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Archiv für Februar, 2010

[Das Kapital diskutieren] Am Ende war das Wort oder besser noch: Die Ausreden werden immer dümmer

26. Februar 2010 2 Kommentare

[Die folgende Diskussion habe ich einer Mailingliste entnommen, die um die SDS/Die Linke-Marx-Lesebewegung entstanden war, aber ansonsten relativ ruhig geblieben ist, soweit ich das mitbekommen habe.]
Meine Studien sind fast beendet, es fehlen nur noch ein paar Millionen Seiten in Büchern und ein paar tausend Jahre Erfahrung in dem was der Mensch so Leben nennt.
a.. Warum hat Marx sich so Fundamental in seiner Aussage, dass die humanoiden Arbeitskraftlieferanten sich nur des Industriellen Gesamt bemächtigen müssten um dem Grundwiderspruch des Kapitals entkommen zu können, geirrt ?
b.. Was ist die Lösung, um den sich der Eiertanz der proletarischen Revolution dreht und die ganz bestimmt nicht die Probleme lösen kann?
c.. Warum kann die Mensch-Maschinenproduktion, auch die hochentwickelte, nicht zum Startpunkt in einer neuen Gesellschaftsform nicht nur nicht führen, sondern warum geht von dieser Form der Zwang aus, sich in der Kapitalen Gesellschaft bewegen zu müssen?
d.. Was allein kann diesem Prozess den Garaus machen: Der freie Wille bestimmt nicht. [Es kommt nicht darauf an die Lösung im Kopf zu erfinden, sonder mit Hilfe des Kopfes die Lösung im Wirklichen zu finden, und das Wirkliche ist erheblich mehr als das Leben aller Menschen und deren unmittelbare Voraussetzung (Entschuldigung aber die Genauigkeit bei Zitaten ist bei mir immer etwas schwach)]
Cornelia
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Was meinst du? Wenn ich deine seltsame Zusammenfassung wohlwollend lese, dann fällt mir da kein Irrtum auf. Wenn ich anfange „die humanoiden Arbeitskraftlieferanten“ wörtlich zu nehmen, dann drängt sich mir die Frage auf: hast du wirklich nicht kapiert, was man an das Kapital „liefert“? Meinst du es sei „bloß“ die Arbeitskraft?
@b: Was willst du denn lösen? Willst du die Probleme des Wachstums lösen? Oder willst du das Problem der globalen Verantwortung der Frau Merkel lösen? — dabei kann dir weder Marx noch eine proletarische Revolution helfen. Kleiner Tipp: einfach wählen gehen, das ist bei der
Merkel schon in guten Händen.
@c: Ganz einfach: weil die „Mensch-Maschinenproduktion“ ein Hirngespinst ist, kann sie gar nichts, also auch nicht dem anderen Hirngespinst, „neue Gesellschaftsform“, zum Startpunkt dienen — zwischen beiden herrscht reine Willkür! –, und von der „Mensch-Maschinenproduktion“
geht auch kein Zwang aus, schon gar nicht der zu irgendeiner „Kapitalen Gesellschaft“ — also sorg‘ dich nicht zu sehr, du wirst ihr schon entkommen.
@d: Den „Garaus“ kann einem „Prozess“ immer das machen, was ihn ausmacht. Und wenn du dabei an die Welt, in der du lebst, gedacht hast:
das ist der freie Wille. Wie kommst du darauf dass der das nicht vermöchte, wenn du ihn schon recht umstandslos zum Subjekt erklärst?
Marx hat sich da übrigens mehr Mühe gemacht: ließ doch nicht wahllos tausende Seiten irgendwo. Sondern nimm mal genau, was der Marx am Anfang von Austauschprozesse schreibt, die Bestimmung von Eigentum, die da steht: Wille, der in den Sachen haußt — was heißt das? hast du das verstanden?
Und dann sind es nur noch ein paar hundert Seiten, bis der Umschlag geschafft ist: Beginnt als Recht an der eigenen Arbeit, und endet als Recht des Kapitals auf alle Arbeit. (Akkumulation, erweiterte Reproduktion, ist das Kapitel, das ich meine.)
Also sei mir nicht bös‘ wegen der ungehobelten Art meiner Antwort; ich weiß einfach nicht besser, wie ich dich davon abhalten soll, in Philosophie- und Soziologiequak abzudriften.
