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Archiv für die Kategorie ‘(3) Fundstellen’

Holbrooke: Der Architekt des „failed state“ beißt ins Gras“

16. Dezember 2010 Kommentare ausgeschaltet

Mancher Leser hier mag ja über Nachrufe im Allgemeinen denken was er will und für tote Kommunisten erst Recht nichts übrig haben, manchmal dient aber das unerbittliche Aufzählen der Meilensteine eines Lebens doch der Aufklärung und Aufrechterhaltung einer grundlegenden Feindschaft:
NestorMachno hat jedenfalls einen NACHRUF AUF RICHARD HOLBROOKE veröffentlicht, den ich auch hier zum Lesen empfehlen möchte. Sein Titel:
„Pünktlich 15 Jahre nach Dayton: Der Architekt des „failed state“ beißt ins Gras“

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Die soziale Kompetenz der Winzlinge

15. Dezember 2010 Kommentare ausgeschaltet

In der Berliner Zeitung und der Frankfurter Rundschau vom 15.12.2010 ist folgender Artikel von Christian Wolf, einem promovierten Philosoph und freien Wissenschaftsjournalist in Berlin erschienen:
Babys entwickeln sehr viel früher als vermutet ein Gefühl für die Handlungen ihrer Mitmenschen
Für manchen Forscher wirkten sie in den ersten Wochen ihres Lebens wie Autisten. Und auch in den folgenden Lebensmonaten schienen Säuglinge sozial nicht viel auf dem Kasten zu haben. Dass sie noch nicht mit der Sprache herausrücken können, machte sie zudem für viele Wissenschaftler uninteressant. Doch mittlerweile versucht man in speziellen Babylaboren, die Kleinen mit immer raffinierteren Experimenten zum „Reden“ zu bringen. Und siehe da: Die Winzlinge sind zwischenmenschlich doch schon ganz groß.
Um in der sozialen Welt bestehen zu können, müssen Menschen in der Lage sein, andere einzuschätzen. Wer ist Freund, wer ist Feind? Dass sie diese Fähigkeit quasi in die Wiege gelegt bekommen, legen Untersuchungen der Psychologin Kiley Hamlin und ihren Kollegen von der Yale University in New Haven, Connecticut, nahe. Mehr…

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Mein Wille ist freier als deiner!

14. Dezember 2010 Kommentare ausgeschaltet

Passend zur gerade wieder mal laufenden Diskussion ein Schnipsel von n-tv zum Thema „freier Wille“.

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Krisen-Phänomenologie

10. Dezember 2010 1 Kommentar

Der Blogger Ofenschlot hat ein kleines Nachlass-Bändchen, mit »Gedichten in Prosa«, das kürzlich erschienen ist: »Eins nach dem anderen« (Hanser Verlag München) gelesen. Es ist wurde von Christian Enzensberger geschrieben und enthält folgende, wie ich auch finde „wunderschöne Krisen-Phänomenologie“:

Wie der Kapitalismus sich weiterentwickeln würde, war nun schon absehbar. Der Wettbewerb würde Rationalisierungen erzwingen. Die Rationalisierungen würden Arbeitsplätze vernichten. Die Arbeitslosigkeit würde die Kaufkraft vermindern. Die verminderte Kaufkraft würde Kapazitäten freisetzen. Die ungenutzten Kapazitäten würden die Profite und damit die Investitionsneigung dämpfen. Die stockenden Investitionen würden die Rationalisierung bremsen. Die gebremste Rationalisierung würde die Wettbewerbsfähigkeit verschlechtern. Die schlechte Wettbewerbsfähigkeit würde die Pleiten vermehren. Die vermehrten Pleiten würden Arbeitsplätze vernichten.
Ausweg eins: man mußte die Investitionsneigung stärken. Dazu mußte man Investitionshilfen bewilligen. Die Rationalisierung würde sich beschleunigen, Arbeitsplätze vernichten und die Kaufkraft vermindern. Ausweg zwei: man mußte die Kaufkraft vermehren, das Arbeitslosengeld erhöhen. Die Kaufkraft würde zunehmen, die Kapazitäten wären ausgelastet, die Profite und damit die Investitionsneigung würden steigen, damit die Rationalisierung, und Arbeitsplätze vernichten.
Für die Investitionshilfe wie für die Kaufkrafterhöhung mußte man die Steuern anheben. Die erhöhten Steuern konnte man von der Industrie abschöpfen, die Profite und damit die Investitionsneigung würden abnehmen, die Pleiten würden sich vermehren und Arbeitsplätze vernichten. Oder man konnte die erhöhten Steuern von den Arbeitsplätzen abschöpfen, die Arbeitsplätze würden dadurch teurer werden, die Wettbewerbsfähigkeit würde sich verschlechtern, die Pleiten sich vermehren und Arbeitsplätze vernichten.
Ausweg drei: man konnte das erhöhte Arbeitslosengeld durch Kredite finanzieren, das Geld würde knapp und teuer, das Kapital würde sich an die besseren Profite im Bankgeschäft halten, die Investitionsneigung würde sinken, damit die Wettbewerbsfähigkeit, und Arbeitsplätze vernichten. Oder man konnte die ungedeckte Geldmenge erhöhen, die Inflationsrate würde steigen, die Profite würden sinken, es würde eine Kapitalflucht einsetzen, die Investitionsneigung würde sich mindern, die Rationalisierung sich verlangsamen und Arbeitsplätze vernichten. Das waren so im Wesentlichen die möglichen Antworten.

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Für Grundeinkommen und gutes Leben??

