretärin im Auswärtigen Amt werden.«

Nun gut, das hat dann Joscha Schmierer geschafft.“

Stefan:

„Ich glaube, dass wir uns einig sind, dass Joscha Schmierer keine gute Richtung eingeschlagen hat…“

Ich:

„In der Tat, aber Frau Wissler oder Frau Kipping (von Gysi gar nicht zu reden) eben auch nicht.

Vor beinahe 10 Jahren habe ich dazu mal was Genaueres geschrieben:

„Kritik des Programms der Partei Die Linke für die Bundestagswahl 2013“

https://neoprene.noblogs.org/post/2013/09/27/925/

Stefan:

„Wo wir uns halt nicht einig sind, ist die scharfe Trennung von Reform und Revolution, die du zum einen machst – da ist es für mich nicht zufällig, dass du irgendwann an eine Grenze gekommen bist. Und zum anderen gibt es für mich einen hohen Wert von Arbeitsteilung und Rollenverteilung in einem Veränderungsprozess. Da haben, wenn er erfolgreich sein soll, Radikale ebenso ihren Platz, wie Reformer, Sympathisanten und andere. Es ist das Zusammenspiel, das den Erfolg möglich macht, da die einen etwas können, was die anderen nicht vermögen. Danke für Deinen Text! Den schaue ich mir gerne an. An dem eben genannten Thesen sitze ich gerade und hoffe, dass da demnächst auch mal ein kleines Textchen zustande kommt. Da freue ich mich natürlich dann über konstruktive Kritik…“

H.D. Lechte:

„Etwas differenzierter ist es schon, was er schrieb. Da ist ja was dran. Diese beiden Positionen kämpfen doch tagtäglich in allen radikal marxistischen Köpfen miteinander. Meines Erachtens gehört das zusammen. In dem sozialdemokratischen Umfeld, in dem wir uns bewegen besteht auch immer die Gefahr, sozialdemokratisch instrumentalisiert zu werden. Dagegen muss man sich gelegentlich auch öffentlich wehren.“

Stefan:

„Die Gefahr der Integration ist mir bewusst. Aber halt auch das Risiko der Selbstisolierung und politischen Bedeutungslosigkeit. Linke Politik bewegt sich halt auf des Messers Schneide, man darf nicht in die eine oder andere Richtung abrutschen.Und einfache Antworten gibt es nicht, sonst hätten wir längst einen Verein der Freien und Gleichen….“

Lechte:

„Das meinte ich gar nicht, obwohl in der Tat besteht die Gefahr, vom System quasi aufgesogen zu werden. Ich meinte mehr, dass man instrumentalisiert wird, Beifall von der falschen Seite bekommt, diese Dinge halt gegen die man sich nicht wehren kann, weswegen man, ich jedenfalls, zwischendurch immer mal wieder klar machen will, ich bin für Reformen, damit aber kein Freund eures Reformismus. Dies gerade wenn man sich nicht nur im radikalen linken Lager aufhält, sondern wie ich in DIE LINKE.“

Stefan:

„Wieso meines Reformismus? Ich bewege mich ebenfalls in beiden Milieus…“

Lechte:

„Ich sprach von meiner Partei, schrieb sozusagen in direkter Rede. Du warst NICHT gemeint! Nur den Papst würde ich in der 1.Person Plural ansprechen.“

Ich:

„ „In dem sozialdemokratischen Umfeld, in dem wir uns bewegen besteht auch immer die Gefahr, sozialdemokratisch instrumentalisiert zu werden. Dagegen muss man sich gelegentlich auch öffentlich wehren.“

Ja wenn es nur „gelegentlich“ sein muß, dann kann man es auch gleich lassen. Q.e.d. bei der Linkspartei.“

Ich:

„“ Aber halt auch das Risiko der Selbstisolierung und politischen Bedeutungslosigkeit.“

Wenn es nicht darum geht, was richtige Einsichten in „unser“ Gesellschaftssystem und „unseren“ Staat sind, sondern darin, politisch „bedeutend“ zu sein, also am Besten Koalitionspartner, um das „Kräfteverhältnis“ zu bewegen, dann besteht nicht nur die „Gefahr der Integration“, dann steht man eben voll und ganz auf dem Boden des GG dieser kapitalistischen Gesellschaft. Und posaunt das eben auch konsequent immer wieder raus (siehe jetzt die Linkspartei fast geschlossen zum Ukrainekrieg). Schreibt es ganz bewußt in seine Parteiprogramme, Grundsatzreden usw. Mit sowas steht man nun wirklich nicht „auf des Messers Schneide“.

Ich sage übrigens nicht, daß Kommunisten „einfache“ Antworten anzubieten haben. Sie sollten nur erst mal richtig sein. Zum Ausdruck bringen, daß man weiß, daß es im Kapitalismus eben keinen Frieden, kein vernünftiges Leben für alle geben kann und der deshalb nicht nur ein bißchen verschönert und verbessert gehört, mit einer UNO-Resolution oder einem BGE oder 14 Euro mehr für die Grundsicherung, sondern daß der abgeschafft werden muß.“

Lechte:

„Wie bist du denn drauf? Hätte ich es nicht so geschrieben, hätte man es lesen können als unterstellte ich Stefan, er verhielte sich nicht so.“

Ich:

„Was hast du „so“ geschrieben? Was wäre die „Unterstellung“ gewesen? Ich verstehe nur Bahnhof.“

Lechte:

„Du hast kritisiert den Begriff „gelegentlich“. Das empfand ich als rechthaberische Korinthenkackerei.“

Ich:

„Nein meine Kritik an der Politik der Linkspartei ist alles andere als Korinthenkackerei. Du nimmst sie ja nicht mal soweit zur Kenntnis, daß du auch nur eine einzige Behauptung von mir zu widerlegen versuchst.

Damit stehst du ja nun wahrlich nicht allein da in deiner Partei. Ich kann mich in den letzten Jahren nur an eine einzige Podiumsdiskussion erinnern, wo ein Vertreter der Linkspartei sich mit linkeren Linken an den Tisch gesetzt hat (das Streitgespräch mit Christian Spehr, Landessprecher der Linkspartei in Bremen, mit Jonas Köper vom GegenStandpunkt am 20.09.2013).

Neoprene » Warum Linkspartei wählen verkehrt ist (immer noch) (noblogs.org)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Zum GSP-Artikel „Unpassende Klarstellungen zum Mythos des einig-geschlossen-heldenhaft-kämpfenden ukrainischen Volks

19. Juni 2022 24 Kommentare

Im nächsten GegenStandpunkt-Heft 2-22 wird ein Artikel enthalten sein, den der Verlag schon vorab veröffentlicht hat: Einerseits online auf seine Webseite Mythos des ukrainischen Volks | GegenStandpunkt, andererseits wurde er auch in der Tageszeitung „junge Welt“ unter dem Namen Theo Wentzke veröffentlicht.

Diesen Artikel hat Krim (wie zu erwarten als langjähriger Kritiker der GSP Theorie von Staat und Volk) auf seinem Forum kritisiert Kritik an: Unpassende Klarstellungen zum Mythos des … ukrainischen Volks (siteboard.eu):

 

Noch bevor ich den Artikel gelesen habe, prophezeie ich, dass in dem Artikel wieder drinsteht, dass die Herrschaft ihr Volk macht.

Zitat


„Schließlich unternimmt die ukrainische Staatsgewalt auch einiges, um ihr Volk auf den Kriegsgang zu verpflichten und dafür zu verheizen.“


Ja, ja wenn man das Volk prinzipiell hinter sich hat, dann hat man auch die Mittel es noch weiter auf Linie zu bringen. Das heißt aber nicht, dass die Herrschaft das Volk herstellt.

Zitat


„Und natürlich führt der Besuch des russischen Brudervolks mit Panzern und Raketen, angeblich zum Schutz der russischstämmigen Bevölkerung, auch bei den Teilen des Volks, die vorher wenig Sympathien für die Kiewer Regierung gehegt hatten – vor dem Krieg war Selenskyjs Beliebtheitskurve steil nach unten gegangen –, zu einer neuen Welle von Patriotismus und dem Standpunkt der Heimatverteidigung.“


Aha, schau an, die Herrschaft muss sich also gar nicht besonders anstrengen, um ihr Volk auf seine Seite zu kriegen.

Zitat


„Die effektiven Leistungen der aktiven Kämpfer werden allerdings nicht so ganz mit Begeisterung und Molotow-Cocktails, sondern eher mit westlichen Präzisionswaffen erzielt.“


Was wohl eindeutig gegen die Kriegsbegeisterung des ukrainischen Volkes spricht.

Zitat


„Und auch wenn diese Abteilungen der ukrainischen Gesellschaft ihren wirkungsvollen Beitrag zum Kriegsgeschehen geleistet haben, sollte man sie dennoch, entgegen dem hierzulande verbreiteten Helden-Mythos, auch nicht gleich mit dem Volk in der Fassung der hiesigen romantischen Heldenlegende identifizieren.“


Na wer hätte das gedacht. Das gute Volk kann ja gar nicht zu den bösen „romantischen (anti)Helden“ gehören, die den guten Russen die Eroberung ihres Landes so schwer machen.

Zitat


„Denn ebenso sind große Teile des Volks in der Hauptsache bloß damit befasst, zu flüchten, um ihre Haut zu retten oder sich der staatlichen Beschlagnahme der gesamten männlichen Bevölkerung zwischen 18 und 60 Jahren als Kriegsmaterial zu entziehen.“


Was natürlich ganz eindeutig und unzweifelhaft für ihre antinationale Gesinnung spricht. Kommunisten? – Bah! Flüchtlinge sind die wahren Kritiker der Nation.

Zitat


„Die Staatsgewalt setzt da auch gar nicht einfach auf ein nation­­weites begeistertes Mitmachen, sondern wie jeder kriegführende Staat auf den Einsatz von Gewalt, z.B. im Umgang mit Deserteuren“


Was ebenfalls wieder glasklar dafür spricht, dass das Volk ein Gewaltprodukt des Staates ist. In Wirklichkeit ergänzt der Staat bloß das begeisterte Mitmachen, das es eh schon gibt und auf dessen Grundlage es ihn überhaupt gibt, durch den Einsatz seiner Mittel, um das Mitmachen noch totaler und unwidersprechlicher zu machen. Das heißt nur, dass Kritik an der Nation in Kriegszeiten gefährlich für Leib und leben des Kritikers ist. Es heißt nicht, dass der Staat sein Volk herstellt. Er biegt daran rum, aber es muss sich zum Biegen auch zur Verfügung stellen.

