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Westerwelle und die Lügen vom Abstandsgebot und der Leistungsgerechtigkeit (von Pirx)

19. Februar 2010

[Dieser Artikel ist gespiegelt vom Blogger Pirx]

Westerwelle, der versucht aus seinem Beliebtheitstief herauszukommen, indem er sich zum Wortführer in der Hartz IV Debatte macht, tut dies als Anwalt der Gerechtigkeit, genauer, der Leistungsgerechtigkeit. Sein zentrales Schlagwort, mit dem er für eine Absenkung der Stütze unter das bisherige offizielle Existenzminimum argumentiert, ist das Lohnabstandsgebot: Wie soll ein deutscher Arbeitnehmer wissen, wozu er morgens aufsteht, wenn andere mit Stütze genauso gut (oder schlecht) leben?
Die Öffentlichkeit steigt in die Gerechtigkeitsdebatte ein: Westerwelle hat ein großes Problem angesprochen, sich aber möglicherweise im Ton vergriffen. Linke Kritiker werfen ihm vor, gegen die Schwachen der Gesellschaft zu hetzten, wollen oder können aber in der Sache nicht viel gegen ihn einwenden. An sachlichen Feststellungen ist von der sogenannten politischen Mitte, insbesondere deren sachverständiger Abteilung, zu hören, dass er in der Sache recht habe (was er in gewisser Weise hat, denn ein Hindernis, die Leute in Jobs zu bringen von denen man nicht leben kann und deren Bedingungen unerträglich sind, stellt ein soziales Sicherungssystem trotz aller Maßnahmen, diese unerwünschte Nebenwirkung zu bekämpfen, durchaus dar). Linkerseits pflegt man die Sorge, die Stabilität des demokratischen Kapitalismus könnte durch die dosierten Unverschämtheiten des liberalen Obermotz Schaden nehmen. Zweifel an dieser delikaten Befürchtung können allerdings durch die Schlagzeilen in den entsprechenden Medien ausgeräumt werden. Die dort unverfälscht wiedergegebene westerwellsche Diagnose wird den Lesern problemlos zugemutet und diskutiert: Macht Hartz IV faul? Bin ich dumm, wenn ich arbeiten gehe? Auch ein Stab für die Arbeitslosen darf da mal gebrochen werden. Die im Begriff des Lohnabstandsgebots so durchschlagend vergegenständlichte Mischung aus Leistungsmoral und kapitalistischer Erpressungslogik aber wird weder in der politischen, noch in der medialen Öffentlichkeit irgendwie problematisiert.
Dabei könnte man sich erinnern, dass dieselbe Debatte vor wenigen Jahren erst mit demselben Argument schon einmal geführt wurde: Arbeit lohne für viele nicht, weil die Sozialhilfe zu hoch sei, hieß es zu Zeiten der Hartz Reformen. Die Stütze wurde gesenkt – der Abstand zwischen Lohn und Stütze war aber schnell wieder geschlossen, das Problem kam wieder. Wie das?, könnte man fragen. Die Antwort ist kein Geheimnis, das Ergebnis seitens der Verantwortlichen bezweckt: Der Kapitalismus braucht Lohnabhängige, also Leute die über keine anderen Mittel zu ihrer Selbsterhaltung verfügen. Jede Alternative zu einem Lohnarbeitsverhältnis, selbst ein als solche erkennbar nicht gedachtes Sozialsystem, verschafft dem Arbeitssuchenden die Möglichkeit, Angebote auszuschlagen (macht also „faul“). Eine weitere Absenkung der Sicherungssätze schafft nicht etwa „Gerechtigkeit“, sondern erschwert Arbeitslosen die Selbsterhaltung, verschärft die Erpressung, Arbeit anzunehmen ohne nach Bedingungen zu fragen, und erleichtert Unternehmern die Lohndrückung enorm, weswegen die ja auch so scharf auf mehr Armut im Lande sind. Flugs hat man wieder das Problem, dass die Höhe der Stütze den freien Fall der Löhne bremst…
Die Hartz IV Debatte ist eine Debatte um die Frage, ob das Volk mehr verarmt oder die bestehende Verarmung besser organisiert werden muss (Was natürlich gleichzeitig geht). Westerwelle hat nach der bewährten Praxis des Tabubruchs (das ist inzwischen schwer geworden: man muss mittlerweil das Lumpenproletariat zur römischen Oberschicht erklären) diese Fragestellung so zurechtgemacht, dass sie ein enormes Potential zur Volkserziehung hat. Das Lohnabstandsgebot ist aber weder eine Gerechtigkeitsfrage, noch eine der Leistungsmoral, sondern eine Lüge und ein nie zufrieden zu stellender Anspruch auf Lohnsenkung. Arbeiter, die vor lauter Stolz auf ihr frühes Aufstehen den „auf ihre Kosten“ lebenden Arbeitslosen den Bettel an den Stab wünschen, sägen an dem Ast, auf dem sie sitzen. Die öffentliche Linke aber sieht keinen Bedarf, hier Aufklärungsarbeit zu leisten, sondern leistet ihren Teil zur Volksverdummung, indem sie sich munter an der bestehenden Debatte beteiligt. Das liegt sicher nicht daran, dass Kritik an Argumenten wie dem Lohnabstandsgebot zu kompliziert wäre, um unters Volk gebracht zu werden.

