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Der Glaube an die Nation ist die ganze Realität der Nation

1. August 2014

„Jede Nation ist die mit selektiv historisierenden Mitteln betriebene, interessierte Pathetisierung und emotive Aufladung einer existierenden oder angestrebten souveränen politischen Großorganisation, ein mythysierende Pathosformel für den Staat selber; und jede empirische Feststellung eines „Nationalbewußtseins“ testet nur die Wirkung einer Propaganda: Jede Nation ist Indoktrination – das gilt für die französische wie für die ukrainische, für die österreichische wie für die deutsche, für die italienische wie für die abchasische.
Am schönsten läßt sich das zeigen, wenn man das Problem ein wenig exotisiert und (…)die Frage stellt: Sind die Sahrouis eine Nation? Nun, das kommt darauf an, wer den Krieg gewinnt. Gewinnt ihn Hassan II., so wird es diese Nation niemals geben. Die Marokkaner werden sagen, daß die in der ehemaligen Kolonie Spanisch-Sahara lebenden Menschen immer Teil der marokkanischen Nation gewesen seien. Gewinnt ihn aber Polisario, so wird es nicht nur eine sahrouische Nation geben, sondern es wird seit vielleicht tausend Jarhen eine sahrouische Nation gegeben haben! Auch die kurdische Nation wird es heute schon gegeben haben, wenn es sie in Zukunft einmal gibt, d.h. wenn der PKK die Sezession von Ankara gelingt. Sonst werden die Kurden immer gewesen sein, was sie auch dann noch sein werden: Bergtürken. Die Nation eines werdenden Staates ist keine Substanz, sondern ein politisches futurum exactum – nicht nur hinten in der Türkei: Erst im 19.Jh., nach den antinapoleonischen Befreiungskriegen, verstärkt nach dem Wiener Kongreß aber noch vor Bismark, gab es seit den Ottonen bis 1806 ein Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation; vor 1806 gab es nur bis 1512 ein Heiliges Römisches Reich. Und seit noch nicht einmal fünzig Jahren gibt es ein tausendjähriges Österreich…“(Rudolf Burger, Patriotismus und Nation, in: Leviathan 2/1994 168f)
„Die Staatsnation ist ein hermeneutisches Zirkel. Zugleich ist sie „Ideologie“ in des Wortes prägnanter Bedeutung: notwendig falsches Bewußtsein; notwendig, um das formale Gerüst des Staates zu kitten und den Menschen ein präjuristische Zugehörigkeit zu suggerieren – sie müssen schließlich mitspielen; falsch, weil es das nicht gibt, woran es glaubt, im Sinne einer Korrespondenztheorie von Wahrheit – vielmehr ist der Glaube selbst die ganze Realität, freilich oft sehr massive. Die historisch-nationalistische Propaganda (zu der, nota bene, schon die „Staatsbürgerkunde“ gehört) ist daher nicht Mitteilung und massenwirksame Verbreitung einer empirischen historischen Erkenntnis, sondern ein persuativer(=überrendend) Sprechakt, der zu einem kollektiven performativen(damit ist der Handlungsaspekt der Sprache gemeint, wie z.B. Versprechen, Mitteilen, Warnen, Beleidigen usw.) Sprechakt einlädt, welcher seinerseits eine gemeinsame Geschichte als gegenwärtiges Bewußtseinsphänomen entstehen läßt. Die Propaganda tritt jedoch notwendig in Gestalt historischer Erkenntnis auf, um sich als Propaganda zu verleugnen: Deshalb die Wichtigkeit der Lehrkanzeln für Geschichte im modernen laizistischen (=von der Religion emanzipierter) Verwaltungsstaat, denn nur sie sind letzlich legitimiert, den Staat historisierend als Nation zu legitimieren.
(…) Gerade weil die Strukturen und Funktionsmechanismen des Staates in der bürgerlichen Gesellschaft wie diese selbst ahistorisch, nicht an traditionale Sinn- und Autoritätssysteme gebunden sind, sondern den Imperativen einer verallgemeinerten Ökonomie, letztlich dem anonymen Äquivalenzprinzip der bürgerlichen Gesellschaft gehorchen, gibt er (über seine ideologischen Apparate und Agenten) eine aparte Geschichte, um sich als „Nation“ zu stabilisieren. Mit dem narrativen (von lat. narrare =erzählen) Konstrukt der Nationalgeschichte erreichtet er ein politisches Verpflichtungssystem, das die reine Ökonomie transzendiert und die Gesellschaft moralisch verstaatlicht. Er wirkt damit der Dekomposition und Anomie entgegen, zu denen die bürgerliche Gesellschaft von sich aus tendiert.
Deshalb ist der Historismus ein zutiefst bürgerliches Phänomen, ein Reflexionsphänomen, das traditionale Gesellschaften nicht kannten; und deshalb erwacht der Nationalismus, der immer eine Form des Historismus ist, wo Traditionen zerbrechen und Staaten entstehen; oder zerfallen, bedroht, gedemütigt werden. Er schlummert, wo der Staat eine ruhige Selbstverstädlichkeit ist und von innen und außen fraglos anerkannt wird. Und der Patriot ist der Nationalist in ruhigen Zeiten, der Nationalist der Patriot in bewegten.“
Ich war wieder mal auf der Suche nach der Herkunft des berühmten „notwendig falschen Bewußtseins“ (Ja, es ist nicht von Marx, nicht mal von Lukacs), als ich auf diesen etwas schrägen Text gestoßen bin.

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  1. Nestor
    3. August 2014, 21:41 | #1

    Ja ja, der Rudolf Burger. Der hatte viele helle Momente. Er war einer der wenigen, die gegen Österreichs Jugoslawien-Politik protestiert haben, in verschiedenen Artikeln. Vor allem hat er die Kriegshetze der Grünen aufs Korn genommen. Er hat Hrdlicka gegen Biermann unterstützt, und Handke 1999.
    Lang ists her.
    Als dann die Schwarz-Blaue Koalition an die Macht gekommen ist, und Schüssel so nach dem Motto „Macht trifft Geist“ einen Intellektuellen-Zirkel eingerichtet hat, hat er alle seine Prinzipien über Bord geworfen und wurde Schüssels Schoßhündchen.
    Das hat anscheinend eine intellektuelle Bergab-Bewegung bei ihm ausgelöst. Ich hab schon ewig nix Neues mehr von ihm gelesen.

  2. Nestor
    3. August 2014, 21:43 | #2

    PS: Aus seinem Wikipedia-Eintrag geht hervor, daß er seit dem Millenium einige Bücher publiziert hat, aber die sind sicher ein Schmarrn. Man muß sich an die Vor-Schüssel-Periode halten.

  3. Raetsel
    4. August 2014, 09:29 | #3

    Vermutlich hat ein Herr Burger diesen Text mal verzapft. Das entnehme ich Nestors Anmerkungen. Und nun? Welche Erkenntnisse darin sind wichtig? Worin ist der Text schräg?