Zitat


„Die Staatsmacht setzt des Weiteren auch nicht bloß auf die vaterländische Gesinnung ihrer Untergebenen, sondern kümmert sich systematisch darum, mögliche Sympathien für Russland und auch anders gelagertes Kritikastertum und sonstiges abweichendes Verhalten auszurotten.“


Wer behauptet denn die Staatsmacht müsste sich auf die vaterländische Gesinnung ihrer Untertanen verlassen, wenn sie das Gewaltsubjekt des nationalen Gemeinwillens wäre. Das ist halt bloß ein Popanz. Nein, gerade wenn die Nation das Gewaltsubjekt des nationalen Gemeinwillens ist, besteht ihr Auftrag in Kriegszeiten darin diese Gesinnung so zu organisieren und zu bündeln, dass sie sich gegen den Feind richtet. Das bereitet sie in Friedenszeiten vor und das perfektioniert sie im Krieg. Das ist kein Zeichen davon, dass sich die Nation der Zustimmung ihrer Untertanen nicht sicher wäre und sie deshalb gezwungen wäre sie mit Gewalt herzustellen. Das ist Dummfug, der das gute Volk immer als Gewaltopfer darstellen will.

Zitat


„Zu der Frage: Wie erkennt man Verdächtige? hat das ukrainische Innenministerium sachdienliche Hinweise geliefert, denn schließlich weiß man genau, dass sich nicht nur im Osten, sondern in der ganzen Nation sogenannte „russische Diversanten“ herumtreiben, die zu identifizieren und auszuschalten sind:“


Ja, der innere Feind. Natürlich ein einziger Beweis dafür, dass sich der Staat sein Volk zurechtbastelt, was ein Argument dafür sein soll, dass das Volk ein Produkt des Staates ist. Dass das „widerspenstige Volk“ solchen Aufrufen den inneren Feind zu stellen nachkommt, irritiert die Gewissheit nicht, dass der Staat sich sein Volk zurechtschnitzt.

Zitat


„Und auf ihre Art ein Lehrstück darüber, wie viel Gewalt dazu gehört, um aus einer auf einem Territorium hausenden Menschenmasse ein echtes Volk, d.h. die brauchbare und willige Basis der über sie regierenden Staatsmacht zu machen und sie unter das über sie exekutierte Gewaltmonopol als die erste und wichtigste Prämisse jeder Lebens- und Willensregung zu beugen. So dient der Krieg der Ukraine nicht nur der Verteidigung ihrer Unabhängigkeit und territorialen Einheit gegen die Russische Föderation, sondern wird gewissermaßen auch als ein Staatsgründungskrieg im Inneren geführt: indem die ukrainische politische Klasse und Gesellschaft von allem vaterlandsverräterischen Gesindel und sonstigen abweichenden Gesinnungen gesäubert, also für den Krieg und durch den Krieg zum Volk formiert wird.“


Tja, ich würde sagen: Prophezeiung erfüllt.

Der Ukrainekrieg ist auch ein Staatsgründungskrieg, indem alles Russische zum inneren Feind gemacht und getilgt werden soll. D i e s e r Krieg läuft jedoch schon seit dem Euromaidan und ist schließlich einer der Gründe dafür, warum sich Putin dieses Elend nicht mehr mitansehen wollte und einen Krieg begonnen hat. Besonders dumm, ärgerlich und falsch ist jedoch die interessierte Umdeuterei der demokratischen Gleichschaltung in Kriegszeiten und die Eliminierung des inneren Feindes in ein „Lehrstück darüber, wie viel Gewalt dazu gehört, um aus einer auf einem Territorium hausenden Menschenmasse ein echtes Volk…zu machen“. Na klar. Als hätte es sich bei den Ukrainern um eine völlig unbestimmt auf „einem Territorium hausende Menschenmasse“ gehandelt, die von der politischen Clique um Selenskyi zu einem echten Volk geschmiedet werden muss. So ein dummer ideologischer Mindfuck, den der GSP hier abzieht. Als seien in der Ukraine bisher keine Nationalisten, sondern eine abstrakte „Menschenmasse“ unterwegs gewesen. Als hätten da nicht Nationalisten mit einer unterschiedlich Staatsraison, einer prorussischen und einer prowestlichen, im demokratischen und undemokratischen Clinch gelegen. Als sei das kein unversöhnlicher Gegensatz und als hätte nicht genau dieser Gegensatz zur Annektion der Krim durch Russland und zu Abspaltung der Volksrepubliken Donezk und Luhansk geführt. Ganz im Ernst tischt der GSP hier das Märchen einer Staatsmacht auf, die mit Hilfe zweier rechtsradikaler Milizen, Asow- und Aidar-Bataillon, eine neutrale „Menschenmasse“ quasi unter den Hammerschlägen der Gewalt zu einem tauglichen Volk schmiedet.

Nein, meine lieben Volksfreunde vom GSP, die Ukrainer sind keine von bösen Nazis gezwungenen armen Opfer ihrer Staatsmacht. Was in der Ukraine gerade stattfindet ist ein Kampf zweier Lager von unversöhnlichem Nationalismus. Eine Staatsräson setzt sich gegen eine andere durch, sodass die Ukraine fortan nicht mehr das Heimatland von Russenfreunden sein kann. Diese „russischen Diversanten“ kommen ins Gefängnis, werden drangsaliert und getötet. Die müssen sich dazu entschließen „nach drüben“ – also nach Russland zu gehen. Aber selbst das dürfen sie nicht.“

Auf meine Kopie bei Facebook gab es dort dann folgende Kommentare:

Armin Kirchenmaus bei Facebook:
„Ich lese den Namen Krim und krieg gleich Pickel hinterm Ohr.
Ich lese die allererste Passage von seiner Kritik und bekomme Fluchtgedanken.
Er versucht überhaupt nicht nachzuvollziehen, was er da liest.
Krim war der Grund, dass dein Blog nicht mehr konsumierbar war.
So jetzt ausgekotzt und weitergelsesen.
Vielleicht gibts ja noch nen Gedanken.“

Meine Antwort:
„Umgekehrt umgekehrt:
Wegen solcher argumentloser Kommentare bin ich ungern bei Facebook, das ist hier ja vorherrschend. Auf meinem Blog habe ich solche Unmutsäußerungen (wie auch leere Belobigungen) häufig auch gelöscht.“

Armin daraufhin:
„Das soll zunächst kein Argument gegen das von Krim in seiner Kritik vorgetragene sein, sondern rein praktisch die Motivlage darstellen, die sich aus Form und Gestus seiner Einwürfe ergibt. Wenn das nervig ist, unangenehm, oft auch unproduktiv, will man da einfach nicht mehr sein. Das ist Freizeit. Krieg ich kein Geld für.
Die von mir nur als Beispiel genannte erste Passage darf man sich gern mal anschauen, ob das stimmt, was ich dazu sage.
Zitat
„Schließlich unternimmt die ukrainische Staatsgewalt auch einiges, um ihr Volk auf den Kriegsgang zu verpflichten und dafür zu verheizen.“
Ja, ja wenn man das Volk prinzipiell hinter sich hat, dann hat man auch die Mittel es noch weiter auf Linie zu bringen. Das heißt aber nicht, dass die Herrschaft das Volk herstellt.
Mit dieser Henne-Ei-Umkehrung zielt er auf was, das im Artikel so gar nicht bestritten wird. Nur die Mittel, gezielt was zu unternehmen für die Loyalität, hat primär nur der Staat. Da ist Henne und Ei eigentlich auch geklärt. Wogegen soll das also ein Einwand sein?
Zitat
„Und natürlich führt der Besuch des russischen Brudervolks mit Panzern und Raketen, angeblich zum Schutz der russischstämmigen Bevölkerung, auch bei den Teilen des Volks, die vorher wenig Sympathien für die Kiewer Regierung gehegt hatten – vor dem Krieg war Selenskyjs Beliebtheitskurve steil nach unten gegangen –, zu einer neuen Welle von Patriotismus und dem Standpunkt der Heimatverteidigung.“
Aha, schau an, die Herrschaft muss sich also gar nicht besonders anstrengen, um ihr Volk auf seine Seite zu kriegen.
Wieder bloß Henne und Ei einfach umgedreht und nicht aufgelöst. Die Vorbereitungen zum Krieg laufen schon Jahrzehnte. Da haben sich und ihren Volkskörper beide Seiten fit gemacht für. Wenn antirussischer Nationalismus, erst mal etabliert ist bis zum Schulbuch, fällt die Stellung der Leute dann entsprechend aus.
Zitat
„Die effektiven Leistungen der aktiven Kämpfer werden allerdings nicht so ganz mit Begeisterung und Molotow-Cocktails, sondern eher mit westlichen Präzisionswaffen erzielt.“
Was wohl eindeutig gegen die Kriegsbegeisterung des ukrainischen Volkes spricht.
Der Spott meint, einen Widerspruch aufgedeckt zu haben. Wo soll der sein? Wohl nur in Krims Beweisabsicht (der Staat macht sich sein Volk). Er nimmt die Befunde nicht zur neutralen Kenntnis. Er unterstellt dem Vorgetragenen, es sei als Beleg gegen seine Kritik gedacht, anstatt umgekehrt, aus den einzelnen Aussagen, das Gesamtbild des Gesagten und damit der Sachlage zusammenzufügen.“

Klaus Heinbockel:
“ Es ist wohl tatsächlich mittlerweile soweit (runter-) gekommen, dass die Auseinandersetzung um den bürgerlichen Staat nur noch um die Genese (Huhn oder Ei), das allerdings mit vehementer Verbissenheit, geführt wird. Der Begriff, das Was scheint dem Wann/in welcher Reihenfolge geopfert worden zu sein. Sowas kann man in 24. Kapitel oder unter f. mal gründlicher an verschiedenen Verlaufsformen ausdrücken. Vielleicht schreibt ja mal jemand (noch?) ein Buch zur Geschichte der Verlaufsformen…“

Armin:
„Auf die gegenseitige Bedingtheit von Volkmachen und Volkseinwollen ist ja Krim nicht mal gekommen. Wenn er bloß den Primat anders gesetzt hätte. Er geht stur drauf los mit seinem Vorurteil im Kopf. In der Diskussion wirds nicht besser.
Was meinst du mit Verlaufsformen in dem Zusammenhang? Das klingt mir ein wenig nach Schablone.“

 

Mehr habe ich zu diesem Thema bisher nicht gefunden.