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  1. m. maronde
    22. Februar 2010, 20:59 | #1

    ich lese hier öfters mal mit und kenne ihre haltung den kapitlaisums abschaffen zu wollen. ich mag den ja auch nicht. nur, er hat sich nunmal aus der geschichte hraus so entwickelt, wie er eben jetzt ist. natürlich kann man, wenn man die politische macht hat, etwas daran ändern aber geld und warenaustausch sind nunmal historisch notwendig, sonst hätte die geschichte uns ja was anderes gelehrt. so wie es jetzt ist geht das system zwar nicht in ordnung. aber irgendwann fing das doch alles mal an mit dem geld, warenaustausch, sozusagen eine eigentlich natürliche sache,die sich dann aber pervertiert hat. zudem konnten doch noch vor 30 jahren alle (zumindest hier in d) gut leben von löhnen die gazahlt wurden. nur was jetzt abgeht ist doch pervers und da muß man was gegen machen, das stimmt. aber wie soll man denn gleich den großen wurf hinbekommen? kommunismus – ja schön, ich würds ja auch gerne probieren aber da macht doch keiner mit, nach den versuchen die es dazu gab.
    also, was tun?
    ok. hat jetzt mit dem post nur indirekt zu tun.

  2. wasnun
    22. Februar 2010, 22:38 | #2

    @m.m
    „historisch notwendig (…) eine eigentlich natürliche sache“
    Seit wann entscheidet denn ein Abstraktum wie ‚die Geschichte’ (eine Zusammenfassung zeitlich geordneter Ereignisse), was notwendig ist? Und „natürlich“ ist an heutigen oder früheren Ausbeutungsverhältnissen gar nichts, sonst müssten die Staatsgewalten ihre Untertanen nicht jeden Tag gewaltsam darauf festlegen. Das Geschäftemachen entspringt genausowenig der Natur wie Krieg oder Sklaverei, für eine ausreichende oder gar gesunde Versorgung mit Naturnotwendigem ist das Geschäftsleben sogar äußerst hinderlich – die Natur für diese Schweinereien verantwortlich zu machen, ist ein Hohn auf alle Verhungerten.
    „zudem konnten doch noch vor 30 jahren alle (zumindest hier in d) gut leben von löhnen die gazahlt wurden.“
    Früher war alles besser? Was glaubst du eigentlich, warum vor 30 Jahren gestreikt wurde? Der Vergleich fällt dir nur ein – v.a. mit der nationalen Einschränkung –, weil du das Lohnleben gegen seine „Pervertierung“ retten willst. Du irrst dich aber, weil Löhne immer schon klein zu haltende Kosten waren und das Einkommen immer schon mindestens so niedrig sein musste, dass Lohnarbeiter auch im nächsten Monat gezwungen sind, arbeiten zu gehen.
    „aber wie soll man denn gleich den großen wurf hinbekommen? (…) da macht doch keiner mit“
    Kommst du deswegen vielleicht auf die Idee, Geld sei ein quasinatürlicher Sachzwang, weil du weißt, dass praktische Kritik an moderner Ausbeutung verboten ist und auch wenig Unterstützung findet? Es ist schon so, dass keine größeren Würfe in Sichtweite sind, aber das ändert doch nicht die Sache, deren Beurteilung ansteht: Wenn heutzutage Geld, Löhne oder etwas anderes schon in deiner Ausdrucksweise „pervers“ sind, warum soll man zu der Mehrheit von Perversen halten, die das absegnen.