  4. 4. August 2014, 09:41 | #4

    Bei Facebook hat jemand auf diesen Text verwiesen.
    http://www.comlink.de/cl-hh/m.blumentritt/agr03.htm
    Der ist ein Zitat:
    Rudolf Burger, Patriotismus und Nation, in: Leviathan 2/1994 S.168
    Zu Burger schreibt Wikipedia:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Burger_%28Philosoph%29
    Zur Frage „schräg“ habe ich schon bei Facebook geantwortet:
    „Nur den Stil, diese mit Fremdwörtern aufgeblasene Schreibe. Das ist natürlich kein Argument gegen den Inhalt.“
    Wichtig? Gegenfrage, was gefällt dir denn an seinen Thesen nicht, daß du das gleich unter „unwichtig“ abtun willst? Für mich klingt das so, nur anderer Jargon, wie das mancher Antinationalist, auch hier schon, vorgetragen hat.

  5. Krim
    4. August 2014, 11:33 | #5

    „Jede Nation ist Indoktrination –“ Halte ich für falsch. Hier ist Nation, (wie beim GSP) als Ideologie bestimmt. Als falscher Glaube in Folge von Indoktrination. Die Gemeinsamkeit entsteht durch Konstruktion von Geschichte. Im Nachhinein wird eine möglichst weit zurückreichende Geschichte der jeweiligen Herrschaft ersonnen, die ihren Anspruch historisch legitimieren soll.
    „und deshalb erwacht der Nationalismus, der immer eine Form des Historismus ist,“ Hier wird die Theorie nochmal explizit ausgesprochen. Nationalismus ist Indoktrination mit einer erfundenen Nationalgeschichte, die Gemeinsamkeit stiften soll. Indoktrination ist laut Wikipedia übrigens eine „vehemente Belehrung durch Manipulation“ also Beeinflussung des Willens unter Umgehung des Willens. Die vorgestellte Nationentheorie ist also verkehrt.

  6. 4. August 2014, 11:41 | #6

    Gut, Krim, die Manipulation ist falsch. Das sehe ich auch so. Daß sich aber Menschen, die sich für eine Nation entscheiden, diesem ja recht abstrakten Begriff immer den Mantel des Historismus umhängen, mit Geschichte Legitimation und Werbung betreiben, das ist doch offensichtlich.

  7. Krim
    4. August 2014, 11:55 | #7

    Ja. Es ist aber ein Unterschied, ob man über Rechtfertigungslügen redet oder über die Bestimmung der Nation. Beides sollte man nicht verwechseln. Es ist halt falsch, dass Nation nichts anderes ist als eine manipulative Rechtfertigungslüge. Das aber behauptet der Herr Burger.

  8. Nestor
    4. August 2014, 12:15 | #8

    Es ist halt immer nervig, wenn man einen text bringt, der von irgendeinem Fremden ist, und schon stürzt sich die Meute der Verteidiger der Reinen Lehre drauf und weist nach, was daran alles verkehrt ist.
    Die umgekehrte Methode, nämlich zu schauen, ob auch was Richtiges drinsteht, ist offenbar vielen Personen aus dem GSP-Umfeld ganz fremd.
    Dabei fängt doch der Text vom Burger ganz gut an:
    Nation sei eine „emotive Aufladung einer existierenden oder angestrebten souveränen politischen Großorganisation, ein mythysierende Pathosformel für den Staat selber.“
    Also: der Staat ist gemeint, um den gehts, der will seinen Bürgern etwas hineinsemmeln, und dafür bedient er sich des Konstruktes der Nation. Das ist eine Einsicht, die außer uns wenig Leute hatten.
    Auch sonst hat er doch recht: dieses Konstrukt erscheint plausibel, wenn ein wirklicher Staat, und womöglich potenter, dahintersteckt, und blamiert sich dort, wo der Zwangszusammenhang der staatlichen Herrschaft durch das Nations-Konstrukt ersetzt werden soll.
    Ansonsten ist das halt ein Philosoph, der sich gern reden hört und in Geistreichelei gefällt. Ich war nie ein besonderer Burger-Fan, weil ich diese Tour nicht mag, habe ihn aber als Rufer in der Wüste seinerzeit durchaus geschätzt. Er hat halt, und das kündigt sich in obigem Text auch schon an, die Eitelkeit des Individuums über die Einsichten gestellt, die er einmal hatte.

  9. Nestor
    4. August 2014, 12:24 | #9

    PS, zu Krim: Nation ist sowohl Lüge als auch Wahrheit: Den Staat, der mit dem Konzept Nation gewandet auftritt, gibt es ja, und die Ansprüche, der er via nationale Mission an seine – und auch fremde! – Bürger stellt, versteht er ja auch durchzusetzen.
    Die Idee der „Manipulation“ hast du aufgebracht, die entstammt nicht dem ursprünglichen Text. „Indoktrination“ hingegen, was Burger verwendet, bezieht sich lediglich darauf, daß diese Deutung keinen Zweifel und Widerspruch duldet.

  10. 4. August 2014, 12:26 | #10

    Nestor, ich weiß jetzt nicht so recht, wo du ausgerechnet hier die „vielen Personen aus dem GSP-Umfeld“ identifiziert hast. Außer einem Rätsel, der sich erstmall bedeckt gehalten hat, Krim, der – welch Wunder – den Burger gleich kritisiert hat, hab ich das Teil ja wegen der Erkenntnisse, die dem Teil trotz allem Geschwurbel ja zu entnehmen sind, überhaupt erst hier reingestellt. In diese Richtung argumentiert ja sonst kaum jemand. Da nehm ich zur Not auch mal einen eitlen Philosophen beim Wort.

  11. 4. August 2014, 12:31 | #11

    Nicht nur Staaten gibt es, die mit dem „Konzept“ Nation auftreten, die Nationen gibt es ja parallel oder gar erst nur im Vorgriff auch. Das ist doch regelmäßig gar nicht deckungsgleich, weder inhaltlich noch was die ideologische Reichweite in der Bevölkerung angeht.

  12. Krim
    4. August 2014, 14:09 | #12

    „der Staat ist gemeint, um den gehts, der will seinen Bürgern etwas hineinsemmeln, und dafür bedient er sich des Konstruktes der Nation. Das ist eine Einsicht, die außer uns wenig Leute hatten.“ Das ist halt eine falsche Einsicht. Deshalb meine Kritik.
    „Den Staat, der mit dem Konzept Nation gewandet auftritt, gibt es ja,“ Es gibt aber auch die Nation. Die ist eben alles andere als bloß ein (ideologisches) Gewand des Staates.
    „Die Idee der „Manipulation“ hast du aufgebracht, die entstammt nicht dem ursprünglichen Text. „Indoktrination“ hingegen, was Burger verwendet, bezieht sich lediglich darauf, daß diese Deutung keinen Zweifel und Widerspruch duldet.“ Herrgott, Manipulation ist Teil des Indoktrinationsbegriffs, lies es nach.

