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Die Finanzkrise: Hermann Lueer versus GegenStandpunkt

23. Mai 2009 6 Kommentare

Ich hatte vor ein paar Tagen folgende Mail an Hermann Lueer geschickt:

Als jemand, der sich wie die allermeisten, auch allermeisten Linken, mit der Einschätzung und Erklärung der Finanzkrise schwer getan hat (und eigentlich immer noch nicht damit zu Rande gekommen bin), habe ich mich über dein neues Buchprojekt natürlich gefreut, denn das hatte ich schon deinem ersten Hunger-Buch entnommen: Du gibst dir sehr Mühe, die abstrakten Erkenntnisse über kapitalistischen Reichtum und daraufhin grassierender Armut möglichst eingängig zu formulieren. (Ich habe es deshalb auch auf auf meinem Blog beworben.) Ganz offensichtlich, nachdem du dich intensiv mit den Veröffentlichungen des GegenStandpunkt beschäftigt hast, denn dessen Anhänger lesen bei dir viele ihrer Erkenntnisse heraus und du wahrscheinlich umgekehrt wohl auch.
Während ich aus dem GSP-Umfeld zu deinem Hunger-Buch nun bisher keine Kritik gehört habe, hat mir vor ein paar Tagen ein Genosse am Büchertisch so en passant gesagt, daß er dein neues Finanzkrisen-Buch nicht anbietet, weil da „der Grund der Finanzkrise falsch erklärt“ werde. Ich habe bisher überhaupt keine schriftliche Auseinandersetzung mit dem Buch gefunden, und möchte dich deshalb fragen, ob du mit den Genossen um den GegenStandpunkt darüber schon Diskussionen gehabt hast.
Selber kann ich mir vorstellen (ich bin nun alles andere als ein bewanderter Marxist, als jemand, der in der Finanzbranche arbeitet, aber, was die reinen Fakten angeht, auch nicht völlig unbeleckt), daß es sich um die Stellung und Art des fiktiven Kapitals dreht. Du formulierst da auf S. 49 ja recht strikt: „Parallel zur Krise im Bankensektor entwickelt sich die Krise in der sogenannten Realwirtschaft“. Dem steht die von mir schon von Anfang an bezweifelte These aus dem GegenStandpunkt Heft 3-07: „Die Krise, die mit Notwendigkeit aus der Tatsache folgt, dass „die Bedingungen der unmittelbaren Exploitation und die ihrer Realisation… nicht identisch“ sind, vielmehr „nicht nur nach Zeit und Ort, sondern auch begrifflich auseinander“ fallen (Karl Marx, Das Kapital, Bd. 3, MEW 25, S. 254), ist hier nicht Thema. Was sich im Sommer dieses Jahres an den Weltfinanzmärkten abspielt, ist eine Irritation des Geldkapitals, die allein aus dessen vermögenswirksamer Beschäftigung mit sich selbst folgt, darauf allerdings nicht ganz beschränkt bleibt.“ (Ich selber hatte auf meinem Blog dazu geschrieben: „Dieses „nicht ganz beschränkt“ halte ich für eine grobe Untertreibung.„)
Ich habe aber das Gefühl, daß du Finanzbereich und „Realwirtschaft als allzu parallel darstellst wenn auf der gleichen Seite ganz allgemein sagst: „Was vor kurzem noch ein erfolgreiches Geschäft versprach, stellt sich plötzlich als Überkapazität heraus“. Da benutzt du offensichtlich einen Zentralbegriff aus der Realwirtschaft im Finanzwesen. Bei deinem Schlußsatz auf der Seite: „Der physische Reichtum der Gesellschaft hat sich also nicht in Luft aufgelöst, er wird vom Standpunkt des Geschäfts nur nicht mehr gebraucht.“ weiß ich nicht, ob du da die Finanzbranche mit angesprochen hast, oder „nur“ über warenproduzierende Firmen redest.
Sind das Punkte der Differenz zum GSP?

Hierauf hat Hermann folgendes geantwortet:

Mein Buch zur Finanzkrise fällt in der Tat im GSP Umfeld auf gemischte Resonanz. Einige finden es gut, andere meinen ich hätte die Finanzkrise falsch als klassische Überakkumulationskrise kritisiert und damit die Rolle des fiktiven Kapitals nicht richtig erfasst. Ähnlich wie das von dir angeführte Zitat aus den GS 3-07 wird – soweit ich bisher gehört habe – behauptet, das Finanzkapital hätte mit der Kreation des fiktiven Kapitals seine Akkumulation unabhängig von der mühseligen Produktion von Mehrwerts gestaltet. Die meisten dieser Geschäfte hätten die Banken mit sich selbst gemacht. Mit der Störung des Vertrauens in ihre Fähigkeit, weiterhin fiktives Kapital für zirkuläre Geschäfte im Finanzsektor zu generieren, mit der Krise des Finanzkapitals wurde so auch der Kredit an das industrielle Kapital reduziert und führte es in seine Überakkumulationskrise. Wie du meinem Buch entnommen hast, teile ich diese Auffassung nicht.
Der Ausgangspunkt war gerade nicht das Platzen zirkulärer Wertpapiergeschäfte, sondern der Zusammenbruch eines für die US-Wirtschaft nicht gerade unbedeutenden Wirtschaftssektors. Allein die akkumulierten Eigenheimhypothekenschulden in den USA betrugen in 2007 mit 11 Billionen US$ 85% des US Sozialprodukts. Wenn Du Kreditkarten- und sonstige Konsumentenkredite sowie Firmenkredite bzw. -anleihen (bei durchschnittlich 20% Eigenkapitalquote sind 80% der Bilanzsumme fremdfinanziert) hinzurechnest, ist für zirkuläre Finanzgeschäfte nicht mehr viel Platz. Zumindest nicht in dem Sinne, dass hier eine völlig neue Erklärung der kapitalistischen Krise fällig wäre.
Wenn allein von 11 Billionen US$ Hypothekenkrediten nur 10% ausfallen, bringen die 1 Billionen Abschreibungsbedarf diverse Banken ins Wanken, von den Wechselwirkungen über die gegenseitigen Abhängigkeiten ganz abgesehen. Auch in Spanien hat der Immobiliensektor über Jahre bis zu 30% des BSP getragen. Dass mit dem Ausbruch der Krise zunächst die Banken unmittelbar im Vertrauen auf ihre gesamten Geldgeschäfte betroffen sind, sollte hier nicht täuschen. Das war übrigens in jeder Krise so (Japan, Weltwirtschaftskrise) und liegt in der Natur der im Bankensektor zusammengefassten Geldgeschäfte der Wirtschaft.
Ich habe noch nirgendwo gelesen, dass 70% oder 80% der Bilanzsumme der Banken allein aus bankeninternen Geschäften besteht. Wenn von toxischen Papieren die Rede ist (z.B. bei der HRE, Bear Stearns, AIG, Merril Lynch, Freddie Mac etc) geht es immer um die Verbriefung von Forderungen gegenüber der „Realwirtschaft“. Die Verbriefungstechniken haben den weltweiten Kapitalmarkt für die Vergabe von Hypothekenkrediten, Kreditkartenkrediten, Autoleasingkrediten sowie industriellen Forderungsverbriefungen und Anleihefinanzierungen erschlossen. Ohne diese Verbriefungstechniken wäre die Spekulation auf zukünftige Verwertung im Rahmen des Immobilienbooms in den USA, Spanien, England, Irland etc. der Exporterfolg der Chinesen, die Kapazitäten der Autoproduzenten usw. gar nicht zustande gekommen. Der Streit mit den Europäern (zuerst Forderung nach mehr Regulierung der Investmentbanken, dann eigene Deregulierung) zielte doch auf die Power des über die Kapitalmärkte ermöglichten eigenen kapitalistischen Wachstums.
Deinem Kommentar – „Dieses „nicht ganz beschränkt“ halte ich für eine grobe Untertreibung“ – kann ich in diesem Sinne nur zustimmen.
Wenn man das fiktive Kapital als Erklärung der Besonderheit der „Finanzkrise“ heranziehen will, liegt man zweifach daneben: Erstens inhaltlich. Fiktives Kapital hat es schon immer gegeben (Aktiengesellschaften, Anleihen etc.). Das Argument kann also gar nicht das Neue sein, sondern höchsten der Umfang des fiktiven Kapitals (wie viel fiktives Kapital ist denn zu viel?) und damit liegt man zweitens agitatorisch sehr dicht an dem was in bürgerlichen und linken Kreisen auch als Grund der Finanzkrise gehandelt wird.
Die Kritik anlässlich der „Finanzkrise“ kann doch nur über die Kritik am Maßstab des kapitalistischen Reichtums geführt werden. Alle vorhandenen Produktionsmittel und technologischen Möglichkeiten kommen nur bezogen auf zahlungsfähige Bedürfnisse zwecks Vermehrung des eingesetzten Kapitals zum Einsatz. In diesem Geschäftszweck gehen dann Finanz- und Realwirtschaft Hand in Hand. Mit der Expansion des Kredits als Geschäftsmittel für Bank und Produzent (egal ob über Leihkapital oder fiktives Kapital) werden Produktionskapazitäten genutzt und Bedürfnisse als zahlungsfähige anerkannt und mit der Kontraktion des Kredits lösen sich die vorhanden Produktionskapazitäten und Bedürfnisse der Menschen zwar nicht in Luft auf, werden aber vom Geschäftsstandpunkt der Finanz- und Realwirtschaft als wertlos eingestuft.
Mit dem blöden Begriff der „Finanzkrise“ können Merkel und Köhler mit der vereinten Unterstützung der „Linken“ ungestört für einen anständigen Kapitalismus werben.
Dagegen sollte mein Buch ein Beitrag sein.