  3. 23. Februar 2010, 08:37 | #3

    Ein guter Text zum Thema: „Endlich wird die Arbeit knapp.“ von der „Straßen aus Zucker“.

  4. m.maronde
    26. Februar 2010, 09:31 | #4

    ok. die argumente gegen die zeitliche einordnung von dingen leuchten mir ein. das geld kein naturgesetz ist auch, wird aber von vielen leider so aufgefasst. so, als hätte es keine andere entwicklung geben können als nur die, die eben passiert ist.
    da komm ich nie gegen an bei diskussionen mit mitmenschen. die sagen halt, wenn was anderes möglich wäre , dann hätte es das schon gegeben und gerade die geschichte würde zeigen, daß sowas wie kommunismus nicht funktioniert , weil dann wieder ein paar die macht an sich reißen und alles ginge wieder von vorne los. wie in anderen systemen auch. es würde halt immer mächtige geben.
    pervers nennen viele das mißverhältnis vom jetzigen im vergleich zum damaligen verhältnis zwischen arm und reich, arbeiter und unternehmer. viele haben eben überhaupt nichts dagegen, daß ein unternehmer etliches mehr verdient als der arbeiter.die sagen, das sei in ordnung wegen der verantwortung die er hat und manche behaupten halt auch glatt, ein unternehmer sei dann halt intelligenter und hats schon daher verdient. es gäbe halt ein gewisses maß, das in ordnung wäre – das was jetzt ist sei es aber nicht. auf nachfrage wo denn da so rein zahlenmäßig die grenze wäre, kommt natürlich nichts, außer verärgerung und einem anschließenden „schnauze!“
    ob sich eine kritik verbietet ist mir eher wurscht. es gibt aber die auffassung, daß geld unbedingt notwendig ist. ohne geld ginge ja keiner mehr arbeiten und überhaupt, wie soll man sonst an rohstoffe (aus dem ausland) kommen. keiner gäbe doch sein zeug umsonst her.
    ok, das sind immer sachen die mir entgegnen und die ich nicht so recht gegenargumentieren kann, deshalb habe ich das mal als meine argumente ausgegeben. man steht so fürterlich schnell als spinner da, wenn man versucht den kapitlaismus zu kritisieren. ich hab den eindruck, mache leute machen da einfach nur dicht.
    danke für den link, SaZ
    der artikel ist sehr gut verständlich und empfehlenswert, erst recht für einsteiger wie mich.
    greetings