Stefan
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Hallo Cornelia,
ich finde, dass Du mit Deinen Fragen ziemlich grundlegende Probleme ansprichst.
> a.. Warum hat Marx sich so Fundamental in seiner Aussage, dass
> die humanoiden Arbeitskraftlieferanten sich nur des Industriellen
> Gesamt bemächtigen müssten um dem Grundwiderspruch des Kapitals
> entkommen zu können, geirrt ?
Nach meinem Verständnis hat Marx etwas anderes gesagt (wenngleich der Begriff „Diktatur des Proletariats“ definitiv falsch ist –
siehe http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=diktaturdesproletariats):
Aufhebung der Klassengesellschaft bedeutet die Aufhebung des Widerspruchs von gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung, wozu gehört, dass sich eine konkrete Gesellschaft erst ergibt in der Aufhebung der abstrakten Vermittlung der Arbeitsteilung
durch den Wert. Das impliziert die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Form, worin Arbeit nicht mehr von den Produktionsmitteln getrennt existiert, sondern in eine gesellschaftliche Beziehung von Arbeit und Bedürfnis gebracht wird.
Die menschliche Notwendigkeit eines solchen Arbeitsprozesses sah Marx mit Recht in der arbeitenden Bevölkerung.
> b.. Was ist die Lösung, um den sich der Eiertanz der
> proletarischen Revolution dreht und die ganz bestimmt nicht die
> Probleme lösen kann?
> c.. Warum kann die Mensch-Maschinenproduktion, auch die
> hochentwickelte, nicht zum Startpunkt in einer neuen
> Gesellschaftsform nicht nur nicht führen, sondern warum geht von
> dieser Form der Zwang aus, sich in der Kapitalen Gesellschaft
> bewegen zu müssen?
Marx hat von einem Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen gesprochen, der die immanenten Probleme (Krisen) des Kapitalismus ausmacht. In den kapitalistischen Krisen geschieht das Unding, dass Wert vernichtet werden muss, um mit einem
herabgesetzten Niveau der Produktion die ganze Scheiße von neuem zu beginnen. Die Auflösung dieses Widerspruchs kann nur darin bestehen, die Produktivkräfte und die Produktionsverhältnisse aus einem identischen Interesse zu entwickeln. Es genügt, wenn man diese Umwälzung Revolution nennt. Es werden nicht nur Proletarier sein, die sie bewerkstelligen müssen.
> d.. Was allein kann diesem Prozess den Garaus machen: Der freie
> Wille bestimmt nicht. [Es kommt nicht darauf an die Lösung im Kopf
> zu erfinden, sonder mit Hilfe des Kopfes die Lösung im Wirklichen
> zu finden, und das Wirkliche ist erheblich mehr als das Leben
> aller Menschen und deren unmittelbare Voraussetzung (Entschuldigung
> aber die Genauigkeit bei Zitaten ist bei mir immer etwas schwach)]
Der Wille stellt ein Verfügungsinteresse da, welches die politische Rechtsform der bürgerlichen Gesellschaft jenseits der Bedürfnisse der Menschen bestimmt. In einem aus den Bedürfnissen der Menschen entwickelten Produktionsinteresse ergibt sich ein Wille, der sich auf die notwendigen Aufwände der Arbeit bezieht und in der Befriedigung der Bedürfnisse zu sich kommt und bestätigt.
So jedenfalls versteh ich das.
Wolfram Pfreundschuh
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Auf die Frage, warum sich der Marx in den Arbeitern nur so täuschen konnte, zu antworten, dass cornelia nicht verstanden hat welche Bestimmungen Marx über die Arbeiterklasse gemacht hat, ist wenig aufklärend. Denn man kann nicht nachvollziehen welche Frage sie stellt. Und „nicht kapiert“ verweist auf einen Fehler, der nicht ausgeführt ist und deswegen nicht nachgewiesen
sein kann.
