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Die Zeit des Ausnahmezustands ist vorbei

19. Februar 2007 Kommentare ausgeschaltet

Wir haben in der jüngeren Geschichte dreimal sehr viel Geld investiert und nur einmal ist eine positive Dividende herausgekommen.

(Günther Gloser, Staatsminister im Auswärtigen Amt, laut Weißenburger Tagblatt in einem Vortrag vor Gymnasiasten über den Vorteil der Investitionen in die Entwicklung der EU gegenüber denen in Ersten und Zweiten Weltkrieg, zitiert nach „Junge Welt“ vom 19.02.07
Praktisch genau die gleiche Wahrheit über die Kontinuität der Ziele des deutschen Imperialismus seit einem Jahrhundert hat vor einigen Jahren schon einmal der damalige Außenminister der BRD ebenso in Klartext formuliert:

Zwei Aufgaben gilt es parallel zu meistern: Im Inneren müssen wir wieder zu einem Volk werden, nach außen gilt es etwas zu vollbringen, woran wir zweimal zuvor gescheitert sind: Im Einklang mit unseren Nachbarn zu einer Rolle zu finden, die unseren Wünschen und unserem Potenzial entspricht. Die Rückkehr zur Normalität im Inneren wie nach außen entspricht einem tiefen Wunsch unserer Bevölkerung seit Kriegsende. Sie ist jetzt auch notwendig, wenn wir in der Völkergemeinschaft respektiert bleiben wollen. […] Unsere Bürger haben begriffen, dass die Zeit des Ausnahmezustandes vorbei ist.

(zitiert nach dem Wikipedia-Eintrag für Klaus Kinkel, der dies in einem FAZ-Artikel vom 19. März 1993 formuliert hatte: Deutsche Außenpolitik in einer sich neu ordnenden Welt)

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Der Kapitalismus funktioniert, wie er im Buche steht

16. Februar 2007 Kommentare ausgeschaltet

Die Seite “Darmstädter Destruktivismus” hatte vor einer Weile einen GSP-Text aus 1992 als eingscannte PDF-Version zur Verfügung gestellt. Den hat jetzt farbeRot auch hochgeladen, hier z.B. als PDF. Aber leider im Original-DIN A5-Layout, was sich zum Ausdrucken nicht so eignet. Gesagt getan, ich habe das PDF nochmals durchgenudelt und es auf meinem GMX-Medien-Center schon mal als DIN A4-PDF, zweispaltig, und zusätzlich als MS Word-Datei zur Verfügung gestellt. Wegen des Auslaufs des Zugangscodes jetzt auch hier in meinem Downloadbereich.

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Glauben Sie mir, es ist kein Vergnügen, in diesem Land Kommunist zu sein

8. Februar 2007 1 Kommentar

Das Zitat von Gerhart Eisler habe ich einer Buchbesprechung in der „Jungen Welt“ vom 08.02.07 entnommen.
Das besprochene Buch:
Ronald Friedmann: Ulbrichts Rundfunkmann. Eine Gerhart-Eisler-Biographie, Berlin: edition ost 2006, 285 Seiten, brosch., 14,90 € (ISBN 978-3-360-01083-4)

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Dieses Zeug ist so subversiv wie eine Gurke dialektisch!

6. Februar 2007 Kommentare ausgeschaltet

Die Gruppe “Kritische Studenten Darmstadt” hat zwar noch mehr zur Kritik des bürgerlichen Bildungswesens genauer zur Kritik seiner kritischen Freunde zu sagen, aber das ist doch das Highlight. Den Rest kann man übrigens beim „Darmstädter Destruktivismus“ hier nachlesen.

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KPD, Geschichte, Gegenstandpunkt

4. Februar 2007 1 Kommentar

Was die Referer so auswerfen:
5. Delegiertenkonferenz der Organisation zum Aufbau der kommunistischen Partei in Deutschland –Roter Oktober