  13. qwert
    4. August 2014, 19:43 | #13

    „Es gibt aber auch die Nation. Die ist eben alles andere als bloß ein (ideologisches) Gewand des Staates.“

    Der Burger deutet auf etwas anderes: der hat gemerkt, dass die Existenz von Nationen (also auch deren Inhalt) immer an der siegreichen Gewalt eines Staates hängt, der sich mit dem Konstrukt Nation eine Berechtigung im Konzert der anderen Staaten verschafft. Momentan gibt es keine Nation Kurdistan, ob es sie je geben wird, entscheidet eine Gewaltorganisation und nicht die Leute, die sich Kurdistan ganz gerne einbilden.
    Und mit Indoktrination meint der Burger auch etwas anderes als Manipulation:

    „Sind die Sahrouis eine Nation? Nun, das kommt darauf an, wer den Krieg gewinnt.“

    Die Sache der Nation ist eine Doktrin, ob das verfängt, hängt nicht allein an der Indoktrination …

  14. 4. August 2014, 20:01 | #14

    Qwert, wie schon so häufig gesagt: Es ist einfach blöd sich eine Nation immer so zurecht zu definieren, daß die „immer an der siegreichen Gewalt eines Staates hängt“. Daß umgekehrt ein nigelnagelneuer Staat umgekehrt genaus ein „Konstrukt“ einer Nation/nationalistischen Bewegung sein kann, wird dann immer ausgeblendet. Nur so kann man man dann ernsthaft postulieren „Momentan gibt es keine Nation Kurdistan“. Als wenn die Entscheidung darüber, die durch eine erfolgreiche „Gewaltorganisation“ herbeigeführt wird ganz ohne die „Einbildung“ der Leute ginge, die diese Gewalt zum Sieg führen.

  15. qwert
    4. August 2014, 20:19 | #15

    „ganz ohne die „Einbildung“ der Leute“

    da wird nix ausgeblendet und die Einbildung von Gemeinschaftlichkeit des Personals braucht ein Staat auch, wenn er dauerhafte Gegensätze einrichten will. Nur entsteht aus der Einbildung gerade kein Staatsgebilde – und in der Folge auch keine Nation. Das ist Burgers Argument. Das Thema „Manipulation“ (dann auch noch als Zombie-Vorstellung) entfernt sich von diesem Gedanken und krisiert etwas anderes als Burgers Einsicht.

  16. Krim
    5. August 2014, 10:30 | #16

    Einbildung ist schonmal falsch. Genauso wie Glaube, wie der Burger sagt. Eine Nation entsteht aus dem W i l l e n einer Gruppe von Leuten, dem Volk, eine ihnen nützliche Gewalt zu errichten und diese gegen andere Gewalten gleichen Kalibers durchzusetzen. Die Gewaltorganisation ist also nicht das Produkt einer Einbildung, sondern des Willens kollektive Interessen gewaltsam gegen andere Gewalten durchzusetzen und dafür stellen sich die Träger dieses Willen mit Haut und Haar und Besitz zur Verfügung.
    „Nur entsteht aus der Einbildung gerade kein Staatsgebilde – und in der Folge auch keine Nation.“ Aus dem W i l l e n zu einer nützlichen Gewalt, entsteht aber durchaus eine Gewalt und wenn die sich durchsetzt gibt es auch ein Staatsgebilde. Die Nation ist nichts anderes als diese reale Gemeinsamkeit eines kollektiven Willens zu einer dienlichen Gewalt.
    „der hat gemerkt, dass die Existenz von Nationen (also auch deren Inhalt) immer an der siegreichen Gewalt eines Staates hängt, der sich mit dem Konstrukt Nation eine Berechtigung im Konzert der anderen Staaten verschafft.“ Und das ist halt falsch. Nation ist nicht die Ideologie zur Gewalt. Nation ist die reale Gemeinsamkeit des kollektiven Volkswillens, der sich diese Gewalt als nützliche gegen andere Gewalten organisiert.

  17. 5. August 2014, 11:00 | #17

    Krim, du betonst den Willen zur Nation. Und damit den wesentlichen Aspekt ihrer Erklärung. Aus diesem Willen folgt dann die nationalistische Gewalt, und wenn die Nationalisten es damit schaffen, ihr Staat. Soweit stimme ich zu.
    Einbildung ist aber deshalb nicht völlig falsch: Denn man muß als Nationalist ja schon alle anderen wesentlichen Unterschiede in der sozialen Lage ausblenden, um zu einem nationalen Wir kommen zu können. Diese Entscheidung, der Welt zu sagen, ich kenne keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche usw. ist zwar eine bewußte also willentliche aber blöd ist sie auch. Und das soll das Reden von der Einbildung wohl treffen.

  18. Krim
    5. August 2014, 11:44 | #18

    @neoprene: Der Fehler ist aber nicht kritisiert, wenn man bloß Einbildung dazu sagt. Alles was man sich vorstellt, ist eine Einbildung. Einbildung will doch sagen: Das ist ein Bild nur in deinem Kopf, aber nicht wirklich. Man kann auch sagen der Begriff misst, den Gedanken an der Realität und kommt zu dem Schluss, dass es für den Gedanken keine reale Entsprechung gibt. Dass ist schon eine Diffamierung eines Gedankens, weil der Gedanke nicht kritisiert wird, sondern an der Realität gemessen wird.
    Beim Willen, bzw. beim Planen ist das aber gerade blöd, weil es eine Vorstellung oder ein Gedanke ist, der auf Verwirklichung gerichtet ist. Der Gedanke soll gar nichts anderes als Realität werden. Das innere Bild einer gewünschten Realität soll äußerlich gemacht werden. Den Willen als Einbildung zu nehmen, die bloß im Kopf existiert, geht also ganz an dem vorbei, was der Wille ist.

  19. qwert
    5. August 2014, 11:46 | #19

    „Nation ist die reale Gemeinsamkeit des kollektiven Volkswillens, der sich diese Gewalt als nützliche gegen andere Gewalten organisiert.“
    Der Pleonasmus eines kollektiven Volkswillens sei dir gegönnt, aber dein Volkswille kommt auch sonst doppelt vor: einmal soll der die völkische Willensbekundung sein, das andere Mal die Gewalt, die die Bedingungen dafür herstellt. Dass das nicht deckungsgleich ist, wird z.B. daran deutlich:
    „Auch die kurdische Nation wird es heute schon gegeben haben, wenn es sie in Zukunft einmal gibt, d.h. wenn der PKK die Sezession von Ankara gelingt. Sonst werden die Kurden immer gewesen sein, was sie auch dann noch sein werden: Bergtürken.“
    Mal so: Wenn auch die „Gemeinsamkeit“ eine erkämpfte ist, wenn sie sich als Sieg über alternative Lesarten der angeblichen Gemeinsamkeit durchgesetzt hat, ist die „Gemeinsamkeit“
    1. eine siegreiche Einbildung, die
    2. ihre Wirklichkeit in Gewaltmitteln hat, die der Bevölkerung als ihr Mittel verboten werden, und die außerdem jeden alternativen Volkswillen kategorisch unterbinden
    Wenn die Bergtürken also behaupten Kurden zu sein, wäre zwar ein massenhafter „Wille“ zur Nation vorhanden, die Wirklichkeit der Nation Kurdistan besteht aber momentan bloß in der Idee (durchaus unterschiedlicher) kurdischer Herrschaft, weil die eben nicht allein durch den Wunsch nach ihr auf die Welt kommt – siegreiche Gewaltmittel entscheiden dann darüber, ob und welche Staatlichkeit die künftige „Gemeinsamkeit“ sind, auf die das Volk festgelegt wird – und alles ohne eine einzige Umfrage, in der mehrheitliche Willen ja leicht zu ermitteln wären …
    Ohne Gewaltandrohung, Indoktrination oder Manipulation hätten es alle Staatengründer recht schwer …