Und selbst wenn sie Marx missversteht, dann muss das nicht falsch sein, da auch er daneben liegen kann. Stimmt es denn was ihr entgegengehalten wird, dass „Aufhebung der Klassengesellschaft … die Aufhebung des Widerspruchs von gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung“ bedeutet und dass dies „die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Form, worin Arbeit nicht mehr
von den Produktionsmitteln getrennt existiert, sondern in eine gesellschaftliche Beziehung von Arbeit und Bedürfnis gebracht wird“, impliziert? Kennt jemand einen „Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen“, der ein immanentes Problem des Kapitalismus ist?
Ist es für Staat und Unternehmen ein „Unding, dass Wert vernichtet werden muss, um mit einem herabgesetzten Niveau der Produktion die ganze Scheiße von neuem zu beginnen“? Wenn es ihn gibt, warum soll man für die „Auflösung dieses Widerspruchs“ sein und „die Produktivkräfte und die Produktionsverhältnisse aus einem identischen Interesse entwickeln?
Was mich stört ist, dass ihr gegen die Behauptungen – die in cornelias Fragen stecken – Eure Behauptungen setzt. Was soll sie, Ihr und ich dabei lernen?
Also Cornelia, führ doch mal Deine Behauptungen über den Marx aus:
1. Wo hast Du diese Äußerungen von ihm her? Was meinst Du was er an diesen Stellen sagen will?
2. Und was gefällt Dir an denen nicht?
3. Wenn Ihr Anderen etwas verkehrt an diesen Überlegungen findet, dann benennt doch mal einen Fehler und setzt nicht Eure Meinung dagegen und schließt aus der Differenz auf einen Fehler bei cornelia
jens
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Ok, das ist besser. ich würde gerne als Frage Nr. 4 anhängen: Worin soll der Irrtum in der Aussage bestehen, dass die Arbeiter sich nur der Produktionsmittel bemächtigen müssten (wobei „nur“ natürlich etwas verharmlosend ist), um mit dem Kapitalismus Schluss zu machen? — ich
habe dein a. jedenfalls so verstanden, dass du meinst, in der Behauptung liege ein Fehler.
Stefan
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Also nochmal an Cornelia, ein paar konkretere Fragen:
Problem: „a.. Warum hat Marx sich so Fundamental in seiner Aussage, dass die humanoiden Arbeitskraftlieferanten sich nur des Industriellen Gesamt bemächtigen müssten um dem Grundwiderspruch des Kapitals entkommen zu können, geirrt ?“
Wie kommst du darauf, dass das nicht richtig sei? Wenn ich richtig verstehe, was du sagen willst, dann meinst du: Es stimmt nicht, dass die Arbeiter sich nur der Produktionsmittel bemächtigen müssten, um damit was Gescheites, statt Kapitalismus zu machen. Natürlich: sie müssen
schon auch wissen was sie mit den Produktionsmittel wollen, sie müssen sich darin sogar einig sein, weil sonst klappt’s sicher nicht mit dem Bemächtigen. Und sie müssen eben was anderes im Sinn haben, als Kapitalismus, Bedürfnisbefriedigung z.B. — aber das sollte die kleinste Schwierigkeit sein. Also das ist mehr eine Nachfrage als ein Einwandt, ich kenne dein Argument ja noch gar nicht, warum das nicht stimmen sollte, und lasse diesmal lieber irgendwelche Spekulationen darüber.
Problem: „b.. Was ist die Lösung, um den sich der Eiertanz der proletarischen Revolution dreht und die ganz bestimmt nicht die Probleme lösen kann?“
Wirklich: diese Lösung ist schlicht keine Lösung, sonst könnte sie die Probleme ja lösen. Aber um eine gescheite Antwort zu erhalten, musst du schon sagen, wen oder was du mit Eiertanz meinst, und welche Probleme du lösen willst.
Problem: „c.. Warum kann die Mensch-Maschinenproduktion, auch die hochentwickelte, nicht zum Startpunkt in einer neuen Gesellschaftsform nicht nur nicht führen, sondern warum geht von dieser Form der Zwang aus, sich in der Kapitalen Gesellschaft bewegen zu müssen?“