Kategorien(1) MG + GSP Tags:

Wiederbelebung des Blogsport-Blogs

19. Juni 2022 8 Kommentare

Nachdem ich beim lokalen Installieren meines Backups des Blogs bei Blogsport an der Dateigröße gescheitert bin (die Backup-Datei ist mit 55 MB viel größer als die üblichen Limits von 16 MB) habe ich doch noch was gefunden, um das Problem zu umgehen: Einen XML-Splitter (WXRSplit.exe). Damit habe ich dann diesen Blog hier gefüttert und auch so gut wie Alles an altem Content hier wieder hochziehen können. Besonders wichtig, auch alle Kommentare. Mit der graphischen Gestaltung hapert es noch, die Themes, die zur Verfügung stehen, decken leider meistens nicht alles ab, aber soweit so gut.

Was jetzt noch fehlt, ist die Möglichkeit, auch weiterhin Kommentare schreiben zu lassen. Das habe ich bisher noch nicht freigeben können.

KategorienBlog-technisches Tags:

Disput mit Georg Klauda bei Facebook zu Butcha

23. April 2022 3 Kommentare

Georg Klauda:
„Ich halte von Scott Ritter nicht allzu viel. Er hat sich im Irakkrieg Verdienste erworben, als er als UN-Waffeninspekteur die Lüge von den irakischen Massenvernichtungswaffen aufdeckte. Dafür wurde er sozial dermaßen abgestraft, dass er sich aktuell zu einem ziemlich unverhohlenen Mouthpiece der russischen Regierung entwickelt hat. Trotzdem wirft er hier und da ein paar Fragen auf, die ich auch gern beantwortet hätte. Wenn z.B. deutsche Medien, ohne sich historisch zu genieren, allen Ernstes von einem „russischen Vernichtungskrieg“ in der Ukraine schwadronieren, dann würde ich gern wissen: Hat es eigentlich jemals in einer der zahlreichen von den USA angeführten oder vom Westen unterstützten Invasionen, etwa dem Irakkrieg oder jüngst dem Jemenkrieg, den Versuch gegeben, die Zivilbevölkerung vorher aus der Kampfzone zu evakuieren? Oder war das Motto da nicht immer: „Fire away!“? Kann sich irgendjemand an „Flüchtlingskorridore“ in diesen Auseinandersetzungen erinnern? Leute, die mit Bussen und Zügen zu Millionen in Sicherheit gebracht wurden? Oder war‘s da nicht vielmehr so, dass wir Kriegsflüchtlinge möglichst zu verhindern versuchten oder Leute sogar in Kriegsgebiete abgeschoben haben, was den extrem hohen Blutzoll in diesen „prodemokratischen“ Kriegen erklärt? Das ist eine Frage, die ich mir ernsthaft stelle, und das ohne die Kriegsverbrechen der russischen Seite oder die russische Kriegsschuld insgesamt in irgendeiner Weise relativieren zu wollen. PS: Was Scott Ritter zu Bucha erzählt, ist absoluter Nonsense, der unzählige Male widerlegt wurde, und hier zeigt sich halt der spiegelverkehrt propagandistische Charakter seines Vortrags.“

Neoprene:
„“Was Scott Ritter zu Bucha erzählt, ist absoluter Nonsense, der unzählige Male widerlegt wurde.“
Was sind denn da die besten Seiten, um sich darüber zu informieren?“

Georg Klauda:
„Z.B. https://apnews.com/article/fact-checking-847134637960 – Aber ich hab da ehrlich gesagt wenig Lust auf eine Diskussion. Ich vertraue westlichen Medien deutlich mehr, was die reinen Fakten betrifft. Das hat einfach was mit ihrer Unabhängigkeit und ihrem journalistischen Ethos zu tun, das ich für einigermaßen intakt halte. Worin ich ihnen misstraue, ist die Art der ideologischen Präsentation und historischen Kontextualisierung.“

Neoprene:
„“Ich vertraue westlichen Medien deutlich mehr, was die reinen Fakten betrifft. Das hat einfach was mit ihrer Unabhängigkeit und ihrem journalistischen Ethos zu tun, das ich für einigermaßen intakt halte.“
Bei mir genau andersrum: Selbst bei den Fakten kann ich nicht mehr erkennen, was ermittelt, was nur nachgeplappert, was überprüft und was nur behauptet wird.
Und bei all den Kriegshetzern und WWIII-Fans noch irgendein „Ethos“ zu erkennen fällt mir genauso schwer wie bei Baerbock oder Hofreiter um nur die NATO-Speerspitzen des Unfaßbaren anzuführen.“

Georg Klauda:
„Da sind aber auch Menschenrechtsorganisationen sowie Ermittler des Internationalen Strafgerichtshofs am Werk. Das setzt einfach die Konstruktion einer derart riesigen Verschwörung voraus, in die unzählige voneinander unabhängige Institutionen verwickelt sein müssten, dass ich das einfach nicht für glaubhaft halte. Darüber hinaus lügen russische Staatsmedien wirklich so dreist, dass ich denen wirklich gar nichts abnehme.
PS: Ich wollte eigentlich das hier verlinken, weil es konkreter auf Scott Ritters Behauptungen zu Bucha eingeht, hatte es nur nicht gleich gefunden: https://faktencheck.afp.com/doc.afp.com.32878AY“

Neoprene:
„Jetzt zu deinem Paradebeispiel von AP für deren tolles Ethos:
Zum umstrittenen Video: Ist dir gar nicht aufgefallen, daß es verdammt wenig Videos oder Photos aus dieser schließlich nicht ganz kleinen Stadt gegeben hat, die man hier oder anderswo sehen durfte? Da sollen unbedarfte Zivilisten ahnungslos in ihren Tod geradelt sein (gibt es als Video einer Drohne) aber buchstäblich niemand hat in all den Wochen der Kämpfe um die Stadt bis zur Wiederinbesitznahme durch ukrainische Truppen, Geheimdienste und Polizei irgendwas von Belang aufgenommen und gepostet? Nach jedem Pokalspiel im Fußball kann man da bei den sozialen Medien mehr finden als hier zu einem ungeheuerlichen Verbrechen. Die Menschen sollen schließlich die ganze Zeit Strom und Smartphones und Internet-Zugang gehabt haben, das war doch nicht Mariupol.
Ja, das sind Tote auf den Straßen gelegen, keine Komparsen oder Puppen. Die Leichen, deren Photos ich gesehen habe, waren erst ganz kurz umgebracht worden (z.B. der ältere Mann, der als Leiche noch geschändet wurde und in einen Gully geworfen wurde und mit einem Gurtband als Verräter gekennzeichnet wurde). AP behauptet unter Verweis auf die berüchtigten Maxar-Bilder, daß die schon seit Wochen dort gelegen hätten, also per definitionem von Russen ermordet worden seien. Das paßt schon mal nicht zusammen. Dann wurden bei mehreren Ermordeten Symbole des Landesverrats gefunden, weiße Armbinden oder russische Versorgungspäckchen. Da klingt für mich Ritters Vermutung, daß diese Menschen einer Jagd durch die Geheimpolizisten und andere ukrainische Polizei oder Armeeeinheiten auf alle Saboteure, Verräter und Kollaborateure gewesen sind mehr Sinn. Warum sollten eigentlich die abziehenden Truppen die Leichen so theatralisch auf der einen Straße abgelegt haben, als wenn die einen Antikriegsfilm hätten drehen wollen?
Warum gibt es eigentlich keine ordentlichen forensischen Aufnahmen der Leichen? Warum wurden die nach der Wiederinbesitznahme der Stadt durch ukrainische Behörden und Streitkräfte so wie alle anderen Leichen umgehend in Massengräbern begraben? Viel feststellen bezüglich der Todesursachen, des Todeszeitpunkts und der vermutlichen Täter wird man jetzt jedenfalls nicht mehr. Die IGH-Leute wurden jedenfalls nicht sofort in den Ort geholt, anders als all die NATO-Politiker, denen Kiew immer wieder den Teppich ausrollt.
Wenn so viele Menschen zur Zeit der russischen Vorherrschaft auf den Straßen rumgelaufen oder gefahren sind (es gib ja zumindest einen toten Radfahrer) und dann von russischen Kräften ermordet wurden, gab es dann eigentlich nie irgendjemand aus den Vierteln, der die Leichen wenigstens mit einer Leichendecke abgedeckt hat, schließlich sollen die da ja wochenlang gelegen haben?
Auffällig an dem AP-Artikel ist zudem, daß er mit keiner Silbe auf die Verlautbarungen des russischen Kriegsministeriums eingeht, die ja den Vorwurf der Verantwortung nicht nur überhaupt sondern auch mit Argumenten, warum sie es nicht gewesen sein können, zurückzuweisen versucht haben.
Apropos Videos: Am Unpassendsten war sicherlich das Statement des Bürgermeisters, der nach seinem Wiedereinzug freudestrahlend über diesen Sieg zufrieden in sein Handy gegrinst hat. Paßt nicht zu einer Gräueltat, die zuvor in seiner Stadt passiert sein soll.“

Georg Klauda:
„Wie gesagt, ich hatte den falschen Fact-Checking-Artikel verlinkt, weil ich den von AFP nicht auf Anhieb gefunden habe. Den hatte ich seinerzeit recherchiert, um Scott Ritters Behauptungen zu überprüfen. Im Ganzen interessiert mich diese Auseinandersetzung um Fakes recht wenig. Ich halte sie auch für völlig fruchtlos. Man begibt sich damit auf völlig verlorenen Posten. Wie Erich Vad, der ehem. Sicherheitsberater der Regierung Merkel, kürzlich richtig gesagt hat, gibt es diese Gräuel in jedem modernen Krieg, egal ob Syrien, Irak, Afghanistan, Libyen oder jetzt der Ukraine. Wer behauptet, dass es eine Krieg ohne Massaker oder Kriegsverbrechen gäbe, der lügt. Krieg ist organisiertes Morden.“

Neoprene:
„“Wer behauptet, dass es eine Krieg ohne Massaker oder Kriegsverbrechen gäbe, der lügt. Krieg ist organisiertes Morden.“
Das ist natürlich unbestreitbar. Aber in diesem Krieg führen die NATO-Staaten und deren Kriegsmedien eben auch einen Informationskrieg. Und auch wenn es in vielen Fällen nicht einfach ist , manchmal sogar unmöglich, sollte man doch die jeweiligen Verlautbarungen zumindest auf Plausibilität prüfen. Und wie so häufig auch die Frage nicht außer Acht lassen, Cui bono? Das russische Massaker in Butscha war *das* Verkaufsargument für die massive Verschärfung der de facto Kriegsteilnahme der NATO-Staaten durch den Übergang zur ganz offenen Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine, damit die endlich die Krim zurückerobern können soll. Wenn die NATO überhaupt mit so einem bescheidenen Kriegserfolg zufrieden sein sollte.
Wieso kommst du angesichts dieser Gesichtspunkte dann selbst jetzt immer noch zu dem strikten völlig uneingeschränkten NATO-Standpunkt: „Was Scott Ritter zu Bucha erzählt, ist absoluter Nonsense“?