  5. 26. Februar 2010, 12:31 | #5

    @ m. maronde
    Deine Argumente finde ich gar nicht schlecht. Vielleicht hilft es, Mitdiskutanten stärker auf eine konkrete Sache festzulegen. Darüber, was im Kommunismus so alles los sein wird, wissen die so wenig wie du. Nur darüber, warum es hier ohne auf Gewalt gestütze Macht nicht geht, kann man vernünftig reden.
    Um dem Kommunismus dasselbe zu unterstellen, muss man sich erstmal Gründe ausdenken. Die Menschennatur (der Mensch ist faul, gierig und dem Menschen ein Wolf) ist da beliebt. Interessant ist daran u.a., dass die Gewalt des Kapitalismus so als angemessenen legitimiert wird. Also muss der Kommunismus auch gewalttätig sein, bei dem ist es aber schlimm.
    Wenn Leute die Verschärfung sozialer Gegensätze „pervers“ finden, dann geben sie ihre gute Meinung vom Kapitalismus bekannt, von dessen eigentlich guten Zwecken das eine Abweichung sein soll.
    Gegen diese Unart, die Dinge zu sehen, hilft vielleicht der Hinweis, dass eine Entschärfung sozialer Gegensätze in Marktwirtschaften die Ausnahme, die Verschärfung also die Normalität ist.
    Wenn man sich darüber unterhält, warum Geld- und Gutsbesitzer immer soviel besser da stehn, muss man weg von den Rechtfertigungsstrategien (Warum verdient der Unternehmer, was er verdient? Er leistet mehr), die auf ziemlich dämliche Art zirkulär sind (Woran erkennt man die Leistung? Am Verdienst).
    Wer dir solche Argumente abkauft, dir aber mit Realismus als Einwand kommt, der will sie i.d.R. nicht zur Kenntnis nehmen, sondern seine gute Meinung vom Kapitalismus behalten. Der ist natürlich sauer oder ähnliches, wenn du ihm diese nehmen willst. Nichts ist realitischer als die Realität, etwas zu verändern, ist ergo unrealistisch. Wer das nicht will, braucht auch nicht zu meckern sondern soll selber die Schnauze halten.

  6. wasnun
    26. Februar 2010, 14:36 | #6

    „wird aber von vielen leider so aufgefasst. so, als hätte es keine andere entwicklung geben können als nur die, die eben passiert ist.“
    Richtig, denn wenn die Leute alle zugeben würden, dass sie knietief in der Scheiße waten, müssten sie ihren Opportunismus aufgeben. Gerade deswegen sollte man denen ihre devote (geschichtsdeterministische) Haltung ausreden.
    „es würde halt immer mächtige geben.“
    Das ist schon die vermeintlich KRITISCHE Art und Weise, der Macht rechtzugeben: Einerseits soll das wohl heißen, (einigermaßen unbestimmte) Macht sei ein Naturgesetz, andererseits will der, der das sagt, nicht als abnickender Parteigänger gelten. Heraus kommt: „Leider, leider gibt es Mächte, die man nicht kritisieren kann, weil sie noch nicht erfolgreich abgeschafft werden konnten“ – der Opportunismus des Erfolgs: Weil es Kapitalismus gibt, könne man dagegen nichts ausrichten.
    „keiner gäbe doch sein zeug umsonst her.“
    Das ist zirkulär: Einer Geldkritik kann man schlecht vorhalten, dass die Leute mit ihrer Ausbeutung einverstanden sind. Das mag ja sein, dass ohne Geld niemand etwas hergibt, aber das ist schon das erste Argument GEGEN Geld: Niemand bekommt etwas nach Maßgabe eines Bedarfs, alle sind gezwungen zu tauschen – oder bei mangelndem Einkommen müssen sie VERHUNGERN. Von wegen Geld sei Verteilungsmittel!
    „man steht so fürchterlich schnell als spinner da“
    Das wird sich für Kapitalismuskritiker auch auf absehbare Zeit nicht ändern, weil die Mehrheit nämlich große Stücke auf Geschäft und Gewalt hält. Aber vielleicht kann man ja den ein oder anderen davon überzeugen, dass „Spinnerei“ ein verkehrtes Etikett ist, z.B. weil man gute Argumente gegen Staat und Kapital drauf hat.

  7. 28. Februar 2010, 11:32 | #7

    gerade die geschichte würde zeigen, daß sowas wie kommunismus nicht funktioniert“

