Berlin 6.3.2011: Veranstaltung mit Christian Siefkes zu Peer-Produktion

5. März 2011 3 Kommentare

Christian Siefkes weist auf seiner Webseite keimform.de unter anderem auf eine Veranstaltung am 6.3.2011 in Berlin hin.

Zunächst halte ich am kommenden Sonntag, 6. März um 18 Uhr einen Vortrag mit Diskussion im Rahmen der Veranstaltungsreihe „etwas fehlt“ der Jour Fixe Initiative Berlin. Veranstaltungsort ist die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) (Oranienstraße 25) in Berlin-Kreuzberg. Wie schon mehrmals in letzter Zeit geht es um Selbstorganisierte Fülle, wobei ich diesmal etwas detaillierter auf die Rolle der Produktivkraftentwicklung und das Verhältnis von Utopie und Kritik eingehen werde.

Bei der jour fixe initiative Berlin heißt es dazu:

In den letzten Jahrzehnten ist eine neue Produktionsweise entstanden, die auf Kooperation und Teilen beruht. Auf dieser Produktionsweise – Peer-Produktion genannt – basieren Freie Software (wie Linux und Firefox), die Wikipedia und die Freie-Kultur-Bewegung; sie steckt hinter freien Funknetzen und Projekten wie SETI@home.
Wie und warum funktioniert Peer-Produktion? Wie schafft sie den Sprung von der immateriellen in die materielle Welt? Wie könnte eine Gesellschaft aussehen, die im Wesentlichen auf Peer-Produktion beruht, so dass es kein Geld und keinen Markt mehr braucht? Wie verhalten sich alternative Praktiken und theoretische Kritik zueinander? Kann man den Kapitalismus überwinden, ohne ihn zu verstehen?

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…umsGanze!-Kongress (3.-5.12.2010 Uni Bochum): Erste Mitschnitte

4. März 2011 Kommentare ausgeschaltet

Moritz hat mich darauf hingewiesen, daß mittlerweile die ersten Mitschnitte des …umsGanze!-Kongress (3.-5.12.2010 Uni Bochum) online verfügbar sind.
Sie sind hier bei archive.org hochgeladen worden.
Die Ankündigungen der Kongreßpodien sind hier nachzulesen.

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Hermann Lueer: Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts

4. März 2011 71 Kommentare

Den folgenden Text habe ich aus einem PDF von Hermann Lueer via Word in HTML konvertiert.

Hermann Lueer
Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts

»Ich bin jeden Tag mehr der Überzeugung, und daran habe ich nicht den geringsten Zweifel, dass es notwendig ist, den Kapitalismus zu überwinden. Aber ich füge hinzu: Den Kapitalismus kann man nicht innerhalb des Kapitalismus überwinden. Nein, der Kapitalismus muss auf dem Weg des Sozialismus überwunden werden.«1) »Wir sind entschlossen, die Bolivarianische Revolution direkt in Richtung Sozialismus zu führen und einen Beitrag zu leisten auf dem Weg zum Sozialismus, einem Sozialismus des 21. Jahrhunderts, …«2) Hugo Chavez

Fünfzehn Jahre nach Ende des »Kalten Krieges«, nachdem mit der Auflösung des Ostblocks der »Reale Sozialismus« als Alternative zur Marktwirtschaft verschwunden ist, zeigt der Präsident Venezuelas dem »Freien Westen« und seiner globalisierten Marktwirtschaft die Stirn und verkündet auf dem fünften Weltsozialforum 2005 den Beginn des Kampfes für den »Sozialismus des 21. Jahrhunderts«. Das gleichnamige Buch von Heinz Dieterich dient hierbei, mit der »auf dem Gebrauchswert und der Werttheorie basierenden nicht-marktwirtschaftlichen, demokratisch von den unmittelbar Wertschaffenden bestimmten Äquivalenzökonomie«3), als theoretische Grundlage für die diesem Kampf zugrundeliegende Kritik am Kapitalismus. Mehr…

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Neues Buch von Hermann Lueer: Warum sterben täglich Menschen im Krieg?: Argumente gegen die Liebe zur Nation