Georg Klauda:
„Schau mal, ich bin nicht so größenwahnsinnig, von meiner Couch aus mit den Fakten-Rechercheuren von AFP, Human Rights Watch oder dem ICC konkurrieren zu wollen. Ich halte das für eine Übung in Selbstmarginalisierung, bei der du in einer winzigen Gruppe von Gläubigen eine alternative Wahrheit zu etablieren versuchst. Das Verheerende daran ist, dass du den Leuten, die diesen Krieg eskalieren und bis zum letzten Ukrainer weiterführen wollen, im Prinzip recht gibst: Nur wenn man ein absolutes Paralleluniversum konstruiert, meinst du, deine Position noch irgendwie verteidigen zu können. Heißt zugeben, dass deine ganze Position an einem seidenen Faden hängt. Damit nimmst du dich im Prinzip selber aus der Debatte. Nee, meine Argumentation hängt nicht an diesem Faden. Und deswegen lass ich mich von dir auch nicht in dieses sich selbst marginalisierende Paralleluniversum einsperren, in dem ich nur recht habe, wenn alle anderen lügen. Frag dich doch lieber mal, ob die Gegenseite aus ihrer Annahme über die Verbrechen in Bucha überhaupt die richtigen Schlüsse zieht, nämlich erstens dass „unsere Jungs“ solche Verbrechen nie begehen würden (was selbst ein deutscher Ex-General wie Erich Vad für eine völlig absurde und kontrafaktische Annahme hält), und zweitens, dass die Konsequenz daraus wäre, diesen Krieg zu einem militärischen Sieg über die Russen zu führen, darüber das ganze Land zu zerstören, einen Nuklearkrieg zu riskieren und am Ende doch alles zu verlieren, weil so ein Sieg über die größte Atommacht der Erde selbst dann nicht möglich wäre, wenn diese gnädigerweise auf den Einsatz taktischer Nuklearwaffen verzichtet.“

Neoprene:
„Wieso meinst du, „dass deine ganze Position an einem seidenen Faden hängt“? Kennst du meine Position überhaupt. Wieso denkst du, daß die von Bucha abhängt?
Ich bin nicht so NATO-gläubig, daß ich einfach jeden Scheiß, den mir „unsere“ (also deren) Medien vorsetzen, für bare Münze nehme. Und von „Fakten-Rechercheuren erwarte ich zumindest erst mal die Fakten, die man überhaupt kriegen kann, einzusammeln, darzustellen und zu bewerten. Davon kann man in deinen angegebenen Quellen leider nicht allzuviel finden. Was zum Teil sicher an der objektiven Faktenlage liegt. Dann muß man das aber auch dazu sagen und nicht wie du „Right our wrong, my country!“ rufen.
„Das Verheerende daran ist, dass du den Leuten, die diesen Krieg eskalieren und bis zum letzten Ukrainer weiterführen wollen, im Prinzip recht gibst“.
Wieso denn oder wodurch denn? Es wird dich vielleicht verwundern, aber ich bin schon mal strikter Gegner dieser NATO-Strategie, die von Baerbock bis Hofreiter, von Melnyk bis zu Strack-Zimmermann versucht wird, durchzusetzen.
„Nur wenn man ein absolutes Paralleluniversum konstruiert, meinst du, deine Position noch irgendwie verteidigen zu können.“
Wer lebt denn in einem Paralleluniversum, ich oder Melnyk? Wer „konstruiert“ sich denn seine Welt und seine Wahrheiten, ich oder Selenskyj?
Daß ich mit meiner Position marginalisiert dastehe, wie wahrscheinlich noch nie in meinem politischen Leben, das wird schon stimmen. Aber das liegt nicht an mir, sondern an der aberwitzigen Geschwindigkeit, mit der die deutsche politische Öffentlichkeit auf einen Kriegskurs gegen Rußland eingeschworen werden soll und wird, der selbst einen „kleinen“ dritten atomaren Weltkrieg mit einrechnet.“

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Zum Krieg in der Ukraine

16. April 2022 5 Kommentare

Mitschrift eines Podcasts von Herbert Auinger beim österreichischen Radio Orange 94.0 vom 29. März 2022
„Die Wahrheit stirbt zuerst“ (3) Von den Vorzügen der Demokratie

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Gastkommentar „Zum sogenannten „Konflikt“ an der belarussisch-polnischen Grenze“

22. Dezember 2021 1 Kommentar

Ich habe einen Text zugeschickt bekommen, zu dem der Autor, Manfred Henle, mit geschrieben hat:

„Der Text erörtert das Geschehen an der belarussisch-polnischen (und baltischen) Grenze einmal grundsätzlich, weshalb (nebst der Bild-Zeitung, die hier zerlegt wird) u.a. Lukaschenko selbst, aber auch der neue Bundeskanzler oder A. Bearbock zu Wort kommen. Ich denke, der Text sollte für die Walgesang-Leserschaft und ggf. Diskussion passend sein.“

Leider kann ich auf meinem Blog nichts mehr hochladen, es ist ja eh ein Wunder, daß Blogsport noch nicht zugemacht wurde. Also verweise ich hier nur auf das Untergrund-Blättle, wo dieser Text schon veröffentlich wurde:
Die Inkarnation des Bösen

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Klimawandel-Klimakatastrophe-Rettung der Umwelt usw.

8. November 2021 146 Kommentare

Nachdem in letzter Zeit doch einige Kommentare zur „Klimapolitik“ und „Energiewende“ gepostet wurden, mache ich daraus einen dedizierten Thread.

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Ist die VR China noch sozialistisch oder wieder kapitalistisch

25. Juni 2021 41 Kommentare

Bekanntlich konnte das Buch von Renate Dillmann über die Entwicklungen in der VR China wieder aufgelegt werden, ich habe hier darauf hingewiesen. Die Autorin hat einen weiteren Artikel zu China nachgeschoben: „China: Besonders üble Ausbeutung, repressiver Staat, Neokolonialismus, Uiguren, Hongkong“
Ich habe darauf bei Facebook hingewiesen und von einem altstalinistischen GSP-Freund (ja sowas gibt es auch!) folgenden Kommentar erhalten:

„Die alte Leier von Renate Dillmann: China wäre „kapitalistisch“ weil die KPCh absichtlich und geplant kapitalistische Elemente zur Entwicklung der Nation einsetzt und benutzt.
Damit liegt sie allerdings daneben: in China ist keineswegs eine RÜCKKEHR zum Kapitalismus erfolgt. Der kapitalistische Sektor der Volkswirtschaft wird derzeit zurückgedrängt, die Planwirtschaft gilt nach wie vor und schließt den kapitalistischen Sektor mit ein, vor allem aber: die Kapitalisten haben nicht die politische Macht in China.
Auch sind nicht alle 1,5 Mrd bedauernswerten Chinesen jetzt plötzlich dem „Überlebenskampf“ einer Konkurrenzgesellschaft ausgeliefert, dem die KPCh aus purem nationalen Machthunger eingerichtet hat, wie Dillmann suggeriert: Gebahren, Verhalten und Umgang der Privatwirtschaft mit Umwelt und Arbeitskräften wird streng kontrolliert und Verstöße gegen das Arbeitsrecht (China hat laut ILO eines der fortschrittlichsten Arbeitsrechte der Welt) sowie gegen Umweltauflagen (ebenso beispiellos modern und Öko-freundlich) werden rücksichtslos und strikt geahndet. Dies ist allerdings eine relativ neue Entwicklung, die etwa 2012 begonnen hat.
Dillmann liefert tw. nützliche Analysen und Einsichten, liegt in ihrer Grundeinschätzung aber komplett falsch, weil sie die Elle lupenreinen akademisch-marxistische, Besserwissenstum an den Sozialismus mit chinesischer Prägung legt, der in dem Riesenland herrscht.
Sozialismus, wohlgemerkt, und zwar in einer Form, wie es ihn noch nie gegeben hat, einer experimentellen Ökonomie, deren ausdrückliches Ziel die Schaffung eines Sozialismus mit moderatem Wohlstand in 2035 ist.
Oder, wie Xi Jinping es ausdrückt: „Wir wollen keinen Luxus, kein ausschweifendes Leben, aber ein gutes Leben für alle.“
Und dabei sind die chinesischen Kommunisten mit ihrem spezifischen Sozialismus schon recht weit gekommen, trotz all der westlichen Schlaumeier und Baizuos.“

Meine Antwort darauf war dort:

„Es mag ja sein, daß es stimmt, „Der kapitalistische Sektor der Volkswirtschaft wird derzeit zurückgedrängt“ (wobei ich dazu überhaupt nichts weiß). Es ist aber schon immer ein schlechtes Kriterium gewesen, nur zu schauen, ob in einem Staat nun „Schlüsselindustrien“ in Staatshand sind oder kapitalistische Firmen sind. Bekanntlich haben in den letzten 150 Jahren diverse durch und durch kapitalistisch gebliebenene Staaten alles Mögliche verstaatlicht, wenn ihnen die Konkurrenz auf einem als wichtig erachteten Wirtschaftsektor nicht genügend zum Aufbau der Nation beizutragen schien. Insbesondere Basisindustrien und Infrastrukturbereiche sind noch bis vor Kurzem in vielen kapitalistischen Staaten in Staatshand gewesen (und es wird vielleicht sogar wieder eine Renaissance solcher Verstaatlichungen geben, wenn es dem allgemeinen kapitalistischen Wirtschaftswachstum förderlich erscheinen sollte). Man muß also schauen, was die Logik des Wirtschaften in einem Staat ist, wenn es da um die Vermehrung von Kapital geht, dann sehen die Arbeitsplätze in den Staatsindustrieen regelmäßig eben genauso aus wie in den Konzernen.
Bezeichnenderweise führst du die in der Tat weitgehend durchgezogen Einführung eines ausgefeilten „Arbeitsrechts“ als Argument für den sozialistischen Charakter der VR China an. Für mich ist das genau umgekehrt der Beweis von antagonistischen Interessen von Arbeitern und Firmen in China, wo durch das Recht verhindert werden soll, daß die Arbeiter ihren Arbeitgebern völlig schutzlos ausgeliefert sind. Daß es hier in Deutschland schon lange ein enorm weitgefächertes Arbeitsrecht gibt, ist schließlich auch kein Bewei dafür, daß Merkel und Scholz irgendwelche sozialistischen Ambitionen hätten.
Genauso ist die Einführung von Umweltschutzgesetzen (ja, die gibt es in der VR China mittlerweile in der Tat) auch kein Beleg für den sozialistischen Charakter der Wirtschaft (oder auch nur des Staates) sondern zeigt, daß im kapitalistischen China der alte Marx-Spruch immer noch gilt, daß der Kapitalismus die Quellen allen Reichtums – den Arbeiter und die Erde zu zerstören droht. Daß Umweltgesetze erst seit ein paar Jahren gelten, zeigt übrigens, daß es selbst der chinesischen KP übel aufgestoßen ist, welchen irren Raubbau der kapitalistische wirtschaftliche Aufschwung in den Jahrzehnten davor angerichtet hatte. Selbst in der BRD sind deshalb manche Regelungen in den letzten Jahren verschärft worden, ohne daß Deutschland damit auch nur einen Schritt in Richtung Sozialismus gegangen wäre.“

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Neuauflage des China-Buches von Renate Dillmann

19. Mai 2021 2 Kommentare

Renate Dillmann hat mich darauf hingewiesen, daß endlich eine ergänzte und erweiterte Neuauflage ihres Chinabuches erschienen ist. Hier der Werbetext für das Buch:
„China ist ein bemerkenswerter Sonderfall. Ausgerechnet eine von einer Kommunistischen Partei regierte Bauernnation des Ostens macht praktisch wahr, was der Westen seinen in die Freiheit entlassenen Kolonien als Chance einer Teilnahme an der Staatenkonkurrenz des kapitalistischen Weltmarkts verkaufen wollte: China schafft eine wahrhaft nachholende »Entwicklung«, schließt zu den etablierten Nationen auf, wird kapitalistische Weltmacht. Anhänger einer früher antikapitalistisch inspirierten Dritte-Welt-Bewegung können sich heute fragen, ob es das war, wovon sie geträumt haben…
Das Buch geht der Frage nach, wie die 30 Jahre Aufbau des Sozialismus und inzwischen 40 Jahre Kapitalismus eigentlich zusammenpassen, die in China unter derselben KP-Führung auf die Tagesordnung gesetzt und durchgezogen wurden. Wo ist der rote oder weniger rote Faden?
Die zentrale These des Buches: Schon in Theorie und Praxis der KP unter Mao ist die Unterordnung aller sozialistischen Ambitionen unter das Ziel der Befreiung, Einigung und schließlich des Aufbaus einer machtvollen chinesischen Nation grundgelegt. Dieses Ziel wird dann unter Deng und den Nachfolgern weiter verfolgt, mit »kapitalistischen Methoden« vorangetrieben und zu erstaunlichen Erfolgen geführt. Die anschauliche, mit viel Material angereicherte Schilderung und begriffliche Durchdringung führt den Leser durch die Etappen der jüngeren chinesischen Geschichte. Westliche Freunde und Feinde des »Maoismus« werden dabei ebenso kritisch gewürdigt wie die Urteile der bürgerlichen und linken Öffentlichkeit zur heutigen Volksrepublik.
Für die nun vorliegende Neuauflage wurde das Buch um eine Betrachtung der Fortschritte des letzten Jahrzehnts erweitert und ergänzt. Analysiert werden die Entwicklungen der Ökonomie Chinas (Produktivkräfte, Binnenmarkt, Löhne und Sozialversicherungen, Sozialkreditsystem sowie die chinesische Corona-Politik) und die aktuelle chinesische Außenpolitik (Neue Seidenstraße, Aufrüstung, Streit um die Inseln im südostasiatischen Meer). Es folgen einige Überlegungen zur Darstellung Chinas in den deutschen Medien, die in den letzten Jahren immer mehr den Charakter eines Feindbildes angenommen hat, sowie zu den deutschen Linken und ihrer China-Kritik (Stichworte: besonders ausbeuterischer Kapitalismus, besonders repressiver Staat, Uiguren, Hongkong).
Zu bestellen bei: Die Buchmacherei Berlin 2021
https://diebuchmacherei.de/produkt/china-ein-lehrstueck/
Kontakt: https://www.renatedillmann.de/
„PS: Dieses Buch wurde ins Chinesische übersetzt. Eine Publikation in China wurde unter dem Titel 毛与其继承人向着世界大国的长征 – 关于中国的另类思考 (Mao und seine Erben auf ihrem Langen Marsch zur Weltmacht – alternative Überlegungen zu China) versucht, scheiterte aber an der staatlichen Zensur. Der Text findet sich für etwaige chinesische Interessenten digital – in Form der einzelnen Kapitel – auf der Website https://www.renatedillmann.de/中文翻译/. In Printform ist das Buch zu bestellen über dillmann-renate@t-online.de“

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Warum gibt es kein Geld für Corona-Medikamente?

1. Mai 2021 64 Kommentare

Warum eigentlich hat die Bundesregierung zwar enorme Beträge für die Entwicklung von Vakzinen gegen Corona ausgegeben (und noch viel mehr für die diversen Hilfspakete) aber praktisch nichts für die Entwicklung von Medikamenten gegen diese Krankheit?
„Berlin – Die Bundesregierung fördert acht Forschungsvorhaben zur Entwicklung von Medikamenten ge­gen das Coronavirus SARS-CoV-2. Auf Empfehlung des eingesetzten Expertengremiums hin würden in den nächsten Wochen die Förderentscheidungen fallen, sagte Bun­des­for­schungs­minis­terin Anja Karli­czek (CDU) heute in Berlin. In dem Förderprogramm stehen zunächst 50 Millionen Euro zur Verfügung – die Pharmaindustrie fordert eine kräftige Aufstockung.
Die Wissenschaftler in den acht unterstützten Projekten verfolgen laut Karliczek unter anderem Behand­lungsansätze mit verschiedenen Antikörpern sowie einem RNA-Wirkstoff. Die Arzneimittelkandidaten be­finden sich kurz vor der klinischen Entwicklung.
Die Ministerin dämpfte aber die Hoffnung auf schnelle Durchbrüche. „Aus den vielen Gesprächen, die ich mit Forscherinnen und Forschern führen durfte, ist immer wieder sehr deutlich geworden: Wir können keine Wunder erwarten“, sagte sie. Die Entwicklung von Arzneimitteln dauere in der Regel Jahre, manch­mal auch Jahrzehnte. …
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) verlangte angesichts der aufwendigen Medika­mentenentwicklung eine kräftige Aufstockung der Fördergelder. „Wir brauchen mindestens das Zehnfa­che, um die Entwicklungsansätze von dringend benötigten Arzneimitteln zum Patienten zu bringen“, er­klärte Hauptgeschäftsführer Kai Joachimsen.
Die verschiedenen beschlossenen und angekündigten Förderprogramme seien zwar erfreulich. „Offenbar ist aber die Bundesregierung weiterhin nicht gewillt, den entschiedenen Willen aufzubringen, um die nationalen Therapieansätze gegen COVID-19 tatkräftiger zu unterstützen“, beklagte Joachimsen. Es sei unverständlich, dass das Forschungsministerium „viel zu wenige Mittel für die im Grunde genommen guten Förderprogramme erhält“.“
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/123019/Bundesregierung-foerdert-acht-Forschungsprojekte-fuer-Coronamedikamente

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ARTE, Versailles und der reelle Gesamtkapitalist