Wenn du mit „Mensch-Maschinenproduktion“ den Kapitalismus, also die Produktionsweise, in der wir uns durchschlagen müssen, meinst: Die ist kein Subjekt. Die Geschichte ist nicht die der Gesetze von Produktionsweisen. Weil 1. diese Produktionsweisen selber die Produkte
der mit Wille und Bewusstsein begabten Menschen sind. Sie hängen vollkommen davon ab, wozu die Menschen diese Talente gebrauchen. Und weil, soweit die Leute dabei gezwungen sind, sie 2. nicht von der „Form“ der Produktionsverhältnisse, sondern von ihresgleichen gezwungen werden
(die Natur mal ausgenommen, die Zeiten sind vorbei, wo die Naturkräfte die Produktionsweise bestimmten). Und ich meine hier nichts besonders tiefgründiges oder rätselhaftes. Da kann man ganz platt, ohne Philosophie, an Polizisten denken, die das Eigentum schützen. Dass weder
den Polizisten, noch den Politikern, die die Polizisten komandieren, klar ist, was alles an der Geltung des Eigentumsrechts hängt (wenn sie auch ganz offensichtlich die zentrale Rolle davon irgendwie ahnen), ist ein anderes Thema. Und wenn Arbeiter meinen, das Eigentum sei das, was
sie haben, und darauf bestehen, es weiterhin behalten zu dürfen, dann täuschen sie sich, und das ist auch ein anderes Thema. Wie man es dreht: die Produktionsweise, die „Form“ der stofflichen Reproduktion der Gesellschaft, zwingt die Menschen nicht zu sich, also der „Form“ selbst.
Sie ist ein Produkt der Gewaltverhältnisse, die die Menschen selbst unter sich betreiben — nicht andersherum; von Sachen geht kein Zwang aus. Es mag so ausschauen, z.B. beim Geld, aber das ist nur die „Form“ des Zwangs, der von den Menschen ausgeht.
Auf deine warum-Fragen nochmal so bezogen: erstes warum: die Produktionsweise kann nicht dazu führen — aber das ist nicht schade, man kann sie ja dazu gebrauchen (missbrauchen ist das), auch wenn sie selbst nicht dazu führen kann. Zweites warum: das ist einfach nicht so,
die Form zwingt dich nicht, und mich auch nicht.
Problem: „d.. Was allein kann diesem Prozess den Garaus machen: Der freie Wille bestimmt nicht. [Es kommt nicht darauf an die Lösung im Kopf zu erfinden, sonder mit Hilfe des Kopfes die Lösung im Wirklichen zu finden, und das Wirkliche ist erheblich mehr als das Leben aller Menschen und deren unmittelbare Voraussetzung“
Was das Zitat betrifft: da ist nicht mehr gemeint, als dass man wohl wissen kann was los ist und woran man leidet, dass das allein aber keine Abhilfe schafft. Und die praktischen Konsequenzen aus seinem Wissen ziehen, macht halt ungeheuer vie Arbeit. Z.B. muss man die Arbeiter über
das Eigentum aufklären, die meisten täuschen sich fürchterlich darüber, und glauben viel mehr als ihre Ketten zu verlieren zu haben. Man muss sich über das Wissen einig werden, weil man Masse braucht, Viele sein muss, um die Gewalt auszuhalten, die die Gegenseite aufbringt, usw. —
haufen Arbeit.
Und dass „der freie Wille“ das nicht könnte: wer hat dir das eingeredet?
Mit welchem Argument?
Stefan
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Am 26.02.2010 um 18:03 schrieb Stefan:
> Und dass „der freie Wille“ das nicht könnte: wer hat dir das
> eingeredet?
> Mit welchem Argument?
„Das Prinzip der Politik ist der Wille. Je einseitiger, d.h. also, je unvollendeter der politische Verstand ist, um so mehr glaubt er an die Allmacht des Willens, um so blinder ist er gegen die natürlichen und geistigen Schranken des Willens, um so unfähiger ist er also, die Quelle sozialer Gebrechen zu entdecken.“ Karl Marx in Kritische Randglossen zum Artikel eines Preussen (Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 402)