4. März 2011 Kommentare ausgeschaltet

Hermann Lueer hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß jetzt sein neues Taschenbuch (auch bei Monsenstein und Vannerdat, dem Books-on-Demand-Verlag erschienen) erhältlich ist:
Warum sterben täglich Menschen im Krieg?: Argumente gegen die Liebe zur Nation
Er hat noch geschrieben:

Zudem gibt es auf meiner homepage einen Text, der vielleicht für eure Diskussion zur berühmten Frage nach der Alternative nützlich ist: http://www.whyhunger.com/deutsch/assets/sozialismus-des-21–jahrhunderts.pdf
Der Text ist auch als zusätzliches Kapitel in die ebenfalls gerade neu erschienene 4. erweiterte Auflage meines ersten Buches eingeflossen. (Warum verhungern täglich 100.000 Menschen?)

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Christian Frings: Kritik der Sozialstaatsillusion (ak 556)

24. Februar 2011 2 Kommentare

Die Zeitschrift analyse & kritik (ak -zeitung für linke debatte und praxis) hat in ihrer Ausgabe 556 vom 17.12.2010 einen Artikel von Christian Frings „Kritik der Sozialstaatsillusion- Enteignung, Vereinzelung, Befriedung: Was gibt es da zu verteidigen?“ gebracht (ich hatte zuletzt über dessen Veranstaltung „Sozialstaat schottern!?“ in Berlin berichtet). In der Einleitung heißt es einführend:

„In Debatten um soziale Kämpfe schwingt stets die Vorstellung mit, der Sozialstaat sei eine in harten Kämpfen erzielte Errungenschaft der Arbeiterbewegung. Das ist nicht nur historisch falsch, sondern lässt auch jede Einordnung der Sozialstaatlichkeit in die kapitalistische Produktionsweise vermissen. Das war nicht immer so. Die Versuche einer systematischen Kritik des Sozialstaats verschwanden aus der linken Diskussion erst seit Anfang der 1980er Jahre. Christian Frings erinnert an die nach wie vor wichtigen Debatten.“

(gefunden bei KoKa Augsburg)

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KoKa Augsburg: Die bittere Seite des Sieges eines Volksaufstands

24. Februar 2011 Kommentare ausgeschaltet

Interessante Fragen (jedenfalls für die winzige Handvoll von Leuten dort wie hier, die das imperialistisch/kapitalistische Joch abwerfen wollen) stellt KoKa Augsburg (die Webseite Kommunikation und Kaffee):

„Da haben Ägypter und Tunesier also ihre Diktatoren verjagt. So erfreulich das einerseits ist – so ist es andrerseits so, daß sie damit ihre ureigentlichen Unterdrücker gar nicht erwischt haben. Die residieren nämlich in den Hauptstädten des »freien Westens«, welche sich ihre Herrschaften anderswo halten. Und kaum sind ihre Statthalter dort weg, stehen sie schon wieder auf der Matte, um sich den dortigen neuen nationalen Sprechern als unentbehrlich zu empfehlen. Mit ihrer Riesenheuchelei, sie würden die Umstürze begrüßen, sie seien ja schon immer auf Seiten des Volkes gewesen etc. wollen sie den sich neu zu konstituierenden Regierungen gleich eine Verpflichtung in die Schuhe schieben. Die würden ja sowieso nur mit ihnen, mit ihrer »Hilfe« und unter ihren Maßgaben weiterkommen! Ganz schön frech und unverschämt!
Die wahre Seite daran ist, daß der »freien Westen« dort wie überall in der »Dritten Welt« solche Zustände eingerichtet hat, die sich nicht ohne weiteres und schon gleich nicht von heute auf morgen revidieren lassen. Wie auch sollte eine auf den Export ausgerichtete Land- und Rohstoffwirtschaft so einfach auf eine Lebensmittelproduktion für die heimische Bevölkerung umgestellt werden? Wie sollte ein unproduktiver Militär- und Polizeiapparat in eine produktive Beschäftigung überführt werden? Wagt man es, die Schuldscheine zu zerreißen, die bislang das Letzte aus der Erde dieser Länder herausgesogen haben? Wagt man es, die Abkommen mit der EU zu zerreißen als die nichtswürdigen Erpressungen, die sie darstellen? Wagt man es, Billiglohnklitschen europäischer Konzerne einfach zu enteignen? Welche Feindschaft würde man sich bei all solchen im eigenen Interesse durchaus zweckmäßigen Aktionen allenthalben erst zulegen! Oder soll man tatsächlich zurückstecken und im Prinzip so weitermachen wie bisher?
Die richtigen Herausforderungen stehen genaugenommen also erst noch bevor. – Etwas anders verhält es sich im Iran, dort würde der »freien Westen« einen Umsturz vorbehaltlos begrüßen, weil sich die Herrschaft dort ihm widersetzt. Auch keine rosigen Aussichten für die Opposition, zumal ihr jener ja Umsturzhilfe anbietet, also sie dazu verleitet, schon vor einer Machtübernahme »korrupt« zu sein. Nicht daran zu denken, welcher Preis nach einer Machtübernahme zu zahlen wäre….
Kurzum, ohne den Imperialismus und seine Absichten einer Kritik zu unterziehen, wird es eher alten Wein in neuen Schläuchen geben als irgendetwas, was das Leben lebenswerter macht.“

