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Haben wir eine Wahl? Mitschnitte der Veranstaltungen

22. Oktober 2009 3 Kommentare

Die Organisatoren der Kampagne „Haben wir eine Wahl?“, die zu diesem Thema in Stuttgart einige Veranstaltungen gemacht hatten, haben nun doch Mitschnitte der

Podiumsdiskussion mit Ariane Raad, Daniel Behrens, Jörg Bergstedt und Nico Stepper: „DIE LINKE wählen – eine geeignete Alternative?“, Stuttgart-Heslach, Altes Feuerwehrhaus vom Donnerstag, 24. September 19.30Uhr

veröffentlicht. Technisch und vor allem inhaltlich ist es aber bekanntlich nicht so toll gelaufen, wie es erwartet worden war.

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Was hat man davon, wenn man die Linkspartei wählt?

21. Oktober 2009 1 Kommentar

Ein bei einer interessanten linken Archiv-Seite (www.linke-buecher.de) (die unter anderem selbst Blogdiskussionen, auch von hier, zusammengetragen hat) gefundenes Flugblatt des GegenStandpunkt zur Bundestagswahl 2005, aber immer noch passend, leider:

Die etablierten Parteien werben um Wählerstimmen mit dem Versprechen, dass das von ihnen als notwendig erklärte Reformprogramm für Arbeiter und Arbeitslose, Junge und Alte, Gesunde und Kranke -also für „uns alle in Deutschland“ – am effektivsten durchgesetzt wird. Alle behaupten sie, dass nur mit der konsequenten Fortsetzung der „Reformen“ die deutsche Wirtschaft wachsen und „Deutschland wieder Spitze“ werden könne. Die Fortsetzung des als „Agenda 2010″ bekannten Verarmungsprogramms -so weit sind sich die rot-grün-schwarz-gelben Bewerber um die Regierungsämter parteiübergreifend einig – ist unabdingbar erforderlich. Die fortschreitende Verarmung der arbeitenden Massen steht fest. Die Linke.PDS wirbt demgegenüber um Wählerstimmen mit dem Versprechen, für „eine andere Politik“ zu streiten. Aber worin soll sie bestehen, diese andere Politik der Linkspartei?

Hierzu einige kritische Fragen an den Kernforderungen der Linkspartei entlang:

„Steigende Einkommen für genügend Kaufkraft und mehr Arbeitsplätze“
Soll es also dabei bleiben, dass es Arbeitsplätze, also Lebensunterhalt für Eigentumslose, nur gibt, wenn die Unternehmen profitabel verkaufen können? Dass es also mehr Arbeitsplätze nur geben kann, wenn es ihnen gelingt, ihren Umsatz zu steigern? – Wer die Arbeitslosigkeit durch steigende Einkommen bekämpfen will, sollte allerdings bedenken: Steigende Löhne, mit denen sich Lohnarbeiter mehr Waren kaufen könnten, für deren Produktion die Unternehmen vielleicht neue Arbeitsplätze schaffen (sofern sie nicht rationalisieren), sind höhere Kosten: Es ist, als wollte man die Unternehmer dazu auffordern, sich die zusätzlich hergestellten Waren selber abzukaufen. Selbst wenn die Unternehmer darauf eingingen, Löhne zu erhöhen – das einzige Mittel dazu wäre allerdings die Drohung mit der Lahmlegung rentabler Produktionsstätten durch Streik, nicht die Wahl welcher Partei auch immer -, wäre noch lange nicht ausgemacht, dass sie zur Deckung der zusätzlichen Nachfrage nach Konsumgütern mehr Leute einstellen. Bei steigenden (Lohn-)Kosten pflegen Kapitalisten nämlich zu rationalisieren, um die Rentabilität mindestens zu halten – und senken genau dadurch ihre Lohnkosten, also die Massenkaufkraft.

„ Weg mit Hartz IV-keine Sozial- und Rentenkürzungen“
Soll es dabei bleiben, dass der Verdienst der abhängig Arbeitenden – wenn überhaupt – nur fürs täglich Notwendige reicht, nicht aber für den Lebensunterhalt im Alter oder bei Arbeitslosigkeit? Soll die deswegen notwendige Hilfe für Alte und Arbeitslose weiterhin aus Lohnabzügen bei den in Arbeit befindlichen Leuten finanziert werden? – Dann gehört die besondere Armut der Rentner und Sozialfälle aber bestimmungsgemäß zu diesem System. Mehr als 800 € Rente oder 750 € Grundsicherung sind dann wirklich nicht drin, und der Druck auf Arbeitslose, Arbeitsstellen zu jeder Bedingung antreten zu müssen, ist schon allein dadurch unausweichlich, dass niemand von einer systemverträglichen Grund„sicherung“ leben kann.

„Solidarische Krankenversicherung – keine Kopfpauschalen“
Soll weiterhin gelten, dass im Sinne des Unternehmenserfolgs für wenig Geld immer länger und intensiver Leistung erbracht werden muss? Ist das denn nicht der Grund dafür, dass die Kosten des Gesundheitssystems seit Jahrzehnten unaufhaltsam steigen? – Dann wird es dabei bleiben, dass die gesetzlichen Krankenkassen bei sinkenden Einnahmen für immer mehr Krankheitsfälle zu bezahlen haben. Den „Besserverdienenden“ einen Zwangsbeitrag zur Krankenversicherung abzuverlangen, ändert nichts am Krankenstand, sorgt aber dafür, dass die Unternehmer nicht weiter mit den Kosten belastet werden.

„Mehr öffentliche Investitionen und Ausbau sozialer Dienstleistungen“

Soll weiterhin gelten, dass der Lohn für viele Lebensnotwendigkeiten nicht ausreicht, so dass diejenigen, die ihr ganzes Leben für ihn arbeiten müssen, abhängig sind und bleiben von einer staatlichen Armutsverwaltung, die die Linkspartei umso hartnäckiger schönfärberisch „öffentliche Daseinsfürsorge“ und „soziale Dienstleistungen“ nennt, je mehr der Staat derlei Ausgaben als „konsumtiv“, also als Zweckentfremdung von Haushaltsmitteln, brandmarkt? Warum verdienen in seinen Augen nur die Ausgaben den Ehrentitel „öffentliche Investitionen“, die das kapitalistische Wachstum fördern, während alle Ausgaben, die die Not der Opfer dieses Wachstums lindern könnten, Vergeudung darstellen?

„Reiche und Unternehmer müssen wieder mehr Steuern zahlen“
Soll es weiterhin so bleiben, dass Unternehmer die Eigentumslosen ausbeuten und dadurch immer reicher und die Armen immer ärmer werden? Soll den Eigentümern, nachdem sich die Produktion für sie gelohnt hat, nachträglich ein paar Brocken von ihren Gewinnen abgezwackt werden, um die gröbsten Folgen der Plusmacherei kapitalismusverträglich zu verwalten? – Dann gilt aber auch weiterhin: Die Besteuerung der Reichen hat ihr Maß daran, dass die „Attraktivität“ des deutschen Standorts für Investoren darunter nicht leidet, damit ihnen hierzulande eine höhere Rendite winkt als anderswo.

„Ausbildungsplätze für alle Jugendlichen – wer nicht ausbildet muss zahlen“
Soll es weiterhin so sein, dass der Lebensunterhalt der Bevölkerungsmehrheit davon abhängt, dass sie irgendeine für das Kapital brauchbare Qualifikation haben? – Dann gilt aber auch weiterhin: dass den Ausgebildeten ihre Lehre nur dann etwas nützt, wenn ihre Qualifikation gerade vom Kapital nachgefragt wird – und dass sich diese Nachfrage entsprechend den Veränderungen im Produktionsprozess dauernd ändert, so dass erworbene Qualifikationen fortwährend entwertet werden. Ein reichliches Angebot an ausgebildeten Arbeitnehmern ist zwar schön für das Kapital, das sich dann aussuchen kann, wie viele es zu seinen Lohnbedingungen gerade benutzen will. Genau deswegen ist Qualifikation aber kein Mittel für die Ausgebildeten, einen anständigen Lebensunterhalt zu sicherzustellen. Hilft dagegen eine Ausbildungsplatzabgabe?

„Gleiche Rechte und Chancen für alle und mehr Demokratie“
Soll es weiterhin so sein, dass jeder nur Chancen hat, genug Geld zum Leben zu verdienen, es aber offen bleibt, ob er diese Chancen verwirklichen kann? Soll es dabei bleiben, dass die Posten, von denen man gut leben kann, so rar sind, dass immer welche leer ausgehen? – Dann gilt aber auch weiterhin: Alle Menschen, die bloß Chancen und Rechte haben, sind vom gesellschaftlichen Reichtum ausgeschlossen und müssen es als Glück ansehen, wenn sie ein Unternehmen finden, das sie ihre Chance auf Lohnarbeit verwirklichen lässt, solange es sich für es lohnt. Und dann gibt es weiterhin etwas Schlimmeres, als ausgebeutet zu werden: nämlich dass man auf seinem Sack von Chancen sitzen bleibt, weil man für die Ausbeutung nicht gebraucht wird?
Was jedem Besitzlosen allerdings sicher ist, ist sein Recht auf demokratische Zustimmung. Als Wähler darf er auswählen, von welchem Personal er auf diese Verhältnisse festgelegt wird! Dann sollte man sich allerdings fragen:

• Warum schenkt die Mehrheit dieser Besitzlosen in aller Freiheit in freier Wahl ihr Vertrauen einer der Parteien, die erklären, die Löhne, von denen diese Mehrheit lebt, seien für die deutschen Unternehmen zu hoch, und daher nur eines versprechen: „Hauptsache Arbeit“ – mehr nicht?

• Warum ziehen die regelmäßig von der jeweiligen Regierung enttäuschten Eigentumslosen aus ihrer Enttäuschung immer nur den Schluss, es dann eben das nächste Mal mit der Opposition zu probieren, die dasselbe verspricht?

Wenn sich jetzt eine Partei zur Wahl stellt, die dem Interesse der abhängig Beschäftigten, der Erwerbslosen und sozial Benachteiligten Gewicht verleihen will und dafür deren Wahlstimmen einfordert – was haben die so Angesprochenen davon? Und warum laufen sie nicht in Scharen zu einer solchen Partei über, sondern lassen sich mehrheitlich die Propaganda einleuchten, dass jeder Abstrich von den „Reformen“ zuallererst ihnen selbst schaden würde?