  20. 5. August 2014, 12:16 | #20

    Nein qwert, wenn du Krim vorhältst, „dein Volkswille kommt auch sonst doppelt vor: einmal soll der die völkische Willensbekundung sein, das andere Mal die Gewalt, die die Bedingungen dafür herstellt.“ Dann ist das falsch:
    Der völkische Wille ist erst mal etwas Eigenständiges. Das blöde Projekt der Nationalisten. Damit deren Vorstellungen/Träume wahr werden, legen sie sich dann die Gewaltmittel zu, die sie für nötig erachten, ihr nationales Projekt gegen die bestehenden Staatsgewalten durchzusetzen. Zu eine Gewalt gehört immer ein dahinter stehender Individual- oder hier eben Kollektivwille, der sie für seine Zwecke eben braucht.
    Die „Gemeinsamkeit“ muß es also wenigstens schon mal im kleinen geben, damit das zur Gewalt werden überhaupt in Gang kommen kann. Wenn diese Neunationalisten dann gewinnen, dann verteidigen sie ihren aus der Weltkugel rausgeschnittenen Turf natürlich sowohl gegen Gegner dieses Projekts im Inneren dieses eroberten Gebiets als auch gegen die angrenzenden Staaten, denen sie es wegerobert haben. Auch hierfür braucht es den für solche eine Politik hinreichenden Willen der nationalistischen Mitmacher und Unterstützer. Das ist gerade keine reine Gewaltfrage, zu der du das runterkochst. Die kann übrigens überhaupt nicht „jeden alternativen Volkswillen kategorisch unterbinden“, sondern „nur“ mit Gewalt (und Ideologie) gegen deren Aktivisten und Anhänger vorgehen. Ob das Unterbinden dann klappt, oder eben auch nicht, das muß man dann in jedem einzelnen Fall sehen.

  21. Krim
    5. August 2014, 13:34 | #21

    Burger meint mit der kurdischen Nation natürlich ein Staatsgebilde. Also eine Gewalt die ihren Anspruch auf ein Territorium erfolgreich durchgesetzt hat. Deshalb kommt er drauf, dass die Kurden im Miserfolgsfall Bergtürken bleiben.
    „Mal so: Wenn auch die „Gemeinsamkeit“ eine erkämpfte ist“ Die Gemeinsamkeit ist keine erkämpfte. Erkämpft ist das Staatsterritorium auf der Grundlage dieser Gemeinsamkeit.
    „Wenn die Bergtürken also behaupten Kurden zu sein, wäre zwar ein massenhafter „Wille“ zur Nation vorhanden, die Wirklichkeit der Nation Kurdistan besteht aber momentan bloß in der Idee (durchaus unterschiedlicher) kurdischer Herrschaft, weil die eben nicht allein durch den Wunsch nach ihr auf die Welt kommt“ Die unterschiedlichen Ideen kurdischer Herrschaft sind die Grundlage dafür eine gemeinsame Gewalt auf die Beine stellen zu wollen. Es mag also durchaus unterschiedliche Vorstellungen der künftigen Staatsgewalt geben, sie münden aber alle in der abstrakten Gemeinsamkeit, dass jetzt erstmal eine Gewalt her muss, die einen kurdischen Staat durchsetzt. Zu unterschiedlich dürfen die Vorstellungen aber auch nicht sein, sonst münden sie nicht in dem Wunsch nach einer gemeinsamen Gewalt. War die so auf die Beine gestellte Gewalt dann siegreich, dann ist es immer noch nicht so, dass die Gewalt allen Untertanen ihre Version kurdischer Herrschaft einfach vorschreiben kann. Dann gibt es z.B. Wahlen, in denen zumindest ein mehrheitlicher Volkswille ermittelt wird und die ebenfalls wieder auf einer grundlegenden Gemeinsamkeit beruhen.

  22. qwert
    5. August 2014, 14:09 | #22

    „Erkämpft ist das Staatsterritorium auf der Grundlage dieser Gemeinsamkeit.“
    Ein Kampfergebnis unterstellt den Gegensatz der Kämpfer – und nicht einmal darüber, wie weit das Territorium geht, herrscht grundsätzlich Einigkeit. Die will erst hergestellt sein! Wenn aber jede (Staats-)Nation als Ergebnis von Kämpfen entsteht, wird die Begründung, das sei die „Gemeinsamkeit“ aller (also auch der Verlierer) absurd. Die ominöse „Gemeinsamkeit“ ist offensichtlich eine Leerformel.

  23. 5. August 2014, 14:22 | #23

    „Ein Kampfergebnis unterstellt den Gegensatz der Kämpfer“.
    Ja und? Sonst hätten sie ja nicht kämpfen brauchen, wenn sich alle einig gewesen wären, daß die Kurden z.B. ihr eigenes Faß aufmachen dürfen. Ganz so beliebig, wie du die Territoriumsgrenzen gezogen siehst, als pures Zufallsergebnis des letzten Waffengangs oder so, ist es doch regelmäßig gar nicht. Die Einigkeit darüber, wer zur kurdischen Nation gehören soll, welches Gebiet deshalb zum kurdischen Staat gehören soll, ergibt sich doch unter anderem aus der Durchsetzungsfähigkeit kurdischer Nationalisten, Leute davon zu überzeugen, daß sie Kurden und keine Türken oder Iraner seien. Denn das wiederum ist nicht unwesentlich wichtig in der Gewaltauseinandersetzung darum, wie weit die kurdische Fahne wehen kann.
    Es ist einfach blöd, die Kämpfe abzutrennen vom politischen Bewußtsein der Kämpfer, die da jeweils zu Gange sind. Umgekehrt ist doch gerade bei deiner Definition „Gewalt“ eine Leerformel.

  24. Krim
    5. August 2014, 14:46 | #24

    „Ein Kampfergebnis unterstellt den Gegensatz der Kämpfer“

    Das sind doch aber Kämpfer a n d e r e r Nation, die eben nicht zur eigenen nationalen Gemeinschaft gehören, sondern zur nationalen Gemeinschaft der Gegenseite.

  25. qwert
    5. August 2014, 15:22 | #25

    „Leute davon zu überzeugen, daß sie Kurden und keine Türken oder Iraner seien“

    Wenn das mal keine Doktrin ist …

    „Das sind doch aber Kämpfer a n d e r e r Nation, die eben nicht zur eigenen nationalen Gemeinschaft gehören“

    Du drehst dich im Kreis: Woher weiß man das denn, dass jemand einer anderen Nation angehört? Der ganze Inhalt ist eine tatsächliche oder eingebildete Staatszugehörigkeit.