    Das kapitalistische Demokratieidealisten, die geschichtlichen Zusammenhänge für sich verwerten hat einen logischen Grund. Mit dem Exkurs auf die Gräueltaten und Fehler in der Sowjetunion und unter dem DDR-Regime, gelingt es ihnen eine Selbstlegitimierung zu erwirken. Aber schließlich muss man sich keinen Standpunkt mit Hilfe solcher Analogien unterstellen lassen. Offensichtlich ist aber, dass die Personen mit solchem Argumentationsmuster oftmals über keinerlei geschichtliche und politische (Marxismus, Kommunismus) Kenntnisse über Zusammenhänge verfügen, wie Fehlinterpretationen von kommunistischen Theorien und das „Weglassen des Kapitalismus“ als „notwendige Schrittfolge“ in Russland. Als geeignetes kleines Beispiel, lässt sich folgendes anführen: Innerhalb solcher Diskussionen wird man oft mit dem Zitat „…Diktatur des Proletariats“ konfrontiert. Dies soll bezwecken, dass selbst Karl Marx den Kommunismus als totalitäres Staatssystem legitimiert und propagiert. Dieses Zitat ist derart hochstilisiert, das „Kritiker“ dies extrem oft als Argument benutzen, ohne überhaupt im Besitz zusammenhängender Kenntnisse zu sein. In Wahrheit handelt es sich bei diesem Zitat um eine Floskel, einen Term, der selbst bei Marx nur am Rand auftaucht. Im Kapitalismus verfügen die Arbeiter strukturell über die Möglichkeit dem Kapitalismus die Produktionsgrundlagen zu entziehen, und infolge dieser Revolution, das frühere kapitalistische Verhältnis (erstmal) durch Selbstorganisation nach der Übernahme von Produktionseinheiten zu ersetzen. Es bedarf zwar immer noch einer konkreten Interpretation, jedoch ist demzufolge offensichtlich, dass sich Marx damit im Allgemeinen auf eine ökonomische Neuordnung bezieht, und nicht auf ein politisches Regime.

    pervers nennen viele das mißverhältnis vom jetzigen im vergleich zum damaligen verhältnis zwischen arm und reich, arbeiter und unternehmer.

    viele haben eben überhaupt nichts dagegen, daß ein unternehmer etliches mehr verdient als der arbeiter.die sagen, das sei in ordnung wegen der verantwortung die er hat und manche behaupten halt auch glatt, ein unternehmer sei dann halt intelligenter und hats schon daher verdient.

    Ich denke es ist sehr wichtig zu begreifen, das dieses „Miß“-Verhältnis, eine Grundlage des Kapitalismus darstellt und als solche auch nur logischer Bestandteil sein kann. Für eine Kritik ist es nun mal wenig produktiv, eine Sache mit ihrer eigenen „Natur“ zu konfrontieren und nicht als Konsequenz eines „Ganzen“ zu kritisieren. Nur mal grob umrissen: Die wirtschaftlichen Gegensätze dienen der Aufrechterhaltung des Systems. Um in der Gesellschaft einen Erfolgsstatus erreichen zu können, benötigt man die Verfügung über möglichst hohe Massen an Waren und Reichtum an Kapital. Im Kapitalismus wird also jedes Individuum gezwungen, sein Leben auf eine eigene Profitmaximierung zu bestreben. Infolge dieses Profitmaximierungsprozesses erwirtschaftet das Individuum mehr Kapital. Um einer Totwirtschaftung zu entgehen und diesem Prozess aufrecht zu erhalten, schafft der Kapitalismus ein System von Konkurrenzen. Diese Konkurrenzen strukturieren sich nach Gewaltprinzipien.

    es gibt aber die auffassung, daß geld unbedingt notwendig ist. ohne geld ginge ja keiner mehr arbeiten

    An dieser Stelle, nimmt (wie bereits geschrieben) der Diskutant ein wesentliches Argument vorweg. Hier sieht man augenscheinlich wie der Kapitalismus die Arbeit von ihrem eigentlichen Sinn entfremdet hat (Vgl. u.a. Marx). Der Grundsatz der Arbeit sollte darin bestehen, ureigene materialistische Bedürfnisse und Interessen zu befriedigen. Das Geldsystem schiebt sich sozusagen strukturell zwischen den Sinnzweck der Arbeit und der Arbeit an sich.