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Wer ist die herrschende Klasse in der VR China (gewesen)?

21. Oktober 2009 35 Kommentare

Ich tue mich immer schwer, bei Beschreibungen des GegenStandpunkt von Staaten des von ihm Realsozialismus vom mir immer noch lieber Stalinismus genannten Typus (sind die überhaupt alle von einem Typ?) so elementare Sachen wieder zu finden wie: Ist das eine Klassengesellschaft? Wenn ja welchen Typs? Ab wann war sie das? Gab es eine Revolution/Konterrevolution? Gab es auch eine politische Revolution/Konterrevolution, einen Sturz des bisherigen Staatsapparats? usw.

Auf jeden Fall habe ich mir aus diesem Blickwinkel Renate Dillmanns Vorstellung ihres neuen, wohl immer noch nicht wirklich erhältlichen Buches „CHINA: Ein Lehrstück“ vsa Verlag ISBN-10: 3899653807 angehört, die sie bei einer Veranstaltung am 14.10.09 in Frankfurt während der Buchmessezeit gegeben hat .

Wie schon häufiger bei Vertretern des GegenStandpunkts bin ich einerseits irritiert worden durch ihren lockeren Gebrauch der Bezeichnung „Kommunisten“ für die politisch entscheidenden Akteure der KP Chinas, sie weißt selber darauf hin, daß die sich selber so gesehen haben, während sie das „diametral“ anders sieht, oder „Sozialismus“ für das, was Mao, Lin Piao, Deng und andere nach dem sieg der Volksbefreiungsarmee 1949 in China hinorganisiert haben.

Denn zum Schluß, ab 1978, beschreibt sie die offensichtliche Wende hin zum Kapitalismus und zum Aufstieg in die Runde der ganz wenigen Staaten, die auf dem Weltmarkt mit Gewicht mitkonkurrieren können, ja geradezu auf dem Weg zu einer weiteren imperialistischen Weltmacht und redet ganz locker vom Hocker von der KP als der „herrschenden Klasse“, bei ihr sicher auch ganz ohne Anführungszeichen. Und schon bin ich wieder zurück bei meinen obigen Fragen: Seit wann herrscht denn diese Klasse und suchen sich wirklich herrschende Klassen „ihr“ Gesellschaftssystem nach Belieben im Schaufenster des 20. Jahrhunderts aus, so nach dem Motto, erst mal versuchen wir es mit dem etwas knapp sitzenden Fummel „Sozialismus“, wenn der aber den heutigen zugigen Zeiten nicht mehr angemessen ist, dann lassen wir uns flugs einen Maßkapitalimsus schneidern, der uns wieder wärmt und gut zu Gesicht steht?

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Bildungsstreik 2009 Der Staat effektiviert die Ressource Bildung – Schüler und Studenten streiken: für ihr Ideal davon

15. Oktober 2009 10 Kommentare

1.
Der Staat hat seine Kritik an seinem Bildungswesen, die Ausbildung deutscher Hochschulabsolventen dauere im europäischen Vergleich zu lange, koste ihn zu viel und sei zu wenig auf die spezifischen Bedürfnisse der Arbeitswelt zugeschnitten, in die Praxis umgesetzt. Die gymnasiale Schulzeit wurde auf 8 Jahre verkürzt und dabei das Lernpensum verdichtet. Die universitäre Bildung wurde modularisiert, die Zwischenprüfung zum eigenständigen Universitätsabschluss (Bachelor) erklärt, das weitergehende, vertiefte Studium stark beschränkt und den Studenten ein Beitrag zur Finanzierung ihrer Ausbildung abverlangt, in die auch ‚die Wirtschaft‘ verstärkt einbezogen wird.

Sehr deutlich wird also klargestellt, wozu in dieser Gesellschaft Bildung da ist: Erklärtermaßen soll sie kapitalistischen und öffentlichen Arbeitgebern junge und für ihren Bedarf passend qualifizierte Arbeitskräfte liefern. Insofern interessiert das Wissen als Qualifikation: vermittelt wird, was den jeweiligen Arbeitgebern dient und die Lernenden diesem Bedarf dienstbar macht. Die Vermittlung dieses Wissens ist in der Form des Leistungsvergleichs organisiert, d.h. an seiner Aneignung pro Zeit sollen sich die Lernenden unterscheiden. Bezwecktes Resultat dieser Konkurrenzveranstaltung ist die Auseinandersortierung der Schüler und Studenten in eine differenzierte Hierarchie von Bildungsabschlüssen. Die sind ihrerseits Zulassungsvoraussetzungen für die Hierarchie der Arbeitsplätze, die die Welt der Arbeitgeber zur Verfügung stellt – die ganz nebenbei die Hierarchie der Lebensverhältnisse in der Klassengesellschaft bestimmt.

Mit dem erfolgreichen Durchlaufen der schulischen Selektion ist für diejenigen, die der Aussortierung in die unangenehmen und schlecht bezahlten Berufe fürs erste entgangen sind, der Durchsetzungskampf gegen andere im Leistungsvergleich am Wissen nicht vorbei. Für die Selektion an der Universität reicht nun die erfolgreiche Aneignung von „Lernstoff“ nicht mehr aus; zu bewähren haben sich die Studenten nun daran, sich – relativ erfolgreicher als ihre Kommilitonen, versteht sich – als selbstbewusste Vertreter ihres Fachs darzustellen. Der Staat will in seiner Elite nicht Mitmacher, sondern Überzeugungstäter.

2.
Schüler und Studenten bekommen „Leistungsdruck“ zu spüren; sie erfahren, dass ihre Studienzeit mit „Verschulung, Regelstudienzeit und Dauerüberprüfung“ ungemütlicher wird – und diese Unzufriedenheit ist absolut verständlich. Bemerkenswert ist, dass sie aus ihrer Unzufriedenheit überhaupt keine Überlegungen folgen lassen, mit was für einer Veranstaltung sie es da zu tun haben, welchem Zweck also ihr Ärgernis geschuldet ist. Anstatt das Bildungswesen zu kritisieren, stellen sie sich neben die schlechte Realität des Bildungswesens und halten ihr einfach die eigene Idealvorstellung von einem guten Bildungswesen entgegen, in der sie vom real existenten alles abgezogen haben, was sie stört. Ihre Gegnerschaft zum wirklichen Bildungswesen führen sie mit dem Vorwurf, dass es höhere Werte missachte, denen Bildung eigentlich zu entsprechen hätte. Die beklagte Wirklichkeit nehmen sie nur zur Kenntnis als Abweichung von einem jahrhundertealten, von ihnen selbst so genannten Bildungs-Ideal – also von etwas, das eingestandenermaßen noch niemals irgendwann als Leitfaden für die Praxis der Bildung Gültigkeit hatte.

Wogegen die wirkliche Bildung demnach verstößt, ist „das humanistische Ideal einer zur kritischen Reflexion befähigenden, gemeinwohlorientierten Bildung“ (bildungsstreik- .net), ein Ideal, welches seit jeher zum Bildungswesen dazugehört und gegen dessen Missachtung sich nicht nur kritische Studenten, sondern auch die Organe der kritischen Öffentlichkeit wenden:

„Für Studenten heißt die neue Bologna-Wirklichkeit: Zielstrebigkeit ohne Umwege und Sackgassen. Neugier, Erkenntnisinteresse, selbständiges Denken – also alles, was höhere Bildung ausmacht – bleiben auf der Strecke.“ (FAZ, 19.6.09)

Mit diesem Ideal ist keinerlei Einwand gegen irgendeinen Lehrinhalt formuliert, sondern alles gebilligt, was zum Studienstoff gehört. Damit soll auch keinerlei Kritik am Zweck des Ausbildungswesens geübt sein. Dem Protest zufolge hat die Aneignung des zu erlernenden Wissenskanons so lange einen Mangel, solange er nur „auswendig gelernt“ und „nachgebetet“, anstatt selbstbewusst und überzeugt vertreten wird. Zwar geht „Denken“ sowieso nicht anders als „selbstständig“, aber das Gemeinte ist klar: Damit sich die Studenten ihr Fachwissen aktiv zueigen machen, brauchen sie Gelegenheit für „Umwege und Sackgassen“. Anstatt zum etablierten Wissenskanon geführt zu werden, sollen die Studenten selbstständig den Weg zu ihm finden. Das gehört eben zur Qualifikation des Führungspersonals, das als gesellschaftliche Elite in der Lage sein soll, am Interesse der zukünftigen Arbeitgeber die gewünschten Dienste zu verrichten: Die Aneignung von Wissen auf dieser Ebene sollte sich unbedingt mit dem Standpunkt und dem Selbstbewusstsein verbinden, das alles aus freien Stücken zu tun! Das erst macht „höhere Bildung“ aus. Wer mit diesem affirmativen Ideal nichts zu tun haben und statt dessen wirklich „kritisch sein“ und „richtig kritisieren“ möchte, dem bleibt es nicht erspart, das dann auch zu machen, anstatt einen Antrag bei der Kultusbehörde zu stellen, endlich eine Lehreinheit „kritisches humanistisches Reflektieren“ einzurichten.

3.
Die kritischen Demonstranten, die die eigentliche, „gemeinwohlorientierte Bildung“ von „der Wirtschaft“ usurpiert sehen – an deren Zweck sie auch nichts weiter kritisieren wollen –, haben keinerlei Berührungsängste mit den Argumenten der Kommilitonen, die „mehr Bildung“ fordern mit dem Argument, von ihr hänge die Zukunft der ganzen Nation, insbesondere der nationalen Wirtschaft, ab. Die werfen der Politik vor, vergessen zu haben, dass „Bildung unser einziger Rohstoff“ sei, machen Vorschläge, welche Posten des Staatshaushalts einer sinnvolleren Verwendung im Bildungssektor zugeführt werden sollten, und verfassen Petitionen an Politiker, in denen es heißt:

„Angesichts des herrschenden Fachkräftemangels halten wir es für äußerst kontraproduktiv, talentierte junge Menschen von einem Studium abzuhalten.“ (Petition der LandesAstenKonferenz (LAK) Bayern, studiengebuehrenbayern.de)

Diesen ideellen Ressourcenverwaltern ist es offensichtlich selbstverständlich, dass Wissen für keinen anderen Bedarf da ist als den der heimatlichen kapitalistischen Wirtschaft und seiner Verwaltung. Bildung braucht es in dem Maße, wie sie dem nationalen Standort nützt! Wer diesen Standpunkt einnimmt, muss den wirklichen Ressourcenverwaltern zugestehen, dass ein gemütliches „Bummelstudium“ natürlich auch nicht nützlich, sondern „äußerst kontraproduktiv“ ist; dass die Wirtschaft nicht nur hoch qualifizierte Masters, sondern auch halb qualifizierte Bachelors brauchen kann; und dass es dem Standort nützt, wenn sich an den Kosten zur Ausbildung der Ressource ‚Fachkraft‘ auch Sponsoren und Studenten beteiligen, ist auch nicht von der Hand zu weisen. Dass die Organisation nützlicher Ausbildung für den Standort Deutschland verbessert werden könnte – sollte das alles gewesen sein, was der studentische Protest mitteilen wollte?