  26. 5. August 2014, 15:29 | #26

    „Wenn das mal keine Doktrin ist …“

    Und wogegen soll diese ja von mir gar nicht bestrittene Feststellung denn nun ein Argument sein?

    „Woher weiß man das denn, dass jemand einer anderen Nation angehört?“

    Erstmal natürlich daran, daß jemand das sagt und sich dementsprechend verhält. Das merkt man vor allem dann, wenn es hart auf hart kommt. Bei den Auseinandersetzungen um Abtrennung versus Zusammenhalt. Wer dann z.B. aus der Armee der Zentralgewalt zu den Aufständischen übergeht ist wohl kein Nationalist des Zentralstaats mehr. Umgekehrt umgekehrt. Und die Antinationalisten erkennt man daran, daß sie sich gegen beide Nationalismen aussprechen.

  27. qwert
    5. August 2014, 16:12 | #27

    Unbestritten, aber die Frage war nicht, woran man Nationalismus erkennt. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Nationalstaat wird halt auf Schlachtfeldern entschieden oder in internationalen Gremien.
    Auch die Krim musste erst einmal eingenommen werden, um per Volksentscheid eine Legitimation herbeiführen zu können. Und die Rheinländer haben nicht eigens darüber entschieden, ob sie lieber französisch bleiben wollen, das hat der Adenauer den Alliierten abgetrotzt.
    Die Willen der zugehörig Gemachten werden eben als Ressource staatlicher Ansprüche verhandelt und wenn überhaupt als Legitimationsinstrument befragt. Da scheint es eine Abstraktion vom tatsächlichen Willen jeder Bevölkerung zu geben, wenn man nicht fälschlich davon ausgeht, dass der hoheitliche Wille einer Nation a priori deckungsgleich mit dem der untergeordneten Leute ist. Der Hinweis „wenn nicht, dann knallt’s“ bestätigt eigentlich, dass das Herstellen nationaler Einheit ein Dauerprogramm ist – also nicht nur eine Grundlage, sondern eben auch ein Produkt …

  28. 5. August 2014, 16:37 | #28

    qwert, du bist so klassisch staatsborniert, daß dir noch nicht mal auffällt, daß wir über verschieden Sachen reden:
    Ja, die Zugehörigkeit zu einem Staat, egal ob das ein Nationalstaat ist oder nicht, die definiert der Staat. Nicht mal alle, die ihm unterworfen sind, definiert er übrigens als seine Staatsbürger. Da mußt du wirklich nur in einen aktuellen Atlas schauen und kannst das danach zumeist korrekt beantworten.
    Hier geht es aber über Nationalismus. Und der steht nicht im Paß, sondern findet im Kopf statt.
    Es ist doch hundertmal bewiesener Stuß, wenn du schreibst:

    „Die Willen der zugehörig Gemachten werden eben als Ressource staatlicher Ansprüche verhandelt und wenn überhaupt als Legitimationsinstrument befragt.“

    Was interessiert dich dann eigentlich der Wille, wenn der dich inhaltlich überhaupt nicht interessiert?

  29. Mattis
    5. August 2014, 17:18 | #29

    Schon im Vorfeld, also vor der Erfüllung eines Nationalismus durch die Errichtung eines Staates, ist dieser als Projekt die Definition einer Gemeinschaftlichkeit, die in der Regel von verschiedenen Teilströmungen durchaus unterschiedlich definiert wird. Die sich letztlich durchsetzende Linie (durch Kampf oder auch durch Protektion anderer Mächte) hat, wenn der Staat dann existiert, endgültig auch die Gewaltmittel, seine besondere Variante als Inhalt der gebildeten Nation zu bestimmen, was sich in Gesetzen und der täglichen staatlichen Propaganda niederschlägt und oft auch in massiver Verfolgung von „Verrätern“, die ehemals Kampfgenossen waren. Erst recht bekommen Leute, die von vornherein nicht diesem Nationalismus zugehörten (weil sie z.B. auf dem eroberten Staatsgebiet lebten), die neue Nation besonders gewalttätig zu spüren.
    Die im Vorfeld stattfindende Definition einer wesentlichen Gemeinschaftlichkeit (in Differenz zu anderen „Gemeinschaften“) ist ein kollektivistischer Standpunkt. Man konstruiert sich das Kollektiv, als welches man nach den Machtmitteln eines eigenen Staates strebt. Diese Ein-Bildung (Doktrin) solcher Kollektivität ist der Springpunkt, der m.E. noch nicht geklärt wurde.
    Eine bloße Verdoppelung, also realisierte Nation und vorweg existierender Nationalismus, erklärt diese vorweg existierende Bewegung ja nicht.

  30. Krim
    5. August 2014, 17:34 | #30

    „Der ganze Inhalt ist eine tatsächliche oder eingebildete Staatszugehörigkeit.“ Der Wille ist keine Einbildung. Das habe ich oben schon kritisiert. Es ist daneben, einem auf Verwirklichung und Umsetzung gerichteten Gedanken vorzuwerfen, dass er bloß Gedanke ist, bloß im Kopf stattfindet. Als Wille nimmt er eine zukünftige Wirklichkeit als Vorstellung vorweg und beschafft sich die Mittel den Inhalt des Willens zu verwirklichen.
    „Auch die Krim musste erst einmal eingenommen werden, um per Volksentscheid eine Legitimation herbeiführen zu können.“ Nein sie musste überhaupt nicht eingenommen werden um einen Volksentscheid abzuhalten. Das wäre auch ohne gegangen. Wie es auch in der Ostukraine ohne Russen gegangen ist. Die Russen haben bloß dafür gesorgt, dass alles friedlich abläuft und sich die Ukrainische Armee nicht einmischt. Organisiert und abgehalten und zugestimmt haben die Krimbewohner selbst.
    „also nicht nur eine Grundlage, sondern eben auch ein Produkt …“ Also ist die Gemeinsamkeit auch eine Grundlage. Letzten Endes ist es aber wurscht, ob es Grundlage oder Produkt ist, weil beides den Willen zum Staat zur Grundlage hat und den kann man trotz Dauerprogramm nicht so einfach herstellen. Der muss auch einleuchten! Und das tut er in beiden Fällen egal, ob der Nationalismus nun von unten beginnt oder von oben beworben und gefördert wird. Erzwingen kann man den nämlich nicht.

  31. Krim
    5. August 2014, 17:47 | #31

    „und vorweg existierender Nationalismus, erklärt diese vorweg existierende Bewegung ja nicht.“ Wie es zu einer nationalistischen Bewegung kommt, muss man ja nicht in jedem Thread wiederkäuen. Da wurde im Thread „Ukraine: „Aufbruch in den Abgrund“ schon alles dazu gesagt.