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Update zur GegenRede von Freerk Huisken zum Fall Guttenberg

23. Februar 2011 95 Kommentare

Freerk Huisken hat seine GegenRede zum Fall Guttenberg nochmal überarbeitet („Habe … Text … noch mal überarbeitet: Sortiere jetzt genauer zwischen Geist und Materie und dem Eigentumscharakter von beidem.“
Er ist jetzt als PDF bei ihm abrufbar. Hier gespiegelt:
Der Fall Guttenberg: Geistiges Eigentum oder der Unfug der Privatisierung von Erkenntnis

Wer von den Kritikern und Spöttern, die sich über die Plagiate in der von K.F.von Guttenberg vorgelegten Dissertation hermachen, weiß eigentlich wie die Arbeit betitelt ist?(1) Wer kennt die Thematik, wer hat zwecks inhaltlicher Auseinandersetzung einen Blick in die leicht per Internet zugängliche Doktorarbeit geworfen? Und wer von denen hat sich die Mühe gemacht, die Thesen dieser Arbeit einmal getreu dem Motto des Verlags, bei dem die Dissertation neu publiziert worden ist, zu überprüfen: Vincit veritas – die Wahrheit siegt?
Natürlich sind das rhetorische Fragen. Wer auf Plagiatssuche ist, wer fehlenden An- und Ausführungszeichen, unterlassenen Fußnoten mit Quellenangaben auf der Spur ist, muss das nicht. Dem geht es um etwas anderes als um die Frage, inwieweit die vom Verteidigungsminister abgelieferte Arbeit neue und zutreffende Erkenntnisse geliefert hat. Der prüft vielmehr, ob sie auch den „strengen Standards wissenschaftlichen Arbeitens” entspricht, von denen Professoren in der SZ vom 22.2. berichten. Und zu denen gehört nun einmal der Unfug mit dem geistigen Eigentum. Doch was ändert es eigentlich an einem zu Papier gebrachten Urteil über einen verfassungsrechtlichen oder sonstigen Sachverhalt, wenn er aus einer Mischung von Selbsterdachtem und bereits publizierten Gedanken besteht – und zwar ohne dass der Erstdenker des übernommenen Gedankengebäudes genannt worden und die Quelle minutiös nachgewiesen worden ist? Am inhaltlichen Urteil ändert das nichts. Es kann wahr oder falsch sein. Mit der Angabe der Quelle oder ihrer Unterlassung wird ja der Gehalt der übernommenen Passage sachlich gar nicht verändert. Überdies kommt kein Schreiberling um die Beantwortung der Frage herum, ob eine Textstelle, auf die er sich berufen will, wenigstens so weit stimmig ist, dass sie zum eigenen Argumentationsgang passt. Davon kann keine Quellenangabe entbinden. Die Differenz zwischen denken und nachdenken, d.h. die Gedanken anderer zu überprüfen, hebt sich auf; der Fremdtext ist wie jeder eigene Gedanken zu prüfen. Es kommt nur darauf an, dass sie stimmen – sollte man wenigstens meinen.
Doch mit den im akademischen Wissenschaftsbetrieb brutal eingeforderten Zitataufweisen und Quellenangaben, ändert sich schon etwas.(2) In der Zuordnung von Gedanken zu seinem jeweiligen Erstschöpfer, der Wissenschaftlerperson äußert sich die Personalisierung und Privatisierung von Erkenntnis. Dies hat Konsequenzen: An die Stelle der Prüfung von wissenschaftlichen Urteilen tritt dann schon mal der Autoritätsbeweis. Da werden Kant und Habermas, Hegel und Popper, Keynes, M.Weber und andere sogenannte Giganten des Geisteslebens weniger deswegen zitiert, weil ihre Theorien jeder kritischen Überprüfung standhalten würden und sich deswegen auf ihnen aufbauen ließe. Sie als Quelle zu benennen soll den Schreiber vielmehr als jemanden ausweisen, der die gültigen Geistesgrößen studiert hat, und der bereits darüber den Bonus kassieren kann, im Fahrwasser dieser wissenschaftlichen Riesen, mithin auf richtigem Kurs zu segeln. Da ersetzt dann der gute Name so eines Wissenschaftlers die Prüfung seiner theoretischen Absonderungen.