Aus GegenStandpunkt 3-09

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„Mußten“ die auch, oder wollten die nur? (Zum Charakter der Sowjetunion)

12. Oktober 2009 186 Kommentare

Weil der Volks-Thread sich wahrlich ausgewachsen hat, lagere ich die letzten Beiträge zur Sowjetunion hierher aus.

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Veranstaltung in Berlin 27.10.09 mit Theo Wentzke: Lehren aus zwei Jahren Weltwirtschaftskrise

11. Oktober 2009 Kommentare ausgeschaltet

Die Berliner GegenStandpunktler weisen auf folgende Veranstaltung hin:

Dienstag, den 27. Oktober 2009, um 18:00 Uhr
in der Habelschwerdter Allee 45 („Silberlaube“)
„Lehren aus zwei Jahren Weltwirtschaftskrise“
Referent: Theo Wentzke, Redakteur der Zeitschrift GegenStandpunkt

Veranstalter wird wieder das Sozialreferat des AStA-FU Berlin sein im Rahmen seiner Reihe „Politikwissenschaftliche Referate und Diskussion“, hier kann man die bisher mitgeschnittenen Veranstaltungen runterladen.

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Debatte um den Volksbegriff auch als Podiumsgespräch?

6. Oktober 2009 20 Kommentare

Mal in die Runde gefragt:

Gibt es eigentlich Interesse daran, die hier jetzt wieder relativ ausführlich geführte Volk-/Staats-Diskussion doch noch von Angesicht zu Angesicht fortzuführen (beenden wäre sicherlich ein übertriebener Anspruch)? Man könnte doch sowas wie den ARAB-Theorietag wiederholen, der hat doch auch recht unterschiedliche Ansätze wenigstens für ein Wochendende in einen Saal gekriegt und darüber hinaus auch später noch ne Menge Leute durch die Mitschnitte erreicht.

Das würde natürlich nur Sinn machen, wenn da sowohl seitens der GegenStandpunkt-Fraktion Genossen am Tisch sitzen würden, die sich der Sache ernsthaft annehmen und vor allem, wenn auch aus der Ecke Krim, libelle, star wars zumindest jemand sich nicht scheuen würde, dort mitzureden.

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GAM: Gegen wen steht der GEGENSTANDPUNKT?

6. Oktober 2009 11 Kommentare

Die (nun ja) trotzkistische Gruppe Arbeitermacht hat auf ihrer Webseite einen Artikel zu der wohl einzigen Podiumsdiskussion dieses Wahlkampfs veröffentlicht, bei der nicht nur mehr oder weniger große Linksparteifreunde (zu denen auch die GAM gehört) auf dem Podium saßen, sondern erstaunlicherweise auch jemand vom GegenStandpunkt. Zur Kritik an diesem Artikel, vor allem zu Kritik der GAM am GegenStandpunkt, später mehr.

Hier die Verteidigung der Wahl der Partei DIE LINKE durch die GAM.

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Der bürgerliche Staat: Staatsgebiet – Staatsvolk – Staatsgewalt

5. Oktober 2009 1 Kommentar

contradictio hat auf einen Termin der Stuttgarter Genossen hingeweisen:

Die GEGENSTANDPUNKT-Redaktion bietet die Gelegenheit zur politischen Diskussion auf einem
GegenStandpunkt & Diskussion in Stuttgart
am Donnerstag, 8. Oktober 2009, 19.30 Uhr
im Alten Feuerwehrhaus, Möhringer Straße 56, Stuttgart-Süd
„Der bürgerliche Staat: Staatsgebiet – Staatsvolk – Staatsgewalt“
Welche Zwecke verfolgt die politische Herrschaft kapitalistischer Nationen und über welche Mittel verfügt sie?

Vielleicht findet da ja was davon Eingang, was unter anderem hier ausführlich verhandelt wurde und immer noch wird. Auch wenn das wohl eher unwahrscheinlich ist. Um es nett zu formulieren. Man könnte ja Theo fragen, der ist ja bekanntlich Stuttgarter.

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Backup von libelles „Volk im Feudalismus, Nationalismus “

1. Oktober 2009 2 Kommentare

Weil libelle/hinweis alle Brücken hinter sich verbrannt hat und sich nicht nur aus der weiteren Diskussion um den Volksbegriff ausgeklinkt hat, sondern obendrein auch noch ohne Ankündigung seinen Blog gelöscht hat, sind nicht nur die von mir auf seinen Blog transferierten Diskussionsbeiträge zur Wählen-ist-verkehrt-Debatte, bei denen es um sein AKW-Argument ging, verloren gegangen, sondern auch ein größerer Text zum Volksthema. Krim hatte den aber schon runtergeladen und hier dankenswerterweise als Kommentar reingestellt für all die anderen (wie mich z.B.), die nicht so mißtrauisch gewesen sind. Weil man Blogsport-Kommentare nicht so gut durchsuchen kann wie Artikel, bringe ich dieses Text hier jetzt auch noch mal:

Eine Antwort auf diese Diskussion [geführt u.a. bei MPunkt, im Forum Kapitalismuskritik und hier, neo], die ich meinen öffentlich gespeicherten Werken hinzufügen möchte. Sie ist wahrscheinlich nur im Kontext der Diskussion vollständig verständlich.

1. Ist es sachlich richtig historisch die Menschen, die einem Staatswesen untergeordnet sind als Volk aufzufassen?

Der Begriff, den wir entwickelt haben, behauptet doch etwas anderes: Menschen fassen über sich das politische Urteil ein Volk zu sein, um über die Voraussetzungen der Reichtumsproduktion in der jeweiligen historischen Form exklusiv zu verfügen bzw. die Konkurrenz um den Zugriff auf Reichtumsquellen gegen den ausgeschlossenen Rest der Menschheit zu eröffnen. Deshalb ist es zunächst einmal ein formaler Fehler, wenn man in die Geschichte zurückblickt und feststellt: Es hat z.B. angelsächsische Königreiche, ein Fränkisches Reich oder ein Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation gegeben und seine Bewohner waren sein Volk. Man schließt darin von der Existenz einer historischen Gewalt, die Grenzen geschaffen- bzw. behauptet hat darauf, dass ihre Insassen ausnahmslos den eingangs nochmal erwähnten Zweck gehabt haben müssen als Volk Reichtumsquellen exklusiv gegen von sich ausgeschlossene Menschen zu beanspruchen.
Indem man diesen Rückschluss macht wendet man aber nicht unseren, sondern den GSP Begriff an, dass die Existenz einer mehr oder weniger monopolisierten Herrschaft das Volk macht. Von unserem Begriff ausgehend kann man nur schließen, dass in dem Gemeinwesen ein Volksstandpunkt vorhanden sein muss, der durchgesetzt für die Existenz einer Herrschaft sorgt, die Grenzen behauptet und die Gesellschaft auf den Dienst an der Konkurrenz mit anderen Gemeinwesen verpflichtet. Nicht fest steht damit, ob alle Insassen des Gemeinwesens, alle ökonomischen Charaktere usw.. diesen Standpunkt haben, oder ob das Gemeinwesen so verfasst ist, dass Teile der in dem Gemeinwesen hausenden Menschen notwendig, konstitutiv für das Gemeinwesen, als Material eines Volksstandpunktes benutzt werden und überhaupt nicht zum Volk gehören. Und genau Letzteres ist in den alten, auf Grundbesitz basierenden Gemeinwesen der Fall. Behauptet ist also, dass es in diesen Gemeinwesen Bevölkerungsteile gab, deren Interesse kein Verhältnis zum Ausgang dieser Konkurrenz mit anderen sich aus einem Volksstandpunkt ableitenden Gemeinwesen hatte. Dafür gibt es eine Argumentation, die auf das Volksinteresse abhebt und eine, die die Genesis solcher Gemeinwesen zum Gegenstand hat.

Der obige Rückblick von heutigen- auf die historischen Gewalten ist einer der Punkte, wo ich eine Projektion ausmache. Im Kapitalismus ist es nämlich so, dass ein bürgerlicher Staat nach innen i.d.R. auf ein Volk und sonst Niemanden bezogen ist*, d.h. dass alle Bürger als Volksangehörige bestimmt sind. Das ist gerade eine wesentliche Bestimmung der Nation. Dieser Umstand wird in die Geschichte projiziert und es wird dann von der Existenz historischer Gewalten rückgeschlossen auf die Volkszugehörigkeit ihrer Insassen; d.h. auf ein gleiches Verhältnis wie im Kapitalismus, das sich nur anders von Seiten der als Volksangehörige betrachteten Insassen dieser Gemeinwesen begründet. Damit betrachtet man aber nicht mehr die historischen Gemeinwesen für sich, sondern hat sich ein Konstruktionsinteresse vorgegeben, an dem entlang man einige Eigenschaften dieser Gemeinwesen, in ihnen gültige Interessen etc.. zu einem Volksstandpunkt arrangiert, um die Projektion zu bestätigen.

* Ausländer, Fremdarbeiter mal außen vor gelassen, die gab es im Mittelalter auch, wenn auch seltener (deutsche Bergleute im Zarenreich, Händler usw..).