  8. m. maronde
    1. März 2010, 23:11 | #8

    „Richtig, denn wenn die Leute alle zugeben würden, dass sie knietief in der Scheiße waten, müssten sie ihren Opportunismus aufgeben. Gerade deswegen sollte man denen ihre devote (geschichtsdeterministische) Haltung ausreden“

    naja, deshalb versuch ich das ja auch. nur ist die grundlage für eine „diskussion“, wenn man das gepöbel von denen so nennen will, eben schlecht wenn die aber auch so gar nichts an sich heran lassen wollen. die gehen ja nicht mal auf das gesagte ein, sondern sind gelich immer beim rechtfertigen.
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    Das ist zirkulär: Einer Geldkritik kann man schlecht vorhalten, dass die Leute mit ihrer Ausbeutung einverstanden sind. Das mag ja sein, dass ohne Geld niemand etwas hergibt, aber das ist schon das erste Argument GEGEN Geld: Niemand bekommt etwas nach Maßgabe eines Bedarfs, alle sind gezwungen zu tauschen – oder bei mangelndem Einkommen müssen sie VERHUNGERN. Von wegen Geld sei Verteilungsmittel!
    —–
    was ist mit zirkulär genau gemeint? den rest verstehe ich schon. wenn ich das aber als argument einbringe, sagt man mir doch glatt: tja nun, für geld muß man halt arbeiten. das sei eben so. und gebratenen tauben würden einem halt nicht in den mund fliegen, selbst wenn ich dann einwende, daß arbeit natürlich immer notwendig sei um nützliche dinge zu produzieren. ich bringe dann das beispiel von der wg, in der, wenn festgestellt wird, daß alle lieber 2pfund kartoffeln essen anstatt nur eins, daß es dann eben selbstverständlich sei die notwendige arbeit aufzuteilen und zu erledigen und daß das dann auch jeder einsieht. in unserer gesellschaft würde dies aber bedeuten, jeder muß erst mal zehn kilo schälen und bekommt dann vielleicht sein pfund ab.
    aber wie gesagt, da geht man schon gar nicht mehr drauf ein.
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    sev:
    Das kapitalistische Demokratieidealisten, die geschichtlichen Zusammenhänge für sich verwerten hat einen logischen Grund. Mit dem Exkurs………..Offensichtlich ist aber, dass die Personen mit solchem Argumentationsmuster oftmals über keinerlei geschichtliche und politische (Marxismus, Kommunismus) Kenntnisse über Zusammenhänge verfügen, …
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    das stimmt schon. das ist ja auch gerade das was mich regelmäßig auf die palme bringt. außer ddr und stasi, es wird wieder böse mächte geben, etc (siehe oben und das geschichtsargument) lassen die sich auf nichts ein.
    zugegeben, ich weiß halt auch nicht mehr als ich den vorträgen vom gsp 1989/90 vor der sed (ddr-ökonomie) kenne, aber das ist ja immerhin schonmal mehr als ein deutlicher hintergrund, was da wohl so alles schief gelaufen ist.
    nur wird das alles ingnoriert – bzw. mit persönlichen angriffen gearbeitet: „ich, ich war aber auf der handelsschule. ich weiß das alles besser..“ „seit wann hast DU denn ahnung von sowas/ wo hast du das denn her? hast du drüben gelebt…usw..
    alles in allem muß ich sagen, ich hab vom persönlichen umfeld/“freundeskreis“ so ziemlich die schnauze voll. mittlerweile muß ich mir halt nur noch lächerlichmachungen anhören und perönlichen angriffe a la: du willst dir doch nur deinen mißerfolg rechtfertigen, obwohl viele wissen daß ich eben überhaupt keine bestrebungen als unternehmer/erfolgreicher angestellter etc habe oder solchen nachgehe.
    neid und frust wird mir vorgeworfen und dergl mehr.
    ehrlich gesagt,stand in letzter zeit wegen diesem gepöbel schon das ein o andere mal die gewaltfrage im raum.
    von daher glaub ich bin ich besser beraten mir
    1. ein agitationsfeld zu suchen, in dem man mir solche vorwürfe aufgrund des nichtkennens meiner person nicht machen kann.
    und 2. muß ich wohl argumentativ mir noch mehr drauf schaffen als nur die vorträge von argudiss zu hören, damit ich einfach selber die dinge unserer wirtschaftsweise einordnen und durchdringen kann. da kommt mir die marx diskussionsgruppe , die jetzt am 3.märz startet gerade recht. hoffentlich hilft´s.
    ich würde aber gerne mal wissen, ob euch das im bekanntenkreis genauso ergangen ist und wenn ja, wie reagiert ihr denn darauf? ist es sinnvoll, sich dann lieber in gewerkschaftsgruppen oder was halt sonst noch einzubringen oder hat man da genau dasselbe zu erwarten? falls das zu persönlich ist, könnt ihr die frage ja ignorieren, würde mich aber interessieren ob das vielleicht nur mir so ergeht aufgrund des doch begrenzten personenkreises.
    ich will mich jetzt auch nicht als frustrierter schlaumeier darstellen, der jetzt die anderen(die mit denen ich „diskutiert“ habe) für zu blöd hält, weil die nicht gleich hurra schreien. aber so wie die alle abgehen und gleich persönlich werden, es überhaupt nicht schaffen zwischen dem eigenen zurecht kommen in diesem system und der kritik daran sich mal zu distanzieren, das ist doch nicht normal. die tun gerade so, als hätte ich die persönlich beleidigt. und dann gucken die die sonntagsfilmchen auf ntv und phönix und schimpfen wie schlimm verblendet die in der ddr doch alle waren.
    wie gesagt, deshalb werde ich auf diskussionen im „freundeskreis“ besser verzichten.
    danke an euch für die mühe mir die argumente nochmals auf zu bröseln.
    greetings