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Wagenknecht: „Ich nenne es Sozialismus“

19. Mai 2009 16 Kommentare

Sahra Wagenknecht spricht über das Weltfinanzsystem und seinen Zusammenbruch und erweist sich, wo sie Forderungen stellt, ganz und gar als Politikerin (»in der Tradition von Marx und Luxemburg« gar). Wer’ erträgt, kann es sich bei FRN anhören.

Diesen Hinweis habe ich bei audioarchiv gefunden.
Unter anderem auf Wagenknecht geht der Artikel „Die deutsche Linke sieht sich bestätigt: Der neoliberale Turbo-Kapitalismus ist gescheitert!Machen wir’s besser!“ aus Heft 1-09 des GegenStandpunkt ein. Hier die HTML-Version, und hier als PDF.

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„Schrecklich dummes Zeug“ aus der Provinz — Vom Stolz auf ein „Desaster“

13. Mai 2009 Kommentare ausgeschaltet

„Das geprüfte Argument“ hat auf die frisch auch als Online-PDF-Version erschienene Nürnberger antideutsche Zeitschrift „Pólemos“ hingewiesen, in der ein unsäglich ignorant bis verlogener Leo Elser etwas dazu geschrieben hat, „Warum die Linke nicht radikal und der GegenStandpunkt nicht ideologiekritisch ist“. Das hämische Highlight ist der von DgA zitierte Satz:

Nicht ohne Stolz kann die AG Kritische Theorie verkünden, das Ihrige dazu beigetragen zu haben, dass eine Veranstaltung der Redaktion GegenStandpunkt in den Räumen des städtischen K4 in einem Desaster endete.

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„DER SPIEGEL“ – Das Prinzip Gier

11. Mai 2009 10 Kommentare

Cordt Schnibben, Leiter des Ressorts Gesellschaft beim Spiegel, hat in der Ausgabe Nr. 20 vom 11.05.2009 einen interessanten Leitartikel zur aktuellen Wirtschaftlage geschrieben, aus dem ich die Highlights eingescannt habe. Es ist immer wieder verblüffend, wie viel Wahrheiten über den Kapitalismus jemand zugegeben kann, der unerschütterlich auf dem Standpunkt steht, an die Marktwirtschaft zu glauben und zu wissen, dass es hierzulande kaum jemand gibt, der das nicht tut. (Hervorhebungen von mir)

Was ist das für ein System, so lautet eine dieser Fragen, das sich durch den Kollaps einer Bank an den Rand des Ruins treiben lässt? Wenn die Gier, das ist eine andere Frage, diesen Systemkollaps verursacht hat, wie soll dieses System funktionieren ohne die Gier der Fabrikbesitzer, Manager, Banken? Wenn das Gewinnstreben einiger weniger die Gesellschaft in die Krise führt, statt – wie immer behauptet – dem Gemeinwohl aller zu nützen, wie legitimiert sich dann Privateigentum? [Bezeichnend daß er gleich von der Analyse zur Legitimation übergeht] Was ist das für ein System, in dem der Staat dieses Privateigentum mit Hunderten Milliarden Euro Steuergeldern vor dem Ruin schützt? Was sind das für Politiker, die das Geschäftsgebaren der Großbanken ermöglicht, geduldet und gefördert haben? Und schließlich: Was ist das für eine Demokratie, in der diese Politiker von den Steuerzahlern und Wählern Zustimmung für diesen Lobbyismus erwarten?… Mehr…

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„Jeden Tag fließen … Millionen Zinsen von Arm zu Reich“

8. Mai 2009 Kommentare ausgeschaltet

Auf dem anarchistischen Kongreß mit dem Workshop von Amelie Lanier hat es vor kurzem eine Auseinandersetzung mit der gesellianischen Geldkritik gegeben, MPunkt hatte darauf hingewiesen und dort gab es eine kleine Diksussion zum Thema. Nun bin ich auf zwei konträre weiterführende Mitschnitte zum gleichen Thema gestoßen:
Michael Horn vom GegenStandpunkt („Der Speerspitze der Revolution!“) hat am 21.04.09 in Wien darüber gewettert, „Wie linke ‘Kritiker’ den Kapitalismus ‘nachhaltig’ machen wollen“. So erfrischend giftig und polemisch wie es schon länger nicht mehr von GSPlern zu hören war. Bei contradictio sind die Mitschnitte verlinkt.
Geradezu als Blaupause für seine Kritik am linken Kampf für eine gerechte(re) Verteilung ist mir nun bei audioarchiv ein schon etwas älterer Mitschnitt einer Berliner“historischen“ Veranstaltung (Attac Sommerakademie 2004) untergekommen:
„Zum Thema »Eine andere Welt mit welchem Geld?« diskutieren Elmar Altvater, emeritierter Professor für politische Ökonomie, und Klaus Popp, Referent der Initiative für eine Natürliche Wirtschaftsordnung.“
Klaus Popp fängt buchstäblich ohne Punkt und Komma zu machen damit an, eins ums andere die Verteilung im Kapitalismus und damit schon deren Ungerechtigkeit zu beschreiben und allein damit, völlig unbegriffen, auch schon zu kritisieren. Das Zitat aus dem Titel „“Jeden Tag fließen … Millionen Zinsen von Arm zu Reich“ ist der Kern seiner Thesen.
Es fällt ihm dabei noch nicht einmal auf, daß natürlich bei den Armen eh nie die Milliarden gewesen sind, die letztlich bei „Reich“ landet. Es reicht ihm völlig aus, darauf hinzuweisen, daß die Zinslasten, die die diversen Wirtschaftsubjekte zu tragen haben, immer mehr geworden sind. Da ist es dann gleich, ob Firmen Kredite aufgenommen haben und dann natürlich bedienen müssen, weil sie noch reicher werden wollten, oder der Staat sich verschuldet hat und immer mehr verschuldet, weil seine großen Projekte, seine Herausputzung und Verteidigung des Standorts Deutschland, eben „nur“ mit den dafür nie reichenden Steuereinnahmen nicht zu bestreiten waren und sind.
Wenn nur die Zinsen weg wären (bei der Wiener Veranstaltung trat so ähnlich argumentierend jemand dafür ein, daß, wenn schon die geldgierigen Privatbanken ihre Kredite nur gegen horrende Zinsen hergeben, wenigstens der Staat für zinsfreie, oder wenigstens „niedrige“ Zinsen sorgen möge), dann wäre endlich auch was übrig für all die Leute, die den ganzen Reichtum produziere müssen aber (wegen der Zinsen!) so arg wenig davon abkriegen, ja abkriegen können.
„Eine andere Welt mit welchem Geld?“ ist deshalb eine Frage, auf die man nur antworten kann, daß sie nicht wirklich „anders“ wird, solange man das Geld nicht abschaffen will. Solange aber die erstaunten Fragenwie in Wien immer nur darauf rauslaufen, „Wie stellt ihr euch denn eine Warenwirtschaft, den Tausch, die Arbeitsteilung vor, wenn die Banken und das Geld weg sind?“ werden Leute wie Klaus Popp immer wieder zustimmende Zuhörer finden.