2. Das gemeinsame Interesse der Volksangehörigen

Im Volksstandpunkt wollen die Volksangehörigen sich zu ihrem Vorteil exklusive Verfügung über beanspruchte, eigene Reichtumsquellen, bzw. Zugriff auf auswärtige Reichtumsquellen verschaffen. Die erfolgreiche Konkurrenz mit anderen Gemeinwesen soll für die Prosperität der im Gemeinwesen gültigen Interessen sorgen und indem das als Konkurrenz aufgefasst und betrieben wird ist auch klar, dass das auf Kosten der Gegner in dieser Konkurrenz geht, da letzterer sonst der Gegenstand abgehen würde.

Davon, dass das Interesse der unteren Stände (Leibeigene, Hörige, einfache Handwerker usw..) im Feudalismus, oder der Sklaven im Römischen Reich in einem positiven Verhältnis zu dieser Konkurrenz gestanden hätte, kann keine Rede sein. Ihre Interessen waren durch das Gemeinwesen entweder überhaupt nicht (Sklaven), oder nur in einem geringen Ausmaß (Leibeigene, Hörige, einfache Handwerker) anerkannt. Und ein Bevölkerungsteil, dessen Interesse nicht oder kaum anerkannt ist, der gehört auch nicht zum Volk, weil er am Erfolg, der im Eintreten in die Konkurrenz mit anderen Gemeinwesen wenigstens intendiert ist qua gesellschaftlicher Stellung nicht partizipieren kann. Auch in negativer Hinsicht, wenn die eigene Herrschaft einen Krieg verloren hatte, hat sich für die Sklaven, Leibeigenen etc.. erst einmal nicht notwendig etwas geändert. Dann haben sie ihre Frondienste eben dem neuen Grundherren erbracht oder fungierten als Produktionsmittel für ihn (Sklaven).

Ihr persönliches Geschick hing von ihrem Grundherren ab d.h. auf den waren sie bezogen. Die Herrschaft des Grundherren hatte dabei den Charakter einer Besatzungsmacht. Er hat ein militärisches Gefolge gehalten, das die Hintersassen beaufsichtigt hat, hat über sie gerichtet und hat sonst (im Feudalismus) die Kirche ihr Werk tun lassen, die den Hörigen, Leibeigenen etc… erzählt hat, dass die Ordnung genau so sein muss, wie sie ist, weil sie der liebe Gott so will. Die Sklaven in noch früheren Gesellschaften sind nur von Aufsehern etc.. betreut worden bzw. haben sich eben mit der Perspektive, dass sie irgendwann mal freigelassen werden könnten mit ihrem Sklavendasein arrangiert (Freilassung ist im Römischen Reich oft vorgekommen, dagegen gab es Gesetze). Für diese Bevölkerungsteile stimmt noch am ehesten, was der GSP über den Willen der Leute zu bürgerlichen Verhältnissen festhält: Diese Bevölkerungsteile (im Römischen Reich in Spitzenzeiten 1/3 der Bevölkerung, ich vermute mal, dass es bei der Leibeigenschaft ähnlich ist und kann mich auch schwach an eine ähnliche Zahl erinnern) haben sich einfach mit den ihnen gewaltsam oktroyierten Lebensverhältnissen abgefunden bzw. sind auch so gehalten worden, dass das Zustandekommen eines gemeinsamen Willens verhindert worden ist. Man hat eben möglichst Sklaven unterschiedlicher Sprachen zusammen gehalten, sie nicht konzentriert etc..
An der Stelle kann man nur sagen: So, mit den obigen Maßnahmen, ist versucht worden den Willen der Hintersassen zum Grundherren, bzw. der Sklaven zu ihrem Dasein als Produktionsmittel zu erzwingen und sie haben sich eben zumeist dazu bereit gefunden. Und dann fungieren sie auch als Manövriermasse des Grundherren bzw. als Produktionsmittel, als Sache.

In dem Maß, wie sich im Feudalismus z.B. in den Städten, Handel etc… Interessen entwickelt haben, die von der Konkurrenz der eigenen Herrschaft mit anderen Herrschaften betroffen waren, haben die natürlich ein grundsätzliches Verhältnis zur Volkszugehörigkeit in positiver oder negativer Hinsicht entwickelt. Dann war man eben, weil man von dieser Konkurrenz betroffen war, Deutscher bzw. musste sich dazu verhalten und hat sich für das Heilige Römische Reich entsprechend seiner Interessen etwas vorstellen können (gerechter Kaiser, Beschränkung der Fürsten usw..). Es ist also auch ein Unterschied, welche Phase des Mittelalters man betrachtet, wie weit der Volksstandpunkt in die Bevölkerung reicht, welche Bevölkerungsteile ihn haben.

Funktioniert – und da gebe ich Gründling schon recht – hat das Volk nur, weil die Teile, die qua gesellschaftlicher Stellung nicht dazu gehörten (Leibeigene, Hörige, Sklaven und am Anfang auch Handwerker, Händler etc..) sich in ihr Los geschickt haben. Im Fränkischen Reich z.B. gab es natürlich auch fränkische Hörige, die formal zum Volk gehört haben und gallo-romanische Freie, aber manche Franken sind eben in diese Stellungen abgesunken oder haben sich in sie zum Schutz vor Grundherren begeben bzw. sind Romanen von den Frankenkönigen in königlichen Dienst genommen worden und standen unter deren Schutz oder es ist ihnen ein Rechtsstatus als Freie gegen ein Wehrgeld gelassen worden. Erläuterung dazu siehe nächster Gliederungspunkt.
In diesen alten Gesellschaften gehörten solche Teile der Bevölkerung, deren Wille grundsätzlich nicht anerkannt war, die übereignet wurden wie Sachen oder die an das Produktionsmittel Grund gebunden waren und die kein Teil des Volkes waren notwendig, konstitutiv zum Gemeinwesen. Die brauchte es, damit Großgrundbesitz, große Lehen usw.. funktionieren konnten. Das gleiche Verhältnis gibt es auch in bürgerlichen Nationalstaaten, da allerdings als Ausnahme (Sklaverei in den USA, Südafrika & Bantustans, Israel & Palästinenser) d.h. das ist nicht notwendig für ein bürgerliches Gemeinwesen, dass es Herrschaft über eine Bevölkerung ausübt, deren gesellschaftliche Stellung es ist vom Volk ausgeschlossen zu sein.

3. Anmerkung zur Entstehung der unteren Stände der auf Grundbesitz basierenden Gemeinwesen

„Am tiefsten auf der sozialen Stufenleiter standen die Unfreien, die Theows oder Theowmannes. Wie schon vorhin erwähnt wurde, ist diese Schicht nicht erst in England entstanden. Die Angelsachsen brachten bereits eine Anzahl solcher Unfreien mit, eine Schicht, die dann durch die unterworfenen britischen Kelten schnell vermehrt wurde… Nicht alle Kelten wurden in den Kämpfen getötet und nicht alle flohen. Ein großer Teil blieb in seinen Wohnsitzen und unterwarf sich mehr oder weniger willig den Siegern. Hatten die Kelten den Angelsachsen und Jüten harten Widerstand geleistet und diesen größere Verluste beigebracht, dann wurden sie häufig als Gefangene abgeführt, versklavt oder zur Knechtsarbeit gezwungen. Ergaben sie sich ohne ernstlichen Widerstand, nahm man ihnen zwar den größten Teil ihres anbaufähigen Bodens und ihrer ausgedehnten Wälder, ließ ihnen aber ihre bisherigen Wohnsitze. Dafür forderte man von ihnen bestimmte Tributabgaben, oft auch allerlei Arbeitsleistungen, vornehmlich Rhodungs- und Feldbestellungsarbeiten, sowie Viehhütedienste.“ H.Cunow Wirtschaftsgeschichte Bd. II S. 272

Die unteren Schichten – Unfreie (Sklaven, Hörige etc..) – sind also zu einem wesentlichen Teil das Ergebnis militärischer Subordination fremder Völker. Und als Fremde, eigentlich nicht zum Gemeinwesen Gehörige sind sie in das Gemeinwesen als niedere Stände integriert und vom siegreichen Volk ausgebeutet worden. Das Volk hat also neben den Herrschaftsverhältnissen, die sein Konkurrenzzweck notwendig machte auch Herrschaft über die besiegten Völker ausgeübt. Die Form, wie das im Ausgangspunkt geschah, waren Hörigkeit und Sklaverei. Dieser Zweck macht dann auch eine permanente Überwachung der so intergrierten Bevölkerung notwendig, es brauchte also je nach Entwicklung und Durchsetzung dieser Verhältnisse die Präsenz der entsprechenden militärischen Gefolgschaften. Auch Gegensätze innerhalb des siegreichen Volkes sind unter Anwendung dieser Ständeordnung, Schichtung ausgetragen worden. War man verschuldet, sank man in die Schuldsklaverei ab, was nichts weiter als der (manchmal befristete) Ausschluss aus dem Volk war. Waren die Erben eines Bauernhofes zu zahlreich, so dass aus seiner Aufteilung kein neuer die Reproduktion ermöglichender Grundbesitz zustande kam, hat man sich als Höriger von einem Grundherren ansiedeln lassen etc… Die unteren Stände sind also ständig durch Angehörige aus dem eigenen Volk ergänzt worden.

Im Ausgangspunkt und ich meine bis weit in das Mittelalter kann man also bei diesen historischen Gemeinwesen die Volksangehörigen mit den zur Heerfolge Herangezogenen identifizieren, die mussten die Volksangehörigen nämlich leisten (z.B. die Angelsachsen). Hier ist nicht die Frage – „Wer war Soldat?“ – gemeint, sondern die Frage ist: „Wer konnte prinzipiell zu einem Heeresaufgebot bestellt werden?“. Die unteren Stände gehörten nicht zum Volk d.h. ihr gesellschaftlicher, politischer Bezug auf das Gemeinwesen war nicht der von Volksangehörigen, auch wenn sie sich z.B. als Franken aufgefasst haben und ein fränkischer Unfreier mehr galt als ein gallo-romanischer.

Diese Verhältnisse lösen sich mit dem Fortschreiten des Mittelalters dann immer mehr auf bzw. verändern sich, und es entstehen mehr Gruppen, die Kraft ihres Interesses auf die Herrschaft, die sich in dieser Konkurrenz betätigt und die Grundherren mit Gefolge dazu heranzieht, bezogen sind, die also sich als Volksangehörige auffassen und um die Rücksicht auf ihre Interessen mit der Herrschaft streiten oder sie in die Schranken weisen.