aus „Karl Marx – Dokumente seines Lebens 1818 -1883“, Verlag Philipp Reclam Leipzig, 1970, S. 313ff:
Gegen „Revolutionsmacherei“
Aus den preußischen Akten geht hervor, daß der Kommunistische Arbeiterbildungsverein, dem auch Marx angehörte, stärker beobachtet wurde. Hinzu kam ein unerfreuliches Ergebnis der Polizeiattacken vom Mai/Juni 1850. Durch deklassierte Elemente waren im Auftrag der
Polizei putschistische und terroristische Anschauungen unter die deutschen Emigranten getragen worden, die von den kleinbürgerlichen Kräften im Kommunistischen Arbeiterbildungsverein und auch im „Bund der Kommunisten“ nur allzuschnell aufgegriffen und weiterverbreitet
wurden. Innerhalb weniger Wochen sahen sich Marx und Engels gezwungen, in den eigenen Reihen gegen die Revolutionsmacherei aufzutreten. Im Gefolge der notwendig werdenden Auseinandersetzungen bildete sich im Bund die kleinbürgerliche Fraktion Willich-Schapper
heraus, die sich Mitte September 1850 abspaltete und einen eigenen Sonderbund schuf. Marx hatte nur allzu recht, wenn er später in den „Enthüllungen über den Kommtinistenprozeß zu Köln“ feststellte, daß Willich und Schapper die „unfreiwilligen Helfershelfer des gemeinsamen Feindes wurden. Willich hat im nordamerikanischen Bürgerkriege gezeigt, daß er mehr als ein Phantast ist, und Scbapper, lebenslang Vorkämpfer der Arbeiterbewegung, erkannte und bekannte,
bald nach Ende des Kölner Prozesses, seine augenblickliche Verirrung.
Viele Jahre später, auf seinem Sterbebett, einen Tag vor seinem Tode, sprach er mir noch mit beißender Ironie von jener Zeit der „Flüchtlingstölpelei“. Wie Marx 1848 in Paris gegen die
Revolutionsspielerei Herweghs und v. Bornstedts aufgetreten war, wahrte er auch diesmal die Prinzipien der proletarischen Partei.
Gegen „Revolutionsmacherei“
„An die Stelle der kritischen Anschauung setzt die Minderheit [der Zentralbehörde des „Bundes der Kommunisten“] eine dogmatische, an die Stelle der materialistischen eine idealistische. Statt der wirklichen Verhältnisse wird ihr der bloße Wille zum Triebrad der Revolution.
Während wir den Arbeitern sagen: Ihr habt 15, 20, 50 Jahre Bürgerkriege und Völkerkämpfe durchzuzumachen, nicht nur um die Verhältnisse zu ändern, sondern Euch selbst zu ändern und zur politischen Herrschaft zu befähigen, sagt Ihr im Gegenteil: „Wir müssen gleich zur Herrschaft kommen, oder wir können uns schlafen legen.“
Während wir speziell die deutschen Arbeiter auf die unentwickelte Gestalt des deutschen Proletariats binweisen, schmeichelt Ihr aufs plumpste dem Nationalgefühl und dem Standesvorurteil der deutschen Handwerker, was allerdings populärer ist. Wie von den Demokraten das Wort Volk zu einem heiligen Wesen gemacht wird, so von Euch das Wort
Proletariat. Wie die Demokraten schiebt Ihr der revolutionären Entwicklung die Phrase der Revolution unter.“
(aus „Karl Marx – Dokumente seines Lebens 1818 -1883“, Verlag Philipp Reclam Leipzig, 1970, S. 313ff)
Wolfram Pfreundschuh
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Ok, Wolfram, du hast da mal was gelesen. Aber was willst du damit sagen?
Stefan
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Am 26.02.2010 um 19:04 schrieb Stefan:
> Aber was willst du damit sagen?
Ich hab dich so verstanden, dass du wissen wolltest, wer den „freien Willen“ kritisiert.
> Und dass „der freie Wille“ das nicht könnte: wer hat dir das
> eingeredet?
Wolfram Pfreundschuh
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>Ok, das mit dem wer ist mir aber eigentlich nicht so wichtig, und wer
>den freien Willen kritisiert finde ich auch keine spannende Frage (das