Die Gruppe um die Zeitschrift Gegenstandpunkt (früher nannten sie sich Marxistische Gruppe, haben sich offiziell aber aufgelöst) ist vor allem publizistisch tätig. Ihre Zeitschriften-Bücher sind sehr schwammig geschrieben, ohne eine klare Orientierung, einen klaren Standpunkt zu geben. Diese Gruppe, die nur das Kapital als Schrift anerkennt, führt viele Veranstaltungen durch, sie konzentriert sich vor allem auf Intellektuelle und bedient sich auch einer elitären Sprache. Auf wichtigen Demos sind sie nur selten anzutreffen.
Die Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands (SpAD) war bei der Bundestagswahl für den Wahlboykott. Diese Partei läuft fast jeder Demo mit ihren Propagandisten hinterher. Sie ist wohl die trotzkistischte Organisation, die am offensivsten den Trotzkismus in seiner offenen Form verbreitet. Weiter vertritt diese Spartakist-Partei auch Forderungen wie die nach Atomwaffen für Nordkorea. Mit solchen Gegenpol-Theorien glaubt sie wohl, den Einfluss der imperialistischen Mächte begrenzen zu können.

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Die Zukunft der Menschheit, wieder einmal

2. Februar 2007 2 Kommentare

Prof. Heinz Dieterich, laut Wikipedia als „Protagonist der neuen „Bremer Schule“ der Sozialwissenschaftler“ bekanntgeworden, hat wieder einmal zugeschlagen, daß einem geradezu der Atem wegbleibt um in seinem atemlosen Fanfarenstil zu bleiben. So jedenfalls fängt er in der „jungen Welt“ vom 02.02.07 seinen Artikel über WASG und Linkspartei.PDS an:

Die Bedeutung des Parteibildungsprozesses der Linken in Deutschland geht weit über den nationalen Rahmen hinaus. Er ist, in der Tat, von geostrategischer Bedeutung für die Zukunft der Menschheit. Eingebettet in die staatsterroristisch-bürgerliche Weltachse USA-Europa-Israel-Japan wird die politische Ausrichtung der zukünftigen Partei von zentraler Relevanz für den Kampf im Herzen einer der wichtigsten Imperialmächte der Welt sein. Die Optionen sind klar: eine neue bürgerlich-liberal-sozialdemokratische Partei, eine Partei nachkapitalistischer Zivilisation oder eine evolutionäre Kombination von beidem, die zur Achse einer europäischen Massenbewegung des demokratischen Sozialismus des 21. Jahrhunderts werden kann.

Quelle
Wenn Matthias Richling mal einen modernen Reformisten/Ex-Stalinisten oder ähnliches karikieren wollte, dann wären Artikel von Dieterich ein gefundenes Fressen. Der hingegen meint das wohl „in der Tat“ ernst.

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Von der Defensive (endlich) zur Offensive?

22. Januar 2007 Kommentare ausgeschaltet

Im „Bolschewik“ Nr. 24 für 2007, Zeitung der deutschen Sektion der
Internationalen Bolschewistischen Tendenz, heißt es:

Die Armee wurde verkleinert, aber dafür von einer defensiven Verteidigungsarmee hin zu einer aggressiven Angriffsarmee umgestaltet

Die werden doch nicht ex post zugegebenerweise recht verspätet auch noch zu Vaterlandsverteidigern geworden sein?

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Nun soll Biermann also die Berliner Ehrenbürgerwürde angedient werden …

22. Januar 2007 Kommentare ausgeschaltet

Aus den Leserbriefen der „jungen Welt“ (22.01.07):

»Nun soll Biermann also die Berliner Ehrenbürgerwürde angedient werden. Eigentlich kaum der Rede wert, wenn man bedenkt, daß wohl die meisten ›anständigen‹ BRD-Großstädte verdiente Kriegshetzer auf ihren Listen haben.«.

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Warum ist der Marxismus außer Mode?

19. Januar 2007 17 Kommentare

Von Gerald Braunberger (F.A.Z. vom 19.01.07)

Man könnte es sich bei diesem Thema leichtmachen: Ein Kollege schlug vor, unter der Überschrift „Warum ist der Marxismus außer Mode?“ lediglich ein großes Bild verfallender Häuser oder Fabriken aus der Endzeit der DDR abzubilden und darunter nur ein Wort zu schreiben: „Darum“. Wir wollen es etwas ausführlicher versuchen. …

Hier das ganze Schmankerl.
(Das Der FAZler bei Ernest Mandel als dem „vielleicht bekanntesten westlichen Ökonom marxistischer Prägung nach dem Zweiten Weltkrieg“ es nicht für nötig hält, zu erwähnen, daß der nicht nur marxistische Bücher geschrieben hat, sondern auch leitender Kader einer internationalen Partei war, die ihr Programm auch umsetzen wollte, ist dabei eine nicht ganz unverdiente Häme für diesen Genossen.)