Am obigen Zitat sieht man auch nochmal sehr schön, dass der Ausgangspunkt der Lebensverhältnisse der Kelten, die sich dann zu fronpflichtigen Bauern entwickeln, ihre militärische Niederlage ist. Und dann wird eben praktisch ermittelt, bis zu welchem Grad sie ihre Enteignung und den Dienst den die Angelsachsen von ihnen verlangen akzeptieren, oder ob sie nicht doch wieder anfangen zu kämpfen. Umgekehrt müssen die Angelsachsen die Gewalt aufbringen, die keltische Bevölkerung in ihr Joch zu zwingen. Da kompensiert der Wille sich mit den Verhältnissen zu arrangieren Gewaltaufwand auf Seiten der Sieger. Das hat sich eben irgendwo eingependelt; es hat sich also praktisch ein Maß herausgestellt, das die Kelten mit sich haben machen lassen. Ein Wille zu diesen Verhältnissen war bei den Kelten m.E. nicht vorhanden, sie haben ja erst einmal gegen die Angelsachsen gekämpft. Danach hing ihr Geschick allerdings an ihrem angelsächsischen Grundherren, das sich allerdings nicht grundsätzlich änderte, wenn der wechselte – dann war’s eben ein Normanne statt eines Angelsachsen. Und dieses Verhältnis gilt im bürgerlichen Nationalstaat nicht. Da ist der Erfolg in der Staatenkonkurrenz positive oder negative Bedingung der Partikularinteressen der Bürger, d.h. die haben ausnahmslos ein Interesse an der Durchsetzung ihres bürgerlichen Gemeinwesens, weil ihr ökonomischer Erfolg davon abhängt.

4. Nochmal kurz zum Nationalismus

Der obige historische Exkurs ist ein schönes Kontrastmittel, um nochmal kurz darzustellen und zu erweitern, was Nationalismus ist. Ich halte, damit das nicht untergeht, Nationalismus für ein Produkt bürgerlicher Verhältnisse, das allerdings nicht auf sie beschränkt bleibt. Im Feudalismus, Römischen Reich etc… kann man nicht von Nationalismus reden.

Am Nationalismus sind 2 Sachen auffällig:

Die erste Sache ist, dass die Verhältnisse, nach denen Nationalisten trachten in ihrem nationalistischen Standpunkt überhaupt nicht näher bestimmt sind, sondern sie müssen sich zusätzlich als Sozialisten, bürgerliche Demokraten o.ä. bestimmen. Oft ist sich die jeweilige nationalistische Bewegung darin überhaupt nicht einig und hat entsprechende Fraktionen. Der Nationalstaat wird also im Nationalismus als von der ökonomischen Sphäre getrennte Gewalt gedacht, die Mittel sich in ihr betätigender Partikularinteressen der Volksangehörigen sein soll, indem sie fremden Ansprüchen Grenzen setzt bzw. die Grenzen, die fremde Völker setzen zum Nutzen des nationalen Gemeinwesens überwindet.

Das ist in historischen Gemeinwesen (Rom, Fränkisches Reich oder noch älteren) anders. Dort war die Gewaltausübung des Volkes gegen andere Teil der ökonomischen Sphäre. Man hat fremde Völker unterworfen und geplündert, sich ihre Produktionsmittel angeeignet und die Fremden, Unterworfenen selbst mehr oder weniger als Produktionsmittel behandelt, indem man sie in Unfreie verwandelt hat.

Die Gewalt des Volkes war keine Bedingung davon getrennter Verhältnisse, sondern sie war Form der Aneignung von Reichtum. Nicht von ökonomischen Inhalten bereinigte Zwecke wie „nationale Selbstbestimmung“ haben die alten Völker getrieben, sondern schlicht und ergreifend Aneignung fremden Reichtums bzw. seiner Voraussetzungen. Was die Gewalt, den „Nationalstaat“, füllt war da nie eine Frage die aufkommen konnte, sondern im Sieg waren die Verhältnisse schon bestimmt: Man hat den Unterlegenen Produktionsmittel weggenommen und sie als untere Stände oder Sklaven in den eigenen Verein integriert und ausgebeutet.

Die zweite Sache ist, dass im Nationalismus, wie vorher in dieser Diskussion schon erwähnt die Volksangehörigen als Gleiche auf einen Nationalstaat, eine Gewalt, vor der alle Volksangehörigen gleich sind, bezogen werden. Das folgt notwendig aus der Forderung nach einem Nationalstaat, d.h. einem Staat des Volkes, der Bedingung einer von ihm getrennten ökonomischen Sphäre ist, weil darin ja gerade von den ökonomischen Unterschieden abstrahiert wird. In diesem Anspruch sind die Volksangehörigen als Gleiche, als Kurden, Deutsche usw… auf den Staat bezogen. Historisch hat sich der Nationalismus deshalb auch mit dem Kapitalismus herausgebildet. Er ist die Forderung nach einer zu bürgerlichen Verhältnissen passenden Verfassung einer Volksherrschaft.

Man kann daraus aber nicht umgekehrt schließen, dass diese Form der Volksherrschaft (Nationalstaat) nur mit bürgerlichen Verhältnissen verträglich wäre, sondern sie harmoniert z.B. genauso gut mit dem realen Sozialismus. Auch da ist die Verfolgung ökonomischer Zwecke vom Staat getrennt. Nicht die Parteispitze beutet ihr Volk aus o.ä., sondern sie schafft ökonomische Subjekte (sozialistische Betriebe, Kombinate, Werktätige etc…) die sich dann innerhalb der ihnen gewährten ökonomischen Freiheit betätigen. Das natürlich auf der Grundlage, dass diese Verhältnisse von den Insassen dieser Gesellschaft gewollt sind. Es ist also schon so, dass eine Bewegung diese Verhältnisse als die ihr entsprechenden eingerichtet hat und sie am Leben erhält.

Nationalismus ist also ein politischer Zweck, eine Bewegung, der/die einen von der Ökonomie getrennten Staat des Volkes will. Er ist zugleich Ideologie, die dieses Verhältnis als den

Volksmenschen gemäß legitimiert.

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Online: Mitschnitte der Kampagne „Haben wir eine Wahl?“

26. September 2009 3 Kommentare

Die Seite der Stuttgarter GegenStandpunktler hat Mitschnitte von folgenden Veranstaltungen im Rahmen der Kampagne „Haben wir eine Wahl?“ online gestellt:

Demokratie: Wertesystem, Volksherrschaft oder Herrschaftssystem
der kapitalistischen Klassengesellschaft?

Vortrag & Diskussion mit Prof. Dr Freerk Huisken (Uni Bremen)

Wählen ist verkehrt – Nichtwählen auch!
Thesen und Ausschnitte (auf MP3) aus der Veranstaltung im Alten Feuerwehrhaus
mit Dr. Theo Wentzke, Redaktion Gegenstandpunkt
Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4

Ob aus der als Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl angekündigten Veranstaltung mit dem Titel
DIE LINKE wählen – eine geeignete Alternative? am 24.09.09 was geworden ist, ist laut Theo aus akustischen und inhaltlichen Gründen leider fraglich.

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Der Volks-Begriff von hinweis

24. September 2009 606 Kommentare

Der folgende längere Kommentar von hinweis ist mir Anlaß, daraus einen eigenen Artikel zu machen in der Hoffnung, daß die weitere Diskussion zu diesem (Teil-)Thema der Wahldiskussion/Diskussion über Volksabstimmungen der Übersicht wegen dann auch hier weitergeführt wird:

Antwort an Klaus & Nestor:

Zitat Klaus:

Wenn ich deine Theorie mit folgenden Stichpunkten zusammenfasse, liege ich dann total daneben, oder habe ich zumindest kapiert, wie du das gemeint hast? Wenn ja, dann später mehr dazu. Wenn nein, das sag mir, was falsch ist an der Zusammenfassung deiner Theorie zu diesen Thesen.

– Das Volk hat einen Willen zum Staat.
– Der Staat ist der Exekutor dieses Willens.
– Dass die Volksmitglieder nichts zu melden haben, stellt keinen Widerspruch zum zweiten Punkt dar, weil sie ja den Staat wollen.
– Beispiele für den Willen zum Staat vor der Staatsgründung finde ich in der Geschichte und im Separatismus.

Ich nehme mal die Stichpunkte als Gliederungspunkte. Und wenn mir eine Stelle in einem Buch einfällt, die gut hineinpasst werde ich die auch zitieren. Das hat einen ganz einfachen Grund: Es unterscheidet nämlich das, was man an Tatsachen bringt vom Gequatsche von Leuten wie nana oder Sysiphos. Der schreibt was über die Gegensätze zwischen Bayern und Preußen und leitet damit z.B. „Argumente“ dagegen ein, dass es eine deutsche Nationalbewegung gegeben habe bzw. dass die relevant gewesen sei. Diese Art „Argumente“ findet Nestor wahrscheinlich richtig kommunistisch senkrecht, weil sie, wenn auch die Tatsachen in dem Zusammenhang nicht stimmen, so doch für die richtige Sache ins Feld geführt werden. Ich halte es dagegen tatsächlich in solchen Auseinandersetzungen für passend, wenn man nicht nur auf die wirklichen Tatbestände hinweist, sondern dazu auch Leute zitiert, die sich professionell mit der Ausgrabung solcher Fakten befassen. Die sind nämlich qua Beruf in dieser Sache Autoritäten (wenn es um die historischen Fakten geht). Deshalb hatte ich auch die Zitate aus dem Buch von Langewiesche gebracht. Er behandelt jede der Bewegungen (Turner und Sänger) in einem eigenen Aufsatz. Zudem strotzt das Buch vor Literaturhinweisen, denen es sich lohnt nachzugehen. Und ich lese auch nicht Sportvater Jahn im Original und ackere mich durch Zeitungen und Statistiken von anno dazumal (wie viele Leute waren bei einem bestimmten Sängerfest, wer war zugelassen etc…). Da glaube ich dem Prof. aus Tübingen, was er herausgefunden hat, nana oder Sysiphos aber kein Wort, weil der Prof. eben ein Profi ist, nana und Sysiphos aber GSP-Anhänger sind, die interessiert historische Fakten erfinden.