12. Dezember 2020 160 Kommentare

Ein kleiner Disput bei Facebook zum politökonomischen Charakter des Staates seit dem späten Feudalismus:
„Da Essen geistig tote Zeit ist, läuft beim Kauen die Arte-Mediathek vor meiner Nase. Weil ich mit fast allen, mir vom Titel ins Auge springenden Dokus durch bin, hab ich mich auch dieser, vermeintlich Seichteren gewidmet. Gut dran getan, denn das war’n echtes Fundstück.
Zugegeben, ohne bissl Knoffhoff zur geltenden Ökonomie erkennt man das vielleicht nicht. Es geht um die Momente, die, im DHM-Sprech gesagt, den Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus markieren, also um die Ausweitung der Warenproduktion vor dem großen Umschlag. Die Warenproduktion nämlich hatte ihre ersten Standbeine neben dem militärischen im Luxussegment und war also von Beginn parasitär, denn das Futter kam nach wie vor von abhängigen oder leibeigenen Bauern.
Wie sich die feudalen Monarchen in Frankreich bemühen, schon früh bürgerliche Staatsfunktionen umzusetzen, erinnert an Preußen und Friedrich 2. Um so mehr gesellschaftlicher Reichtum die Geldform annahm, begann auch schon das Gerangel um die Richtung seines Stromes. Und das viel weniger zwischen den frühen Unternehmen, als zwischen den Staaten. Standortpolitik heißt das heute. Deswegen nenn ich den Staat nicht ideellen, sondern reellen Gesamtkapitalisten.
Eine hübsche Illustration zu MEW23.
https://marx-wirklich-studieren.net/marx-engels-werke-als-pdf-zum-download/
https://www.arte.tv/de/videos/084674-000-A/versailles-wo-frankreich-den-luxus-erfand/
Darauf kam diese Antwort:
„Ein reeller Gesamtkapitalist wäre ein Staat, der die gesamten Geschäfte übernimmt. Eine Profit-Planwirtschaft oder Staatskapitalismus oder sowas.
Der Begriff „ideeller Gesamtkapitalist“ soll doch eigentlich nur aussagen, dass der Staat sich um die Voraussetzungen des privaten Geschäfts in Konkurrenz kümmert, weil er dessen Erfolg will. Nicht den Erfolg einzelner Geschäfte, einzelner Geschäftsleute oder Unternehmen (wie auch in einer Geldkonkurrenz), sondern „unterm Strich“. So fallen Profit-Zweck des privaten Geschäfts und Wirtschaftswachstum-Zweck halt meist zusammen (aber bei weitem nicht immer und nicht für den einzelnen Kapitalisten).
Beteiligt sich der Staat am Privatgeschäft oder tritt mit Staatsunternehmen in die Konkurrenz zu Privatunternehmen, dann steht natürlich der Verdacht, dass wer die Regeln macht, nach denen er selber spielt… . Prinzipiell ist deshalb der Staat getrennt von seiner Ökonomie deren politisches Subjekt und nicht ökonomisches Subjekt.
Selbst wo der Staat mal Kapitalist ist, macht das ihn aber nicht zum Gesamtkapitalist, außer, er würde alles Kapital verstaatlichen…wodurch es nicht mehr Kapital wäre.“
Was diese Replik nach sich zog:
„Das Problem liegt hier, glaub ich darin, wie ich die Wortpaarung „reeller Gesamtkapitalist“ gebrauche. Das ist von der Intention eher als eine Art Provokation gemeint. Sachlicher wäre wohl: Der Staat ist der Betreiber des Kapitalismus.
Das Provokante richtet sich gegen das „ideeller Gesamtkapitalist“, das mir meist in einer abstrakten Form vorgetragen wird. Also „die Kapitalisten“ sind die Herrscher und der Staat deren Anhängsel, deren ausführendes Organ, was auch mit der Formulierung „geschäftsführender Ausschuss des Kapitals / der Kapitalisten“ korrespondiert.
Diese subordinierte Staatsauffasung wird dann gern auch historisch begründet, mit Verweis auf das Bürgertum, das sich emanzipiert und sich den Staat schafft, die Aristokratie entmachtet. Gerade in dem verlinkten Luxus-Film wird aber deutlich, dass der absolutistische Staat bereits genau das selbe tut, sich dann bloß die Form ändert.
Es gibt die Formel „der Staat sichert das Eigentum“, ist also Mittel des Kapitals. Dem stelle ich entgegen „der Staat setzt (stiftet, schafft) das Eigentum“.
Sein Erfolg ist der Erfolg seiner Einzel-Kapitale. Damit ist das sein primärer Tätigkeitszweck und Kapital sein Mittel.
Kapitale handeln eben nur auf Lizenz des Staates. Damit werden sie eine Art Subunternehmer. Wie jeder Sub seine eigenen Interessen mit und gegen den Auftraggeber verfolgt, tun das auch die Einzelkapitale dem Staat gegenüber. Nur dass der ihnen kein Geld zahlt, sondern welches wegnimmt. Genaugenommen deklariert er die Steuern ja als seinen Anteil, noch bevor sie entstanden sind, setzt sie als Bedingung der Lizenz zum Ausbeuten.
Und Kapital wird ja im Grunde auch gar nicht ökonomisch tätig. Es macht ja bloß Investment. Wirtschaften im eigentlichen Sinne tun dann eingekaufte Arbeitskräfte, Ökonomen, Planer, Logistiker, Ingenieure, Betriebswirtschaftler. So gesehen, würde man auch dem Kapital an sich schon keine eigentliche ökonomische Tätigkeit zugestehen können. Haushalten tun sie bloß ihr Geld mit einem sehr singulären Zweck, der sich in seinem Handling längst von realer Ökonomie emanzipiert hat.
Wenn eine Kapitalgesellschaft für die vielen Unternehmen, in denen es investiert hat, eine Art reeler Ober-(Gesamt-)kapitalist ist, trifft dies viel mehr noch auf den Staat zu, der als einziger eigenständiger Akteur in dem ganzen Spiel auftritt. Er lässt seinen Standort von Kapitalen bewirtschaften und ist viel mehr realökonomisch damit unterwegs, als jene. Deswegen sieht man auch keinen sonderlichen Unterschied, wenn der Staat mal einzelne Bereiche selbst als Kapital (nicht als Staatsfirma) betreibt, oder bei besonderen Vorhaben unter seine Oberdirektion nimmt, wie in D-Land 33-45.
Du hattest ja grad den Text von Ingo Elbe gepostet (http://www.rote-ruhr-uni.com/cms/IMG/pdf/elbe_engels.pdf). Hab grad angefangen zu lesen und finde eine Gegenüberstellung von: ‚Staat des Kapitals/ideeller Gesamtkapitalist’ und ‚Staat der Kapitalisten/reeller Gesamtkapitalist’. Die richtige Kombi fehlt, nämlich „reeller Gesamtkapitalist/Kapital des Staates“.“

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Die Gruppe Illoyal Deggendorf ist Geschichte!

2. Dezember 2020 14 Kommentare

Gerade bei Facebook gefunden:

„Hinweis in eigener Sache: Die Gruppe Illoyal Deggendorf ist Geschichte!

Seit etwa einem halben Jahrzehnt haben wir in unserer heutigen Zusammensetzung linksradikale Politik in Deggendorf organisiert. Dabei sind wir aus verschiedenen Gründen nicht immer unter dem Namen „Gruppe Illoyal Deggendorf“ aufgetreten, doch trotz wechselnder Gruppennamen blieb unsere politische Zielsetzung über die Jahre hinweg unverändert: Wir haben weder Zeit noch Mühe gescheut um uns und anderen zu vermitteln, dass sich die vorliegenden gesellschaftlichen Umstände feindlichen politökonomischen Zwecken verdanken. Für eine derartige Sicht der Weltlage haben wir in Form von Flugblättern und in Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen geworben.
Doch an dieser Stelle möchten wir das Ende dieser Bemühungen verkünden. Dabei sind wir weder am ausbleibenden Erfolg gescheitert, tatsächlich sind wir als Gruppe durchaus stetig angewachsen – noch an dem Gegenwind der uns entgegenschlug, denn vor Ort waren wir ohnehin die einzige aktive linksradikale Organisation.
Wir haben uns als Gruppe Illoyal aufgelöst, da wir uns eingestehen mussten, dass unsere bisherigen theoretischen Überlegungen und damit auch unsere politischen Standpunkte in wesentlichen Punkten mangelhaft waren. Unsere Leser erwartet an dieser Stelle also eine knappe Stellungnahme zu einigen zentralen Irrtümern, die wir in den letzten Jahren engagiert vertreten haben und von denen wir uns hiermit distanzieren möchten.
Das betrifft insbesondere die Vorstellung, dass die heutige Weltlage sich den „Zwecken“ ökonomischer Nutznießer oder politischer Gewalten verdankt.
-Ja, es gibt Individuen, die in der Konkurrenz finanziell bedeutend besser abschneiden als andere, aber auch ihr Erfolg ist stets ungewiss und auch sie beziehen sich mit ihren Kalkulationen stets auf die aktuelle Marktlage, die stets das Ergebnis der Wirkens unzähliger mit verschiedenen Mitteln und Methoden gegeneinander kalkulierender Figuren ist. In Anbetracht dieses Kampfes Aller gegen Alle von einer zweckgerichteten Veranstaltung zu sprechen ist absurd, das glatte Gegenteil ist der Fall.
-Eine andere Variante davon ist die Vorstellung, der bürgerliche Staat wäre das „Subjekt der kapitalistischen Gesellschaft“ in dem Sinn, dass er die ihm „untergebene“ Menschheit auf die Art und Weise ihrer Interessensverfolgen festlegt. Diese Ansicht blamiert sich unter anderem daran, dass sie sich den Schluss auf den Grund des Staates wegen ihrer agitatorischen Absicht verbietet: Wer den Menschen vermitteln will, dass sie sich ihres Staates entledigen müssten, damit ihre Interessen wirklich zum Zuge kommen, muss die banale Erkenntnis, dass auch der moderne Staat eine menschengemachte Institution ist und sein Grund somit in den Interessen der Menschen zu suchen ist – leugnen.
Das Privateigentum, die vorherrschende gesellschaftliche Form der Produktion im Kapitalismus – wurde von uns bisher als staatlich erzwungenes Verhältnis dargestellt und damit wird man erstens weder den Erkenntnissen bürgerlicher, noch sozialistischer Geschichtswissenschaft gerecht, die darum wissen, dass das Privateigentum dem Kapitalismus historisch vorausging und zweitens wird der Umstand, dass der Staat zum Schutz des Privateigentums nur dort einschreitet, wo er um diesen Schutz gebeten wird – ignoriert. Das Privateigentum beruht eben darauf, dass ein Individuum die Mittel, die er sich anschafft oder bereits hat – ganz nach seinem Kalkül einsetzt und das schließt eben ein, dass dem Eigentümern, würden sie nur einen dementsprechenden Willen haben, der Staat als Schutzherr über das Privateigentum einer freiwilligen Kollektivierung aller Produktionsmittel garantiert nicht im Wege stünde. Dass das nicht der Fall ist lässt sich kaum als Vorwurf gegen den Staat wenden.
Wir wollen nichtsdestotrotz noch einen Moment bei der Überlegung verweilen, der Staat würde den Kapitalismus „einrichten“ und uns fragen, ob sich diese Theorie dennoch sinnvoll begründen lässt.
Die Sache: Der bürgerliche Staat setzt Mittel ein um das widersprüchliche Miteinander der Menschen als Privateigentümer zu ermöglichen. Diese Mittel sind unter anderem ein gewisser Gewaltaufwand, aber auch materielle Dienstleistungen (Infrastruktur, etc.) und werden aus den Erträgen seines Volkes finanziert, so wie dieses auch für den Lebensunterhalt des Staatspersonals in den verschiedenen Abteilungen aufkommen muss.
Will man zu dieser Sache nun die Theorie vertreten, dass der Staat seinen Dienst an der Gesellschaft aus seinem Eigennutz heraus verfolgt – dann sollte man doch zumindest auf staatliche Zwecksetzungen verweisen können, die nicht in einem Dienst an der Konkurrenz aufgehen. Anderenfalls bleibt jener „staatliche Eigennutz“ eine theoretische Leerstelle.
Da wir auf diese Frage keine positive Antwort fanden haben wir diese Vorstellung verworfen und sind zu dem Schluss gelangt, dass voneinander abhängige Konkurrenten eine übergeordnete Gewalt brauchen und damit schon Grund und Zweck des Staates benannt ist: Der ökonomische Zweck den das moderne Individuum, gleichgültig welchen Standes – verfolgt ist seine individuelle Bereicherung in Konkurrenz zu den anderen, sprich Gelderwerb. Diese bezweckte private Bereicherung findet jedoch vermittelt über eine gesellschaftliche Produktion statt. Da ihre Gemeinschaft selbst zwar nicht der ökonomische Zweck der Akteure im Kapitalismus ist, sie jedoch allesamt für ihren privaten Erfolg aufeinander angewiesen sind, schließen sie sich neben ihrer Konkurrenz um den Gelderwerb politisch als Bürger zum Staat zusammen, sorgen sich um die Belange des gesellschaftlichen Zusammenhangs, räsonieren über den passenden Umgang mit als problematisch erachteten gesellschaftlichen Phänomenen und erkennen einzelne Personen als Vertreter ihres gemeinsamen politischen Willens an, die damit auch befugt sind Privatinteressen dem kollektiven politischen Interesse unterzuordnen.
Darüber hinaus erscheint uns dadurch auch die bisher unsererseits vertretene Theorie, die Moralvorstellungen der Privateigentümer, ihr politisches Bewusstsein wäre „ideologische Verklärung von Herrschaft“, sprich Rechtfertigung einer den Menschen vorausgesetzten Gewalt – als Verkehrung des tatsächlichen Verhältnisses.
Zusammengefasst: Wir haben uns von der Vorstellung verabschiedet, dass sich gewisse Phänomene der modernen Welt dem Wirken eines feindseligen Willens verdanken, der von einem falschen Bewusstsein der breiten Masse getragen wird und den es zu beseitigen gilt. Wenn ihr nun denkt, mit dieser Stellungnahme hätten wir uns hin zu Apologeten der bürgerlichen Gesellschaft gewandelt, dann müssen wir euch enttäuschen, denn das ist weder ein Argument gegen unsere Überlegungen – noch zutreffend.
Einen vernünftigen Ansatz einer Kapitalismuskritik, den wir euch an dieser Stelle noch nahelegen möchten – bietet der Aufsatz „Warum Sozialismus?“ – von A. Einstein, hier nachzulesen: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/warum-sozialismus
Wir hoffen ihr findet es lohnend unsere letzte Stellungnahme zu diskutieren und verabschieden uns hiermit von euch.
Passt auf euch auf und bleibt gesund,
eure Gruppe Illoyal Deggendorf!“