tut so ungefähr Jeder, der an irgendwem anders was auszusetzen hat).
>Wichtiger wäre mir das Argument, wonach der Freie Wille den
>Kapitalismus nicht überwinden könnte — das habe ich dem Zitat nicht entnehmen
>können. Vielleicht bin ich zu blöd. Aber kannst du es mal klarer für
>mich formulieren?
Im kulturkritischen Lexikon hab ich den Willen als Grundlage der verselbständigten Rechtsform der bürgerlichen Gesellschaft beschrieben. Damit kann man in der Trennung von menschlichen Bedürfnissen immer nur auf „sein Recht“, auf sein Privatrecht kommen. Der Artikel beginnt folgendermaßen: „Das Prinzip der Politik ist der Wille. Je einseitiger, d.h. also, je unvollendeter der politische Verstand ist, um so mehr glaubt er an die Allmacht des Willens, um so blinder ist er gegen die natürlichen und geistigen Schranken des Willens, um so unfähiger ist er also, die Quelle sozialer Gebrechen zu entdecken.“ Karl Marx in Kritische Randglossen zum Artikel eines Preussen (Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 402) Wille (althochdeutsch: willio) steht für den Antrieb eines bewussten Verhaltens für oder gegen etwas, durch welches Vorstellungen oder Wünsche zur Erfüllung kommen. Mag sich jemand in seinen Vorstellungen zwar frei vorkommen, solange sie beliebig und damit unbezogen neben seinem Tun und Lassen und jenseits menschlicher Beziehungen und Verhältnisse sind. Ein „freier Wille“ (siehe Freiheit) ist dennoch ein Unding: Er müsste über die Wirklichkeit aller Lebensbedingungen verfügen, um für sich frei zu sein, und wäre gerade dadurch vollständig an die Wirklichkeit gebunden, weil er mit ihr immer identisch bleiben müsste. Gerade das verrät, was der Wille – für sich genommen – ist: Ein Verfügungsinteresse, welches die politische Rechtsform der bürgerlichen Gesellschaft jenseits der Bedürfnisse der Menschen bestimmt, also jenseits des Aufwands zur Erzeugung der Gegenstände besteht, welche menschliche Bedürfnisse befriedigen. Erst durch ein hieraus entwickeltes Produktionsinteresse ergibt sich ein Wille, der sich auf die notwendige Arbeit bezieht und in der Befriedigung der Bedürfnisse zu sich kommt, bestätigt ist und sich darin aufhebt. Als Begründung für Ziele weist der Wille immer darauf hin, dass diese nicht konkret wirklich existent, nicht wirklich gegenständlich, sondern nur vorgestellt sind, dass es Willenskraft erfordert, um etwas zu erreichen, das keinen direkten Bezug im Sein selbst hat. Das unterscheidet zunächst den Willen vom Bedürfnis, einem wirklich notwendigen Verlangen, nicht aber von Willkür, von einem willkürlichen Einfall, dass etwas zu sein habe, was nicht ist. Solche Willkür hat für politische Fantasten und Populisten gereicht, um ihre Proganda für einen „höheren Willen“ zu begründen: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“ – aber dies nur deshalb, weil der Weg unbestimmt ist und eine Kraft nötig hat, die der Sache nach nicht gegeben ist. Die „Welt als Wille und Vorstellung“ (Schopenhauer) sollte dieser Kraft metaphysische Natur verleihen, eine quasi ontologische Seinsnotwendigekeit, eine Seinsbestimmung des Subjekts schlechthin, abstrakte Subjektivität, welche das „Schicksal“ der Welt aus dem Geschick der Menschen bestimmt. Dies war auch eine Vorlage für Hitlers Weltverständnis und zum Beispiel für seinen Propagandafilm „Triumph des Willens“, der Heldenmut einforderte und Erlösung versprach.
siehe http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=wille“>http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=wille
(Die Seite funktioniert derzeit nicht mit Internet-Explorer)
Wolfram Pfreundschuh