24. November 2010 23 Kommentare

Bei der wertkritischen Webseite Streifzüge ist folgender Artikel veröffentlicht worden. Ich habe ihn hier gespiegelt, weil er einerseits ätzend die Feindschaft der bürgerlichen Politik von sozialdemokratischen Reformisten und den Grünen bis hin zu den Ultrarechten beschreibt, um dann im „positiven“ Teil so elendig abzustürzen auf die bekannte Bettelei an diesen Staat in Verbindung mit der schönsten Ausmalerei von utopischen Inseln:
„Es braucht einen vielfältigen, unentwegten Kampf auf mehreren Ebenen, der sich mit dem Aufbau von Alternativen verbindet, die keine Arbeit kennen, sondern freie Assoziation der Produzierenden sind“. Schritt für Schritt in den Kommunismus und das trotz Kapitalismus und bürgerlichem Staat und Recht und Gewalt.
Auch seine Agitation „Die Flucht aus der Arbeit ist deshalb mit allen Mitteln zu unterstützen. Jede Deserteurin ist zu beglückwünschen. Den Fliehenden sind alle Türen zu öffnen. Es sind ihnen alle Verstecke und alle Zuflucht zu gewähren. Betrug am Staat muss Massenpraxis sein und als solche gutgeheißen werden.“ ist eher lächerlich als ärgerlich. Als wenn der alte Slogan „Stop the world, I wanna get off!“ wiederaufleben würde. Nur mal rein innermilitärisch: Die Desertion von Soldaten eines imperialistischen Krieges ändert erst mal gar nichts an dessen Charakter und ist vor allem wirklich nicht das Gleiche wie das Umdrehen der Gewehre gegen den eigentlichen Hauptfeind.
Ich nehme es dem Autor ab, wenn er für sich (das gilt ja wahrlich nicht für alle Freunde des BGE) erklärt: „wir wollen keine Arbeit, wir wollen keinen Profit, wir wollen kein Kapital. Schon gar nicht den „Erfolg der Wirtschaftsweise, die das Elend produziert.““ Er weiß offensichtlich, warum es wichtig ist hinzuzufügen: „Das Grundeinkommen soll kein System sein, sondern ist die Zerstörung des Systems. Es ist kein „Modell“, sondern ein Sprengsatz.“ Denn bei den anderen ist es ja nur Betteln auf niedrigstem Niveau. Denn da möchte ich dem sonst von mir gar nicht geschätzten André Gorz zustimmen: „Ein in ordinärem Geld ausbezahltes ausreichendes Grundeinkommen ist im Rahmen der existierenden kapitalistischen Warengesellschaft nicht realisierbar. Davon muss immer ausgegangen werden.“ Nur was heißt dann „Das Grundeinkommen darf folglich nicht als Zweck an sich gefordert werden“??
******************
Gegen Arbeitsterror – Für Grundeinkommen und gutes Leben
von Andreas Exner
„VP-Wien Frontfrau Christine Marek erinnert an das Essential des Kapitals: gearbeitet muss werden. Niemand widerspricht. SP-Sozialminister Hundstorfer antwortet: den Arbeitszwang gibt’s ja schon. Grüngewerkschafterin Paiha meint, ja, richtig, die Mindestsicherung ist bestimmt kein Grundeinkommen. – Das Arbeitspack hat die Öffentlichkeit im Griff. Gegenwehr ist nötig.
Kaum trat die so genannte bedarfsorientierte Mindestsicherung in Kraft, ging Christine Marek voll in Saft. Die Familienstaatssekretärin der ÖVP forderte im September, dass die von der Mindestsicherung Getroffenen zu „gemeinnütziger Arbeit“ verpflichtet werden sollten, sofern sie nach sechs Monaten keinen Job gefunden hätten. Marek, Spitzenkandidatin für die Wien-Wahl, die sie im Oktober zusammen mit SP und Grünen glänzend verlor, sprach dabei in gewohnter Manier von einer „Keule gegen sozialen Missbrauch“. Damit weiß sie sich nicht nur eins mit FPÖ und BZÖ, sondern ebenso mit SPÖ und Grünen.
Es ist dem langweiligen Drehbuch von Rede und Gegenrede auf der Politbühne geschuldet, dass, was eine Partei vorschlägt, von den anderen Parteien zu kritisieren ist. Das heißt freilich nicht, dass die parteiliche „Opposition“ wirklich gegen Mareks Vorschlag ist. Ein genauer Blick auf die inszenierten Gegenreaktionen enthüllt sie als bloße Marketingphrasen. Es sind Unterschiede zwischen Schwarz und Dunkelgrau, nicht zwischen Schwarz und Weiß. Als Unterschiede ums Ganze will man sie nicht einmal verkaufen. Denn dieses Ganze ist das System aus Arbeit, Kapital und Staat – und für die etablierten Kräfte sakrosankt. Mehr…

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Sozialstaat schottern? (Veranstaltung von TOP Berlin mit Christian Frings)

16. November 2010 31 Kommentare

TOP Berlin macht unter dem Titel „Sozialstaat schottern!“ eine Veranstaltung am 22.11.2010 mit Christian Frings (Köln) zu Geschichte und Struktur des Sozialstaats und der „sozialen Marktwirtschaft“. Mit Clips aus der aktuellen „Integrationsdebatte“ zum Zusammenhang von Sozialstaat und nationalem Chauvinismus.
Sie schreiben dazu:

„Sozialstaat schottern“ – erledigt das nicht schon die Regierungskoalition?! Am 26.11. will der Bundestag ein „Sparpaket“ verabschieden, das Milliardenkürzungen und diskriminierende Auflagen gegen Erwerbslose enthält. Ein breites Bündnis linker Gruppen ruft deshalb zu einer Bundestagsblockade auf. Motto: „Sparpaket stoppen! – Wer kürzt, wird blockiert!“ – Und dann?
Der kapitalistische Alltag ist eine dauernde Zumutung, und krisenträchtig obendrein. Viele streiten deshalb für eine „gerechtere“ Gesellschaft, für den Ausbau des Sozialstaats und ein „bedingungsloses Grundeinkommen“. Staatliche Sozialleistungen gelten als Errungenschaften, die gegen neoliberale Anschläge verteidigt werden müssen. Doch der Sozialstaat ist schlechter als sein Ruf. Er ist in Wahrheit kein Gegengewicht zum Terror der Ökonomie, sondern dessen Stütze. Sozialstaat beruht auf der kapitalistischen Eigentumsordnung, also auf der Enteignung und Ausbeutung aller Lohnabhängigen. Er finanziert sich aus Erträgen der Standortkonkurrenz, und bleibt deshalb immer den Konjunkturen kapitalistischer Verwertung unterworfen.
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass der Sozialstaat stets Hand in Hand ging mit Arbeitszwang und sozialer Diskriminierung. Der Amtsterror der Arbeitsagenturen hat also System. Zur gesellschaftlichen Befriedung „von oben“ installiert, wurde das staatliche Sozialversicherungssystem ursprünglich von der Arbeiterinnenbewegung bekämpft. Warum ist das heute nicht mehr so? Und was wäre eine sinnvolle linke Praxis?

Da frage ich mich dann schon, wie es zu „freundlicher Unterstützung durch solid Berlin“ gekommen ist, wo doch deren Mutterpartei Die Linke zum Thema folgendes zu sagen hat:

“ Wir wollen einen aktiven Sozialstaat, der die Lebensrisiken wie Krankheit und Behinderung sowie Erwerbsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit solidarisch absichert und im Alter ein sorgenfreies Leben in Würde garantiert. Sozialstaatliche Leistungen müssen auf individuellen Rechtsansprüchen beruhen, um patriarchale Abhängigkeiten und behördliche Willkür zu verhindern.“

(aus dem aktuellen Programmentwurf)

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Wir holen unser Geld zurück!! (Am Geldautomat?)