  32. qwert
    6. August 2014, 08:20 | #32

    „Die Russen haben bloß dafür gesorgt, dass alles friedlich abläuft und sich die Ukrainische Armee nicht einmischt.“
    So geht die Selbstdarstellung Russlands, weil es als Weltmacht, deren Status gerade bestritten wird, nicht Kriegspartei sein will. Aber wenn ein Nationalstaat auf dem Territorium eines anderen dessen Zuständigkeit als Gewalt bestreitet, ist das zu allererst der Entzug von Souveränität – normalerweise ist sowas eine Kriegserklärung!. Man muss sich also gar nicht über eine „unrechtmäßige Annexion“ empören, wenn man feststellt, dass die Russen sich mittels überlegener Gewalt ihre direkte Zuständigkeit für die Krim erobert haben. Und dann haben SIE abstimmen lassen, den bis dahin zuständigen Entscheidungsträgern ist das aus gutem Grund nie eingefallen, ihre Bürger zu fragen, ob ihnen der Sinn nach Separation steht.

  33. 6. August 2014, 08:59 | #33

    qwert, warum redest du darüber, was der Staat Rußland gemacht und der Staat Ukraine nicht gemacht haben? Das hat man jeden Abend in der Tagesschau gesehen. Hier empört sich auch niemand über eine „unrechtmäßige Annexion“. Hier geht es doch um (die Bestimmung und Erklärung von) Nationalismus, also z.B. um den Nationalismus der Bewohner der Krim, die offensichtlich nicht erst seit der Annektion des Gebietes mehrheitlich russisch nationalistisch waren und wohl auch noch sind. Also darum, das ein per Gewalt und Recht beanspruchtes Staatsgebiet eben nicht deckungsgleich sein muß mit dem Zugehörigkeitsbekunden der Unterworfenen. Cuius regio eius religio (‚wes der Fürst, des der Glaub‘) hat noch nicht mal nach der Reformation überall gegolten, Westfälischer Frieden hin oder her.

  34. qwert
    6. August 2014, 10:02 | #34

    „Hier geht es doch um (die Bestimmung und Erklärung von) Nationalismus, also z.B. um den Nationalismus der Bewohner der Krim, die offensichtlich nicht erst seit der Annektion des Gebietes mehrheitlich russisch nationalistisch waren“
    Ich rede deswegen über maßgebliche Mächte, weil ihr mit der Gleichsetzung von Berufs- und Hobbynationalisten die politischen Subjekte versteckt. Wenn die Diktion ist, dass egal was auf der Welt passiert, als allgemeines Volksprodukt gedeutet werden soll, entledigt man sich der (Erklärung einer) offensichtlichen Trennung von Volk und Herrschern. Politiker sind in dieser Vorstellung nur noch Dienstleister am Willen beherrscht zu werden. Der „Dienst“, allen Vorschriften zu machen, folgt aber keinem Antrag aus der Bevölkerung, sondern gewährleistet lustigerweise die Dienstbarkeit der angeblichen Auftraggeber und zeigt so, dass Souveränität schon der Wortbedeutung nach keine Dienstleistung für die davon Betroffenen sein kann.

  35. 6. August 2014, 11:07 | #35

    qwert, dein Begriff der „maßgeblichen Mächte“ ist wieder so was doppeldeutiges:
    Ja einerseits sind Staaten mit ihrem Gewaltapparat und ihrem damit gestütztem Recht maßgeblich. Sie definieren z.B. wer Staatsbürger ist und wer zur eigenen Nation nicht dazu gehört. In dieser Frage sind sie eindeutig das „politische Subjekt“.
    Es ging/geht hier aber gar nicht um die Frage „egal was auf der Welt passiert,“ irgendwie zu deuten, erst recht nicht als „allgemeines Volksprodukt“. Sondern um den Begriff des Nationalismus, der, da wiederhole ich mich, eben nichts ist, was von oben an- und abgeknipst wird in den Hirnen der einem Staat unterworfenen Menschen. Du hebst auf die auf die „offensichtlichen Trennung von Volk und Herrschern“ ab, ich wiederum werfe dir vor, daß du eine Zwangsidentität von Staatsvorgaben und Dekreten mit Massenbewußtsein machst, also wieder mal das Bewußtsein als letztlich erzwungenes siehst/entschuldigst, wenn du uns eine „Gleichsetzung von Berufs- und Hobbynationalisten“ vorwirfst.

  36. Krim
    6. August 2014, 11:26 | #36

    „So geht die Selbstdarstellung Russlands, weil es als Weltmacht, deren Status gerade bestritten wird, nicht Kriegspartei sein will.“ Nein so war es auch. So sagte es auch Gabriele Krone-Schmalz.
    „Und dann haben SIE abstimmen lassen, den bis dahin zuständigen Entscheidungsträgern ist das aus gutem Grund nie eingefallen, ihre Bürger zu fragen, ob ihnen der Sinn nach Separation steht.“
    Es gab auch nie vorher einen westlich-faschistischen Putsch in Kiew. Deshalb ist es den Entscheidungträgern vorher nicht eingefallen. Dann aber schon. Und dann hatten sie im Unterschied zur Ostukraine das Glück, dass Russland sich die Krim, die sie mehr als nur als ihre Einflusssphäre betrachtet hat, nicht nehmen lassen wollte. Das hat den Kriminesen den Krieg erspart mit dem die Ostukraine jetzt überzogen wird. Jedenfalls war es ganz und gar nicht so, dass Russland die Krim erobert hat und dann für einen passenden Wahlausgang gesorgt hat. Das ging schon von der russischen Krimbevölkerung aus und Russlands Interessen kam das entgegen.
    „Ich rede deswegen über maßgebliche Mächte, weil ihr mit der Gleichsetzung von Berufs- und Hobbynationalisten die politischen Subjekte versteckt.“ Ah. Offenbar hat da jemand zwei unterschiedliche Spezies gefunden, obwohl sie sich nur darin unterscheiden, dass die einen es zum Beruf gemacht haben und Geld dafür kriegen und die anderen nicht. Inhaltlich sehe ich jedoch keine Differenz. Das sieht man auch daran, dass sich die Profis regelmäßig aus den Reihen der Amateure rekrutieren. Oder man sieht es daran, dass auch die Profis Untertanen sind und von ihren eigenen Gesetzen nicht ausgenommen sind.
    „Wenn die Diktion ist, dass egal was auf der Welt passiert, als allgemeines Volksprodukt gedeutet werden soll, entledigt man sich der (Erklärung einer) offensichtlichen Trennung von Volk und Herrschern.“ Genau umgekehrt ist es. Du gehst immer von der Trennung von Volk und Herrschaft aus und deutetest alles auf der Welt als die Tat von Herrschaften, die sich sogar nach belieben ihre Völker zurechtschnitzen können, d e r e n Gewalt sie bloß sind.
    „Politiker sind in dieser Vorstellung nur noch Dienstleister am Willen beherrscht zu werden.“ Nein eben nicht, weil es keinen Willen beherrscht zu werden gibt. So kommt das im Bewusstsein des demokratischen Bürgers nicht vor. Ein demokratischer Bürger ist selbst der ideelle Herrscher seines Gemeinwesens und sieht deshalb e i n, dass die Notwendigkeiten des Staates auch ihn betreffen. Da ist eben kein prinzipieller Unterschied in der Denke von Politikern und Volk.
    „Der „Dienst“, allen Vorschriften zu machen, folgt aber keinem Antrag aus der Bevölkerung,“ Keinem Antrag, aber ihrem Willen durchaus. Die Vorschriften gewährleisten die Dienstbarkeit? Immer wieder die selbe dumme Behauptung die Leute würde mitmachen, weil sie der Staat zwingt.
    „dass Souveränität schon der Wortbedeutung nach keine Dienstleistung für die davon Betroffenen sein kann.“ Doch ist es und das wurde dir auch schon tausendfach erklärt. Die Eigentümer brauchen eine Gewalt, die in der Lage ist die ganze Gesellschaft vom Reichtum der Privaten auszuschließen. Also muss sie souverän sein, der Gesellschaft übergeordnet. Zweitens muss sie die ganze Gesellschaft darauf verpflichten, Mittel ihrer Gewalt zu sein. Das ist eine Bedingung ihres Erfolgs in der friedlichen und kriegerischen Konkurrenz der Gewalten. Und genau so eine Gewalt brauchen die Untertanen wegen ihres Erfolgs.