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Voodoo China slight return

22. Februar 2010 Kommentare ausgeschaltet

Audioarchiv kritischer Theorie & Praxis weist auf folgendes hin:
China: Wie rot ist der rote Riese?
Dr. Indoctrinator hat für die neueste Sachzwang FM-Sendung die Aufzeichnung einer von der »Jungen Welt« veranstalteten Podiumsdiskussion zum Charakter der sog. Volksrepublik China bearbeitet. …Wer mit der Hintergrundmusik der Sachzwang FM-Sendungen für gewöhnlich ein Problem hat, wird diesmal vermutlich ein großes Problem haben. Denn es gibt Auszüge aus der revolutionären Pekingoper „Shachiapang“ von 1970 zu hören.“
Download:
Hier
oder hier (mp3, mono, 48 kBit/s, 41,1 MB; 2 h)
Von der Musik mal abgesehen, das ist nun wirklich in erster Linie Geschmacksache (und gottseidank kriegt man ja die message der Oper eh nur mit, wenn man ganz ganz gut chinesisch kann), finde ich, daß hier wichtige Beiträge zusammengestellt wurden.

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Westerwelle und die Lügen vom Abstandsgebot und der Leistungsgerechtigkeit (von Pirx)

19. Februar 2010 11 Kommentare

[Dieser Artikel ist gespiegelt vom Blogger Pirx]

Westerwelle, der versucht aus seinem Beliebtheitstief herauszukommen, indem er sich zum Wortführer in der Hartz IV Debatte macht, tut dies als Anwalt der Gerechtigkeit, genauer, der Leistungsgerechtigkeit. Sein zentrales Schlagwort, mit dem er für eine Absenkung der Stütze unter das bisherige offizielle Existenzminimum argumentiert, ist das Lohnabstandsgebot: Wie soll ein deutscher Arbeitnehmer wissen, wozu er morgens aufsteht, wenn andere mit Stütze genauso gut (oder schlecht) leben?
Die Öffentlichkeit steigt in die Gerechtigkeitsdebatte ein: Westerwelle hat ein großes Problem angesprochen, sich aber möglicherweise im Ton vergriffen. Linke Kritiker werfen ihm vor, gegen die Schwachen der Gesellschaft zu hetzten, wollen oder können aber in der Sache nicht viel gegen ihn einwenden. An sachlichen Feststellungen ist von der sogenannten politischen Mitte, insbesondere deren sachverständiger Abteilung, zu hören, dass er in der Sache recht habe (was er in gewisser Weise hat, denn ein Hindernis, die Leute in Jobs zu bringen von denen man nicht leben kann und deren Bedingungen unerträglich sind, stellt ein soziales Sicherungssystem trotz aller Maßnahmen, diese unerwünschte Nebenwirkung zu bekämpfen, durchaus dar). Linkerseits pflegt man die Sorge, die Stabilität des demokratischen Kapitalismus könnte durch die dosierten Unverschämtheiten des liberalen Obermotz Schaden nehmen. Zweifel an dieser delikaten Befürchtung können allerdings durch die Schlagzeilen in den entsprechenden Medien ausgeräumt werden. Die dort unverfälscht wiedergegebene westerwellsche Diagnose wird den Lesern problemlos zugemutet und diskutiert: Macht Hartz IV faul? Bin ich dumm, wenn ich arbeiten gehe? Auch ein Stab für die Arbeitslosen darf da mal gebrochen werden. Die im Begriff des Lohnabstandsgebots so durchschlagend vergegenständlichte Mischung aus Leistungsmoral und kapitalistischer Erpressungslogik aber wird weder in der politischen, noch in der medialen Öffentlichkeit irgendwie problematisiert.
Dabei könnte man sich erinnern, dass dieselbe Debatte vor wenigen Jahren erst mit demselben Argument schon einmal geführt wurde: Arbeit lohne für viele nicht, weil die Sozialhilfe zu hoch sei, hieß es zu Zeiten der Hartz Reformen. Die Stütze wurde gesenkt – der Abstand zwischen Lohn und Stütze war aber schnell wieder geschlossen, das Problem kam wieder. Wie das?, könnte man fragen. Die Antwort ist kein Geheimnis, das Ergebnis seitens der Verantwortlichen bezweckt: Der Kapitalismus braucht Lohnabhängige, also Leute die über keine anderen Mittel zu ihrer Selbsterhaltung verfügen. Jede Alternative zu einem Lohnarbeitsverhältnis, selbst ein als solche erkennbar nicht gedachtes Sozialsystem, verschafft dem Arbeitssuchenden die Möglichkeit, Angebote auszuschlagen (macht also „faul“). Eine weitere Absenkung der Sicherungssätze schafft nicht etwa „Gerechtigkeit“, sondern erschwert Arbeitslosen die Selbsterhaltung, verschärft die Erpressung, Arbeit anzunehmen ohne nach Bedingungen zu fragen, und erleichtert Unternehmern die Lohndrückung enorm, weswegen die ja auch so scharf auf mehr Armut im Lande sind. Flugs hat man wieder das Problem, dass die Höhe der Stütze den freien Fall der Löhne bremst…
Die Hartz IV Debatte ist eine Debatte um die Frage, ob das Volk mehr verarmt oder die bestehende Verarmung besser organisiert werden muss (Was natürlich gleichzeitig geht). Westerwelle hat nach der bewährten Praxis des Tabubruchs (das ist inzwischen schwer geworden: man muss mittlerweil das Lumpenproletariat zur römischen Oberschicht erklären) diese Fragestellung so zurechtgemacht, dass sie ein enormes Potential zur Volkserziehung hat. Das Lohnabstandsgebot ist aber weder eine Gerechtigkeitsfrage, noch eine der Leistungsmoral, sondern eine Lüge und ein nie zufrieden zu stellender Anspruch auf Lohnsenkung. Arbeiter, die vor lauter Stolz auf ihr frühes Aufstehen den „auf ihre Kosten“ lebenden Arbeitslosen den Bettel an den Stab wünschen, sägen an dem Ast, auf dem sie sitzen. Die öffentliche Linke aber sieht keinen Bedarf, hier Aufklärungsarbeit zu leisten, sondern leistet ihren Teil zur Volksverdummung, indem sie sich munter an der bestehenden Debatte beteiligt. Das liegt sicher nicht daran, dass Kritik an Argumenten wie dem Lohnabstandsgebot zu kompliziert wäre, um unters Volk gebracht zu werden.

