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Thesen vom „Gegenstandpunkt“ zur Weltwirtschaftskrise 3/09

14. April 2009

1. Die Krise besteht darin, dass das Geschäft mit Kredit eingebrochen ist. Der Handel mit Kapital ist zum Erliegen gekommen. An eintretenden wie befürchteten Wirkungen stellen unmittelbar Beteiligte wie interessierte Beobachter fest, dass die Dienstleistung des Finanzgewerbes eine andere Bedeutung hat als die Gastronomie und die Gebäudereinigung. Das Versagen dieser Branche unterbindet alles Geldverdie-nen, legt also die „Marktwirtschaft“ lahm.
2. Die Krise demonstriert ihren Opfern, in welchem Gemeinwesen sie – natürlich jeder nach seiner Facon – es sich gemütlich gemacht haben. Und zusätzlich zur nachdrücklichen Belehrung darüber, dass Geld die Welt regiert – einen entsprechenden Verdacht hatte es immer wieder gegeben –, bietet die ökonomische Katastrophe die nähere Auskunft hinsichtlich der Verwaltungsarbeit, die mit der Herrschaft des Geldes verbunden ist. Die wird von Fachkräften verrichtet, die sich auf die Verwendung des Geldes zum Zwecke seiner Vermehrung verstehen.
3. Wie sie das tun, welche Techniken das Finanzgewerbe zum Einsatz bringt, welch riskante Rechnungen da in Anschlag gebracht werden – darüber und über die elaborierte Terminologie wird jeder zeitungslesende Bürger ausführlich aufgeklärt. Und doch erfüllt die Informationsflut den Tatbestand der Gegenaufklärung, da sie samt und sonders mit dem Interesse am Funktionieren befrachtet ist. Die grundlegenden Leistungen des Handels mit der Ware Kapital werden nicht einmal erwähnt, jede Menge anderer – vermeintlicher wie wirklicher – Leistungen gnadenlos gewürdigt.
4. Dem Staat ist aufgrund der Zerstörung von Kapital aller Art, von dessen Geschäftserfolgen er und wir alle leben, eines klar: Die durch Misswirtschaft stornierten Dienste der Geldinstitute sind eine, wenn nicht die Säule des Allgemeinwohls. Die ökonomischen Potenzen des Finanzgewerbes sind zu erhalten bzw. wiederherzustellen; sie sind zum Gebrauch ihrer Finanzmacht zu befähigen, weswegen sich alle moralische Kritik an den Verfehlungen der Branche bricht an der Schlüsselrolle im „System“ = der ökonomischen Staatsraison. Ihre Rettung erfolgt durch hoheitliche Bereitstellung von Mitteln, zu deren Erwirtschaftung sie ermächtigt sind und gewöhnlich auch fähig, jetzt aber nicht. Darüber hinaus kommt die Erhaltung der „realen“ Reichtumsquellen in den Blick; am Umfang dieser Opfer der Bankenkrise entscheidet sich die Tauglichkeit des Standorts für unseren Wohlstand auf dem Weltmarkt: „Wie gehen wir aus dieser Krise heraus?“ u.ä.
5. Als wären die Widersprüche, die sich im Rettungsprogramm auftun und in Güterabwägungen der grundsätzlichsten wie kleinlichsten Art niederschlagen, nicht Prüfung genug für die Regierenden, leisten die sich mitten in der Katastrophe eine Runde Globalisierung. Sie befrachten die Bewältigung ihrer nationalen Not mit der Tugend, ihren Standort für die internationale Konkurrenz zu rüsten. Die Kosten, Risiken und Wirkungen ihrer Maßnahmen unterwerfen sie dem zusätzlichen Gesichtspunkt, was sie für den Weltmarkt taugen. Außenpolitische Begegnungen – ob turnusgemäß oder extra veranstaltet – stehen unter dem Motto „gemeinsame Bewältigung der Krise“, worüber dann eine offene Auseinandersetzung stattfindet. Die Einheit Europas erfährt eine weitere Absage, jedoch nicht ohne die Perspektive, dass sich mit der sortierenden Wirkungen der Krise auf die Nationen die Einsicht in die Notwendigkeit einheitlicher Regie durchsetzt.
In Rechnung zu stellen sind hier ideologische Übertreibungen, ebenso aber das nationale Schutz- und Rechtsbewusstsein, das sich gegen die „kapitalistische Vernunft“ behauptet. Der Gemeinspruch von den nationalen Alleingängen, Protektionismus etc., die alles nur noch schlimmer machen (1929ff!!), ist schließlich mit gutem Grund das geläufige Wort – eine ökonomische und/oder politische Kenntnis stellt er nicht dar.
entnommen dem Protokoll des Jour fix in München vom 30.03.2009

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