4. November 2010 16 Kommentare

Als wenn die Finanzkrise nicht schon schlimm genug gewesen wäre, kommt nun ein weiterer ideologischer Krisentiefpunkt auf die daran übrigens weitgehend desinteressierte Welt zu:
Am 7. Dezember soll es zu einer “ Worldwide Bankrun Action“ kommen. Mit dem vollmundigen Parolen

„Das Vertrauen ist verspielt! Für ein Leben ohne Preisschild! Für die Soziale Revolution!!“

werden die Leute ausgerechnet wozu aufgerufen? Zum Geldabheben!!

„Aus inzwischen 15 Ländern gibt es Aufrufe am 7. Dezember gemeinsam unser Geld abzuheben.“

Wikipedia: „Bei einem Bank Run (dt. etwa: „Ansturm auf eine Bank“) versuchen viele Anleger einer Bank zeitnah ihre Einlagen (Depositen) abzuheben. Da eine Bank meistens nur einen Bruchteil ihres Vermögens als Bargeld bereithält und der Hauptteil in längerfristigen Aktiva angelegt ist, kann dies zur Insolvenz einer Bank führen.“
Aus dem Aufruf

„Der Finanzmarkt dient lediglich noch dem Abzug von Geld aus der Realwirtschaft, was wiederum zur Berreicherung einzelner dient, die Ihr Geld dann weiter nutzen um noch mehr Unfug damit anzustellen (oder wer braucht eine Spekulation auf Grundnahrungsmittel?)!
Wie kann es sein das unsere Produktivität über Jahrzehnte immer stieg, komischerweise aber immer mehr Geld im Staat zu fehlen scheint, bzw es den Menschen immer schlechter geht? Wir können nicht so viel wie noch nie erwirtschaften, während wir so wenig wie lange nicht mehr haben! Wir spielen euer schmutziges Spiel nicht mehr mit!“

In einer kruden Mischung aus aus falscher Beschreibung dessen, was überhaupt die Symbiose aus Staat, Finanzwesen und den anderen kapitalistischen Firmen ausmacht und Fragen, auf die die Aktionisten nicht wirklich eine richtige antwort geben wollen, kommen sie dazu ausgerechnet diejenigen, die in dieser Gesellschaft eh nie genug Geld haben, um über die Runden zu kommen, dazu aufzurufen, den „Zockern“ ihre paar Kröten per Räumung des Girokontos zu entziehen. Der Administrator holt dann die obigen Parolen gleich wieder ein und gesteht:

„Keiner behauptet, dass mit dieser Aktion mit einem Schlag alles besser und erledigt ist. Es geht darum, Flagge zu zeigen! Das diese Aktion überhaupt länderübergreifend als Absichtserklärung entstanden ist, zeigt doch allen, dass keiner von uns allein ist, sondern dass es viele von uns gibt, auch über Länder verteilt. Das ist bereits ein Erfolg! Macht ihn nicht mit allzu theoretischem und wissenschaftlichem Gefassel kaputt. Erfreut euch lieber und seit stolz… und unterstützt die Aktion und sei es nur mit 10€.

Sozusagen: Für die soziale Revolution, jedenfalls wenn einem das mal einen Zehner wert ist!

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Existenzgeld: Von der Aneignung zur Teilhabe

3. November 2010 2 Kommentare

wildcat hat sich seit 1985 immer mal wieder der Existenzgeld/Bürgereinkommen/Bedingungsloses Grundeinkommen-Szene angenommen. So z.B. in einem Artikel aus 1994
Thesen zu Sozialstaat und Mindesteinkommen

1. Der Sozialstaats ist nicht in die Krise geraten, weil er zu teuer geworden ist, sondern weil er seine Aufgabe, den allgemeinen Arbeitszwangs aufrechtzuerhalten, nicht mehr erfüllen kann.
2. Der bisherige gesellschaftliche Konsens, der sich in dem System der Sozialversicherung ausdrückt, beruhte auf einer bestimmten historischen Klassensituation und einem dementsprechenden Arbeiterverhalten. Dieses ist seit den 70er Jahren dauerhaft in die Krise geraten.
3. Die Vorschläge zu einem Mindesteinkommen/Bürgergeld sind Versuche, die Absicherung des Arbeitszwangs angesichts veränderter Klassenverhältnisse wieder zu festigen.
4. Von einer revolutionären Perspektive aus kann es weder darum gehen, das alte System der Sozialversicherungen zu verteidigen, noch darum, sich an der Formulierung neuer staatlicher Sicherungskonzepte zu beteiligen.

oder 1999:
Der Linksreformismus wittert Morgenluft
Existenzgeldforderung und landläufige Vorstellungen –
oder: Warum schreiben sich Linke die kapitalistische Reproduktion auf ihre Fahnen?

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Mit dem Dreirad durch den Sozialstaat

3. November 2010 2 Kommentare

Sowohl das, was Revolutionäre über die Lage der Arbeiterklasse im Kapitalismus sagen, ist seit geraumer Zeit eigentlich nichts Neues mehr – wie auch – als auch das, was diverse Verfechter des Einrichtens und Überlebens im Kapitalismus zu sagen haben. So ist es nicht wirklich verwunderlich, daß man auch zum Thema der Woche, der Grundeinkommenspetition an den Bundestag, auf Sachen stoßen kann, die immer noch brandaktuell sind, aber doch schon manches Jahr auf dem rücken tragen. In der (postoperaistischen?) wildcat konnte man schon 1985(!) folgenden Artikel zum immer noch akuellen Thema lesen:
Mit dem Dreirad durch den Sozialstaat
»Existenzgeld« – die neue Tretmühle der Arbeit