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Vorträge der MG bzw. des GSP zur Moralkritik

2. Mai 2009 Kommentare ausgeschaltet

[Update] Die Genossen von „Kein Kommentar / Berlin“ weisen auf ihrer Webseite auf die nächste Veranstaltung der schon mehrjährigen Reihe an der FU Berlin zur Kritik der bürgerlichen Wissenschaften mit Referenten des GegenStandpunkt hin:

Politikwissenschaftliche Referate und Diskussion
Die Moral und ihre Grundlage im Recht des Staates
(bisher angekündigt unter dem Titel: „Die Moral und ihre großen Werte – nichts wert!
Fleiß, Sparsamkeit, Bescheidenheit, Ehrlichkeit, Altruismus, Höflichkeit“)

Referent: Dr. Rolf Röhrig
Datum: Dienstag 26.05.2009
Beginn: 18:00 Uhr
Ort: Freie Universität Berlin, Habelschwerdter Allee 45 (U-Bhf Dahlem-Dorf) Silberlaube HS 1A
Die Moral gilt als hohes Gut, das die Menschen im Unterschied zum Tierreich als Krone der Schöpfung adelt. Merkwürdigerweise ist sie aber nie recht vorhanden, weil die Welt eigentlich nur von gierigen Managern, korrupten Politikern, egoistischen Singles und faulen Arbeitslosen bevölkert ist. Nicht zu vergessen die unhöflichen Kinder, die nie grüßen. Die Welt ist also voller Lumpen.
Eine Ausnahme kennt freilich jeder: sich. Das ist nur eine der vielen selbstgerechten Dummheiten des moralischen Bewusstseins, das für jeden Schaden, den das kapitalistische Gemeinwesen seinen Insassen auflädt, ein und dieselbe falsche Erklärung parat hält: Das schlechte Benehmen der Menschen ist schuld, die sich einfach nicht an Moral und Anstand halten. Wären alle so tugendhaft wie man selbst, wäre die Welt in Ordnung und jeder hätte sein Auskommen.
Das Anspruchsdenken, sonst heftig im Volk bekämpft, wird auf dem Feld der moralischen Tugenden von Politikern,
Wirtschaftskapitänen und Pastoren kräftig angestachelt. Anstand kann ein Mensch gar nicht genug haben! Für das politische Gemeinwesen stiftet die Moral offenbar einen erheblichen Nutzen. Für die Millionen kleiner Leute, die unter seine Räder kommen, taugt sie nichts.
Der Vortrag will nicht nur den Begriff der Moral erläutern, sondern einmal die viel gepriesenen Tugenden höchstselbst auf den Prüfstand stellen. Was taugen eigentlich Fleiß, Sparsamkeit, Bescheidenheit, Ehrlichkeit, Altruismus und Höflichkeit? Soviel sei vorweggenommen: Die Kritik an so großen Werten wie Ehrlichkeit oder Altruismus ist kein Plädoyer für die Umkehrung, also für Unehrlichkeit oder Egoismus, sondern ein Einwand gegen den marktwirtschaftlichen und demokratischen Sumpf, auf dem das falsche moralische Bewusstsein gedeiht.

Das Thema hat beim GSP eine buchstäblich lange Tradition. Einer der ältesten Vorträge zum Thema, die ich kenne, stammt von Peter Decker aus den 80er Jahren (1985?). Ich weiß leider nicht mehr, wo ich ihn her habe, man findet ihn (mühsam) aber auch über emule als „(MG – GegenStandpunkt) Decker – Kritik der Moral (Nbg 1985) Teil 1-4.mp3“, so habe ich ihn jedenfalls freigegeben.
Noch ein Jahr früher gab es in Wien eine Veranstaltung der MG „Warum ist eine vernünftige Moral unmöglich?“, sie ist bei Vekks dokumentiert, sie klingt aber, den Kasettenrecordern geschuldet, grenzwertig.
Anang des Jahres hat Rolf Röhrig seinen Vortrag schon in München gehalten:
Die Moral und ihre großen Werte – nichts wert!
Fleiß – Sparsamkeit – Bescheidenheit – Ehrlichkeit – Altruismus – Höflichkeit nach oben
Mittwoch, 28. Januar 09 (hier ist der Mitschnitt von argudiss zu haben)
Auch Theo Wentzke hat in den letzten beiden Jahren Moral-Vorträge mit dem Titel „Die Moral – Das gute Gewissen der Klassengesellschaft“abgehalten:
Am 6.12.2007 in Berlin und am 26.05.08 in Erfurt
2005 haben Wolfang Rössler in Freiburg und Peter Decker in Bremen dazu referiert. Peter Decker dann nochmal im Mai 2006 in Frankfurt.

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„blogsport hottest shit“

30. April 2009 Kommentare ausgeschaltet

Die Macher des Blogs Banausenrepublik haben vor kurzem folgende Spielerei programmiert:

Mit diesem kleinen Gimmick gehört auch Ihr (!) bald zu den Obercheckern der community! Alles was Ihr tun müßt um dieses trendy web 2.0 feature in Euren Blog zu integrieren, ist folgenden code einzufügen:
!– BLOGSPORT MOST DISCUSSED–>
!– sorting the most frequently discussed blogsport posts by counting comments on comments.blogsport.de –>
script type=“text/javascript“ src=“http://www.banausenrepublik.de/blog/blogsport_hot.php?lines=5&list=y&link=y&count=y“ >
/script>
!– END —

Das lieferte am 3.5.09 folgendes Ergebnis:

* aka (9)
* dorfdisco (9)
* klarmann (7)
* all4one (4)
* aufenthalt (4)
* maedchenblog (4)
* futsalflingern (4)

Wenn sowas schon „hot“ ist, dann wäre eigentlich alle Hoffnung vergeblich. Jedenfalls auf die Entwicklung des Bloggertums. Jedenfalls für dessen linkes Spektrum. Aber wer tut sowas denn auch schon ernstlich?

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Neuerscheinung: „Der Grund der Finanzkrise“ TB von H. Lueer

30. April 2009 Kommentare ausgeschaltet

Ich hatte vor einer Weile auf ein Taschenbuch von Hermann Lueer hingewiesen:
„Warum verhungern täglich 100.000 Menschen?“
Nun hat der Author im gleichen (Print-on-Demand-)Verlag einen weiteren Titel veröffentlichen können:
Der Grund der Finanzkrise: Von wegen unverantwortliche Spekulanten und habgierige Bankmanager
# Taschenbuch: 112 Seiten
# Verlag: Monsenstein und Vannerdat; Auflage: 1 (April 2009)
# Sprache: Deutsch
# ISBN-10: 3865827985
# ISBN-13: 978-3865827982
Bei amazon steht folgende Kurzbeschreibung:

»Unsere Arbeiter sind nicht weniger produktiv als vor der Krise. Unser Verstand ist nicht weniger erfinderisch, unsere Güter und Dienste werden nicht weniger gebraucht als letzte Woche, letzten Monat oder letztes Jahr. Unsere Kapazitäten sind unverändert.« (Barack Obama) Es könnte also alles so weitergehen wie bisher. Aber was ist dann der Grund für die Krise? »Zu wenig privater Konsum, um die verfügbare Produktionskapazität auszunutzen, ist in weiten Teilen der Welt ganz eindeutig zur Wohlstands­bremse Nummer eins geworden« (Paul Krugman) Eine absurde Krise. Offensichtlich gibt es von allem zu viel. Der Reichtum ist im Überfluss vorhanden, es gibt nicht zu wenig Produktionspotential, sondern Überkapazitäten. Wo soll man hin mit all den nützlichen Sachen, die produziert wurden. Arbeitnehmer werden entlassen und damit außer Lohn und Brot gesetzt, weil zu viel produziert wurde. Nützliche Gebrauchsgegenstände liegen auf Halde und funktionierende Produktionsstätten werden geschlossen wegen zu geringer Nachfrage bei gleichzeitiger Massenverelendung. Der physische Reichtum der Gesellschaft hat sich also nicht in Luft aufgelöst, er wird vom Standpunkt des Geschäfts nur nicht mehr gebraucht. Was ist das für ein komischer Reichtum, der – obwohl sich die materiellen Produktionsbedingungen gar nicht verändert haben, obwohl Lebensmittel, Unterkünfte und alle möglichen sonstigen Konsumartikel weiterhin vorhanden sind – plötzlich in einem zunehmenden Umfang für einen Großteil der Bevölkerung nicht mehr zur Verfügung steht? Warum regiert das Geld die Welt?