Übrigens kann man die paar Sachen zu den Böhmen und den deutschen Siedlern bzw. auch zu Böhmen und Polen, Polen und deutschen Siedlern usw.. in einem Buch von František Graus nachlesen. („Die Nationenbildung der Westslawen im Mittelalter“). Hatte ich allerdings nur aus der Erinnerung wiedergegeben und kann kein Zitat liefern. Das Buch verfügt auch über einen umfangreichen Beilagenteil, in dem auf die entsprechenden Quellen hingewiesen wird. Ich bin jedenfalls den Verfassern der Bücher und Texte die ich lese dankbar dafür, wenn sie externe Quellen zitieren bzw. darauf verweisen. Da bekommt man Hinweise auf das, was es sonst noch so gibt. Mit einem GSP-Bunkerbewusstsein stört einen das vielleicht, weil eben nicht der GSP, sondern etwas anderes zitiert und damit beworben wird. Denn: Den GSP zu zitieren und dafür zu werben, finden GSPler ja auch nicht theoretisch falsch. Oder kann man hoffen, dass copy & paste Unsitten wie GSP-Werbung demnächst aus dem Verkehr gezogen werden?

1. Das Volk hat einen Willen zum Staat

Zunächst einmal hat das Volk einen Willen dazu ein Volk zu sein. Was ist der Inhalt dieses Willens? AW: Sich als Kollektiv zu konstituieren, das einen exklusiven Verfügungsanspruch über ein Territorium- d.h. über die sachliche Voraussetzung von Ökonomie schlechthin – durchsetzt. Dass das Volk diesen Verfügungsanspruch durchsetzen muss und das Territorium nicht einfach benutzt, unterstellt fremde Interessen daran. Volk ist deshalb ein Verhältnis, das Menschen zueinander eingehen. Es besteht in der kollektiven Ausgrenzung als fremd eingestufter Menschen und damit dem Ausschluss von der Benutzung des exklusiv beanspruchten Territoriums. Die Benutzung des Territoriums, die Teilhabe an der Ökonomie des Volkes durch auswärtige Interessen wird dabei dem Vorbehalt des einheimischen Volkskollektivs unterworfen, sie wird eine Frage seiner Erlaubnis.
Diese Ausgrenzung Fremder ist eine Gewaltfrage. Das Volkskollektiv muss also die Gewalt aufbringen die Ausgrenzung Fremder auch wirksam durchsetzen zu können und zugleich, da die Ausgrenzung des heimischen Volkes durch fremde Völker ja auf ein Interesse an deren Reichtumsquellen schließen lässt, muss es die Gewalt aufbringen die Schranke, die ihm der Wille fremder Völker bei der Benutzung von deren Reichtumsquellen ist zu überwinden. Indem sich die Menschheit zu Völkern konstituiert, tritt sie also in eine Konkurrenz um die Benutzung ökonomischer Ressourcen, sowie den durch die Völker hervorgebrachten Reichtum.

Die Durchsetzung eines Volkes in dieser Konkurrenz entscheidet darüber, zum Nutzen welches Volkes Ökonomie überhaupt stattfindet, indem sich in ihr der Zugriff auf die Grundlagen davon entscheidet. Das heißt, dass die Interessen der einzelnen Volksangehörigen (als Proletarier, Grundbesitzer, Kapitalisten – oder im Feudalismus als Freie, Adel, Klerus) davon abhängen, dass das eigene Volk sich durchsetzt. Die Bewährung des eigenen Volkes in dieser Konkurrenz wird also die gesellschaftliche Grundlage ihrer Interessen, wie und weil das Territorium die praktische (letzte) Grundlage davon ist.

Diese Konkurrenz ist gleichzeitig ein Gegensatz zu ihren besonderen Interessen als Volkangehörige: Sie verbraucht Reichtum, den das Volk aufbringen muss und sie verlangt von Zeit zu Zeit den physischen Einsatz im Krieg. Und dieser Gegensatz soll auch ständig aufrecht erhalten werden. Weder wird er nach der Seite entschieden, dass die Völker aufgelöst werden und nur noch die besonderen Interessen der (dann ehemaligen) Volksangehörigen gelten, noch geben die Volksangehörigen ihre Interessen auf und verschmelzen mit dem Konkurrenzzweck des Volkes. Und die Aufrechterhaltung eines Gegensatzes braucht Gewalt und die wird in der Form ausgeübt, dass die besonderen Interessen dem Konkurrenzinteresse des Volkskollektivs durch eine Herrschaft unterworfen werden. Der Zweck sich als Volk verfassen zu wollen macht also eine Herrschaft notwendig und entlang dieser Notwendigkeit entwickelt das Volk aus dem Zweck der Ausgrenzung Fremder zum eigenen Vorteil auch den Willen zu einer Herrschaft (in bürgerlichen Verhältnissen zu einem Nationalstaat).

Zur historischen Durchsetzung davon hatte ich in der ersten Antwort an Nestor schon was geschrieben. Wenn da Bedarf besteht, kann ich da noch ein paar Gedanken beisteuern. Selbstverständlich mit Zitaten und Literaturhinweisen.

2. Der Staat ist der Exekutor dieses Willens.

Was macht die Herrschaft oder der Nationalstaat dann? AW: Er herrscht die Durchsetzung des Volkes in der Konkurrenz mit anderen gleich verfassten Gemeinwesen der Gesellschaft auf. Weil er die Volksangehörigen diesem Zweck unterwirft, ist er dann auch das politische Subjekt des Volkszwecks. In der Konkurrenz der Volksstandpunkte setzen sich also ihre Agenten (Herrschaften oder Nationalstaaten) miteinander ins Benehmen und sie beziehen sich auf ihre heimische Gesellschaft als Mittel für die Durchsetzung in dieser Konkurrenz. Ein anderes haben sie erstens nicht und die Volksangehörigen haben sich, weil sie den Willen haben sich als Volk zu betätigen der Herrschaft auch unterworfen. Das ist das Willensverhältnis, das praktisch gilt, wenn sich in einer Gruppe von Menschen der politische Willen zu einem Volk durchgesetzt hat und das gilt auch nur solange, wie es den Willen zu diesem Volk in der Gesellschaft gibt.

Dieser Mittel-Bezug der Herrschaft auf die Volksangehörigen macht vor ihrer Leiblichkeit nicht halt. Sie kommen in den Genuss als Machtressource der Herrschaft betrachtet zu werden und die Herrschaft erlaubt es sich, so sie sich in Form von Gesetzen zur Gesellschaft ins Benehmen setzt auch ins Gesetz zu schreiben, wer zum Volk gehört und wer nicht d.h. auf wen sie sich als Material der Konkurrenz mit anderen Völkern beziehen will. Das gilt aber nur auf der Grundlage, dass die meisten Volksangehörigen auch welche sein wollen und die Herrschaft deshalb über eine entsprechende Machtressource verfügt. Dann kann sie Einzelne oder auch ein paar Leute mehr mal praktisch zwingen ihre Pflichten als Volkangehörige zu erfüllen, indem sie ihr Gesetz zur Staatsangehörigkeit oder die Gesetze über sonstige staatsbürgerliche Pflichten praktisch anwendet. Dass dieses Recht der abstrakte Begriff des Volkes sei, das glaubt nur der ´Gegenstandpunkt, der ja auch denkt, dass das Volk eine Abstraktion sei. Das Volk ist aber ein polit-ökonomisches Interesse, dem eine Abstraktion auf dem Fuß folgt, nämlich die von den besonderen Interessen der Volksangehörigen. Sie müssen dann eben der Konkurrenz mit anderen Völkern als Bedingung ihrer Interessen dienen. Dass der GSP theoretische Bestimmungen, seien sie falsch oder nicht (Abstraktion) und Anweisungen wie man das finden soll (furchtbar) nicht auseinanderhalten kann, vermeldet er gleich in der Überschrift seines Artikels. Und so geht der Artikel dann auch. Er erklärt nicht, was ein Volk ist, appelliert nicht an den Verstand, sondern bringt Bestimmungen, die illustrieren sollen, dass Volk etwas ganz Furchtbares ist. Ideologie nennt man das. Wo stehen in dem Artikel z.B. die obigen Bestimmungen? Wo steht da ein Begriff des Volkes (außer dem, den der GSP aus dem Gesetzbuch abgelesen hat)?

3. – Dass die Volksmitglieder nichts zu melden haben, stellt keinen Widerspruch zum zweiten Punkt dar, weil sie ja den Staat wollen.

Machen wir mal weiter: Die Herrschaft ist also das politische Subjekt des Volkes und bezieht sich auf die Volksangehörigen, d.h. die gesamte Gesellschaft als Mittel der Konkurrenz mit anderen Völkern und richtet sie auch danach her. Sie haben also, weil sie ein Volk sein wollen, bei der praktischen Durchführung dieses Zwecks notwendig nichts zu melden. Die Volksangehörigen sind damit praktisch auch keine Subjekte der Konkurrenz mit anderen völkischen Gemeinwesen, sondern bewusste, willige Objekte die der Herrschaft auf der Grundlage, dass sie so eine Herrschaft wollen nur noch zustimmen. Auf der Grundlage welchen Bewusstseins sie zustimmen ist dabei völlig egal – dass sie es machen ist für den Fortbestand des Volkes entscheidend. Damit machen sich die Macher des Volkes – die Volksangehörigen – zu Anhängseln des Konkurrenzzwecks, den sie selber gefasst haben. Denn dass die Verhältnisse (die Herrschaft eingeschlossen) auf ihrem Willen ruhen, d.h. davon leben, dass sie die Verhältnisse wollen, daran hat sich nichts geändert. Nur tritt ihnen ihr völkischer Konkurrenzzweck eben als Herrschaft gegenüber, lassen sie sich davon beherrschen.

4. – Beispiele für den Willen zum Staat vor der Staatsgründung finde ich in der Geschichte und im Separatismus.

Da das die Erklärung des Volkes ist d.h, sein abstrakter Begriff ist jedes Volk ein Beispiel dafür.

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Podiumsdiskussion 24.29.09 Stuttgart: Die LINKE wählen – eine geeignete Alternative?

23. September 2009 4 Kommentare

Auf dem Blog der Gruppe „Versus“ Tübingen sind im Vorgriff auf die Podiumsdiskussion am 24.09.2009 in Stuttgart kurze Statements der Podiumsteilnehmer veröffentlicht worden.

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Bei uns herrscht aber keine Demokratie!