Aus zweierlei Gründen ist es für die Auseinandersetzung um ein Existenzgeld oder allgemeines Mindesteinkommen notwendig, den allgemeinen Charakter des klassischen Sozialstaats zu untersuchen. Zum einen, weil die Überlegungen des Kapitals, den Sozialstaat durch ein einheitliches Mindesteinkommen zu ersetzen, offensichtlich eine Antwort darauf darstellen, daß die bisherige soziale Absicherung der Arbeiterklasse für ihre Profitproduktion nicht mehr funktional ist; wir müssen aber zunächst kapieren, wie der Sozialstaat bisher als Teil der kapitalistischen Ausbeutung funktioniert hat. Zum zweiten wollen wir mit unserer Kritik an den grünen und alternativen Propagandisten eines Existenzgeldes nicht mißverstanden werden, als würden wir in das Gejammere über den »Sozialabbau« einstimmen und nun Loblieder auf den Sozialstaat singen; seit den sozialpolitischen »Operationen« der 80er Jahre scheint die gesamte Linke auf einen Schlag vergessen zu haben, daß der Sozialstaat von Anfang an den kapitalistischen Arbeitszwang reguliert hat; daß keines seiner Momente – Sozialversicherung, kollektives Arbeitsrecht (Gewerkschaften, Tarifvertragswesen, Betriebsverfassung) und staatliche Wirtschaftspolitik – eine »Errungenschaft der Arbeiterbewegung« darstellt, sondern die politische Stärke der Arbeiterklasse neutralisieren sollte. Allerdings drückte sich in diesem Sozialstaat bis heute auch aus, daß das Kapital und der Staat, als allgemeine Instanz der Kapitalherrschaft, an der Arbeiterklasse als zentraler politischer Größe nicht vorbeikommen, sie nur durch eine institutionalisierte Anerkennung in die kapitalistische Produktion einbeziehen können. Die technische Umorganisation der Produktion und die zur Zeit ablaufende Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse deuten darauf hin, daß sich das Kapital von eben dieser Anerkennung der Klasse freimachen will. Sozialpolitischer Ausdruck dieser Entwicklung wäre der Abbau der klassenmäßig bestimmten Sicherungssysteme und die Beschränkung auf ein Mindesteinkommen, das heißt Sozialhilfe für alle. In der linksgrünen Debatte drückt sich bereits ein gutes Stück des Zerfalls von Klassensolidarität und -bewußtsein aus, wie ja auch die parallele Debatte um alternative Arbeit an der Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse mitstrickt.
Für uns geht es also nicht um ein Abwägen zwischen bisherigem Sozialstaat und zukünftigem Existenzgeld. Die grünen Strategen wie Opielka, die sich schon wie kleine Regierungsvertreter gebärden und ihr politischen Überlegungen in alternative Gesetzesentwürfe packen, versuchen es mit staatsmännischer Geschicklichkeit allen Seiten rechtzumachen, indem sie kombinierte Systeme aus Sozialversicherung und Mindesteinkommen austüfteln. Beide Formen einer staatlichen Existenzsicherung sind bezogen auf die jeweilige Klassenzusammensetzung die geeigneten Instrumente zur Durchsetzung des kapitalistischen Arbeitszwangs. Für uns geht es darum, aus der neuen, sich anbahnenden Klassenzusammensetzung ein Bewußtsein der Ausbeutungsverhältnisse und Kämpfe gegen diese zu entfalten.
Exkurs: Das Einkommen der Arbeiter
Reproduktion der Arbeiterklasse – Reproduktion des Arbeitszwangs

Vom Kapital aus betrachtet bildet das gesamte Einkommen, das den Arbeitern zufließt, den Einkaufspreis für die Arbeitskraft. Wir nennen dieses gesamte Einkommen, oder stofflich ausgedrückt, diesen Fonds von Lebensmitteln und Konsumartikeln, auch das variable Kapital. Denn dieser Kapitalbestandteil ist es, der im Verwertungsprozeß den Mehrwert abwirft: während die Maschinen, Gebäude und Rohstoffe ihren Wert allenfalls auf das neue Produkt übertragen, aber den Kapitalisten von sich aus nicht reicher machen, wird die eingekaufte Arbeitskraft im Produktionsprozeß mit Hilfe des gesamten Systems von Antreiberei, Hierarchie und Maschinenterror in Arbeit übersetzt. Sie produziert nicht nur die zum eigenen Lebensunterhalt notwendigen Mittel (dazu bräuchte es weder 40 noch 35 Stunden in der Woche), sondern darüberhinaus den Mehrwert oder Profit; sie sorgt also dafür, daß das Kapital »sich« vergrößert.
Da aber die im kapitalistischen Produktionsprozeß hergestellten Waren ganz allein dem Kapital gehören, ist nicht mehr sichtbar, daß die Arbeiter die Güter ihres Konsums selbst produzieren. Sie erhalten diese erst nachträglich, in Form von Geldzahlungen, vom Kapital – der Ausbeutungsprozeß erscheint als Austausch zwischen Kapital und Arbeit.
Worauf es hier nun ankommt: Das Einkommen, das die Arbeiter vom Kapital (oder auch vermittelt über den Staat oder Sozialversicherung) erhalten, hat eine doppelte Funktion. Einerseits sorgt es dafür, daß die Arbeiter sich reproduzieren können, also bei der ganzen Maloche am Leben bleiben können und es auch noch hinkriegen, Kinder großzuziehen, damit dem Kapital genügend Ausbeutungsmaterial nachwächst. Andererseits ist dieses Einkommen so bemessen, daß es den Arbeitern keine Flucht aus der Arbeit erlaubt: »Freier Lohnarbeiter« zu sein, bedeutet in erster Linie frei von allen Produktionsmitteln, allen Möglichkeiten, sich unabhängig vom Kapital zu ernähren, zu sein. Daher bedurfte es auch historisch und aktuell in den Ländern der sogenannten »Dritten Welt« zunächst einmal Phasen, in denen die Menschen mit äußerster staatlicher und unmittelbarer Gewalt von ihren eigenständigen Produktionsmitteln, wie dem Boden und Ackerbau getrennt wurden, um sie in die fabriken treiben zu können. Diese Eigentumslosigkeit kennzeichnet den freien Lohnarbeiter und ist die Basis des Arbeitszwangs. Die Einkommen der Arbeiter reproduzieren daher nicht nur das Leben der Arbeiter, sondern sie reproduzieren diese als Arbeiter, d.h. Eigentumslose, denen nichts anderes übrig bleibt, als ihre Haut zum (Arbeits)Markt zu tragen.
An diesem grundlegenden Verhältnis zwischen den Klassen, an dieser beständigen Reproduktion der Arbeiter als Ausbeutungsmaterial ändern die sozialstaatlichen Regelungen keinen Deut, auch wenn sie den einzelnen Arbeiter aus der unmittelbaren Abhängigkeit von einem einzelnen Unternehmer und der Abhängigkeit von seiner ständigen Arbeitsfähigkeit lösen. Aber diese Einkommensformen wie Rente usw. binden ihn, wie wir zeigen, noch unerbittlicher an sein lebenslanges Arbeiterdasein. Diese Einkommensformen lösen ebenso wie der Lohn nur ein, was der Inhalt der kapitalistischen Reproduktion der Arbeitskraft ist: in seiner individuellen Konsumtion bleibt der Arbeiter Bestandteil des Kapitals, denn dieses existiert nur in seiner beständigen Produktion und Reproduktion.
Die Höhe des gesamten Einkommens, das das Kapital der Arbeiterklasse zugesteht, richtet sich nicht allein nach dem naturnotwendigen Lebensminimum, sondern sie drückt auch den »politischen Preis« aus, für den die Arbeiter ihre Produktivität dem Kapital zur Verfügung stellen. Die Reproduktion der Arbeiterklasse besteht nicht in einem »ehernen Lohngesetz«, sondern in dem sozialen und politischen Verhältnis zwischen den Klassen. Zur Reproduktion der Arbeiter gehört nicht nur die Sicherung ihrer nackten Existenz, sondern auch die ständige Herstellung ihrer politischen Unterwerfung; die Anerkennung des Lohnarbeiterdaseins durch die Arbeiter ist Teil der Reproduktion. Je nach Klassenzusammensetzung und Bewußtheit der Klasse wird das Kapital daher auch eine höheren Preis zahlen müssen, der aber nichts daran ändert, daß mit ihm die Arbeiter in ihrer Eigentumslosigkeit fixiert werden.
»In der Tat gehört der Arbeiter dem Kapital, bevor er sich dem Kapitalisten verkauft.« (Marx)
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Pro und Contra BGE: Reitter versus Roth