  9. Ohr
    2. März 2010, 01:16 | #9

    Dir fliegen die gebratenen Tauben vielleicht nicht in den Mund, dem Kapital aber schon. Man lernt schon wie man Pöbelei reduziert, die Leute fühlen sich z.B. über Kurz oder Lang schlecht wenn sie einseitig pöbeln und man nicht zurückgibt. Dann verpflichten sie sich selbst auf Sachlichkeit.

  10. wasnun
    2. März 2010, 16:12 | #10

    @Ohr
    Dass Geldkritiker als Aliens gelten und genauso unsachlich behandelt werden, dagegen gibt es leider keinen Trick. Das ist wohl eher die Hoffnung oder der Optimismus, ein Argument möge jenseits von Feindschaftserklärungen verfangen. Kommt vor, aber das mit der Selbstverpflichtung auf Sachlichkeit kenne ich eher anders: Am Ende kommt meist der Maulkorb „deine (seltsame) Meinung“ oder die Diskussion wird beendet – von wegen Selbstverpflichtung auf Sachlickeit, das kann man auch mit Engelszungen nicht herbeiführen, allenfalls erhoffen.
    @m.m
    „da geht man schon gar nicht mehr drauf ein“
    Es ist zwar auch nicht ratsam, gestandenen Bürgern den Kommunismus schmackhaft zu machen (dein WG-Beispiel), aber an der Reaktion wird schon klar, dass die gar nicht gebratene Tauben oder Kartoffeln haben wollen so wie du, sondern dass sie deine Vorstellung von vernünftiger Arbeitsteilung BLAMIEREN wollen. Denen geht es doch nicht um die Einsicht, dass ihre Arbeit nützliche Dinge hervorbringt und deswegen notwendig sei. Wer ohne Umschweife den Zwang zum Geldverdienen mit gebratenen Tauben gleichsetzt, hält die Eigentumsordnung für einen quasinatürlichen Sachzwang – und wenn für den Geldverdienen etwas ist wie das Wetter, muss man sich nicht wundern, dass der „Wetterkritikern“ einen Vogel zeigt. Deswegen ist es zunächst nötig die Ideologie von Menschen zu kritisieren, die meinen, kapitalistische Arbeit sei ein Mittel, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, das Geld sei ein Vermittler von Waren und Bedürftigen, „der Mensch“ sei ein Egoist oder Verschwender etc.

  11. m. maronde
    4. März 2010, 14:08 | #11

    hi…
    sagt mal, mag vielleicht jemand hier http://www.spiegelfechter.com/wordpress/2057/der-anachronist-und-die-talkshow mit einsteigen?

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