  37. qwert
    6. August 2014, 11:57 | #37

    Bodin, Hobbes, Locke oder Rousseau waren da übrigens ehrlicher, die haben noch Argumente für die Berechtigung staatlicher Souveränität ins Feld geführt, weil sie wussten, dass „sich Vorschriften machen lassen“ ein recht gegensätzlicher Willensinhalt ist, der eine besondere Begründung verlangt (Gottes Werk, Menschlichkeit, Volksbestimmung usw.). Ihr macht die Gleichsetzung mit dem bloßen Deuten auf Kongruenzen der Souveräne und ihrem Gefolge – die gibt es, sie sind aber nicht die Erklärung z.B. für das Einrichten einer Klassengesellschaft oder das Errichten eines „Schutzraums“ für die Schwarzmeerflotte.
    „Ein demokratischer Bürger ist selbst der ideelle Herrscher seines Gemeinwesens und sieht deshalb e i n, dass die Notwendigkeiten des Staates auch ihn betreffen. Da ist eben kein prinzipieller Unterschied in der Denke von Politikern und Volk.“
    Du sagst den Unterschied selbst: Wer nicht Politiker ist, bildet sich bloß ein, den herrschaftlichen Willen mitzubestimmen. Dessen nationale Einsicht ist von Anfang an eine in vorgegebene Notwendigkeiten, die wegen der Gewalt, deren Willen er nicht in der Hand hat, unumgänglich sind. Du kennst auch selbst den Unterschied: wenn die Merkel sagt, dass Atomstrom doof für Deutschland ist, begleitet sie damit ihr politisches Programm, wenn das Jahrzehnte auf Transparenten steht, bekunden Atomkraftgegner damit ihre Ohnmacht.
    „Die Eigentümer brauchen eine Gewalt …“
    Unbestritten. Und jetzt einen Schritt weiter: Die Leute per Gewalt auf Eigentumserwerb festzulegen, macht die gesamte Gesellschaft zum Diener der damit beabsichtigten Akkumulation. Die sind alle Eigentümer, damit sie für das Ziel der Eigentumsvermehrung nützlich werden.

  38. Krim
    6. August 2014, 13:34 | #38

    „weil sie wussten, dass „sich Vorschriften machen lassen“ ein recht gegensätzlicher Willensinhalt ist,“ Ist es ja auch. “ der eine besondere Begründung verlangt (Gottes Werk, Menschlichkeit, Volksbestimmung usw.).“ Aha, die sind also „ehrlicher“, weil sie Ideologien erfinden. Eine Rechtfertigung ist aber nur nötig, wenn man ihren Inhalt gut heißt. Tu ich aber nicht, ich bestimme bloß. Wahrscheinlich bin ich deshalb so „unehrlich“.
    „die gibt es, sie sind aber nicht die Erklärung z.B. für das Einrichten einer Klassengesellschaft oder das Errichten eines „Schutzraums“ für die Schwarzmeerflotte.“ Doch sind sie. Steht z.b. im letzten Absatz meines letzten Beitrags.
    „Wer nicht Politiker ist, bildet sich bloß ein, den herrschaftlichen Willen mitzubestimmen.“ Das stimmt nicht. In den Wahlen bestimmt er sehr wohl mit, welcher herrschaftliche Wille regieren soll.
    „Dessen nationale Einsicht ist von Anfang an eine in vorgegebene Notwendigkeiten,“ Wie kann eine Einsicht eine Notwendigkeit sein. Das schließt sich aus. Wenn man etwas einsieht, kann man es auch nicht einsehen. Entweder Einsicht oder Notwendigkeit.
    „wenn das Jahrzehnte auf Transparenten steht, bekunden Atomkraftgegner damit ihre Ohnmacht.“ Na klar. Weil Demokratie halt anders funktioniert, wie eine Beschwerdestelle. Atomkraftgegner vertreten Partikularinteressen. Die Regierung ist gewählt.
    „Die Leute per Gewalt auf Eigentumserwerb festzulegen“ Die „Leute“ sind die Eigentümer, die die Gewalt brauchen! Da muss niemand mehr auf eine Sache festgelegt werden, die er schon längst betreibt. Die Gewalt braucht’s nicht zum Aufdrücken von Eigentumsverhältnissen. Die Gewalt braucht’s damit die Eigentümer sich gegenseitig auf die Spielregeln des Eigentum verpflichten können.
    “ macht die gesamte Gesellschaft zum Diener der damit beabsichtigten Akkumulation.“ Nein. Das ist sie längst. Sieht man zum Beispiel auch daran, dass sich noch kein Staat abgeschafft hat, wenn alle zu Eigentümern geworden sind.

  39. qwert
    6. August 2014, 15:02 | #39

    „Wie kann eine Einsicht eine Notwendigkeit sein.“
    Das steht auch nirgends …
    „Die Gewalt braucht’s nicht zum Aufdrücken von Eigentumsverhältnissen“
    Das hast du selbst schon bestätigt …
    „Da muss niemand mehr auf eine Sache festgelegt werden, die er schon längst betreibt.“
    Das ist kontrafaktisch: alle bürgerlichen Obrigkeiten verpflichten ihre Untertanen auf Eigentum als Umgangsform, da darf man sich nichts aussuchen. Jetzt stellst du dich absichtlich blöd, als sei der bürgerliche Staat ein Selbstbedienungsladen für Rechtsordnungen …
    „dass sich noch kein Staat abgeschafft hat, wenn alle zu Eigentümern geworden sind.“
    Lass dir deine Fantasie mal durch den Kopf gehen: du stellst dir das Gegenteil deiner fixen Idee vor, um es dann zu verwerfen. Mit meinen Argumenten hat das nichts zu tun, aber du hältst das für einen Beleg.
    Ich bin dann mal weg, mit der Kinderkacke hier soll wohl eh nur Neos Stolz auf Postingrekorde im Sommerloch gefüttert werden.