2. November 2010 471 Kommentare

Anläßlich des anstehenden „Festes zur Grundeinkommens-Petition“ bin ich wieder auf den folgenden Artikel von Karl Reitter von grundrisse.zeitschrift für linke theorie & debatte (im Umfeld von Hardt/Negri und John Holloway) gestoßen, in dem er folgende Grundsatzkritik an Rainer Roth Broschüre „Zur Kritik des Bedingungslosen Grundeinkommens “ vorträgt:

Ich möchte diese Argumentation ausgehend von einem kurzen Abschnitt in Roths Broschüre diskutieren, in der sich seine Auffassungen verdichten: „Emanzipation, Freiheit, Selbstbestimmung und kapitalistische Warenproduktion sind ein Widerspruch in sich. Denn solange Privatleute für einen unbekannten Markt in Konkurrenz gegeneinander für die Verwertung ihres Kapitals produzieren, hat die Gesellschaft ihre Entwicklung nicht im Griff. (…) Die Menschen müssen erst Herr über ihre Verhältnisse werden, bevor von Emanzipation und Selbstbestimmung die Rede sein kann.“ (Seite 66) Mehr…

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Klassenstandpunkt und Kontonummer

27. Oktober 2010 Kommentare ausgeschaltet

Ab und zu legen sich politische Organisationen aus dem DKP-Umkreis blogsport-Blogs zu. Anfangs dachte ich ja, daß das Fakes sind (siehe diesen Beitrag), mittlerweile sind es so viele, daß das wohl schon immer falsch war. Auffällig ist, daß die Macher fast durchgängig keinen Wert auf Kommentare legen. Beim neuesten Blog dieser Szene Position, dem Magazin der SDAJ, ist wie zumeist die Kommentarfunktion auch gleich geschlossen worden. Als Ausgleich darf dann jeder gerne seine Kontonummer angeben, das scheint die Art der Kommunikation zu sein, die sie mögen.
Als Trost gibt es dafür markige Sprüche wie diesen von Rosa Luxemburg:

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass dieser Staat zerstört werden muss.

Anders als Cato hat Rosa Luxemburg ihr Ziel leider nicht erreicht und ich bestreite auch, daß es diesen SDAJlern gelingen wird, es ist ja schon zu bezweifeln, daß die das überhaupt wirklich wollen, so wie ihre Politik aussieht. Schließlich hält sich die DKP zu Gute, zu der Sorte Kommunisten zu gehören, „die sich nichts Gesetz- oder Verfassungswidriges hatten zuschulden kommen lassen“ (zit. nach UZ der Zeitung der DKP). Das stimmt ja sogar weitgehend, aber wofür spricht das?

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SDS: Wer heute kürzt, zahlt morgen drauf!

26. Oktober 2010 4 Kommentare

Einer der bekannteren Vortragsredner des GegenStandpunkt hat mal am Beispiel der Studierendenbewegung aufgezeigt, daß demokratischer Protest immer im Gewand des Gemeinwohls daher kommt, um ja nicht partikulare Sonderinteressen anmelden zu müssen, die schon deshalb von der Staatsmacht und deren Öffentlichkeit abgebürstet werden, daß da nur wieder Egoisten zu Gange sind, die das Große, Ganze nicht zu berücksichtigen wüßten. Der Protest kommt dann daher leider regelmäßig mit Argumenten, daß der Ansprechpartner (Gegner wäre ja schon zuviel gesagt) sich mit dem Kritisierten selber schaden würde, seine ureigensten Ziele nicht mehr so gut erreichen könnte, wie mit dem, was man ihm alternativ ans Herz zu legen versucht.
Ein besonders schönes Beispiel für solches Denken in der Pose des unterwürfigen Andienens liefert jetzt der Sozialistisch-Demokratische Studentenverband dieLinke.sds Leipzig, der mit der Parole in den Protest der Studierenden interveniert:

Bildung ist mehr Wert! Wer heute kürzt, zahlt morgen drauf!

Das überlegen sich die Schavans & Co. schon selber, was für eine erfolgreiche Kapitalakkumulation notwendig ist, welche Investitionen sich rechnen und was fürs Wachstum rausgeschmissenes Geld ist. Jetzt sind die offensichtlich der Auffassung, daß dafür der Aufwand je Absolvent ihrer Hochschulen merklich verringert und die Zeit bis zu einem in der Wirtschaft einsetzbaren Absolventen merklich verkürzt werden muß.
Daß ausgerechnet einem sich als sozialistisch beschreibenden Studentenverband der Erfolg der imperialistischen BRD so am Herzen liegt, ist dann nur noch bittere Ironie.