(dieser Hinweis geht auf eine Mail von Steffen Falk zurück, den wiederum HermannLueer selber darauf hingewiesen hatte.)
Nachtrag: Hermann Lueer hat auch eine eigene Homepage, wie ich bei contradictio gefunden habe:
http://www.whyhunger.com/deutsch/4,0,argumente,index,0.html

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Austausch über „An Exchange on Nestor Makhno“

30. April 2009 10 Kommentare

Neben der allseits bekannten Kronstadt-Debatte ist zwischen Anarchisten und Kommunisten in Bezug auf die Oktoberrevolution der Bolschewiki immer auch die Bewertung von Nestor Machno, dem ukrainischen Revolutionär hochgradig strittig gewesen. Nach dem anarchistischen Kongreß, der an Ostern 2009 in Berlin (unter Schwierigkeiten) stattgefunden hat, habe ich deshalb in alten Zeitungen gewühlt und einen Artikel im „Workers Vanguard“ der amerikanischen Trotzkisten Spartacist League /U.S., gefunden, in dem die Redaktion ausführlich auf einen Leserbrief eines amerikanischen Anarchisten eingeht. Diesen Artikel aus 1996 habe ich eingescannt und als PDF in meinen Downloadbereich gestellt.
Zudem habe ich ihn Amelie Lanier, die auf dem Kongreß einen Workshop gegeben hatte, zu lesen gegeben, die als nom de guerre unter „Nestor Machno“ firmiert, und mir jemand zu sein scheint, der auch was fundiertes zu dieser Streitfrage sagen kann.
Hier ihre prompte Antwort:

Das generelle Problem an dem Artikel über Machno ist das, daß Leute, die sich als Marxisten bzw. Kommunisten begreifen, oft ein parteiliches Verhältnis zu den Bolschewiken und zur Russischen Revolution haben. Irgendwie waren das doch aufrechte Kommunisten (obwohl man in der SU vor Stalin nicht von Kommunismus sprechen kann) und tüchtige Revolutionäre (was dann bei dieser Revolution für ein Scheißdreck herausgekommen ist, darüber schweigt man dann auch gerne taktvoll) und schon ist jeder, der gegen Lenin oder Trotzki was sagt, ein Antikommunist und Konterrevolutionär.
Es tritt irgendwie eine Usurpation des Begriffs Kommunismus durch die Sowjetpartie ein. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Frage der Beurteilung der Gewalt: Wenn die Bolschewiki recht haben, so ist die von ihnen ausgeübte Gewalt legitim, und ihre Gegner fallen zu Recht der Gewalt zum Opfer. Weil sie blamieren sich ja dadurch, daß sie Gegner der Guten sind.
Das ist also eine Argumentationslinie, die sich durch den ganzen Artikel zieht: Die Rote Armee vertritt das Proletariat, liegt also auf jeden Fall richtig, und die Machnowzy sind Kleineigentümer, die ihr Eigentum bewahren wollen. Bei allen Konflikten, die zwischen den beiden auftreten, haben daher immer die Bolschewiki recht.
Zur Eigentumsfrage: Die Ukraine war vor der Revolution durch den – größtenteils polnischen – Großgrundbesitz geprägt. Schon in der Revolution von 1905 war Machno bei einer Gruppe engagiert, die von einem tschechischen Arbeiter mit anarchistischer Literatur versorgt wurde und die Großgrundbesitzer enteignen wollte, und sich auch organisierte gegen die vom russischen und polnischen Grundherren ins Leben gerufenen Todesschwadronen. Dieser bewaffnete Widerstand von Machno und seinen Anhängern wird in der sowjetischen Historiographie so dargestellt, als sei er ein Wegelagerer gewesen, ein gewöhnlicher Krimineller also, der sich erst im Gefängnis eine politische Bildung zugelegt habe.
Nachdem er nach der Amnestie nach Guljaj-Polje zurückgekehrt war, fing er wieder dort an, wo er 1905 aufgehört hatte: Die Grundbücher wurden verbrannt, ein Dorfkomitee gegründet, das sich mit landwirtschaftlichen Fragen beschäftigte, und es wurde jedem freigestellt, Land in Eigenregie zu bestellen – die Zuteilung erfolgte durch das Dorfkomitee – oder gemeinschaftlich. Man muß hier ausdrücklich festhalten, daß Machno in der Ukraine kollektiviert hat, auf freiwilliger Basis, während Lenin mit dem Dekret über das Land Eigentum gesetzlich eingerichtet hat.
Den Machnowzy sozusagen zu unterstellen, sie seien eigentlich Kulaken gewesen, die sich auf Kosten des Proletariats bereichern wollten, nur weil sich die Bauern den Requirierungen widersetzt haben, ist halt auch eine recht tendenziöse Deutung der Ereignisse.
Der Höhepunkt der Auseinandersetzungen zwischen Großgrundbesitzern und Bauern – nicht nur den Anhängern Machnos – war während des Hetmanats. Skoropadski, selbst zaristischer Offizier und Grundherr, hat diese Kießling-Rolle deshalb angenommen, weil er sich damit der deutschen und österreichischen Truppen zur Niedermachung der aufrührerischen Bauern bedienen konnte. Die deutschen und ö. Truppen plünderten die Ukraine aus und das wiederum verlängerte den Weltkrieg, der sonst wegen Versorgungsengpässen der Mittelmächte schneller vorbei gewesen wäre. Guljaj-Polje wurde in dieser Zeit von den vereinigten deutsch-ukrainischen Truppen eingenommen und zwei von Machnos Brüdern hingerichtet. Er selbst überlebte nur, weil er nicht dort war. Machno hat es der sowjetischen Führung immer sehr verübelt, mit dem Friedensschluß von Brest-Litowsk die Ukraine an die Achsenmächte und die Grundbesitzer ausgeliefert zu haben und damit diese Repressionswelle und Massaker an ukrainischen Bauern ermöglicht zu haben.
Die Frage der Progrome gegen die Juden ist das beliebteste Motiv in der sowjetischen und prosowjetischen Geschichtsschreibung, um die Machnowzy als Judenfresser und Machno selbst als Antisemiten hinzustellen. Der Artikel legt noch dazu ein Schäuferl zu und bezeichnet ihn als verlogenen Antisemiten: tut judenfreundlich, in Wirklichkeit aber …
Arschynow, sein Mitarbeiter, leugnet gar nicht den unter den Machnowzy verbreiteten Antisemitismus, aber hält fest: “Antisemitismus gibt es in Rußland genauso wie in einer Reihe anderer Länder. In Rußland, und konkret in der Ukraine, trat er nicht auf als Resultat der revolutionären Epoche oder aufständischer Bewegungen, sondern als Erbe der Vergangenheit.“ Daß Machno und sein Mitarbeiterstab alles gemacht haben, um dem entgegenzutreten, gibt ja sogar der Artikel implizit zu. Noch etwas anderes ist zu bedenken: Die Machnowzy waren auf Grundlage völliger Freiwilligkeit organisiert. Von anderen Dörfern und Gegenden kamen Freiwillige, um sich entweder den kämpfenden Verbänden anzuschließen oder aus den Erfahrungen der Dorfkomitees etwas mitzunehmen an Erfahrungen. Ganze Dörfer deklarierten sich als Teil des “befreiten Gebietes“ und Anhänger Machnos. Und so ist es natürlich auch vorgekommen, daß Banden, die Pogrome veranstalteten und deutsche und jüdische Dörfer plünderten, sich als Machnowzy deklariert haben, ohne das geringste mit Machno zu tun zu haben.
Ein weiterer Punkt ist die Frage der Bildung: Machno und seine Anhänger werden gern als Primitivlinge, ungebildete Bauerntrampeln hingestellt, so auch in dem Artikel, die niedrige Instinkte bedient und spontane Entschlüsse gefaßt haben, ohne Nachdenken. Machno kam 1917 aus der Butyrka nach Hause mit nichts als einem großen Sack voller Bücher. Das war für ihn das Wichtigste, das er aus Moskau nach Guljaj-Polje bringen wollte. Während des Bürgerkrieges warben die Machnowzy aus den Städten Leute mit etwas Schulbildung an, um mit ihnen ein System von Dorfschulen nach dem Vorbild der Escuela Moderna von Francisco Ferrer einzurichten. Die Verbitterung Volins, Machnos und Arschynows über das mangelnde Interesse der russischen Anarchisten hat auch darin ihren Grund, daß ihnen Intellektuelle fehlten, die das Publikationswesen betreiben, bei schwierigen ökonomischen Entscheidungen helfen und die Volksbildung vorantreiben hätten können.
Die wechselnden Allianzen Machnos werden als Zeichen seiner Wankelmütigkeit hingestellt, dabei hat das halt seinen Grund im Verlauf des Bürgerkriegs in der Ukraine: Als die Machnowzy 1919 Jekaterinoslaw (heute Dnepropetrowsk) einnahmen, ergaben sich die verteidigenden Truppen Petljuras, und schlossen einen Waffenstillstand mit den Machnowzy. Dafür wurden sie nicht entwaffnet. Dann öffneten die Machnowzy das Gefängnis, und es kam zu Plünderungen. Daraufhin verbündeten sich die Bolschewiki in der Stadt mit den Petljura-Truppen und die warfen die Machnowzy wieder hinaus.
Zu mühsam wäre es jetzt, auf die ganzen militärischen Fragen einzugehen. Kein Teil der späteren Sowjetunion hatte mehr ausländische Interventionsarmeen zu bekämpfen als die Ukraine: Die Machnowzy kämpften gegen die Deutschen und Österreicher, gegen die Truppen Wrangels und Denikins. Ohne die militärischen Erfolge von ihnen hätte die Ukraine nicht der späteren Sowjetunion eingegliedert werden können. Gerade Trotzki hatte großes Interesse daran, die militärische Leistung der Machnowzy zu leugnen, weil die historische Wahrheit ihn eher alt ausschauen hätte lassen.