Das bedeutet umgekehrt, dass sich derjenige, der als erster eine bestimmte These publiziert hat, als ihr Erfinder rühmen darf. An ihm hängt sie ein für alle mal dran, mit seinem Namen ist sie verbunden, von der Größe seiner Person zeugt sie – wenn sie etwas gilt.(3) Und wer sie nach ihm benutzt, hat das Copyright des Erstverfassers zu beachten, ihm als Urheber einer Theorie die entsprechende Referenz zu erweisen. Darauf hat er ein Recht. Und das kann er sogar einklagen. Erkenntnis wird auf diese Weise mit Hilfe der staatlichen Rechtsprechung wie ein Eigentum seines Autors behandelt. Die Erkenntnis darf zwar – wenigstens im Bereich der Geisteswissenschaften -benutzt, sozusagen ausgeliehen werden, sie „gehört” aber weiterhin dem Erstermittler. Deswegen können Plagiate, also nicht mit dem Hinweis auf die Quellperson gekennzeichnete Textpassagen auch Strafen nach sich ziehen: die Aberkennung des akademischen Titels oder für den Fall, dass ein Eid gebrochen worden ist(4), sogar Haftstrafen.
Verlangt ist in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften also etwas anderes als offenen Fragen aus dem Bereich von Politik und Ökonomie, Recht und Familie, Staatsformen und Rassismus etc. mit der Absicht nachzugehen, sie einer zutreffenden Klärung zuzuführen und damit das richtige Wissen über Gesellschaft zu erweitern. Da ist zum einen der Kotau vor den Großen der jeweiligen Disziplin verlangt. Ihnen hat man durch ausgewiesene Bezugnahme auf ihr Werk zu huldigen. Das darf durchaus auch schon einmal kritisch ausfallen, wobei die Grenzen des wissenschaftlichen Pluralismus und seine Logik – „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!” – zu beachten sind. Zum anderen kommt es gerade umgekehrt auf Originalität im Wissenschaftsbetrieb an. Verlangt werden gerade von Dissertationen neben allen Devotionalien mutige, von Kreativität zeugende neue Hypothesen, Ansätze und Modelle, die ohnehin niemand im akademischen Reich mit richtigen Gedanken verwechselt. Aber genau deswegen bedarf es der albernen Prüfung, inwieweit ein formulierter Gedanke nicht bereits einen Eigentümer hat, der unbedingt benannt werden muss.
Dass diese Prüfung mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden ist – deswegen ist von „strengen Standards” die Rede – liegt daran, dass wissenschaftliche Erkenntnis, sei sie richtig oder falsch, ein geistiges und kein materielles Ding ist. Gegenständliche Güter – etwa ein Fahrrad, die Stereoanlage oder eine PC – lassen sich eben zu einer Zeit immer nur von einer Person benutzen. Dass der jeweilige Benutzer hierzulande der Eigentümer zu sein hat, liegt allerdings nicht an der materiellen Qualität von Gebrauchsgegenständen. Die rechtliche Absicherung einer Verfügung über Produkte, die andere solange von ihrem Gebrauch ausschließt, bis sie die (Geld-)Interessen des Eigentümers bedienen, ist die Absicherung eines ganzen Produktionsverhältnisses, in welchem Produkte überhaupt nur als Waren das Licht der Welt erblicken. Deswegen ist in der hübschen Marktwirtschaft die Benutzung jedes materiellen Guts an Eigentumsübertrag