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Streifzüge/Krisis zur Nation

26. Oktober 2010 Kommentare ausgeschaltet

Statements von Autoren aus dem Krisis/Exit/Wertkritik-Umfeld sind normalerweise außerhalb meines Horizonts (dafür schätzt das Umfeld der Linkspartei z.B. Robert Kurz, den wohl bekanntesten Kopf dieser Richtung in letzter Zeit zunehmend mehr). Meine RSS-Sammelmaschine (RSSOwl, kann ich nur empfehlen) grast aber auch sowas mit ab, konkret die Streifzüge der Krisis-Leute.
So bin ich auf eine Wiederveröffentlichung aufmerksam gemacht worden, ein längeres Zitat aus einem schon 1995 veröffentlichten Buch „Biologismus – Rassismus – Nationalismus. Rechte Ideologien im Vormarsch“.
Da auf deren Webseite noch weniger diskutiert wird als sonst (man kann bei denen zwar die Artikel als RSS-Feed abonnieren, die paar Kommentare dort waren es ihnen vielleicht auch deshalb aber nicht mal wert, auch automatisch weiterverbreitet zu werden), bringe ich hier meinen Kommentar von dort nochmal:

Warum jetzt diesen doch schon in die Jahre gekommenen Text wieder hochholen? Warum fehlt da jeglicher Hinweis, was sich die Schreiber von damals mittlerweile dazu denken, wohlmöglich nachdem Dritte auch was dazu gesagt hatten, es vielleicht sogar kritisiert haben?
Was sollen einem Definitionen wie diese eigentlich sagen:
„Nation ist kein “für die Zukunft ein gültiges und zuträgliches Konzept menschlicher Kommunikation”. Seit wann geht es beim Hin und Her der Nationen um Kommunikation? Wer hat denn sowas ernsthaft je behauptet?
Bei manchen nicht gerade tiefschürfenden Erkenntnissen wie
“Nationen sind also geworden und können somit auch wieder vergehen. Sie sind nicht eherner Bestandteil der menschlichen Geschichte, sie sind Ausformung, nicht Voraussetzung geschichtlichen Wirkens.” frage ich mich ernsthaft, ob das nun ein lächerlicher oder doch ein ernst gemeinter Text war.
Stimmt die These des Zerfalls des Nationalstaats(konzepts) überhaupt, die da behauptet wurde:
“Die internationale Kapitalherrschaft hat heute alle nationalen Schranken relativiert, ja niedergerissen.”
Erleben wir nicht gerade in letzter Zeit ein enormes Wiederanziehen der nationalen Antagonismen selbst da, wo wie in der europäischen Union heilige Eide geschworen worden waren, daß sowas nun hinter uns liege? Gerade die Rettung des Inbegriffs von transnationalen Firmen, die Banken”rettung”, war doch ein durch und durch nationales Komnkurrenzunterfangen.
Von wegen “Auflösung der national orientierten Innen- und Außenpolitik!” “Festung Europa” wäre da doch eher angebracht als Charakterisierung (wobei es dabei ja noch nicht einmal die eine feste Burg gibt, wie man jetzt täglich sehen kann).
Und dann diese Einzeiler, die entweder aus Antagonismen oder aus Geleichsetzungen bestehen:
“Wann immer wir über die Nation nachdenken, stoßen wir auf den Staat. Er ist sie.” Daß das zwei paar Stiefel sind, hat die Autoren ja schließlich zu diesem Text veranlaßt. Dazu passt dann solcher Unsinn (der Pointe geschuldet?) wie
“Die Nation, die gibt es nur im Gefühl, sie ist eine Einbildung. Aber dieses Gefühl läßt einen nicht los.” Nicht mal die Autoren, möchte ich da fragen? Offensichtlich nicht, muß man betrübt wohl konstatieren. Es ist doch Stuß, wenn behauptet wird
“Nation ist die reale Fiktion, in die der Staat seine Bürger zwingt.” Wenn schon versucht zu zwingen. Und selbst dann ist das Verb falsch. Nationalismus ist eben eine Geisteshaltung und keine Lohnsteuerklasse, in die man als Staatbürger wie als Nichtstaatsbürger gleichermaßen gezwungen wird. Aber ganz so blöd sind die Autoren dann doch nicht, denn sie schieben dem Obigen gleich sein Dementi nach: “Aus dem Müssen der Unterworfenen muß jedoch ein Wollen werden.”
Selbst wenn sie das ausführen, bleibt es immer noch falsch:
“Sie ist das, was den Bürger freiwillig an den Staat binden soll. Das scheint der Vorteil gegenüber anderen Bezügen (Recht, Sitte, Moral) zu sein.” Recht ist völlig unabhängig von der Zustimmung der ihm Unterworfenen. Das galt in früheren Gesellschaften sowieso und ist in modernen Demokratien nicht anders. Es ist auch hier ein ewiges Indoktrinieren und Beschwafeln notwendig, damit die der jeweiligen Staatsmacht Unterworfenen das Recht auch als ihre “eigene” Moral internalisieren. Wie beim Nationalismus bedeutet dies für den Staat, daß die Menschen dann schon mal auf ganz eigenen Interpretationen bestehen, was denn nun national oder moralisch ansteht.
Auch die Gegenüberstellung “Alles Fremde ist ihm außen, und alles Äußere ist ihm fremd. Der Fremde hat daher draußen zu bleiben” ist falsch: Früher, in vornationalen Zeiten, da mögen die Anderen, die nicht dazugehören sollten, wirklich auch Fremde gewesen sein. Heutzutage in einer weltumspannenden erbitterten Konkurrenzwelt werden doch gerade die allzu bekannten Rivalen ausgegrenzt. So gut wie heute haben sich die verschiedenen Nationen doch früher gar nicht gekannt, die nationalen Unterschiede in den Sitten, Gebräuchen und Geschmäcker haben sich doch weltumspannend massiv eingeebnet. Das hat den Nationalismus der Konkurrenzler aber nicht grundlegend schwächer werden lassen.

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Zufall oder »Zufall«? Junge Welt meets Ofenschlot?

25. Oktober 2010 Kommentare ausgeschaltet

Ofenschlot zieht manches mal aus ganz kleinen Sachen recht weitreichende Feststellungen, die anderen vielleicht beim Lesen en passant gar nicht auffallen. So ist ihm jetzt ein Artikel in der Wochenendbeilage der „jungen Welt“ aufgefallen/aufgestoßen. Denn anders als die „junge Welt“ interessiert ihn wirklich, um was es den im Artikel zitierten Kontrahenten Lenin und den Anführungsstrichelinkskommunisten gegangen ist. Unter dem Titel „Der Wert des Kompromisses“ macht er in Anlehnung an Amadeo Bordiga einige Ausführungen zum Thema, das mittlerweile so total von allen Reformisten diverser Richtung zugeschüttet wurde, daß die realen Probleme für Revolutionäre schon lange kein Thema mehr sind (vor allem natürlich nicht bei „junge Welt“ und derengleichen).
Ironischerweise ist Brest-Litowsk auch für einen anderen Blogsportler, den anarchistischen Blogger und Unterstützer des GegenSandpunkts NestorMachno schon mal vor kurzem ein Punkt bitteren Vorwurfs an die Bolschewiki gewesen.

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Sozialdarwinismus pur oder doch lieber light?