  40. Krim
    6. August 2014, 15:25 | #40

    „Das steht auch nirgends …“ Doch in dem Zitat von dir, das ich extra kopiert habe, damit man sieht wo es steht.
    „Das hast du selbst schon bestätigt …“ Hä?
    „alle bürgerlichen Obrigkeiten verpflichten ihre Untertanen auf Eigentum als Umgangsform,“ Was meinst du damit? Dass man nichts klauen darf, liegt nicht daran, weil der Staat die Leute auf’s Eigentum festlegen will, sondern weil er von Eigentümern den Respekt vor dem Eigentum a n d e r e r erzwingt. Er verpflichtet sie auf ihre Maßstäbe.
    „du stellst dir das Gegenteil deiner fixen Idee vor, um es dann zu verwerfen.“ Nein tue ich nicht. Ich habe ein Argument gesagt, das gegen deinen Eigentumszwang spricht. Nochmal: Wenn der Grund der staatlichen Gewalt das Aufdrücken von Eigentumsverhältnisse ist, dann müsste der Staat sich abschaffen, wenn dieser Grund wegfällt. Sind alle Eigentümer, müsste sich der Staat auflösen. Davon sehe ich aber nichts.

  41. 6. August 2014, 15:36 | #41

    Ach ja, die „Postingrekorde“!!
    Leider kommt qwert damit buchstäblich um Jahre zu spät, denn jetzt dümpelt dieser Blog ja nur noch vor sich hin, auch wenn er nicht ganz so tot ist wie die meisten anderen linken Blogs. Und das ausgerechnet der Abschaum der Gischt der antideutschen Welle hier auf größeres Interesse gestoßen ist, hat mich nur darin bestärkt, den Thread dazu zuzumachen. Soviel zum „Stolz“ auf Rekorde.

  42. Mattis
    6. August 2014, 18:32 | #42

    „Du sagst den Unterschied selbst: Wer nicht Politiker ist, bildet sich bloß ein, den herrschaftlichen Willen mitzubestimmen. Dessen nationale Einsicht ist von Anfang an eine in vorgegebene Notwendigkeiten, die wegen der Gewalt, deren Willen er nicht in der Hand hat, unumgänglich sind. Du kennst auch selbst den Unterschied: wenn die Merkel sagt, dass Atomstrom doof für Deutschland ist, begleitet sie damit ihr politisches Programm, wenn das Jahrzehnte auf Transparenten steht, bekunden Atomkraftgegner damit ihre Ohnmacht.“ (qwert)

    Dass die Staatlichkeit definiert wird z.B. von Siegermächten oder durch eine im Bürgerkrieg siegreiche Klasse schließt doch nicht den anderen Weg aus, dass irgendein Völkchen seinen „eigenen Staat“ haben will. Was ist denn mit den nationalistischen Bewegungen, die „ihren“ Staat erst noch durchsetzen wollen? Die haben den Staat, der dann über sie herrscht, schon mal im Kopf.
    Den Widerspruch festzustellen, den das Wollen einer Herrschaft bedeutet, heißt ja nicht, dass es diesen Widerspruch nicht als realen Prozess gibt. Wer sich Herrschaft als nützlich vorstellt, kann eben durchaus Herrschaft wollen, vor allem wenn es die „eigene“ ist, stellt man sich vor, dort besonders geschützt oder versorgt zu werden. Dass die Bürger im Regiertwerdenwollen oder beim EigenenStaathabenwollen einen Fehler machen, heißt eben immerhin, dass sie diesen Fehler MACHEN. Ob sie das von sich aus tun oder der Zwang nachhilft, sind halt zwei Varianten. Im Resultat WOLLEN sie ihren Staat jedenfalls meistens, trotz aller Enttäuschungen.
    Ab und an gibts dann auch (meistens) Minderheiten, denen dieser Staat nicht passt und die bedauern, darunter subsumiert worden zu sein. Oder von der siegreichen Fraktion einer nationalistischen Bewegung, der man angehörte, untergebuttert worden zu sein.

  43. Krim
    7. August 2014, 11:02 | #43

    „Dass die Staatlichkeit definiert wird z.B. von Siegermächten“ Siegermächte unterstellen ja schon die Konkurrenz von Gewalten, in der dann eine siegt und die andere verliert. Das kann aber nicht erklären wie es überhaupt zu Staatsgewalten kommt, die miteinander konkurrieren. Warum sollten siegreiche Mächte, erst Gewalten erschaffen, um dann hinterher gegen sie zu konkurrieren.
    „Im Resultat WOLLEN sie ihren Staat jedenfalls meistens,“ Das bestreitet der GSP ja nicht. Der Gsp sagt aber nicht „wollen“ sondern „zustimmen“, obwohl das faktisch das gleiche ist. Aber bei ihm wird es dann dialektisch, denn „zustimmen, akzeptieren, sich beugen usw.“ beinhaltet immer die Seite der Herrschaft und des Zwangs, die sie ausübt, damit die Untertanen dann zustimmen. Zustimmen ist eben passiv. Man soll sich denken, dass von sich aus die Leute nicht zustimmen würden, wenn sie von der Staatsgewalt nicht dazu gedrängt, gezwungen, worden wären. Das ist eben eine ständige Laviererei zwischen Freiwilligkeit und Zwang. Einerseits sagen sie ja, aber nur auf Grundlage von Zwangsverhältnissen. In der Zustimmung kommt der Wille zwar zum Ausdruck, aber nur ein Wille, der ihnen von der Obrigkeit abverlangt wird. Ständig hin und her. Man merkt dieser Argumentation die Entschuldigungsabsicht an. „Die sagen ja bloß ja, weil sie von der Obrigkeit dazu verpflichtet werden.“ Dabei ist es völlig egal, wie jemand zu einer Affirmation kommt. Ein Ja ist ein Ja, egal wie er dazu gelangt ist. Hat jemand einen Entschluss gefasst, dann verfolgt er ihn auch.

  44. Mattis
    7. August 2014, 14:07 | #44

    „Siegermächte unterstellen ja schon die Konkurrenz von Gewalten, in der dann eine siegt und die andere verliert. Das kann aber nicht erklären wie es überhaupt zu Staatsgewalten kommt, die miteinander konkurrieren.“ (Krim)

    Dann sind die ersten halt ohne äußere Konkurrenz entstanden, ist ja auch irgendwie logisch. Ich habe ja gerade eben betonen wollen, dass es diese Varianten der Staatsbildung gibt, deswegen sehe ich in deinem Hinweis keinen treffenden Einwand gegen mich.
    Weiteres werde ich im Thread „Die ‚Fehler‘ von ‚Kommunisten'“ noch vorbringen, wo es ganz gut passt.

  45. Mattis
    7. August 2014, 14:14 | #45

    Noch zu Krim:
    Das war jedenfalls für den Streit um das historische Entstehen (weitere Neubildungen) von Staaten gesagt. Wenn es um die prinzipielle Frage der Staatsbildung geht, also „logisch“ wenn man das so ausdrücken will, dann gebe ich dir recht, dass da eine äußere Staatenkonkurrenz als Erklärung nicht stimmen kann.

  46. Krim
    7. August 2014, 14:43 | #46

    „deswegen sehe ich in deinem Hinweis keinen treffenden Einwand gegen mich.“ Sollte es auch nicht sein.

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