20. September 2009 8 Kommentare

Im neuen Heft 3-09 des GegenStandpunkt sind ein Leserbrief und eine Antwort der Redaktion zum Thema Demokratiekritik abgedruckt, die gut zur hiesigen Debatte passen:

Liebe Gegenstandpunkt-Leute,

Ich habe eine kleine Kritik: Ich möchte entschieden widersprechen, die westlichen Staaten als Demokratie zu bezeichnen. Demokratie heißt Volksherrschaft. Bei uns herrscht aber nicht das Volk. Die wirtschaftlich Mächtigen haben nämlich den entscheidenden Einfluss auf politische Entscheidungen. Dies geschieht z.B. über personale Verflechtungen (z.B. Aufsichtsratsposten, Wechsel zwischen wirtschaftlichen und politischen Machtpositionen, Bezahlung von Beamten und Abgeordnete durch Konzerne). Wirtschaftsverbände erarbeiten Gesetze und Argumentationen. Weiterhin werden Beratertätigkeiten, klassische Lobbyarbeit, Einfluss über die Medien und legale und illegale Parteispenden genutzt. Hinzu kommt noch Kapital-Steuerflucht/-hinterziehung, was zur Finanznot des Staates führt. Wir leben somit nicht in einer Demokratie, sondern in einem von der Großwirtschaft beherrschten parlamentarischen System.

Die Antwort der Redaktion:

Du hältst uns mit Deiner „kleinen Kritik“ vor, dass wir unsererseits eine Kritik an den westlichen Demokratien verpassen würden, die man Deiner Ansicht nach unbedingt zu üben hätte: wir würden ihnen unwidersprochen und unkritisch einen Ehrentitel lassen – Demokratie -, der ihnen, wie Du meinst, keinesfalls zusteht. Den Vorwurf, gegenüber den hiesigen „Volksherrschaften“ unkritisch zu sein, können wir Dir postwendend zurückreichen: Wir halten nämlich gar nichts davon – und halten es auch nicht für besonders kritisch -, der offenbar auch bei Dir hoch angesehenen Art der demokratischen Herrschaftsausübung dann, wenn man wieder einmal die Anstandsregeln guten Regierens verletzt glaubt, mit dem erfundenen Maßstab einer eigentlichen Demokratie zu kommen; und dann, ohne sich um den wirklichen Gang der Dinge und seine kritikwürdigen Gründe und Zwecke zu kümmern, allerlei Abweichungen von diesem schönen Ideal zu beklagen. Weil es so ungefähr das Gegenteil von Kritik ist, die Herrschaft mit den von ihr selbst in die Welt gesetzten und gepflegten Idealen zu konfrontieren, taugen Deine Einwände gegen die real existierende Demokratie auch nichts, auch wenn sie ein wenig radikal und grundsätzlich daherkommen: Mehr…

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Kurzkommentare zu Aktuellem aus Schule und Gesellschaft (von F. Huisken)

20. September 2009 4 Kommentare

Die Seite www.magazin-auswege.de, die von Lehrern für Lehrer gemacht ist, hat Freerk Huisken (vom GegenStandpunkt) gebeten, in unregelmäßigen Abständen unter dem obigen Titel Kurzkommentare zu Aktuellem aus Schule und Gesellschaft zu liefern (warum machen sie das eigentlich erst jetzt, wo Freerk ja schon eine Weile emeritiert ist?).

Seine ersten Beiträge hat er auch auf seiner Webseite zur Verfügung gestellt:

GegenRede 1 Bildungsstreik 2009: Kämpferischer Einsatz für verbesserte Konkurrenzbedingungen in der Schule

GegenRede 2
„Arbeiten mit Erkrankung birgt Risiken” Für wen eigentlich?

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Sind Volksabstimmungen auch nur Wahlen?

17. September 2009 183 Kommentare

Ich hatte im Wählen-ist-verkehrt.-Auch-2009-Thread auch folgende Frage gestellt:

Wie soll man als Kommunist eigentlich zu Volksabstimmungen argumentieren? Da geht es ja immer um irgendwas Konkretes, in den USA in den letzten Jahrzehnten, vor allem in Kalifornien, recht häufig um Verschärfungen der Rechts- und Lebensbedingungen von Immigranten oder um die Verschärfung des Sexualstrafrechts. Z.B. die Frage, ob GPS (Global Positioning System) monitoring on “sex offenders” eingeführt werden soll (Prop 83 in Kalifornien 2006), oder Proposition 187 in 1994 denying education and health care to undocumented workers, oder Prop. 227 in 1998 scrapping bilingual education (auch in Kalifornien).

Klaus Unruh hat in seiner folgenden Antwort angeregt, diese Teilfrage separat abzuhandeln, was ich hier auch tue:

Wenn du deine Frage ernst meinst, dann sortiere sie lieber aus diesem Thread aus. Denn hier geht’s um die aktuell stattfindende Wahl 2009. In Bezug darauf kann man die Volksbegehren a la http://www.mehr-demokratie.de/ durchaus nennen und auch daran zeigen, wie absurd das Ganze ist. Nur als Beispiel: In Bremen gab’s nen Volksentscheid dafür, dass die Bürgerschaft sich mit dem genannten Thema auseinandersetzt. Nicht: Was sollen sie beschließen? sondern: sie sollen darüber reden. Wie das Zeugs in Kalifornien gehandhabt wird, weiß ich nicht und das müsste man dann vielleicht schon ausführen. Und dann kann man erst Gemeinsamkeiten und Differenzen zu sonstigen Wahlen beurteilen, die über ein Kreuz hinausgehen.

Die bisherigen Wortmeldungen (hoffentlich alle, ich hatte zwischendurch zu eilig die „alten“ schon weggelöscht) zum Thema Volksabstimmung habe ich deshalb in diesen Thread verlegt.

Und nur der Vollständigkeit halber:
Da ich konkret die politischen Verhältnisse in Kalifornien angesprochen habe, und ich zugeben will, daß hiesige Linke sich da zumeist nicht auskennen, habe ich einfach die Genossen von ruthlesscriticism angeschrieben, die sowohl Vertreter des GegenStandpunkts sind als auch in CA USA.

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What the World Economic Crisis Teaches about Capitalism

11. September 2009 Kommentare ausgeschaltet

Die Freunde des GegenStandpunkt in den USA von ruthlesscriticism haben Anfang September ihre zweite Veranstaltung in Kalifornien gemacht und jetzt online gestellt, contradictio hat darauf hingewiesen.

In der einigermaßen lebendigen Diskussion wurde recht bald (wiedermal, wie auch schon in Deutschland) aus dem Publikum der Vorwurf laut, daß die ganze Krise ein einziges „Ponzi-scheme“ gewesen sei, weil „echte“ Werte eben nur aus der Ausbeutung von Arbeitern in der „Realwirtschaft“ stammen können. Auch über die Rolle der Gewerkschaften wurde zum Schluß knapp diskutiert.

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Wählen ist verkehrt. Auch 2009

26. August 2009 305 Kommentare

Im Rahmen seiner bescheidenen Kampagne zur demnächst anstehenden Bundestagswahl 2009 macht der GegenStandpunkt auch in Berlin eine Veranstaltung:

Die Wahl – Eine Sternstunde demokratischer Herrschaft:
Die nationale Führung lässt wählen – Das Volk bekommt, was es immer bekommt: Eine neue Regierung

Referentin: Margaret Wirth, Universität Bremen
Ort: Festsaal Kreuzberg, Skalitzer Str. 130 (U-BHF Kottbusser Tor)
Zeit: Dienstag, 08.09.2009
Beginn: 19:00 h

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Kritik des Bildungsstreiks in diesem Sommer

21. August 2009 Kommentare ausgeschaltet

„Geld für Bildung statt für Banken“, das klingt anscheinend immer wieder gut, vor 30 Jahren haben wackere MSB Spartakus-Studenten oder Jusos auch schon skandiert „In der Rüstung sind sie fix, für die Bildung tun sie nix!“ oder noch simpler „Bildung rauf! Rüstung runter!“ Der Haken an dieser Forderung ist zum einen der, daß er von der Vorstellung ausgeht, der Staat verfüge über einen Haufen Geld, und dieser große Haufen Geld müsse jetzt bloß „vernünftig“ verteilt werden. Aber der Staat hört nicht auf die vernünftigen Studenten und gibt es bekanntermaßen glatt den Banken statt es in die Bildung zu stecken. Der Fehler daran ist ein mehrfacher: Ganz offensichtlich schon mal: Selbst wenn zukünftig mehr Geld für Bildung da sein sollte, hätten denn dann Studenten tatsächlich irgendein ein Mitspracherecht wofür das schöne Geld dann ausgegeben würde? Der Haupteinwand ist aber folgender: Haben die Studis und Schüler sich überhaupt Gedanken gemacht, für welche Sorte „Bildung“ mehr Geld aufgebracht werden soll? Mehr Geld für Bildung heißt doch erst mal nur, im Prinzip jedenfalls, für die Bildung, die es bisher gegeben hat. Was mir bei den ganzen Bildungsstreikaktivitäten und der dabei veröffentlichten Propaganda aufgefallen ist, daß es irgendeine ernsthafte Kritik an der Art und Weise, in der Bildung in Deutschland tatsächlich inhaltlich stattfindet, leider überhaupt nicht gegeben hat, jedenfalls ist mir da nichts großartig aufgefallen. Leider war es überall so, daß die ja schon massenhaft vorgetragene Kritik sich fast gar nicht mit den Inhalten der Bildung und dem Zweck des ganzen Bildungssystems beschäftigt hat, sondern sondern fast ausschließlich die Bedingungen, unter denen „Bildung“ vermittelt wird, skandalisiert hat.