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Türsteher vor der Festung Europa

5. Januar 2007 Kommentare ausgeschaltet

Die „Junge Welt“ vom 5.1.2007 schreibt:

Die spanischen Behörden dokumentierten, daß allein 2006 rund 6000 Flüchtlinge und Migranten auf dem Weg von Westafrika zu den Kanarischen Inseln ums Leben kamen. Die Dunkelziffer der Todesfälle an der gesamten europäischen Südgrenze liegt höher. »Europa trägt maßgeblich Verantwortung für das Massensterben«, so Karl Kopp, Europareferent von Pro Asyl.

Und das ist schon ausnehmend maßvoll formuliert.

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Work and Wealth

3. Januar 2007 Kommentare ausgeschaltet

Der GegenStandpunkt Verlag hat älteres Material jetzt ins Englische übersetzt online gestellt.
[translated from GegenStandpunkt: Politische Vierteljahreszeitschrift 4–96 (I–IV) and 1–97 (V)]

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Die Gewerkschaften – Teil des Problems oder Teil der Loesung

28. Dezember 2006 2 Kommentare

Unkommentiert die Weitergabe einer Info-Mail:

Mitschnitt eines Diskussionsbeitrages von Tom Adler (DC-Betriebsrat) zum Thema „Die Gewerkschaften – Teil des Problems oder Teil der Loesung“ zu einer Veranstaltung Ende November 2006 im Stuttgarter Sozialen Zentrum „Subversiv“
Bei Tom Adler handelt es sich wohl um einen der bekanntesten Repraesentanten der hiesigen Gewerkschaftslinken.
http://www.labournet.de/branchen/auto/dc/s/index.html

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Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?

15. Dezember 2006 Kommentare ausgeschaltet

Der GegenStandpunkt hat im Freies Radio Stuttgart kurz und knapp den letzten Friedensnobelpreis an M. Junus kommentiert:

Was ist das für eine Welt: da gilt als Hilfe, wenn ein Bankier sein Geschäft damit macht, dass er Armen in der „3.Welt“ Geld verleiht, ohne das diese gar nichts hätten! Was muss schon alles gelaufen sein, wenn Leben und Arbeiten gar nicht ohne Geld gehn, ja wenn Kredit, für den man vor allem anderen erst einmal dem Verleiher Zins zahlen muss, als Hilfe daherkommen kann? Dann müssen alle traditionellen Formen von Kooperation, Arbeitsteilung und sozialem Zusammenhang durch die Macht des Privateigentums aufgelöst und zerstört worden sein. Schon primitivste Arbeits- und Produktionsmittel sind unerreichbar ohne Geld. Ja, unter d e r Voraussetzung kann ein Bankier als Wohltäter gelten.

Da fällt manchem sicher auch noch Bert Brechts Klassiker aus der Dreigroschenoper ein:

Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Was, mein lieber Grooch, ist die Ermordung eines Mannes gegen die Anstellung eines Mannes?

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Sprachhygiene (und Israel)

14. Dezember 2006 Kommentare ausgeschaltet

Unter anderem contradictio.de hat auf folgendes hingewiesen:
Im morgen erscheinenen GegenStandpunkt 4-06 finden sich zwei Leserbriefe und die zugehörigen Antworten der Redaktion,
1. Sprachhygiene – kein Nebenkriegsschauplatz, sondern antikritische Political Correctness
2. Kritik des Artikels “Israel verteidigt sein Existenzrecht als regionale Supermacht” (aus GSP 3-06)
Wie man den links entnehmen kann, hat der GSP beide Sachen schon online zur Verfügung gestellt.
Und wie man ebenfalls sehen kann, scheint Mpunkts Blog es tatsächlich zu einer gewissen Reichweite gebracht zu haben (dort war ja dieser Disput im August losgetreten worden).

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Armut als Massenmarkt (??)

1. Dezember 2006 4 Kommentare

Im Online-Spiegel gibt es ein saublödes Interview mit einem „Globalisierungs-Vordenker C. K. Prahalad“ zum Thema „“Die globale Wirtschaft ignoriert fünf Milliarden Konsumenten“ erschienen. Als wenn daß das Problem mit dem weltweiten Kapitalismus wäre.

