Die Wiener Gegenstandpunktler haben mit einer wunderschönen Überschrift zum GDL-Streik Stellung genommen: „Ein Arbeitskampf – natürlich im Ausland:“
Das hat mich an einen schon etwas älteren Disput erinnert, denn ich mit ihnen zu einem Artikel zur östereichischen Lehrergewerkschaft gehabt habe. Da diese „alten“ Argumente auch heute noch von Belang sind, will ich an einige Kernpunkte der Differenz erinnern:
Da ich ja die Haltung auch schon der MG zu den traditionellen hier im deutschsprachigen Raum zumeist sozialdemokratisch reformistisch beherrschten Gewerkschaften kannte, war ich überrascht, von den Wiener Genossen damals folgende These zu lesen:
“Ein Streik gegen die Verschlechterung unserer Arbeits- und Lebensbedingungen kann daher nur jenseits dieser Gewerkschaft organisiert werden. Wollen wir uns gegen die Veschlechte-rung unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen zu Wehr setzen, ist es daher notwendig eine Gewerkschaft ausserhalb des ÖGB zu organisieren!”
Dem haben dann die Genossen geantwortet,
„Dem entnehmen wir, dass Du den letzten Satz unseres Artikels „Plädoyer gegen die GÖD“ Du so verstehst, dass wir auf dem Standpunkt gewerkschaftlichen Kampfes stehen, ja sogar für die Gründung einer neuen Gewerkschaft neben der existierenden Gewerkschaft der öffentlichen Bediensteten GÖD eintreten. Zugege-ben, der letzte Satz in dem von Dir zitierten Artikel, legt dieses Missverständnis nahe. Da wir dieses – im letzten Satz angelegte – Missverständnis unbedingt vermeiden wollen, haben wir diesen Text mittlerweile von der Homepage entfernt.“
Sie haben dem noch hinzugefügt,
„Wenn Du schreibst:„Nur noch mal zur Klarstellung, ich scheine da einiges hier und anders-wo wohl doch total missverstanden zu haben: · Ihr seid keine Gewerkschaftsmitglieder, zahlt deshalb selbstverständlich auch keinen Cent… · Ihr könnt auch nur jedem, der arbeitet, davon abraten (”teuer verdient”)“dann liegst Du in den ersten beiden Punkten nicht falsch.“
Summary von ihnen war dann der apodiktische Satz:
„Gewerkschaften, die „einen Lohnstreik organisieren“ existieren tatsächlich nur in Deiner Phantasie,“
Nun zeigt sich doch aber gerade, daß selbst aus so einem häßlichen Entlein wie der GDL, die von CDUler Schell und Seinesgleichen all die vielen, vielen Jahre, die hinter uns liegen, kri-tiklos mit Sozialpartnerschaft geführt wurde, ohne daß da groß Opposition aus ihren Reihen bekannt geworden wäre, auf einmal zu einem (wenn auch nur vergleichsweise) ansehnlichen Schwan geworden ist, der überraschenderweise was tut, wofür Gewerkschaften mal gegründet und wofür sie auch notwendig sind: Sie streiken, und zwar relativ „richtig“,also mit dem Vor-satz un in einer Art und Weise, dem Gegner wirklichen Schaden zuzufügen, um Verschlechte-rungen des Lebensstandards der von ihnen organisierten Arbeiter zurückzukämpfen. Mehr nicht, aber doch offensichtlich das.
Wieso kommen die Gegenstandpunktler also zu so einem absurden Satz wie oben?
Es ist ja historisch nichts Neues, daß durch und durch systemtreue Gewerkschaften, die alles andere wollen als das Lohnsystem zu Fall zu bringen (und deren Widerspruch es ja auch ist, von der Weiterexistenz ihrer Mitglieder als Lohnarbeiter auszugehen), ab und zu tatsächlich doch mal was Substantielles erkämpfen. Da muß man zwar in der deutschen Gewerkschaftsgeschichte buchstäblich Jahrzehnte zurückgehen, um im Heuhaufen der Ausverkäufe und mittlerweile manchmal geradezu massiven Verschlechterungen mal eine erkämpfte Verbesserung zu finden, aber so was gab es – und gibt es immer noch.
Oder um wieder die Gegenargumente zu zitieren:
„Bei Vorliegen eines Klärungsinteresses wäre es sehr leicht zu erkennen, dass der kritisierte Zustand des ÖGB, DGB usw. die konse-quente Folge und Umsetzung des Standpunktes ist, auf dem jede Gewerkschaft mit ihrer Gründung steht. Jede Gewerkschaft behandelt den Kapitalismus nämlich als Lebensmittel der Arbeitnehmer. Das ist er aber nicht.“
Dem möchte ich Margaret Wirth entgegenhalten, die zum Schluß der Diskussion in München vor ein par Tagen gesagt hat:
„Die Gewerkschaft organisiert den Widerspruch der Lohnarbeit. Sie organisiert die Notwen-digkeit, und da gehört auch der Kampf dazu, … Und das ist immer so ein Gedanke: Wenn der Kampf dazugehört, dann ist das doch gut. Ich muß ehrlich sagen, in einer Gesellschaft, wo man immerzu um seinen Lebensunterhalt kämpfen muß, was soll ich denn an der gut finden?
Streik ist doch nichts Schönes, Streik ist eine Notwendigkeit, die sich aus der Notwendigkeit ergibt, von Lohn leben zu müssen. … Insofern beantwortet sich damit für mich auch die Frage, ob ich der Meinung bin, ob es eine gute oder eine schlechte Gewerkschaft gibt. Gewerkschaften sind im Kapitalismus notwendig. Und das ist auch schon die Kritik an ihnen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“
Mir scheint es, daß das praktische außer Acht lassen der einen Seite der Notwendigkeit die Kritik entwertet, die als Kehrseite der gleichen Medaille daran geäußert wird.