gebunden, mit dem den Interessenten, die nur als personifizierte Kaufkraft von Interesse sind – egal ob sie es nötige Geld haben und egal, wie schwer sein Verdienst auch fällt -, erst nach dem Austausch von Geld und Ware die freie Verfügung über das Produkt, das nun ihr Eigentum sind, gestattet wird. Bei Gedanken verhält es sich anders: Sie sind – einmal publiziert – allgemein zugänglich, und verwendbar. Da bedarf es nicht des Händewechsels, um sich seiner zu bedienen. Diese Zeilen etwa kann sich der Leser aneignen, ohne dass ihr theoretischer Gehalt dadurch aus meinem geistigen Arsenal verschwände; nicht einmal blechen muss er dafür! Geistiges Gut kann eben im Unterschied zu materiellen Gütern zur gleichen Zeit von vielen angeeignet und verarbeitet werden, weil es beliebig zu vervielfältigen ist. Mit der Etablierung von geistigem Eigentum(5) wird dieser immense Vorteil geistiger Güter glatt zu ihrem Nachteil erklärt. Und Erkenntnis, die einmal ersonnen überall und zu jeder Zeit und von jedermann an zueignen und zu benutzen ist, ohne dass sie damit dem ursprünglichen Entdecker verloren geht, wird rechtlich in den ökonomischen Kategorien des gegenständlichen Eigentums gefasst. So absurd und so skandalös das ist – ihrer Natur nach allgemeine Erkenntnis wird so seiner allgemeinen und damit allgemein nützlichen Natur beraubt -, so hat es doch seine kapitalistische Räson. Die wird besonders in den Naturwissenschaften deutlich, aber eben nicht nur dort.
Beim Dr.-Titel, dem Staatsexamen oder jedem anderen universitären Grad handelt es sich in erster Linie um Mittel in der und für die akademische(n) Konkurrenz.(6) Nur deswegen wird aus der nicht gekennzeichneten Abschrift einer Textpassage aus einem vorliegenden Werk, die dem „Plagiator” vielleicht nur schlicht eingeleuchtet hat, ein Vergehen, ein unzulässiger Konkurrenzvorteil, der mit Rückstufung in der Konkurrenz oder gar Ausschluss aus ihr geahndet gehört. Der Ruf des Abschreibers ist auf jeden Fall ruiniert. Was dem sachlichen Gehalt nach gar nicht vom Selbsterdachtem zu unterscheiden ist, wird dann per besonderer Fahndung(7) nach sprachlicher und stilistischer Übereinstimmung von Textpassagen als Diebstahl ermittelt – das geht nicht anders, denn dem ursprünglichen Verfasser ist ja durch die Abschrift nichts abhanden gekommen. Wenn sich jetzt Professoren in offenen Briefen und TV-Statements um das Niveau des akademischen Betriebs sorgen(8), dann gilt diese ihre Sorge allein der Sicherung dieser Standards ihres Konkurrenzbetriebs. In ihren Olymp darf nur dem Einlass gewährt werden, der ihre geistige Autorität achtet und in jenen Maßen Originalität aufzuweisen hat, wie sie von einer Dissertation erwartet wird, mit der die jeweilige Disziplin „um neue Gesichtspunkte”, um einen „Beitrag zum Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis” erweitert werden soll.(9) Ob der da Jahr für Jahr angelieferte Geistesmüll zutreffende neue Einsichten in gesellschaftliche Phänomene einhält, steht nicht zur Debatte. Wie auch!