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Noch was zum Amoklauf

30. November 2006 Kommentare ausgeschaltet

„Ideologiekritik“, der Blog vom u-asta-Referat in Freiburg, hat Thesem zum Amoklauf in Emsdetten, genauer zu den Gründen der Selektion an den Schulen geschrieben:

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Freerk Huisken zum Amoklauf in Emsdetten

30. November 2006 2 Kommentare

in der „Jungle World“ vom 29.11.06 ist von ihm folgender Artikel erschienen:

Schon wieder ein Einzelfall
Der Amoklauf von Emsdetten und seine öffentliche Bewältigung. von freerk huisken
Kaum in Emsdetten, war Barbara Sommer (CDU), die Schulministerin von Nordrhein-Westfalen, nur noch darum bemüht, ihren Verantwortungsbereich vor Vorwürfen zu schützen. Ein Einzelfall sei der Amoklauf von Emsdetten, von einem Einzeltäter verübt, der ein Einzelgänger war und schwer Kontakt zu anderen Menschen fand, meinte sie. Versagt hätten nicht die Schule und die Familie. Allenfalls sei eine »Kultur des Weghörens« verantwortlich zu machen. Versagt hätten »wir alle«, die »wir uns« nicht um ihn gekümmert hatten. Dabei sollte sich der Jugendliche am Tag nach dem Amoklauf wegen unerlaubten Waffenbesitzes vor Gericht verantworten – die zuständigen Kontrollorgane haben offensichtlich nicht weggesehen.
Sonderbar fanden ihn auch seine Mitschüler. »Ich suche Gott«, hat Sebastian R. ihnen auf ihre Fragen nach seinem Treiben geantwortet – den Religionslehrer hätte das wohl eher begeistert. Das Computerspiel Counterstrike hat auch er gespielt, wie der Robert Steinhäuser aus Erfurt. Und Waffen hat er gesammelt, die man, wer hätte das gedacht, über das Internet ganz einfach beziehen kann.
Damit ist auch dieser, wieder einmal völlig »unbegreifliche und sinnlose« Amoklauf, wie alle anderen vor ihm, einsortiert. Ein ziemlich durchgeknallter Typ, »innerlich zerrissen«, wie es allenthalben heißt, muss das gewesen sein. Wer begibt sich schon mit einer Pumpgun auf die Suche nach Gott? Verborgen hinter der Fassade des »lieben Jungen, der oft beim Grillen half«, muss er »sich und sein Leben gehasst« haben. Ein allgemeines Lamentieren hebt an, wohlfeile und mit Trauermiene verkündete Selbstbezichtigungen werden im Potentialis verkündet, die Debatte über das Verbot von »Killerspielen« ebenso aufgelegt wie die über die Verschärfung des Waffengesetzes. An der Schule muss sich natürlich auch dringend etwas ändern: z.B. braucht es mehr Schulpsychologen, Videoüberwachung, Anti-Aggressionstraining, Ganztagsschulen, kleinere Klassen, Waffenkontrolle usw. So geht es eine Zeit lang, die Entwicklung der Schule zum psychologisch betreuten Hochsicherheitstrakt macht wieder ein paar kleinere Fortschritte, dann legt sich die öffentliche Aufregung wieder. Bis zum nächsten Amoklauf, der dann auch wieder nur ein Einzelfall ist.
Dabei hat Sebastian R., der in »behüteten Verhältnissen« mit zwei jüngeren Geschwistern aufwuchs und nach der Absolvierung der Realschule einen Mini­job in einem Baumarkt hatte, in seinem Ab­schieds­brief – er gilt der Bild-Zeitung als »wirr« – die Gründe für seinen Rachefeldzug in aller Deutlichkeit dargelegt: »Man hat mir gesagt ich muss zur Schule gehen, um für mein leben zu lernen, um später ein schönes Leben führen zu können. (…) Das einzigste, was ich intensiv in der Schule beigebracht bekommen habe war, das ich ein Verlierer bin (…) habe danach gestrebt Freunde zu bekommen, die dich nicht als Person, sondern als Statussymbol sehen. (…) Eine Welt, in der Geld alles regiert, selbst in der Schule ging es nur darum. Man musste das neuste Handy haben, die neusten Klamotten und die richtigen ›Freunde‹. Hat man eines davon nicht, ist man es nicht wert beachtet zu werden (…) Ich habe mir Rache geschworen (…) Die Menschen, die sich auf der Schule befinden, sind in keinem Fall unschuldig. Niemand ist das. Ein Großteil meiner Rache wird sich auf das Lehrpersonal richten.«