Das Zweite wichtigere Argument ist: Die Vorstellung von dem Haufen Geld, der nur gerechter oder vernünftiger verteilt werden müßte, ist eine durch und durch idealistische Betrachtungsweise des Staatshaushalts dieses Staates: Denn die Studierenden tun so, als hätten ihre Vorstellungen von gerechter Verteilung irgendetwas mit den Kriterien zu tun, mit denen hierzulande der Nationalstaat seine politischen Optionen in Finanzkraft übersetzt . Studierende sehen doch gerade, was der Staat macht, wofür er Geld ausgibt: Offensichtlich ist ihm die Reparatur des Bankensektors wesentlich mehr Wert als noch mehr Geld in die Bildung zu stecken. Die Bildungsstreiker fragen nun aber gar nicht, warum das so ist, sondern wollen es einfach nur anders haben. Damit kommen sie bei den staatlichen Bildungspolitikern aber alles andere als gut an: Für das, was die vom Bildungsbereich haben wollen, braucht es gar nicht wesentlich mehr Geld. Der Staat will ja gerade mit der Verknappung der Mittel dafür sorgen, daß die Studierenden sich untereinander mehr Konkurrenz machen und deshalb schneller und damit kostengünstiger das Studium verlassen. Genau das ist doch gerade der erklärte Zweck der Bildungsreformen der letzten Jahre gewesen. Jetzt auf einmal für dieses in diesem Sinne weitgehend fertig reformierte Bildungssystem mehr Geld auszugeben, ist gar nicht dessen Absicht. Dahinter steckt eine Vorstellung vom Staat, wonach der, wo „wir“ doch alle der Staat sind, „berechtigte “ Forderungen, gerade der akademischen Elite, bedienen müsse. Der Staat sagt aber dazu: Stimmt, ihr seid die angehende akademische Elite, aber gerade deswegen, weil ihr später die Chance habt, in etwas besseren Positionen arbeiten zu können, verlange ich von euch, daß ihr euch in dem Studium, so wie ich es euch hinorganisiert habe, gefälligst bewährt.

Der Bildungsstreik ist vorüber, überall gab es nur eitel Erfolgsmeldungen. Worauf beziehen sich die Erfolgsmeldungen? Die naheliegendste Frage ist da ja immer, welche Forderungen sind denn durch die Aktionen überhaupt erfüllt worden? Und schon beim oberflächlichsten Nachschauen stellt man doch fest: Daß irgendwas Substanzielles tatsächlich durchgesetzt worden wäre, solche Erfolge können überhaupt nicht vermeldet werden, der Bildungsaparat steht wie eine Eins. Es steht in den Jubelberichten nicht mal drin: Wir haben jetzt unsere Demonstrationen durchgeführt, wir haben damit jetzt unsere Forderungen unterstrichen, die kennt jetzt jeder, jetzt müssen die reagieren, weil die befürchten müssen, daß wir noch mehr hinlegen, deshalb warten wir mal ab, was wir denen damit abpressen konnten. Nein, der Erfolg wird allein darin gesehen, daß die Protestaktionen viele Leute auf die Beine gekriegt haben, daß er also überhaupt stattgefunden hat. Man kann daran ablesen, daß es für die Protagonisten des Bildungsstreiks, die danach solche Erfolgsbilanzen in die Welt gesetzt haben, geradezu selbstverständlich war, daß das Maß für den Erfolg solcher Aktionen gerade nicht darin liegt, wie weit sie, auch nur ansatzweise Gehör für ihre Forderungen gefunden haben, oder sich herausgestellt hat, daß die eine oder andere Forderung durchgesetzt werden konnte, sondern daß der Erfolg das pure Gelingen der Streik- und Demonstrationsmaßnahmen selber gewesen sein soll. Damit geben sie implizit selbst zu, daß der Streik so etwas wie Selbstzweck gewesen ist, egal, was er bewirkt beim Gegner, Hauptsache, daß viele mitgemacht haben. Mit solch einem wahrlich bescheidenen Maßstab geben die Macher praktisch zu, daß sie sich ohnehin keine großen Chancen ausgerechnet hatten, das Gegenteil von Studium serviert zu bekommen, was sie während des Bildungsstreiks so einhellig beklagt haben.

Das ist ironischerweise ein Stück Realismus hinsichtlich der Möglichkeit, diese Forderungen tatsächlich durchzusetzen. Denn so ein Streik ist natürlich gar kein wirklicher Streik. Das war ein bewusst falsch gewähltes Etikett für die Aktionen, zu denen aufgerufen worden ist. Streik ist nämlich etwas ganz anderes: Streik heißt, durch die eigene massenhafte Unterlassung wird tatsächlicher Druck auf den Gegner ausgeübt und nicht nur ein harmloser massenhafter moralischer Appell gemacht. Die klassische Form des Streiks ist immer noch der Streik von Arbeitern, die ihre Arbeit niederlegen, und die damit ihren Arbeitgeber zwingen wollen, ihnen etwas zuzugestehen, sei es weniger Arbeitszeit, zumeist ein bisschen mehr Lohn. Das ist in der Tat eine Waffe. (Daß die zweischneidig ist, das ist die andere Seite: Wenn Arbeiter nicht arbeiten, dann verdienen sie auch nichts und sie können auch nur soweit Sachen durchsetzen, wie sie hinterher immer noch profitabel für ihren Betrieb sind, sonst schmeißt der sie nämlich gleich raus). Aber das ist eine Waffe, denn streikende Arbeiter entziehen dem Unternehmer das Mittel seines Profits, und das ist ihre Arbeit. Ein studentischer Streik kann das aber gar nicht, die können nur ihr Studium unterlassen. Studierende können sich nur selbst von ihrer eigenen Ausbildung ausschließen. Und da lehnt der Staat sich regelmäßig getrost zurück und wartet ab, der Prüfungsdruck, der bleibt ja bestehen, die Studiengebühren drücken. Deshalb konnte man aus Frankreich nach einem oder einem halben Jahr Streik über den die hiesigen Protagonisten ins Schwärmen geraten sind, hören, daß die Universität gnädigerweise den Studenten erlaubt hat, alle Prüfungen in den Semesterferien nachzuholen. Und das haben sie dann auch gemacht.

Wenn die Erfolgsbilanz heißt, so und so viel Leute haben wir tatsächlich auf die Straße gekriegt, soviel von unseren, soviel Studis haben wir hinter den Lehrbüchern hervorgezogen. dann schleicht sich in den Streik ein ganz anderer Zweck ein, nämlich Studierende, von denen man weiß, die haben eigentlich nichts im Sinn mit den eigenen Forderungen, was auch immer man davon halten mag, trotzdem auf die Straße zu kriegen. Eigentlich ginge sowas nur, wenn man diese Studierenden kritisiert und ihnen vorhält: Was macht ihr denn da eigentlich? Seht ihr nicht, daß ihr mit eurem Weiterstudieren wie bisher uns in den Rücken fallt, wo wir doch diese Universität verbessern wollen? Das würde doch auch euch zugute kommen! Und je nachdem, wie die Kritik der Studierenden an der Bildung selber aussieht, müßte die Kritik der Studierenden, die man für den Streik erst noch gewinnen will, auch härter ausfallen. Leider ist das Gegenteil passiert: Die Studenten, die man für die Aktion gewinnen wollte, wurden nämlich mit einem Argument beworben, daß höchst zwiespältig ist: Ihr findet die neuen verschärften Bedingungen der Konkurrenz im Studium doch auch ärgerlich und stressig. Also macht mit, kämpft mit für erträgliche Konkurrenzbedingungen. Dieses Argument eröffnet den Studierenden, den Fleissigen, nur die Alternative zwischen zwei Sorten, sich auf die eingerichtete Konkurrenz zu beziehen, statt an ihrer Kritik mitzuarbeiten. Die eine Alternative heißt, man nimmt teil am Kampf für Konkurrenzerleichterungen. Und die andere Alternative heißt, man versucht mit vermehrten Eigenanstrengungen mehr Erfolg in der Konkurrenz, der Lernkonkurrenz, zu erreichen. Und wer jetzt noch dazu sagt, der Kampf bringt ohnehin nichts, der bleibt, unter Berufung auf das Argument der Studenten selbst, hinter seinen Büchern und streikt bewusst nicht mit.

In großen Teilen war der Bildungsstreik gerade nicht die Kritik von Schülern und Studierenden (und auch nicht von Lehrkräften), die in diesem Bildungssystem alles mitmachen, die keinen Begriff davon haben von dem, was sie da eigentlich mitmachen, welchen Zwecken es dient, was hier veranstaltet wird.

(angeregt durch Freerk Huiskens Schlussbemerkungen bei der Veranstaltung am 30.06.2009 in Leipzig, Mitschnitt hier )

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Renate Dillmann: CHINA Ein Lehrstück

18. August 2009 9 Kommentare

Im VSA-Verlag wird im September 2009 ein Buch über die VR China erscheinen:

60 Jahre Volksrepublik China – ein Lehrstück über einen sozialistischen Gegenentwurf und die Geburtsstunde eines neuen Kapitalismus.

China ist ein bemerkenswerter Sonderfall: Es schafft eine wahrhaft nachholende „Entwicklung“, schließt zu den etablierten Nationen auf, wird kapitalistische Weltmacht. Anhänger einer früher antikapitalistisch inspirierten Drittwelt-Bewegung können sich heute fragen, ob es das war, wovon sie geträumt haben… Renate Dillmann geht der Frage nach, wie die 30 Jahre Aufbau des Sozialismus und die 30 Jahre Aufbau des Kapitalismus eigentlich zusammenpassen, die in China unter derselben KP-Führung auf die Tagesordnung gesetzt und durchgezogen wurden. Wo ist der rote oder weniger rote Faden?

Die zentrale These ihres Buches: Schon in Theorie und Praxis der KP unter Mao ist die Unterordnung aller sozialistischen Ambitionen unter das Ziel der Befreiung, Einigung und schließlich des Aufbaus einer machtvollen chinesischen Nation grundgelegt, das dann unter Deng und den Nachfolgern weiter verfolgt, mit „kapitalistischen Methoden“ vorangetrieben und zu erstaunlichen Erfolgen geführt wird. Die Autorin ist aber weit davon entfernt, ihre Erläuterung der Entwicklung Chinas auf einen simplifizierenden Nenner zu bringen. Ihre anschauliche, mit viel Material angereicherte Schilderung und begriffliche Durchdringung führt den Leser durch die Etappen der jüngeren chinesischen Geschichte. Westliche Freunde und Feinde des „Maoismus“ werden dabei ebenso kritisch gewürdigt wie die Urteile der bürgerlichen und linken Öffentlichkeit zur heutigen Volksrepublik.

Renate Dillmann
CHINA
Ein Lehrstück
Alter und neuer Imperialismus
Sozialistischer Gegenentwurf und seine Fehler
Geburt einer kapitalistischen Gesellschaft
Aufstieg einer neuen Großmacht
400 Seiten (September 2009)
EUR 22.80 sFr 39.40
ISBN 978-3-89965-380-9

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