21. Oktober 2010 Kommentare ausgeschaltet

Auch ein stalinistischer zynischer Wüterich wie „Stanislaw Hirschfeld“ findet manchmal ein Korn der Wahrheit, vor allem, wenn es so offensichtlich ist, wie in diesem Fall. Vor allem aber, weil er, im Gegensatz zu mir, offensichtlich noch die Zeitung der DKP „Unsere Zeit“ liest. Da ist er auf den Artikel „Erschreckende Ergebnisse“ über eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung gestoßen, die offensichtlich SPDler wie DKPler überrascht und tief bewegt hat:

„Fazit: Von einer Links-Entwicklung im Land sind wir weit entfernt. Sabine Schiffer vom Institut für Medienverantwortung sieht „wichtige Signale für ein Driften nach rechts“. Der Studie ist nicht nur eine starke Verbreitung zu wünschen. Mit den Ergebnissen muss sich auch die DKP befassen, um entsprechende Schlussfolgerungen für die politische Arbeit in den verschiedenen Politik-Bereichen zu ziehen.“

Wie Stalinisten schon sehr früh auf sowas reagiert haben, kann man der berühmt/berüchtigten „Programmerklärung zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes – Proklamation des ZK der KPD, 24. August 1930“ entnehmen, die man z.B. hier online nachlesen kann
Hirschfeld hat jedenfalls mit folgendem öffentlichen Brief/Leserbrief geantwortet:

Sehr geehrte UZ,
kaum hat man’s dank einer Umfrage mal wieder schriftlich, was in den Köpfen der Deutschen so vorgeht, denkst Du Dir sowas:
„Von einer Links-Entwicklung im Land sind wir weit entfernt.“
Huch, welch‘ Überraschung! Fällt Dir in der Wüste auch spontan ein, daß „wir“ „uns“ gerade nicht direkt in der Nähe fruchtbaren Ackerlandes befinden? Und was treibt Dich eigentlich dazu, der Studie eine weite Verbreitung zu wünschen? Willst Du etwa den Millionen Nazis die Sorge um etwaige Isolation nehmen? Keine Angst, die wissen nur zu gut um ihre Hegemonie, das haben Kanaillen wie Seehofer, Sarrazin oder Westerwelle denen doch schon ohne Ende verdeutlicht, indem sie bekanntgaben, wen man in seiner Freizeit mit einem Pogrom überraschen darf: Antideutsche Kanacken und asoziale Arbeitsverweigerer immer gerne, Juden erstmal besser nicht, denn die gehören aus Gründen der Imagepflege zum Abendland, jedenfalls solange, bis die Sache mit den ehemaligen Alliierten und diesem einen Staat im Nahen Osten zur Zufriedenheit der Volksgemeinschaft geklärt ist.
Sei mal realistisch,
Dein Genosse Hirschfeld
PS: Hast Du Dich wirklich erschreckt, als Du die Zahlen gelesen hast? Wovor denn? Das hier ansässige Volk könntest Du besser kennen.

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David Harvey’s Kapitaleinführung demnächst auf deutsch

18. Oktober 2010 Kommentare ausgeschaltet

Per Zufall (über die Referenten des anstehenden UG-Kongresses) bin ich darauf gestoßen, daß jetzt im November bei VSA die deutsche Übersetzung von David Harvey’s Einführung ins Kapital erscheinen wird:
Marx »Kapital« lesen: Ein Begleiter für Fortgeschrittene und Einsteiger [Broschiert]
David Harvey (Autor), Christian Frings (Übersetzer)
Preis: EUR 24,80
Update: Ich habe mir leider sagen lassen müssen, daß das Buch doch noch nicht fertig ist und es im Augenblick so aussieht, als ob das vor Mai 2011 wohl nicht wird erscheinen können. Schade eigentlich.
aus dem Ankündigungstext von VSA:

Die größte Finanz- und Wirtschaftskrise seit der Großen Depression und der Versuch, die Ursprünge dieses aktuellen Dilemmas zu verstehen, hat das Interesse an Karl Marx‘ Werk – quer durch die politischen Lager – beträchtlich ansteigen lassen.
David Harvey, marxistischer Humangeograph und Sozialwissenschaftler, forscht und unterrichtet seit fast 40 Jahren zum »Kapital«. Hervorgegangen aus seinen Vorlesungen zur Kapitallektüre, denen große internationale Aufmerksamkeit zuteil wurde, zielt dieser Band darauf, die Substanz dieser Lektionen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
Das »Kapital«, Band 1, vollständig zu erschließen und es in Marx‘ eigenen Begriffl ichkeiten verständlich zu machen – das ist das Ziel von David Harvey. Seine Darstellung richtet sich zum einen an Neu-LeserInnen von Marx, die einem faszinierenden und zutiefst lohnenden Text begegnen. Denjenigen wiederum, die bereits mehr oder weniger intensiv in Marx‘ Werk eingestiegen sind, bietet sein Wegweiser originelle und kritische Interpretationen eines Buches, das den Lauf der Geschichte geändert hat und sich, wie Harvey zu verstehen gibt, erneut anschickt, dies zu tun.

Ich hatte hier schon auf seine Vorlesungsmitschnitte zum Thema hingewiesen.

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Aus der Serie „Traurig aber wahr“: Sabine Nuss zum Eigentum

14. Oktober 2010 21 Kommentare

Auf dem Blog von Straßen aus Zucker wird auf ein kleines YouTube-Videoschnipsel von leftvision hingewiesen:
Sabine Nuss zum Begriff des Eigentums [Diskurskombinat]
Natürlich kommt zum Schluß (also schon nach 4:17 Minuten, es ist wie gesagt nur ein Schnipsel) die obligatorische Frage nach der „Alternative zum Eigentum“. Sabine Nuß antwortet darauf:

„Ha, das ist eine große Frage. … Alles für alle oder Commons, Gemeineigentum, das klingt immer ganz schön. Aber ich fände es nach wie vor besser zu überlegen, …vor ein paar monaten ein paar Jahren hat da in der Region eine Fabrik zugemacht, die ist jetzt dicht, die Leute sind entlassen, da stehen aber immer noch die Maschinen, man könnte morgen aufmachen und was produzieren, laßt uns doch dahin gehen und die Fabrik aneignen und gucken, das wir da was herstellen zu den Bedingungen, wie wir uns das wünschen.