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Wie weiter im EU-Streit mit Ungarn und Polen?

17. November 2020 41 Kommentare

Im Konflikt der EU-Mehrheitsstaaten mit Ungarn und Polen tritt u. a. der Spiegel für Finanzstrafen gegen diese beiden Staaten ein:

„Lässt die EU sich das gefallen [den Wegfall der „Rechtsstaatlichkeits“auflagen], kann sie sich auch gleich selbst auflösen. Sie sollte deshalb ernsthaft prüfen, was Marek Prawda, Polens ehemaliger EU-Botschafter und heutiger Vertreter der EU-Kommission in Warschau, kürzlich vorgeschlagen hat: das 750 Milliarden Euro schwere Corona-Hilfspaket vom regulären Haushalt abzulösen und in Form multilateraler Absprachen neu aufzulegen.“

https://www.spiegel.de/politik/ausland/die-eu-muss-hart-gegen-ungarn-und-polen-vorgehen-a-9a7a2049-043e-4f39-ad47-d1f4df7ea010#ref=rss
Ich frage mich nun, ob das EU-rechtlich überhaupt geht. Denn der mehrjährige Finanzrahmens (MFR) gemäß Art. 312 AEU-Vertrag kann doch genausowenig ohne Polen und Ungarn beschlossen werden, denn zur Beschlußfassung schreibt Wikipedia: „Die Beratung im Europäischen Rat muss anschließend einstimmig abgeschlossen werden.“

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Gruppe K: Mordversuch an „Kreml-Kritiker“ Nawalny – Zehn Zweifel und ein Zwischenfazit

6. September 2020 61 Kommentare

„Wenn die Masse der veröffentlichen Meinungen in Deutschland ein Indiz für die Richtigkeit ihrer Behauptungen wäre, dann gibt es keinen Zweifel mehr: Hinter dem angeblichen Mordversuch an Alexei Nawalny steht Putin, der Geheimdienst und überhaupt „das russische System“ samt Ärzten und Krankenhaus. Wieder einmal haben „sie“ versucht, einen „Kremlkritiker“ mit einem russischen Gift der Gruppe Nowitschok zu ermorden. Die Konsequenzen sind auch klar: Weitere Sanktionen und Aufrüstung gegen Russland, North-Stream II muss kurz vor Fertigstellung beendet werden usw. So kann man es sehen und man befindet sich damit – ganz ohne Zweifel – meinungsmäßig in bester Gesellschaft. Zweifel gibt es allerdings schon:
1. Warum legt das Münchner Institut der Bundeswehr seine angeblichen Befunde über die Vergiftung Nawalnys nicht zur internationalen wissenschaftlichen Überprüfung offen und übermittelt sie gleichzeitig den russischen Behörden?
2. Warum sollten diese Befunde einer militärischen Einrichtung der NATO glaubhafter sein als die Befunde eines zivilen Krankenhauses in Omsk?
3. Wie passen die Befunde der Bundeswehr zu den anders lautenden Befunden der ebenfalls deutschen Berliner Charitée?
4. Wenn tatsächlich der „Kremlkritiker Nawalny“ mit Nowitschok vergiftet sein sollte – die Beweise fehlen bisher bekanntlich – warum sollte sich der russische Staat ausgerechnet dieser Substanz bedienen? Stehen einem staatlichen Geheimdienst mittlerer Größenordnung nicht andere Methoden zur Verfügung, wenn er seine Urheberschaft verschleiern möchte? Und umgekehrt: Welches Interesse sollte der Kreml zur Zeit haben, sich eine solche internationale Verwicklung einzuhandeln?
5. Wenn das besagte Gift schon im Mikrogrammbereich tödlich wirkt – warum sollte es dann dem Geheimdienst eines halbwegs potenten Staates nicht möglich sein, die letale (tödliche) Dosis zu verabreichen?
6. Wenn es sich tatsächlich um das besagte Gift handelt, warum entwickeln sich die Vergiftungserscheinungen von Herrn Nawalny nicht so, wie es diesem Gift zugeschrieben wird? Zu den toxikologischen Zweifeln lesenswert ist der Beitrag von Florian Rötzer am 3.9. in Telepolis!
7. Warum bringen Politik und Presse im Westen den möglichen Mordversuch in direkte Verbindung mit geopolitischen Auseinandersetzungen um den Einfluss in Syrien, Libyen, Belarus und Nord Stream II?
8. Alle Zweifel einmal spielerisch beiseite geräumt – Sind politische Morde im Reich (pro)amerikanischer Potentaten ein Grund für die Infragestellung von Rohstoffimporten in die BRD und geopolitischen Bündnissen?
9. Sofern Fakten, Logik und Zweifel schon nicht interessieren und die Urheberschaft für die Vergiftung Nawalnys ganz nach dem Motto „cui bono?“ (lat. wem nützt es?) gestellt wird: Darf man dann vielleicht auch mal amerikanische, polnische und baltische Quellen verdächtigen, denen der Fall aus unterschiedlichen Gründen hoch willkommen ist?…
10. Worin unterscheidet sich eigentlich die pluralistische Presse deutschen Musters von „fake news“ und „Manipulation“ in Feindstaaten, wenn ganz banale Zweifel nicht mehr ausgesprochen werden?

Zwischenfazit:

a) Politische Morde bzw. Mordversuche mit geopolitischer Bedeutung sind nicht aufklärbar, weil Ankläger und Angeklagte gleichsam Inhaber souveräner Gewaltanwendung sind und ihnen Strafverfolgungsbehörden und Justiz unterstehen, Täter und Richter also in eins fallen.
b) Das Urteil der westlichen Presse fällt in solchen Fällen nicht weniger parteilich aus, ist nicht weniger geschlossen und nicht weniger irrational, als in jenen Ländern, die so vorwurfsvoll einer „gelenkten Öffentlichkeit“ samt „fake news“ bezichtigt werden.
c) Es liegt hier wie dort an den Leser_innen und Zuschauer_innen „der Presse“, ob sie aus patriotischen Gründen „ihren“ Massenmedien Glauben schenken wollen, oder ob sie ihren Verstand einschalten und sich ein distanziertes Verhältnis zur politisch-medialen Hetze und zum internationalen Machtkampf erlauben.
Vielleicht ist abschließend auch die folgende ketzerische Frage nicht ganz unberechtigt: Was haben eigentlich ganz normale Leute in Russland, Deutschland und den USA vom internationalen Kampf der Eliten um Geld und Gewalt?“
Dieser Text erschien zuerst auf der Facebook-Seite der Gruppe K, ich habe ihn bei contradictio entdeckt.