Als »wirr« gilt also ein Schüler, wenn er die Verlogenheit der Schulideologien anprangert, die seit Generationen allen Schülern eingetrichtert werden. Denn das ist einfach nicht normal, wenn man die eigene Erfahrung mit der staatlichen Sortieranstalt Schule an der Aussage misst, dass es jedermann in der Hand habe, sich vermittels der Schule seinen Wunsch vom »schönen Leben« zu erfüllen. Es verhält sich nun einmal so, dass Schule massenhaft Verlierer produziert, die sich glücklich schätzen dürfen, wenigstens noch einen Minijob im Baumarkt zu erhalten. Und wer zudem die Erfahrung gemacht hat, dass Mitschüler das Sortieren auf ihre Art mit Hänseln, Treten und Schlagen fortsetzen, der hat dann ziemlich gute Gründe, der Schule – und den »Menschen, die sich auf der Schule befinden« – wenig freundliche Gefühle entgegenzubringen.
Auf Sebastian R. traf das zu. Dumm nur, dass er der verhassten Schule das Urteil abgenommen hat, dass ausgegrenzte, aussortierte, gemobbte Schüler Verlierer sind. Der ebenso falschen wie gemeinen Logik, die die Werke der Schule dem Schüler anlastet, der dann eben ein – vielleicht sogar geborener – Versager ist, hat er einerseits Glauben geschenkt. Andererseits war es seine feste Überzeugung, dass die Schule in ihm den Falschen erwischt hat. »Ich bin kein Versager, ich bin göttlich«, sagte er schließlich in seinem Abschiedsvideo. Und exakt das wollte er dann allen beweisen: Wenn ich mir schon nicht mit Geld, Handys und Klamotten jene Anerkennung verschaffen kann, die mir zusteht, lautete seine Devise, dann muss ich eben den Menschen der Schule auf andere Weise zeigen, dass ich kein Versager bin.
Und er hat sich als Demonstrationsmittel die brutalste Form von Überlegenheits­beweisen ausgewählt, die es gibt: Ich bin der Herr über euer Leben und euren Tod. Das ist natürlich für die öffentliche Betroffenheitsgemeinde erst recht verrückt. Denn diese Macht steht allein dem Staat zu, der darf Leute in den Krieg schicken, Leute wegsperren, sie im Notfall erschießen und überdies für eine Arbeits- und Umwelt sorgen, die gerade nur so viel jährlich sterben lässt, wie das Marktwirtschaft und Demokratie vertragen.
Eine »negative Anerkennungsbilanz« habe der ehemalige Realschüler für sich erstellt, verkündet der Jugendgewaltforscher Wilhelm Heitmeyer. Das findet er gar nicht in Ordnung. Gegen »Anerkennungsbilanzen« hat er also nichts. Sie müssen nur positiv ausfallen. Schüler, die in der Schule erfahren, dass ihnen nur noch die Aussicht auf Hartz IV offen steht, sollen wenigstens mit einer positiven »Anerkennungsbilanz« die Schule verlassen. Dann haben sie, wenn schon keine vernünftige Lebensperspektive, wenigstens einen ausgeglichenen Seelenhaushalt und halten, so die Erwartung, Frieden.
Dass sich auch Sebastian R. mit der Negativbilanz nicht abgefunden hat, sondern an einer positiven Bilanz bis hin zum ziemlich unfriedlichen Amoklauf gearbeitet hat, begreifen die Gewaltforscher nicht. Dabei passt das Treiben des Jungen gut zur Logik der Anerkennung: Wer dem Anerkennungswahn verfallen ist, wer also das Urteil über den Selbstwert der eigenen Person vollständig davon abhängig macht, wie viel Wertschätzung ihm andere entgegenbringen, wer folglich sein Leben unter den Imperativ gestellt hat, ein be- und geliebter, zumindest aber als Winner anerkannter Typ zu sein, wo er schon in den wirklich wichtigen Lebensbereichen nichts mehr zu erwarten hat (»Was soll das alles? Wozu soll ich arbeiten? Damit ich mich kaputtmaloche, um mit 65 in den Ruhestand zu gehen und fünf Jahre später abzukratzen?«), der hält es schwer aus, wenn ihm solche Bestätigung nicht entgegengebracht wird.
Die Schlussfolgerung, dann eben mit Gewalt zu erzwingen, was seine Umgebung ihm aus freien Stücken nicht gewährt, ist auch nicht allein in seinem Kopf geboren. So etwas kennt man, und zwar nicht allein aus historischen Szenarien, in denen der König jedem den Kopf abschlug, der es an Respekt und Anerkennung ihm gegenüber fehlen ließ. (Wenngleich heute in dieser Hinsicht im gesamten öffentlichen Leben die Köpfe mehr bildlich rollen.)
Mit der Rache ist dann die Anerkennungsbilanz wieder positiv, und für Sebastian R. hat sich sein Leben erfüllt. Seine Ehre ist mit Tod und Leid wieder hergestellt. Er ist gestorben auf einem Feld der Ehre, das er sich selbst und ganz für sich ausgesucht hat. Was natürlich schon wieder ein Zeichen von Verwirrtheit ist. Denn das Feld der Ehre bekommt man zugewiesen und man stirbt auf ihm fürs Vaterland und nicht für sich.