Das hat mich mich an einen Tiefpunkt meiner früheren trotzkistischen Propagandabemühungen erinnert, was ich schon mal irgendwo beschrieben habe:
Die Frage, was man in einer solchen typisch üblen Situation überhaupt anbieten kann, ist ja eine ganz alte und wichtige. Die klassische reformistische Antwort ist immer die Verstaatlichung gewesen. Auf deren Kritik will ich hier nicht eingehen. Aber was dann? Wenn man nicht sagen will, da geht eben nichts unterhalb eines Arbeiterstaates, der die Internationale des Kapitals wenigstens für einige Zeit vom Hals halten könnte, kommt man manchmal richtig auf Blödsinn: Die amerikanische Sektion der internationalen Spartacist Tendency hat während der Chryslerkrise vor 25 Jahren wie folgt argumentiert:

„Wenn Chrysler bankrott geht, dann sollten die Arbeiter die Fabriken besetzen und verteidigen. Nicht Piraterei sondern Meuterei.“
„Eine Arbeiterauktion?
Wenn Chrysler pleite ist, entweder weil sie schlecht investiert haben oder weil sie von ausländischer Konkurrenz geschlagen wurden, dann soll der Laden eben untergehen statt diesen riesigen Verlustmacher weiter zu subventionieren. Warum sollten die Steuerzahler die Zeche bezahlen? All das Gerede der Sozialdemokraten reden von einer Verstaatlichung von Firmen, die Verluste einfahren ist nur die Verschleierung der Forderung nach staatlichen Subventionen.
Der einzige Weg, bei dem Arbeiter auch nur eine Hoffnung auf eine Lösung der Situation einer untergegangenen Firma haben, ist die Betriebsbesetzung. Nicht Piraterei sondern Meuterei. Entweder Chrysler ist pleite oder es ist es nicht. Wenn Chrysler pleite ist sollten die Arbeiter demokratisch einen ausschuss wählen, der Chrysler liquidiert. Aber keinen Cent an die Wall Street Aktionäre von Chrysler! Sollen doch die Aktien, anleihen und Bankschulden den Bach runter gehen! Alles Geld, was bei den Versteigerungen der Vermögensgegenstände reibkommt, sollte an die Chryslerarbeiter gehen, einschliesslich der Immigranten. Wenn man den gegenwärtigen Marktwert nimmt, dann sind das rund $ 55.000 pro Beschäftigtem.
Nemmt es, es gehört euch!
Die reformistische Praxis der Nationalisierungen und zwar nur der am uneffektivsten kapitalistischen Unternehmen ist in gewisser Weise das exakte Gegenteil einer sozialistischen Enteignung. Sozialistische Wirtschaftsplanung basiert gerade auf der Enteignung der fortschrittlichsten Produktionsmittel.
Arbeitslosigkeit, infaltion und die Verwüstungen der Krise werden die Arbeiter plagen solange der Kapitalismus bestehen bleibt. Unsere Antwort heisst deshalb: eine Arbeiterregierung, die die grossen Ölkonzerne, General Motors, Ford und die den Rest der produktiven Resourcen an sich reisst und sie im Interesse der Arbeitenden organisiert, damit endlich alle einen Arbeitsplatz und einen anständigen Lebensstandard kriegen können“.

Das klingt doch ziemlich wüst, jedenfalls völlig irre in seiner pseudokonkreten Schimäre eines Arbeiterparadieses auf dem Betriebsgelände eines Schrottladens. Wurde übrigens auch nichts draus, weder aus der Chryslerbesetzung und Verscherbelei noch aus der iST. Daß eine Redakteurin der „Prokla“ (deren Chefredakteur Michael Heinrich ist), die schon lange nicht mehr „Probleme des Klassenkampfes“ mehr heißen mag (so habe ich sie vor vielen Jahren gekannt) so punktgenau auf die gleichen „Lösungen“ kommen wie Trotzkisten, die sich viel auf ihre revolutionäre Stringenz einbilden, das hat mich dann doch verwundert.
Hier ein Beitrag mit längeren Zitaten aus den damaligen Artikeln im Workers Vanguard

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Heinrich-Kritik a la DKP: „Der lange Schatten des Objektivismus“

27. September 2010 8 Kommentare

Auch in den Denker-Kreisen der DKP hat man verärgert festgestellt, daß es auch noch andere Denker gibt, die sich mit Marx beschäftigen. Jedem normalen Linken fällt da sicherlich *der* Bestseller-Author der Szene ein: Michael Heinrich. Und eben nicht gleich jemand wie Werner Seppmann. Der sah sich vielleicht auch deshalb bemüßigt, sich diesen Konkurrenten vorzunehmen und hat in der „jungen Welt“ vom 21.09.2010 den vom jemand wie ihm zu erwartenden Verriß geschrieben.
Das wiederum hat gleich schon einen Kritiker dieser Kritik nach sich gezogen: Auf dem Blog Davidoseunomia (eunomia ist laut wikipedia „Die gute Ordnung der Polis (Stadt)“!!) nimmt ein Heinrich- und Elbe-Fan die Seppmann-Kritik auseinander.
Ach ja, es gab auch schon ernsthaftere Kritik an Heinrich: Im Gegenstandpunkt Heft 2-08 unter dem Titel „Wie man “Das Kapital” nicht schon wieder neu lesen sollte“ z.B. Hier als PDF.

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Paßt die Kategorie Ware widerspruchsfrei zur Planwirtschaft?

25. August 2010 Kommentare ausgeschaltet

Alfred Fresin weist in seinem Yahoo-Forum über sein Buch zur „Bedürfnisorientierte Versorgungswirtschaft – BVW“ auf einen Wiener Blog zur Planwirtschaft hin: http://plannedeconomy.blogworld.at/
Dessen Macher Martin Seelos schreibt über seine (web-)Zeitschrift „planned economy- wie Wirtschaft ohne Kapitalismus funktioniert“

Diese Ausgabe von planned economy versucht die Auffassung zu widerlegen, das die Kategorie
Ware widerspruchsfrei zur Planwirtschaft passe. Die Antwort auf diese Frage müsste auch jene
nach dem Schicksal des Geldes nach sich ziehen.

Das sind schon mal gute Fragen.

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Alfred Fresin: Der bürgerliche Staat – Kritik und Alternativen

24. August 2010 9 Kommentare

Alfred Fresin hat auf der östereichischen Webseite „Streifzüge – Magazinierte Transformationslust – unsachlich wertlos jenseits“ (auf der unter anderen auch Franz Schandl von krisis und Michael Heinrich von der Prokla schreiben) einen Artikel zum bürgerlichen Staat geschrieben.
Einige werden ihn kennen als den Autor des Buches „Die bedürfnisorientierte Versorgungswirtschaft: Eine Alternative zur Marktwirtschaft„, ich hatte hier darauf hingewiesen. Es ist auch online nachzulesen: http://stattkapitalismus.blogsport.de/.

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