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Das Grundgesetz – ein Grund zum Feiern? Das neue Buch von Albert Krölls

25. April 2009 92 Kommentare

Albert Krölls hat folgende Rundmail zu seinem neuen Buch geschrieben, die ich auch hier bekannt machen möchte:

Hallo Freunde der Wissenschaft,
wie einigen von Euch/Ihnen möglicherweise bereits bekannt, wird am 8. Mai punktgenau zum Tage der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches mein neues Buch „Das Grundgesetz – ein Grund zum Feiern? – Eine Streitschrift gegen den Verfassungspatriotismus“ erscheinen. Nähere Informationen wollt Ihr /wollen Sie bitte dem Werbeflyer im Dateianhang entnehmen. Dankbar wäre ich auch, wenn diese Mail an mögliche Interessenten aus Eurem/Ihrem Bekanntenkreis weitergeleitet werden könnte.
Das Buch wird im Laufe dieses Jahres im Rahmen einer Reihe von Vortragsveranstaltungen vorgestellt werden. Die ersten Termine stehen bereits fest:
> 26. Mai: Bochum Universität, Kulturcafe, 19.30
> 27. Mai: Bielefeld Universität, Hörsaal 6, 19.00
> 28. Mai: Bonn Universität Hörsaal 8, 20.00.
Weitere Veranstaltungen insbesondere in Darmstadt, Hannover, Erfurt und Berlin sind geplant.
Buchbestellungen erbitte ich ab 3 Exemplaren unmittelbar bei mir unter Angabe der Zustelladresse per Mail aufzugeben. Die Auslieferung erfolgt sofort nach Erscheinen versandkostenfrei. Einzelexemplare wollt Ihr/wollen Sie bitte über den Buchhandel erwerben.
Zur Werbung gibt es den bereits erwähnten 4-seitigen Flyer mit ausführlichem Inhaltsverzeichnis. Bei Bedarf könnte ich Euch/Ihnen eine entsprechende Anzahl von Exemplaren über den Verlag zusenden lassen. Auch insofern würde eine Mail an mich genügen.
Mit freundlichem Gruße und Dank für Eure/Ihre Unterstützung
Albert Krölls

Auf dem Buchumschlag des Buches (der ist im Flyer enthalten, der auch noch auf weitere Bücher beim VSA-Verlag von Autoren hinweist, die dem GegenStandpunkt nahestehen) heißt es zum Inhalt:

Unter der Fragestellung »Freiheit, Gleichheit, Eigentum, Sozialstaat, Demokratie -so gut wie ihr Ruf?« präsentiert Albert Krölls eine kritische Bilanz von 60 Jahren Grundgesetz und Verfassungspatriotismus.
Seine Antworten auf die Frage nach dem Gebrauchswert der staatlichen Ordnung fallen freilich anders aus als in den üblichen Festtagsreden:
■ 60 Jahre Grundgesetz: Alles in bester Verfassung?
■ Freiheit: ein politisches Herrschaftsverhältnis
■ Gleichheit: kein Ideal, sondern eine Methode politischer Herrschaft
■ Menschenwürde: die Bürde der nützlichen Staatsbürgerexistenz ist unantastbar
■ Eigentum verpflichtet: zu seiner Vermehrung
■ Armut verpflichtet: zum Dienst an Eigentum und Staat
■ Die Leistungen der Gewerkschaftsfreiheit für die kapitalistische Ordnung der Wirtschaft
■ Der Sozialstaat: aus lauter Sorge um die Dienstbarkeit des Arbeitsvolkes
■ Bankenverstaatlichung: aus Liebe zum System
■ Von der Nützlichkeit des freien Meinens für die politische Souveränität der Staatsgewalt
■ Demonstrationsrecht: die Freiheit der staatlichen Kontrolle abweichender Meinungen
■ Die Wahl: Generalermächtigung für die Politik
■ Das Asylrecht: ein außenpolitisches Kampfinstrument mit eingebautem Numerus clausus

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Von der Wissenschaft zur Utopie

24. April 2009 4 Kommentare

Amelie hat mich auf ein recht anspruchsvolles Unterfangen hingewiesen, was mittlerweile auch im Web zu begutachten ist, erstaunlicherweise sogar bei blogsport (http://stattkapitalismus.blogsport.de/)!
Ein östereichischer Genosse, Alfred Fresin, hat erst ein Buch geschrieben
Bedürfnisorientierte Versorgungswirtschaft (BVW) statt Kapitalismus
Eine Kritik der Marktwirtschaft und die Umrisse einer Alternative

(Taschenbuch: 304 Seiten, Verlag: Lang, Peter Frankfurt; Auflage: 1 (Oktober 2005),
ISBN-10: 3631544464
ISBN-13: 978-3631544464)
Dann hat jemand sich die Mühe gemacht, das ins Web zu stellen, so ist obiger Blog entstanden. Aber offensichtlich ist der bisher niemand aufgefallen, wenn man das anhand der ausgebliebenen Reaktionen beurteilen kann (Nur Nestor Machno aka Amelie Lanier hat sich dort mit dem Buch auseinandergesetzt).
So symphatisch mir prinzipiell jemand ist, der nach den Zusammenbruch des Realen Sozialismus wenigstens bei N. Bucharin und E. Preobraschensky „Das ABC des Kommunismus – Populäre Erläuterung des Programms der Kommunistischen Partei Rußlands (Bolschewiki)“ anknüpfen will, (das Buch kann man bei marxist.org übrigens online lesen, so problematisch sehe ich so ein Unterfangen schon ehe ich es überhaupt gelesen habe: Ich kann da nur Alfred selber zitieren:
„Der Modellentwurf ist nicht die Beschreibung bestehender Wirklichkeit und auch keine wissenschaftliche Prognose, wie eine zukünftige Gesellschaft aussehen wird. Sollte in mehr oder weniger ferner Zukunft die Marktwirtschaft durch eine andere Wirtschaftsform abgelöst werden, so liegt es an den Beteiligten, sich auf die Organisation einer menschenfreundlichen Ökonomie zu einigen“.
Zudem die wissenschaftliche Analyse und Kritik der Gegenwart schon genug zu sein scheint.

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„Es gibt keinen Plan B, es sei denn, wir veranstalten eine Revolution.“

23. April 2009 Kommentare ausgeschaltet

Folgende Reportage erschien diese Woche im Spiegel:

Ein Viertel ohne Arbeit
Global Village: Wie der Umzug des Computer-Giganten Dell die Iren verstört

