Eine kleine Facebook-Debatte zu einem Post von S.:
„Auf contradictio ist nun ein Ausschnitt aus dem China-Buch von Renate Dillmann verlinkt, in dem das Verhältnis von Kommunismus und Nationalismus bzw. Nation überhaupt bestimmt wird. Das Resultat: Vereinbar sind beide nicht. Darin, dass die chinesische KP das von Anfang an ganz anders gesehen hat, liegt einer der von ihr gemachten Fehler. Lohnt sich zu lesen.“
A: „Darin, dass die chinesische KP das von Anfang an ganz anders gesehen hat, liegt einer der von ihr gemachten Fehler. “ [aus einem Text von Renate Dillmann] – ist schon ein eigenartiges Statement.
Da wird so getan, als hätte die KP Chinas „eigentlich“ etwas anderes gewollt, aber „leider“ Fehler gemacht. Man macht sich hier also sozusagen zum ideellen Sachwalter ihres Anliegens und klopft ihr wohlwollend auf die Schulter, anstatt ihre Absichten zur Kenntnis zu nehmen.
S: Begreife nicht, wie du das da reinliest, dass ich ihr da bessere Absichten unterstelle und mich konstruktiv dazu stelle: Wenn ich sage, dass sei ein Fehler der KPCH gewesen ist, dann ist damit gesagt, dass ihr politisches Programm verkehrt, weil der in ihm gesetzten Zweck des Aufbaus einer kommunistischen Gesellschaft falsch bestimmt ist. Das wird dann nicht ihr Fehler wider bessere Einsicht gewesen sein, sondern eine sehr eigenartige Idee davon, was Kommunismus ist.
Ich: Das zieht sich durch die ganze Geschichte der Stellungnahmen der MG und später des GegenStandpunkts zur Geschichte der „realsozialistsichen Staaten“. Der Begriff Fehler unterstellt dabei, daß die schon was Richtiges gewollt haben, sich dabei nur was Falsches haben einfallen lassen, um das zu erreichen. Es ist aber eine schon immer heftig umstrittene Frage, ob all die Bewegungen, die MGler Kommunisten genannt haben, das im herkömmlichen linken Sinne überhaupt gewesen sind bzw. geblieben sind. Gerade an der Geschichte der Sowjetunion und der Komintern wurde darüber bis aufs Blut gekämpft. Schon das legt nahe, daß da wohl mehr als nur ein paar „Fehler“ mit im Spiele waren.
S: „Der Begriff Fehler unterstellt dabei, daß die schon was Richtiges gewollt haben, sich dabei nur was Falsches haben einfallen lassen, um das zu erreichen. “
Das ist ein Verhältnis zwischen Zweck und Mittel, hieße hier: Die KPCH wollte Kommunismus, hätte sich aber dazu untauglicher Methoden befleißigt. Richtig ist, dass das eine geläufige Art ist, wie sich Idealisten dazu stellen (bspw. in den deutschen KPs): Gute Sache, hier und da schlecht gemacht, z.B. hätte man den Großen Sprung vielleicht etwas anders machen sollen. Grundsätzlich also d’accord, die sogenannten „Ausrutscher“, oder halt „Fehler“ als der Sache äußerlich bestimmt und nicht in ihrer logischen Notwendigkeit begründet. Diese Art von Fehlern zu reden ist Resultat einer grundsätzlichen Parteilichkeit für die Sache, weil sie eben als kommunistisch daherkommt und man ja auch wesentlich mit ihr einig ist.
Eine andere Art, von einem Fehler zu reden ist Fehler im Sinne eines falschen Urteils, in diesem Fall: Die KPCH hat den Begriff Kommunismus falsch bestimmt. Der Fehler daran ist einfach der falsche Begriff. Was sie sich vorgenommen haben war Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft, was sie darunter verstanden haben war allerdings etwas anderes. Was sie dann veranstaltet haben halte ich ihnen damit nicht als Fehler in der Ausführung vor, sondern bestimme bereits das als verkehrt, w a s sie da ausfüren wollten: Die Identität von nationaler Befreiung und Kommunismus.
Ich: Der Fehler aus falschem Urteil trifft es auch nicht immer. Im Fall der KPChinas ist es z.B. schon mal fraglich, ob die je überhaupt zum Kommunismus wollten. Jetzt ja offensichtlich schon eine Weile nicht mehr, obwohl der Begriff noch nicht weggeschmissen wurde (außer Alt-SEDlern und Ex-Maoisten hält ihnen das aber wirklich niemand mehr zugute). Was sie sich wirklich vorgenommen haben, kann man sich ja anschauen, ganz unabhängig davon, was sie dazu gesagt haben. Und Kommunisten kommen dann zu einem dementsprechenden Urteil.
S: „Was sie sich wirklich vorgenommen haben, kann man sich ja anschauen, ganz unabhängig davon, was sie dazu gesagt haben.“
Daran kann man tatsächlich sehen, dass sie keinen Kommunismus wollten. Was man aber an den Äußerungen sieht ist, dass sie genau das, was sie da getrieben haben, für Kommunismus g e h a l t e n haben. Die Differenz muss man festhalten, dass das eben das falsche Urteil ist: Kommunismis ist laut KPCH etwas anderes als er tatsächlich ist. Das ist alles, was ich damit sagen wollte. Also: Da gab es das Bewusstsein, dass genau in dem, was man tut, der Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft liegt. Der Nachweis, dass ihr Begriff davon verkehrt ist, weist dieses Bewusstsein als falsches aus.
Darüber, wie sehr jetzt KPler schon zu Mao-Zeiten gedacht haben, dass das eigentlich gar keine kommunistische Sache ist, und die KP nur als Vehikel für ihren gar nicht kommunistisch gefärbten Nationalismus begriffen haben, kann nichts sagen, da ich dazu nichts weiß. Heute gibt es definitiv noch KPler die glauben, immer noch auf dem Weg von Sozialismus zu Kommunismus zu sein. Wie verbreitet dieser Glaube ist kann ich aber spontan auch nicht beurteilen. Dass das ernst gemeint ist will aber nicht leugnen, dass sie also dieses falsche Urteil für ein richtiges halten. Man könnte sagen, dass sie das unmöglich ernst meinen können, weil es so offensichtlich absurd ist. Nun, absurd war ihr Kommunismus-Verständnis ja schon immer, wie Dillmanns Text zeigt, einen fruchtbaren Boden für weiteren Quatsch gab es also allemal. Aufgrund meines Wissens davon allein kann ich nicht schließen, dass das eine Phraseologie wider besseres Wissen ist.