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IvanDrago: Die Lage der arbeitenden Klasse in Deutschland

26. Juli 2020 61 Kommentare

IvanDrago hat mich gebeten, einen längeren Kommentar/Text separat einzustellen, damit der bisherige Thread nicht damit überfrachtet wird. Das halte ich auch für sinnvoll:
„Krim hat in unserer Diskussion zum Thema Ausbeutung einmal beiläufig angeschnitten, warum es mir denn nicht reichen würde, dass Arbeit im Gegensatz zum Kapital steht und wieso ich wert darauf lege auf die Lebensumstände der Menschen zu deuten. Meinen Fingerzeig auf Fachkräfte, die auch er zur Arbeiterklasse zählt – kontert er damit, dass es doch schlicht auf den Maßstab ankommen würde, den man an die Lebensumstände anlegt: „Im Vergleich zu einem verhungernden Afrikaner (…) geht es sogar einem deutschen Niedriglöhner noch Gold. “
Dieser Konter soll wohl ins Recht setzen, dass man es doch auch mit Fug und Recht andersrum machen kann und den Ingenieur in Deutschland als irgendwie armselige Kreatur bespricht, der in seinem Arbeitsverhältnis ausgequetscht wird und davon einen recht mickrigen Ertrag hat. Verglichen womit sein Ertrag mickrig ausfällt will Krim nirgends explizit bestimmen, aber er weiß allemal, dass das so ist, denn Lohnarbeit ist ja schließlich Ausbeuutung.
Ich möchte an dieser Stelle nicht erneut die Debatte um das Thema Ausbeutung eröffnen, sondern die Seite dieses Vergleichs ansprechen, da ich dieses „Argument“ auch von anderen kenne und völlig verkehrt finde – Das geht in etwa so:
„Warum denken deutsche Proleten, dass es ihnen gut geht – na, weil sie sich mit früher oder den Bewohnern armer Weltgegenden vergleichen. Vernünftigerweise sollten sie doch ihren Wohlstand in ein Verhältnis zu dem von ihnen geschaffenen Reichtum setzen, heißt es dann.“ Und das soll dann dafür stehen, dass die deutschen Arbeiter doch relativ und absolut arm sind.
Wie gut verdient nun ein durschnittlicher Arbeiter in der Bundesrepublik im Verhältnis zum von ihm geschaffenen Reichtum?! Nun hat diese Frage den Haken, dass der Reichtum an den gedacht wird gar nicht so einfach den hiesigen Lohnarbeiter zugeordnet werden kann, denn schließlich fließen in die Produktion Bestandteile aus aller Welt, von Rohstoffen über Bauteile, bis hin zur Software mit der die Roboter gesteuert werden und Öl als Schmiermittel der Produktion.
Außerdem ist es mehr oder weniger selbsterklärend, dass es mit den heutigen Mitteln ein Ding der Unmöglichkeit ist, jedem Menschen das Leben eines Multis zu garantieren und dementsprechend scheidet das als vernünftiger Maßstab völlig aus.
Noch eine Anmerkung zu der Natur der Lebenserhaltungskosten deutscher Arbeitskräfte:
Man kann es sich in Libelle/Krim-Tour wieder leicht machen und all das, was sich ein deutscher Arbeiterhaushalt so leisten kann zum „im Sinne der Reproduktion als Arbeitskraft notwendigen Bedarf definieren“, vom 4k-Fernseher, über die Fette Karre bis hin zum Karibikurlaub – einleuchten will mir das jedoch nicht. Arbeiter in Südostasien sind wohl kaum weniger belastenden Tätigkeiten ausgesetzt und verdienen einen Bruchteil dessen, was ein Arbeiter hierzulande verdient – bezogen auf die Güter, die sie sich damit leisten können.
Man soll mal nicht so tun, als gäbe es zwischen den unterschiedlichen Lebenslagen hier und in diesen weit entfernten Weltgegenden keinen Zusammenhang: Hierzulande werden den lieben langen Tag Konsumartikel aus aller Welt konsumiert und dabei profitiert man als deutscher Arbeiter durchaus von den Billiglöhnen anderswo, denn schließlich gehen deren Löhne in die Preisbestimmung der eigenen Lebenshaltungskosten mit ein. Sprich die Lebenslage eines deutschen Arbeiters beruht auf einer gewissen „klasseninternen“Ungleichheit, auch innerhalb der nationaler Grenzen.
Dementsprechend müssen wir uns fragen, wie ist das Verhältnis von individuellen Aufwand und Ertrag eines deutschen Proleten im Vergleich zu dem beschaffen, was der globalen Stand der Produktivität an Lebensstandard im Schnitt ermöglicht: Die bundesdeutschen Arbeiter verdienen als Teil der globalen Arbeitsteilung überdurchschnittlich gut, bei relativ niedriger Arbeitsdauer und Intensität.
Wenn sich die Menschheit beim heutigen Stand der Produktivität dazu entschließen würde eine weltweite Planwirtschaft einzurichten, dann kann man sich mit ein bisschen Grips im Kopf durchaus ausmalen, dass einige der heute in Westeuropa üblichen Annehmlichkeiten bis auf weiteres wegfallen, weil diese Ressourcen woanders dringender benötigt würden, zumindest solange anderswo noch Menschen an Hunger verrecken und in vielen Weltgegenden kaum medizinische Versorgung genießen.
Das klingt nur für diejenigen wie eine Absage an Kommunismus, die sich unter einer kommunistischen Revolution sowieso nichts anderes vorstellen können als ein Versprechen an ihren Privatmaterialismus: Weniger Arbeit – Mehr Ertrag!“

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Über den Nationalismus der „kleinen Leute“

4. Juli 2020 163 Kommentare

Herr Keiners/Uli Schultes neueste Veröffentlichung:
„Aus dem Fundus von unveröffentlichten Geschichten haben wir eine Auswahl getroffen, Korrekturen vorgenommen und publizieren 35 Geschichten, die größtenteils im Luxemburger „Tageblatt“ erschienen sind.“
Gleich die erste Geschichte hat mir gefallen:
„Über den Nationalismus der „kleinen Leute“
Nach einer Diskussionsveranstaltung kam eine ältere Frau zu Herrn K. und sagte: „Ich finde es ja sehr ehrenwert, dass Sie mit Ihren Geschichten den Versuch machen, vor allem die ‚kleinen Leute‘ zum Nachdenken zu bringen und zu versuchen, diese über ihre ungute Lage in diesen Verhältnissen aufzuklären. Doch ich halte solch einen Versuch für vergebliche Liebesmüh, denn ich habe überall nur Leute erlebt, die für diese gesellschaftlichen Verhältnisse sind, Leute, die sich an diese Verhältnisse nahtlos angepasst haben.“
Darauf antwortete Herr K.: „Dass sie sich angepasst haben, das sehe ich auch, aber dass diese Anpassung ‚nahtlos‘ sein soll, das sehe ich nicht. Denn besagte ‚kleine Leute‘ haben sich Tag um Tag daran abzuarbeiten, dass die herrschenden Arbeits- und Lebensverhältnisse, für die sie Partei ergreifen, nicht für sie eingerichtet sind. Sie sind nicht Nutznießer der Verhältnisse, für die sie Partei ergreifen.“ „Sicher“, sagte die Frau, „das sehe ich auch so, doch ich habe in meinem Leben nur ‚kleine Leute‘ getroffen, die auf die herrschenden Verhältnisse nichts kommen lassen wollen, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit stolz die Fahne ihrer Nation hochhalten und nichts davon wissen wollen, dass diese ihre Nation die gesellschaftlichen Verhältnisse, die ihnen zu schaffen machen, mit Gesetzeskraft eingerichtet hat und absichert.“
„Das mag schon so sein“, entgegnete Herr K., „doch sie vergessen hinzufügen, dass diese verbreitete Parteinahme für den nationalen Zusammenhalt nur mit falschen Gedanken im Kopf, nur mit Fehldeutungen der eigenen Lage zu haben ist. Das sollte man aufzeigen und den Menschen erklären, warum sie sich mit der Verklärung ihres nationalen Zusammenhangs keinen Gefallen tun. Denn das Leben in dieser Gemeinschaft wird von lauter gegensätzlichen Interessen bestimmt, was dafür sorgt, dass das Interesse derjenigen, die als Arbeitende oder Arbeitslose über die Runden kommen müssen, andauernd und systemnotwendig unter die Räder kommt.“
„Ja, ja, aber wenn die Leute sich von einer solchen Aufklärung nur gestört sehen, soll man sie da nicht besser in Ruhe lassen“, gab die Frau etwas gereizt zurück. Herr K. überlegte eine Weile und sagte: „Man sollte nicht enttäuscht sein, wenn die eigenen Argumente nicht das gewünschte Resultat bei den Adressaten erreichen. Warum sollte man den eigenen Ärger über die herrschenden Verhältnisse, wenn er begründet ist, nicht auch denen mitteilen, die als die ‚kleinen Leute‘ von diesen Verhältnissen betroffen gemacht sind? Auch wenn diese sich das so zurechtlegen, dass sie mit allen Anforderungen zurechtzukommen haben. Diese Haltung ist jedenfalls nicht zu ihrem Besten, warum also sollte man damit aufhören, das den Leuten – nicht unbedingt bei jeder Gelegenheit, aber doch des Öfteren – mit guten Argumenten darzulegen. Das mag als Störung empfunden werden, doch warum soll das ein Problem sein?“, fragte Herr K. „Im Unterschied zu vielen anderen im Leben erfahrenen Störungen nötigt man doch niemandem etwas auf, man gibt einfach nur etwas zu bedenken. Nicht mehr und nicht weniger“, sagte Herr K.“

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Huisken zu „Fehlern“

9. Mai 2020 314 Kommentare

Freerk Huisken hat auf seine Webseite Auszüge seiner Korrespondenz gestellt. Unter anderem über den berühmten Streit um die Fehler die Menschen machen:
Wie auch sonst in diesem Zusammenhang unterscheidet Huisken nicht zwischen fehlerhaften Urteilen über gesellschaftlich und ökonomische Sachverhalte und einfach nur falschen. Fehler können aber nur Menschen machen, die „es“ eigentlich richtig machen wollen. Und sich nur dabei vertun. Wenn sie aber gar kein Interesse daran haben, daß gesellschaftliche und ökonomische Verhältnisse vernünftig organisiert sind, dann machen sie eben keine Fehler sondern erzählen nur ideologischen Scheiß. Was man auch daran erkennen kann, daß Menschen, die etwas Vernünftiges falsch angehen, durch einen einfachen Hinweis oder Beweis davon abzubringen sind. Dem ideologischen Menschen kann man hundertmal auf seine „Fehler“ hinweisen, daß geht dem regelmäßig am Arsch vorbei, denn er beharrt auf seinem dahinterliegenden Interesse.

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„In der Krise zeigt sich die Macht des Euro – und sein Geburtsfehler“

1. Mai 2020 Kommentare ausgeschaltet
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