Es ist erst halb zwölf Uhr mittags, aber so, wie die Dinge hegen, erwartet John Gilligan vom Rest des Tages nicht mehr viel.
Der Bürgermeister von Limerick umrundet seinen Schreibtisch. „Ich habe leider kein Fass Guinness in meinem Rathausbüro“, sagt er. „Darf es auch Guinness aus der Dose sein?“
Gilligan zeigt zu einer Balkontür. Im Hintergrund fließt der Shannon, der längste Strom Irlands. Vor mehr als tausend Jahren, berichtet der Bürgermeister, hätten die Einheimischen hier siedelnde Wikinger geschlagen. Erst als jene versprachen, 365 Fass Wein pro Jahr Tribut zu zahlen, habe man sie in Ruhe gelassen. „Kein Wunder“, sagt Gilligan, „dass die Jungs hier viele Partys feierten.“
Als Gilligan im letzten Juni zum Bürgermeister gewählt wurde, hatte er sich anscheinend auf ähnlich lustige Zeiten gefreut. Aber dann kam das, was der Bürgermeister jetzt eine „absolute, gigantische Katastrophe“ nennt. Der amerikanische Computer-Hersteller Dell beschloss, sein Werk in Limerick dichtzumachen und die Produktion nach Polen zu verlagern.
Limerick ist die viertgrößte Stadt Irlands. Als die Wirtschaft jährliche Wachstumsraten von über zehn Prozent („der keltische Tiger“) vorweisen konnte, wurde Limerick zum Vorzeigeort des grünen Wirtschaftswunders. Hier hatte ein amerikanischer Hightech-Riese alle irischen Vorteile auf einmal genutzt: die niedrige Unternehmensteuer von 12,5 Prozent, staatliche Zuschüsse und ein Lohnniveau, das zum niedrigsten im EU-Europa zählte. Die Stadt bebte, sogar das Rugbyteam von Limerick, die „Munsters“, waren auf einmal Spitzenklasse.
Der Aufschwung ließ Immobilienpreise, Lebenshaltungskosten und die Gehälter in die Höhe schießen und die Zuversicht wachsen, dass alles immer besser würde. Dabei wurde es vor allem teurer. Zu teuer angeblich auch für Dell, das sich einen billigeren Standort suchte, in Lodz. In Polen beträgt der Grundlohn nur ein Fünftel des irischen. Dort gibt es jetzt Plakate mit der Aufschrift: „Kommen Sie ins neue Irland!“
Bis zu 10000 Arbeitsplätze könnten der Region Limerick von April an verlorengehen. Aber die Wirkung reicht weit über die Region hinaus. Ganz Irland wird den Umzug zu spüren bekommen. Von der Weltkrise ist Irland getroffen wie kein anderes EU-Land, die Regierung hat die Steuern erhöht und die Haushaltsausgaben gekürzt, sie stemmt sich gegen einen Staatsbankrott.
Dells Abgang hat den Iren gerade noch gefehlt. Als zweitgrößter ausländischer Arbeitgeber des Landes erwirtschaftete Dell bislang rund fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Gilligan marschiert durch sein Büro, auf und ab. An der Wand hängt das Foto einer großen Yacht, die vor Australien schräg im Wind segelt. Limericks Beitrag zur Sydney-Hobart-Regatta im Jahr 2005.
Limerick ohne Dell, das kann sich Gilligan nicht vorstellen. Schon jetzt gibt es Viertel, wo in den Läden Zigaretten und Teebeutel einzeln verkauft werden und der Pyjama-Index besonders hoch ist: Noch nachmittags sieht man dort Menschen im Schlafanzug herumlaufen, weil sie keinen Grund haben, sich etwas anderes anzuziehen. Dell, sagt Gilligan, sei das industrielle Herz der Region.
Wenn Dell Anfang 2010 dichtmacht, droht Limerick eine Arbeitslosenquote von 25 Prozent. Gilligan hat die Regierung um Hilfe gebeten. Die Regierung hat eine Sonderkommission gebildet, die einen Plan für Limerick entwickeln soll. Es gibt Absichtserklärungen. „Aber wir brauchen keine Absichtserklärungen, wir brauchen Arbeit“, sagt Gilligan. Sein Handy klingelt. Es hat den Ton einer mächtigen Orgel. Er winkt ab. Wahrscheinlich wieder nur einer, der sich zum Trinken verabreden will. Man sei auf den Niedergang hier nicht vorbereitet. Die jungen Leute seien Doppelverglasung, Zentralheizung und Flachbildschirme gewöhnt. Die Weihnachtseinkäufe haben viele in New York und Boston erledigt. „In Zukunft müssen sie froh sein, wenn sie ein Dach über dem Kopf haben“, sagt Gilligan. Dort könnten sie sich dann dem Fernsehen und dem Alkohol widmen. „Viel mehr gibt es hier dann nicht mehr zu tun“, sagt er.
Der Bürgermeister tritt auf den Balkon, der den Shannon-Fluss überragt. Entlang des braunen Wassers stehen Glas- und Stahlbauten. „Das sind alles neue Hotels“, sagt Gilligan. „Zwei Clarion, ein Strand, ein Jurys, ein George, ein Marriott. Und sie sind alle jetzt schon leer.“ Wenn nicht ein Wunder geschehe, könnten demnächst Asylbewerber aus Nigeria in diese Vier-Sterne-Kästen einziehen, sagt der Bürgermeister.
Was gibt es sonst noch für Pläne für Limerick?
Gilligan schaut kurz auf, hilflos, wie ein Nichtschwimmer, der ohne Weste im Wasser versinkt.
„Es gibt keinen Plan B“, sagt er. „Es sei denn, wir veranstalten eine Revolution.“

Von THOMAS HÜETLIN, abgedruckt in der Print-Ausgabe von DER SPIEGEL 17/2009.
Für jemand, der „vor allem durch seine Sportreportagen, u. a. über Beckham und Kahn bekannt“ wurde (Wikipedia), ein erstaunlich treffend gebrachtes Zitat.

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Podiumsdiskussion zu Pro-Reli am 20.04.09 in Berlin

19. April 2009 8 Kommentare

Mo. – 20.04. – 19.00 – JUP (Florastr. 84, nahe U- und S-Bahnhof Pankow)
Extra Antifa-Café: „Pro Reli“: Ausweitung der Kreuzzone?
Wenn die Berliner Initiative „Pro Reli“ mit ihrem Volxentscheid am 26. April Erfolg hat, könnten theoretisch über 70 Religionsgemeinschaften Anspruch auf eigene Unterrichtsstunden an öffentlichen Schulen Berlins anmelden – plus dem Angebot „Ethik.“ Multikulti pur? Jeder nach ihrer Fasson? Den Intitiator_innen geht es offensichtlich eher um die Hegemonie religiöser – vor allem christlicher – Anschauungen im Schulalltag. Also, was will „Pro Reli“? Was steckt hinter Ethik? Und, was geht mich das an? Darum gehts an diesem Abend.
Auf dem Podium: Ein Vertreter der Gruppe „jimmy boyle berlin“ (www.junge-linke.de) sowie Klaus Lederer (Die Linke-Landesvorsitzender Berlin)
Eine Veranstaltung der Emanzipativen Antifaschistischen Gruppe
(diesen Hinweis habe ich von junge linke bekommen)

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Peter Decker zu Lohn, Arbeitslosigkeit und Lohnkampf (und Diskussion zu Freiheit/Wille/Nationalismus …)