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De mortuis nihil nisi bene

26. November 2006 Kommentare ausgeschaltet

Das KF hat wohl endgültig geschlossen:

Das KF wird hiermit beendet.
Die Foren können weiterhin gelesen werden, aber neue Postings sind nicht mehr möglich. Sicherlich wird das KF irgendwann vollständig aus dem Netz verschwinden. Wer also noch Beiträge benötigt, sollte diese in den nächsten Wochen bzw. Monaten abspeichern.
Zu den Gründen ist nicht viel zu sagen. Ihr habt es sicherlich alle bemerkt: Die Quantität und Qualität der Diskussionsbeiträge sind seit längerer Zeit zurückgegangen. Außerdem fehlte den Admins die Motivation, in den Ruinen eines „linken“ Forums aufzuräumen.
Einen direkten Nachfolger des KF wird es nicht geben. Sollten sich jedoch (andere) Leute überlegen, ein ähnliches Projekt aufzuziehen, so sollten sie aus den Fehlern älterer Foren (siehe Moderationskriterien auf der KF-Startseite unter http://kf.x-berg.de ), sowie aus dem KF lernen. Diese Fehler auszumachen und zu beurteilen überlasse ich den LeserInnen, zumal eine weitere Diskussion um Statements hier nicht mehr möglich sein wird.
R.I.P., KF.
Viel Spaß noch. cu.

Huisken zu Emsdetten und die „Killerspiele“

26. November 2006 7 Kommentare

Interview von Michael Liebler (Radio Z, Nuernberg) mit Freerk Huisken zum Amoklauf von Emsdetten:
„Nur falsche Antworten auf Amoklauf“
Nicht sehr ausführlich, eben nur ein Kurzinterview, aber eben der notwendige Hinweis auf die Schule. Egoshooter würde Freerk Kindern übrigens dann doch eher ausreden wollen als besonders dämliche Spiele.
Zum Erfurter Amokläufer hatte Freerk schon ausführlicher was gesagt, unter anderem auf seiner homepage nachlesbar. Als Buch erschienen: z.B.
Erfurt – Was das bürgerliche Bildungs- und Einbildungwesen so alles anrichtet, VSA HH 2002

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„Marxistische Gruppe Sekte“ II

17. November 2006 4 Kommentare

Was man halt so findet, ein Auszug aus dem Hamburger Verfassungsschutzbericht aus dem Juli 2006:

Die MG ist eine revolutionär ausgerichtete linksextremistische Organisation. Ihre typische Grundhaltung ist eine destruktive, zynische und provozierende Kritik der demokratischen Gesellschaft. Sie erhebt Anspruch auf ein Erkenntnismonopol in politischen Fragen. Bei ihren Veranstaltungen existiert daher keine demokratische Diskussionskultur. Die Sichtweise der Gruppe wird vielmehr im Verkündungsstil bekannt gegeben. Dabei wird auch nicht ansatzweise um Problemlösungen gerungen. Kritische Einwände werden entweder ignoriert oder zerredet. Diese Taktik, die auf der Negation alles Bestehenden beruht, folgt dem angestrebten nihilistischen Etappenziel, erst einmal alle vorhandenen Strukturen und Werte der demokratischen Gesellschaft zu zerstören. Die MG trifft keine Aussagen darüber, welche Gesellschaftsform sie bevorzugen würde. Dieser Verzicht auf positiv definierte Ziele trägt dazu bei, die eigene Außenwirkung gering zu halten. Seit ihrer Scheinauflösung im Mai 1991 agiert die MG nicht mehr unter diesem Namen. Sie tritt vielmehr mit diversen Tarnbezeichnungen auf, so in mehreren Städten als „Redaktion Gegenstandpunkt“ – benannt nach der gleichnamigen, vierteljährlich bundesweit vertriebenen Publikation der Gruppe. Der Organisation gehören viele Akademiker an. Neue Angehörige sucht sie vornehmlich in dieser Gesellschaftsschicht, weshalb sie öffentliche Veranstaltungen und Schulungen gern an Universitäten durchführt. Auch ihr intellektuell-elitärer Sprachstil hindert sie daran, andere Zielgruppen zu erreichen. Gruppengehorsam, Konspiration und abgeschottete Wohnverhältnisse gehören ebenso zu den Merkmalen der Organisation wie berufliche „Seilschaften“. Die fest eingebundenen MG-Angehörigen streben gut dotierte gesellschaftliche Einflusspositionen in Wirtschaft und öffentlichem Dienst an. Diese Merkmale vermitteln in ihrer Summe einen sektenartigen Eindruck von der Organisation. Ihren Zusammenhalt wahrt die MG im Wesentlichen über die Publikation „Gegenstandpunkte“, in der die Sichtweise der Gruppe verbindlich dargestellt wird, sowie durch öffentliche und interne Veranstaltungen. Als Basisstrukturen dienen abgeschottete Wohngemeinschaften. Dr. Peter DECKER, ein MG-Spitzenfunktionär, veröffentlichte zum internationalen Tag der Arbeit einen Gastkommentar „Kostenfaktor mit Würde“ in der Tageszeitung „junge Welt“ in der für die Gruppe exemplarischen Argumentationsweise: „Auch er (der Lohnarbeiter) ist eine Rechtsperson. Auch mit ihm dürfen die Wirtschaftsmächtigen nicht alles machen: Sie dürfen ihn nicht umbringen, einsperren, foltern und nicht mehr ausbeuten, als es die liberalen Gesetze vorsehen. Die Herren Gewerkschafter wissen selbst am besten, dass der ganze Rechtsschutz, den der Grundgesetzartikel über die Würde des Menschen gewährt, nichts wert ist.“ Die Hamburger MG betreibt ihre öffentliche Agitation außer unter „Redaktion Gegenstandpunkt“ auch als „Arbeitskreis Arbeit und Reichtum“ (an der Universität Hamburg), als „Gruppe Anders Gesehen Hamburg“ (Internetpräsenz) und als „Gruppe Kritik und Diskussion“ (K+D). Mit diesen Aktivitäten wird neben der Stabilisierung des Mitgliederstamms und der Verbreitung der eigenen „Gegenstandpunkte“ auch die Werbung neuer Mitglieder verfolgt. Die monatlichen Veranstaltungen der „Redaktion Gegenstandpunkt“ im Altonaer „Werkhof“ wurden durchschnittlich von bis zu 100 fest eingebundenen Personen besucht. Das Gros der Besucher gehörte schon vor der Scheinauflösung der Gruppe an. Die Gruppe K+D nahm an der Hamburger „Agenturschluss“-Kampagne teil, die aus Protest gegen Sozialkürzungen den reibungslosen Ablauf in Arbeitsagenturen behindern wollte. Sie kooperierte dabei punktuell mit anarchistischen Gruppierungen. In der für Hamburg aufgelegten MG-Publikation „Gegenargumente“ von November/Dezember 2004 hieß es unter der Überschrift „Hartz IV soll weg! – Was soll her?“ in diesem Kontext: „Der kapitalistische Arbeitsplatz ist kein Heilmittel gegen wachsende Armut, sondern ihr Grund“ und „Arbeitslosigkeit ist die Form der Arbeitszeitverkürzung, die der kapitalistische Fortschritt hervorbringt“. Die Zwischenüberschrift „Der Ruf nach besserer Politik ist verkehrt“ unterstreicht die prinzipielle Gegnerschaft der MG zum politischen System der Bundesrepublik Deutschland.
Weder die grundsätzlichen politischen Auffassungen noch Veranstaltungen der MG fanden außerhalb ihres Anhängerkreises nennenswerte Resonanz.

(Im Original mit vielen fetten Hervorhebungen – als wenn es die bei diesem Text noch gebraucht hätte – die ich mir nun wirklich spare)

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