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antikap bleibt sich (und wem auch immer) treu

7. Februar 2010 38 Kommentare

Jemand, der z.B. hier ab und zu, z.B. zu China mit „antikap“ gepostet hat (und weil, bzw. soweit er das mit ernsthaften Argumenten und ohne seine politische Identität mir gegenüber zu verleugnen getan hat, von mir auch zugelassen worden ist, denn es wäre ihm wie allen anderen ja ein Leichtes gewesen, hier wirklich anonym zu posten), hat bei Windows Live einen eigenen Blog. Dort kann man an seinem letzten Posting wieder mal seine mit viel Energie und Rachsucht vorgetragene Feindschaft zum GegenStandpunkt bekundet finden:

Bevor noch jemand auf die Idee kommt, zwecks Feindstudium alte Ausgaben des MG-Blattes GegenStandpunkt beim „Verlag“ zu bestellen, und dabei der Sekte die eigene Identität, Geld vom und Zugriff aufs eigene(n) Konto überlässt, weise ich lieber auf die Möglichkeit hin, sich das GegenStandpunkt-Archiv 1992-2006 herunterzuladen.
* Magnet-URI: magnet:?xt=urn:btih:da370313bd680f4fa4f25261f83ceb6fdb707b99&dn=GegenStandpunkt+Archiv+1992-2006&tr=http%3A%2F%2Ftracker.publicbt.com%2Fannounce
* Torrent
* Informationen
So muss man die Funktionäre nicht noch unnötig mästen. Die sind sowieso allesamt hochbezahlte Staatsdiener, die auch prächtig von den Dauerspenden ihrer über 10000 Schäfchen leben. Mit Duldung (oder Auftrag?) des Staates lässt es sich entspannt und noch beliebig lange vom Katheder aus „destruktiv“ gegen die linke Konkurrenz wettern. Effektiv werden potenziell revolutionäre Kräfte in der Sekte gebunden und durch langjährige Gehirnwäsche für die Aufopferung für die Sekte, d.h. für den ganz realen „Kommunismus“ der Funktionäre, deren Luxusleben auf Kosten entmündigter Anhänger, mobilisiert. Warum hat eigentlich keine Bank den Mut, denen mal die Konten zu kündigen und das Vermögen einzuziehen? Bei anderen „Linken“ klappt das doch auch.

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Ein teuflischer Spiegel: Bürgerliche Demokratie und Faschismus — verfeindet und verwandt

2. Februar 2010 5 Kommentare

Jemand, der offensichtlich auch Sachen von Die Linke.SDS liest, hat mich auf einen Artikel von Marco Heinig aufmerksam gemacht. Marco ist Mitglied des BundessprecherInnenrats bei Linksjugend ‚[solid], und in letzter Zeit vor allem durch seinen Feldzug gegen die SAV aufgefallen, die er wie Klaus Ernst (Ex-WASG und jetzt Parteispitzenkandidat der Partei Die Linke) und manche andere nicht im Jugendverband der Partei haben möchte (siehe z.B. hier).
Aber er hat offensichtlich auch schon mal Sachen von GegenStandpunkt gelesen oder gehört, denn in einer frisch erschienenen Broschüre „Block Fascism“ von Die Linke.SDS und Linksjugend ‚[solid] gibt es ab Seite 39 einen für diese Gruppen recht erstaunlichen Artikel unter dem Titel „Ein teuflischer Spiegel: Bürgerliche Demokratie und Faschismus — verfeindet und verwandt“ .

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