18. April 2009 1.081 Kommentare

Folgenden Abschrift eines Ausschnitts aus dem Vortrag von Dr. Peter Decker „Was von Marx zu lernen wäre. Alles Nötige über Arbeit und Reichtum im Kapitalismus) habe ich gefunden bei Normalzustand Rot. (In den Kommentaren wird auch auf die MP3-Mitschnitte der diversen Veranstaltungen zu diesem Thema hingewiesen.)
Peter Decker:
Man muss da bloß die Reihenfolge einhalten. Die Unternehmer entlassen die Menschen nicht, damit es hinterher Arbeitslose gibt. Die Unternehmer entlassen die Leute, weil sie ihre eigene Lohnsumme reduzieren wollen. Und wenn das hinterher für gar nichts gut ist, dann haben die immerhin noch ihre Lohnsumme reduziert. Also wenn einer, der heute 1000 Leute einstellt, 200 entlässt, dann hat er 20% seines Lohnes gespart. Und wenn er dieselben Produkte auf den Markt bringt mit 20% gesenkten Lohnkosten, ist das für ihn eine Steigerung des Gewinns. Da kann er ruhig weiterhin den Leuten denselben Lohn zahlen in der Fabrik, aber weil er 20% weniger Leute bezahlt, hat er seine Kosten gesenkt und das ist die Leistung für ihn – erst mal. Dann gibt’s die Arbeitslosen, die er nicht gemacht hat, damit es Arbeitslose gibt, dann gibt sie’s. Und dann kommt das Argument. Dann drücken die Nicht-Beschäftigten auf die Löhne der Beschäftigten. Erst mal, dann bieten sich die Nicht-Beschäftigten für „n’ Appel und n’ Ei“ an, weil sie ja ums Verrecken Arbeit brauchen. Und das drückt dann wieder auf die Löhne der Beschäftigten, weil jetzt die Beschäftigten Konkurrenz durch diese „Billiglöhner“ kriegen. Und das drückt den Lohn insgesamt im Land. Und so bleibt durch die Notwendigkeit des Systems der Lohn immer innerhalb der Grenzen dessen, dass er für den Unternehmer Gewinn abwirft. Das kann gar nicht passieren, dass die Leute, dass die Lohnarbeiter den Lohn so weit erhöhen, dass sie dem Unternehmer keinen Gewinn mehr abliefern. Würden sie es an irgendeiner Stelle tun, würde der Unternehmer das Geschäft einstellen und dann würden sie wieder am Arbeitsmarkt als Arbeitslose sich billig anbieten müssen. So ist die Arbeitslosigkeit, der Arbeitsmarkt, der Regulator, der den Lohn notwendigerweise immer innerhalb der Grenzen der Profitabilität hält.
Außer die Leute stürzen das Ganze. Außer sie kämpfen um Lohn und wissen darum, dass die Rücksicht auf die Zukunft des Betriebs ihre Unterordnung unter das feindliche Interesse ist. Und natürlich stürzen die den Kapitalismus auch nur durch Lohnkämpfe. Niemand wird sagen: „Ach, lassen wir das mit dem Lohn und stürzen wir ihn gleich.“ Ja so geht das nicht, so gibt’s das nicht. Aber das ist der entscheidende Unterschied, ob ein Lohnkampf das gegnerische Interesse als „das ist mir prinzipiell feindlich, wenn es meine Forderungen nicht verträgt, ist es mir gerade recht, wenn es untergeht“. Ob man so dazu steht oder ob man so dazu steht, wie die deutschen Gewerkschaften, die sagen „wir müssen unsere Lohnforderungen natürlich so einrichten, dass sie die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft, die deutschen Konjunktur, die Gewinnsituation, die Investitionsfähigkeit deutscher Unternehmer nicht beschädigen. Die also in ihrem gegnerischen Interesse unters Unternehmen schon das Unternehmerinteresse als das wichtigere von den zweien schon vorwegnehmen und einkalkulieren. Das letztere muss nicht sein. Das ist keine Selbstverständlichkeit.
Frage:
Aber es sind ja Gesichtspunkte – ist das Unternehmerinteresse nicht schon mit drin in dem Kampf um Lohn?
Peter Decker:
Nein. Es ist so: Man kann so sagen, der Arbeiter steht in einem blöden Widerspruch mit seinem Interesse im Kapitalismus. Er muss um Lohn kämpfen und er will vom Unternehmer auch morgen Lohn gezahlt kriegen. Er kämpft eigentlich um die Fortsetzung des Verhältnisses. Und das ist ein Widerspruch: Denn indem wir dem Unternehmer – wir bekämpfen ihn, wir schädigen ihn – was abzwingen, ist das natürlich auch schon eine Schwäche der Gegenseite. Man erzeugt auch eine Schwäche der Gegenseite. Geld, das man ihm wegnimmt, hat er nun wirklich nicht mehr zum Investieren, so dass der Arbeiter, wenn er daran denkt, er will morgen und übermorgen auch noch vom Unternehmer beschäftigt werden, er nahe gelegt kriegt, dann ordne ich mein Interesse eben der Zukunft des Betriebs unter; dann muss ich aber darauf verzichten was durchzusetzen. In dem Widerspruch steht er. Wie er sich in dem Widerspruch entscheidet, ist nicht vorweg ausgemacht. Und verkehrt finde ich all die Linken, die sagen „Na wenn schon einer Lohn will, dann ist er schon beim DGB gelandet“. Wenn schon einer Lohn will, dann will er die Unterordnung unter die Kapitalrendite. Dann will er abhängige Variable des Gewinns sein. Nein, so ist es nicht. Erst mal, wenn einer sich überhaupt aufstellt und Lohn fordert, dann stellt er sich als Interessensgegner auf. Hält er an der Seite des Interessensgegners fest, dann darf er halt keine Rücksicht auf die Gesundheit der Gegenseite nehmen. Will er Rücksicht auf die Gesundheit der Gegenseite nehmen, muss er gegen sein eigenes Interesse sein. Also muss er sich entscheiden in diesem Widerspruch. Aber nicht richtig ist: Wer Lohn will, der ist doch eh schon „verratzt“. Oder der ist doch eh schon systemimmanent und damit ist doch alles für alle Ewigkeit entschieden. Das stimmt nicht. Es ist ein Widerspruch Lohn zu wollen, ja. Und in dem Widerspruch muss man sich so oder so entscheiden. Die deutschen Gewerkschaften haben sich sehr klar entschieden. Und man merkt, wenn dann mal eine Gewerkschaft mal was Unerwartetes tut, wie die GDL jetzt, – wirklich das muss ja gar nicht anders sein als das, was die anderen Gewerkschaften machen, bloß dass es einfach nicht gleich das ist, was die anderen machen – ist im Land der Teufel los nach dem Muster, „kann denn unsere Gesellschaft überhaupt überleben, wenn wir solche Gewerkschaften dulden“. Also dann merkt man, wie auf einmal dieser ganze Laden sich zum Klassenkampf von oben bekennt, bloß wenn mal irgendwer, irgendeine kleine Mannschaft, sagt, jetzt sieht sie mal nicht mehr alles ein. Also insofern, das ist eine Frage des Kampfes und es ist eine Frage, ob man ins eigene Fordern das gegnerische Interesse, das gegen einen steht – das gegen den Lohn, den man will steht –, ob man das gleich ins eigene Fordern aufnimmt. Wenn man das tut, dann will man abhängige Variable sein. Aber den Widerspruch wird man ja nicht los: Es ist ja kein Glück abhängige Variable zu sein. Es ist ja das Bekenntnis, dass man keinen eigenen Lohn fordern kann. Oder kaum einen.

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Sternstunde der MG-Kritik

18. April 2009 4 Kommentare

Ich hatte schon befürchtet, daß diese Gemme der MG-Kritik in den unendlichen Weiten des Internet verschwunden sei, aber hier ist sie in all ihrer, wenn auch schon etwas in die Jahre gekommenen Pracht:

Ich bin auch ein Opfer! P. Decker 23.03.2006 – 17:47
Vor einigen Jahren – mittlerweile sind es mehr als zwei Jahrzehnte – klingelten diese Gegenstandpunktler – damals noch „Marxistische Gruppe“ – auch an meiner Tür, wollten mir eine Tütensuppe schenken. Man bekam sie aber nur geschenkt, wenn man sich mit ihnen über den Staat unterhält. Das Ende vom Lied war, dass ich für ein lebenslanges Abonnement unterschrieb. Außerdem wurde ich gezwungen, überall in Deutschland (wirklich „überall“ natürlich erst ab 1990) zu agitieren. Um mich vom Ausstieg abzuhalten, köderten sie mich mit einem braunen Saab und Bananen.
Das Belohnungssystem dieser Sekte ist wirklich sehr ausgeklügelt: man wird irgendwann vom „Prüfer“, zum „Sympathisant“, zum „Kandidat“ und letztlich zum „Mitglied“ und wird mit 72 Miezen belohnt. Zur Zeit bin ich Kandidat und ich kann nicht mehr weiter. Mein leben liegt in Scherben. USA, hilf uns doch, GSP gibts immernoch! Scheiß Politsekte!

Wieder gefunden bei Normalzustand Rot.
Lang lebe Peter Decker!!

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Freerk Huisken, 09/12.08 STAAT UND RELIGION

18. April 2009 Kommentare ausgeschaltet

Als kritischer Nachtrag zum gerade von mir geposteten Artikel der jungen Linken zur Auseinandersetzung mit den Kirchen und ihrer Moral hier ein grundsätzlicherer Artikel zum selben Thema von Freerk Huisken, der hierzu auch schon einen Vortrag bei einem Workshop auf dem Antifa-Kongress in Köln vom 5.-7.9.08 gegen die Anti-Islam-Konferenz der „Rechtspopulisten“ vom 20.09.08 gehalten hatte. (Der Artikel basiert auf den Thesen zu diesem Workshop, die hier zu haben sind.)
I. Religion
Wenn Menschen glauben, gläubig sind, dann ist das immer nur eine „ideelle Zutat“ zu ihrem normalen praktischen Leben, in welchem andere „Gesetze“ herrschen, als diejenigen, die in ihrem Glauben verkündet werden. Ihr praktischer Alltag wird von ihrem Willen und Verstand regiert: Jeder Handgriff bei der Essensvorbereitung, in der Freizeit und im Beruf zeugt davon, dass hier ein individuelles Interesse am Werk ist, das bemüht ist, mit dem verständigen Einsatz zur Verfügung stehender Mittel bestimmte Lebensziele zu erreichen.
Im Glauben werden die Resultate des alltäglichen Wirkens jedoch einer Deutung unterzogen, die nicht mehr von dieser Welt ist. Wer eine Krankheit, eine Entlassung oder ein vergeigtes Examen ernsthaft als Prüfung durch einen Allerhöchsten oder gar als Strafe durch denselben deutet, der verabschiedet sich in dieser Bewältigung nicht aufgegangener irdischer Lebensziele von all dem, was ihm in seinem Alltag selbstverständlich war: Wo im Alltag sein Wille regiert – mag er auch noch so sehr eine Reaktion auf Sachzwänge sein -, wo er seine frei gewählten Interessen verfolgt und dabei überlegt, wie er sie am besten realisieren kann, steht in der Deutung der Resultate durch den gläubigen Menschen alles auf dem Kopf: Nicht sein Wille, sondern der Wille eines erfundenen Allerhöchsten regiert; nicht er verfolgt seine Interessen, sondern ihre Verfolgung wird nach Prüfung durch einen Gott zugelassen oder verworfen, weil nämlich dessen Wille im Himmel und auf Erden geschehe. Die Frage, was er falsch gemacht hat, an welchen irdischen Verhältnissen seine Interessen zuschanden werden, legt sich der gläubige Mensch nicht zur klärenden Beantwortung vor. Er hat bereits die Antwort auf alle Fragen fix und fertig in seinem Glauben. Mehr…

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Das Kreuz mit der Moral (junge linke zur Berliner Volksabstimmung)

17. April 2009 Kommentare ausgeschaltet

(aus meiner Mail) pls circulate:
Am 26. April 2009 ist es soweit: „Es geht um die Freiheit“, lässt uns die Initiative „pro reli“ wissen. Das ganze Volk von Berlin ist aufgerufen, abzustimmen, weil es um nichts Geringeres als die Religionsfreiheit geht.
Was ist geschehen? Hat der Staat plötzlich beschlossen, den Kirchen nicht mehr — vollständig kostenlos — ihre Mitgliedsbeiträge einzuziehen und ihr Mitgliedsregister zu führen („Kirchensteuer“)? Hat der Berliner Senat etwa die Finanzierung all der kirchlichen Krankenhäuser, Seniorenheime, Kindergärten, und Schulen eingestellt? Müssen die Kirchen gar allen ihren Mitarbeitern alle gewerkschaftlichen Rechte einräumen — und dürfen nicht mehr auch noch vom letzten Krankenpfleger Glaubenstreue fordern? Haben die Landesregierungen am Ende gar die Konkordate (1) gekündigt, und bilden die Universitäten nicht mehr den Priesternachwuchs aus (Theologiestudium) oder haben sie den Bischöfen und anderen Popen das Recht weggenommen, Professoren und anderen Universitätsarbeitern in der Theologie, die Lehrerlaubnis zu entziehen?
weiterlesen
auch als gelayoutetes PDF

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Peter Decker: Was ist Staat und wie organisiert er das kapitalistische Wirtschaften? (ARAB-Referat als PDF)

17. April 2009 2 Kommentare

Mir ist erst jetzt aufgefallen, daß es Peter Deckers Referat beim Theorietag von ARAB vom letzten Oktober, daß bei www.archive.org erstaunlicherweise schon mehr als tausend mal runtergeladen wurde, auch als PDF-Version einer Mitschrift vorliegt.
Man kann sie entweder bei mir oder bei der Berliner Gruppe Kein Kommentar runterladen.

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Neuer K1-Kurs in Berlin ab 20.04.09

17. April 2009 34 Kommentare

Die Berliner GegenStandpunkt-Gruppe Kein Kommentar hat folgenden Hinweis gebracht:
Das Kapital lesen!
Einladung zum regelmäßigen Studium des Klassikers

Wir treffen uns jeden Montag um 18:00 Uhr.
Beginn: 20. April 2009
Ort: TU, Franklinstraße 28/29, Franklingebäude, Raum 3001, (über U2 Ernst-Reuter-Platz zu erreichen)
ausführliche Ankündigung als pdf-Datei —> hier

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Thesen vom „Gegenstandpunkt“ zur Weltwirtschaftskrise 3/09

14. April 2009 Kommentare ausgeschaltet

1. Die Krise besteht darin, dass das Geschäft mit Kredit eingebrochen ist. Der Handel mit Kapital ist zum Erliegen gekommen. An eintretenden wie befürchteten Wirkungen stellen unmittelbar Beteiligte wie interessierte Beobachter fest, dass die Dienstleistung des Finanzgewerbes eine andere Bedeutung hat als die Gastronomie und die Gebäudereinigung. Das Versagen dieser Branche unterbindet alles Geldverdie-nen, legt also die „Marktwirtschaft“ lahm.
2. Die Krise demonstriert ihren Opfern, in welchem Gemeinwesen sie – natürlich jeder nach seiner Facon – es sich gemütlich gemacht haben. Und zusätzlich zur nachdrücklichen Belehrung darüber, dass Geld die Welt regiert – einen entsprechenden Verdacht hatte es immer wieder gegeben –, bietet die ökonomische Katastrophe die nähere Auskunft hinsichtlich der Verwaltungsarbeit, die mit der Herrschaft des Geldes verbunden ist. Die wird von Fachkräften verrichtet, die sich auf die Verwendung des Geldes zum Zwecke seiner Vermehrung verstehen.
3. Wie sie das tun, welche Techniken das Finanzgewerbe zum Einsatz bringt, welch riskante Rechnungen da in Anschlag gebracht werden – darüber und über die elaborierte Terminologie wird jeder zeitungslesende Bürger ausführlich aufgeklärt. Und doch erfüllt die Informationsflut den Tatbestand der Gegenaufklärung, da sie samt und sonders mit dem Interesse am Funktionieren befrachtet ist. Die grundlegenden Leistungen des Handels mit der Ware Kapital werden nicht einmal erwähnt, jede Menge anderer – vermeintlicher wie wirklicher – Leistungen gnadenlos gewürdigt.
4. Dem Staat ist aufgrund der Zerstörung von Kapital aller Art, von dessen Geschäftserfolgen er und wir alle leben, eines klar: Die durch Misswirtschaft stornierten Dienste der Geldinstitute sind eine, wenn nicht die Säule des Allgemeinwohls. Die ökonomischen Potenzen des Finanzgewerbes sind zu erhalten bzw. wiederherzustellen; sie sind zum Gebrauch ihrer Finanzmacht zu befähigen, weswegen sich alle moralische Kritik an den Verfehlungen der Branche bricht an der Schlüsselrolle im „System“ = der ökonomischen Staatsraison. Ihre Rettung erfolgt durch hoheitliche Bereitstellung von Mitteln, zu deren Erwirtschaftung sie ermächtigt sind und gewöhnlich auch fähig, jetzt aber nicht. Darüber hinaus kommt die Erhaltung der „realen“ Reichtumsquellen in den Blick; am Umfang dieser Opfer der Bankenkrise entscheidet sich die Tauglichkeit des Standorts für unseren Wohlstand auf dem Weltmarkt: „Wie gehen wir aus dieser Krise heraus?“ u.ä.
5. Als wären die Widersprüche, die sich im Rettungsprogramm auftun und in Güterabwägungen der grundsätzlichsten wie kleinlichsten Art niederschlagen, nicht Prüfung genug für die Regierenden, leisten die sich mitten in der Katastrophe eine Runde Globalisierung. Sie befrachten die Bewältigung ihrer nationalen Not mit der Tugend, ihren Standort für die internationale Konkurrenz zu rüsten. Die Kosten, Risiken und Wirkungen ihrer Maßnahmen unterwerfen sie dem zusätzlichen Gesichtspunkt, was sie für den Weltmarkt taugen. Außenpolitische Begegnungen – ob turnusgemäß oder extra veranstaltet – stehen unter dem Motto „gemeinsame Bewältigung der Krise“, worüber dann eine offene Auseinandersetzung stattfindet. Die Einheit Europas erfährt eine weitere Absage, jedoch nicht ohne die Perspektive, dass sich mit der sortierenden Wirkungen der Krise auf die Nationen die Einsicht in die Notwendigkeit einheitlicher Regie durchsetzt.
In Rechnung zu stellen sind hier ideologische Übertreibungen, ebenso aber das nationale Schutz- und Rechtsbewusstsein, das sich gegen die „kapitalistische Vernunft“ behauptet. Der Gemeinspruch von den nationalen Alleingängen, Protektionismus etc., die alles nur noch schlimmer machen (1929ff!!), ist schließlich mit gutem Grund das geläufige Wort – eine ökonomische und/oder politische Kenntnis stellt er nicht dar.
entnommen dem Protokoll des Jour fix in München vom 30.03.2009

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