Für die Naturwissenschaften gilt all dies einerseits ebenfalls, andererseits schlägt hier die kapitalistische Konkurrenz mit ihrer Eigentumslogik ungleich härter zu. In der Kategorie des Patents, das durch eine ganze Rechtsabteilung definiert und geschützt wird, fasst sich der Versuch von Unternehmen zusammen, sich die Benutzung neuer, Gewinne versprechender Entdeckungen und Erfindungen ausschließlich, d.h. gegen die Konkurrenz zu sichern. Auf diese Weise werden nützliche naturwissenschaftliche Erkenntnisse – die übrigens und ganz im Gegensatz den gesellschaftswissenschaftlichen Forschungsresultaten nur dann anwendbar sind, wenn sie stimmen – um ihre allgemeine Anwendbarkeit gebracht und ganz dem Kapitalinteresse an Vermehrung von Geld durch Entwicklung neuer Produkte und neuer Verfahren zur Steigerung der Produktivität des Unternehmens subsumiert. Der Betrieb, der als erster ein neues Antriebssystem, einen noch schnelleren Prozessor oder ähnliches auf den Markt bringt, kassiert im Verhältnis zur Konkurrenz Extraprofite, schafft damit Konkurrenzverlierer – nebst all dem, was an menschlichem Elend an der Schließung von Unternehmen hängt. Daraus ergibt sich umgekehrt, dass hierzulande keine neue naturwissenschaftliche Entdeckung praktisch nutzbar wird, wenn sich nicht ein Kapital findet, das in ihr eine neue Gewinnquelle sieht. Die Frage, ob so eine Entdeckung den Menschen nützen könnte, ihr Leben gesünder, die Arbeit leichter oder ihre Freizeit länger machen könnte, ist kein das Kapital umtreibender Gesichtspunkt. Und so ein Kapital findet sich nur, wenn die – wenigstens vorübergehend – exklusive Nutzung von Wissen als Patenteigentum gesichert ist. Naturwissenschaft im Kapitalismus wird nach Rechtskategorien per Staatsgewalt ganz dem Eigentum an Kapital nützlich gemacht. Und in der Fabrik werden die Produkte von Naturwissenschaft in ihrer vergegenständlichten Form als Maschinen und Automaten dafür hergenommen, immer mehr Arbeit für immer weniger Geld aus immer weniger Arbeitskräften herauszupressen. Deswegen stellen Naturerkenntnis und Technologie hierzulande keinen Segen, sondern umgekehrt in ihrer privatisierten Kapitalform einen Schaden für den einkommensabhängigen Teil der Menschheit dar.
Um all das geht es beim Plagiieren. Und nichts davon wird zum Thema, wenn sich die Menschheit einerseits um Glaubwürdigkeit ihres strahlenden Kriegsministers und andererseits um die Seriosität ihres akademischen Konkurrenzbetriebs sorgt.
1) ”Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU”, Berlin 2009
2) Studierende, die in ihren wissenschaftlichen Arbeiten Passagen nicht „belegt” haben, werden von ihren Professoren nicht selten mit der Frage konfrontiert, woher sie denn diese Gedanken hätten. Der Hinweis, sie hätten sich erlaubt, einmal selbst nachzudenken, wird als unwissenschaftlich zurückgewiesen. So etwas steht Studierenden nicht zu. Man denke diese geforderte geistige Entmündigung einmal zu ende: Wenn ein Gedanke nur gelten würde, wenn er sich über zuvor bereits Gedachtes absichert hat, dann würden schwerlich neue Gedanken auf die Welt kommen können.
3) Da gibt es dann den Kant’schen Imperativ, Habermas‘ Theorie des kommunikativen Handelns, Luhmanns Systemtheorie usw.
4) Bei der Vorlage von Prüfungsarbeiten aller Art muss in der Regel beeidet oder erklärt werden, dass alle fremden Quellen gekennzeichnet worden sind.
5) Ausgerechnet an der Uni Bayreuth, an der Guttenberg promoviert hat, gibt es einen Lehrstuhl, der sich mit geistigem Eigentum befasst; besetzt von einem Professor, der eine Zeitschrift gleichen Namens heraus gibt. (SZ, 23.2.)
6) Bei Guttenberg ist der Titel Mittel, um sein Renommee zu heben: Sein kometenhafter politischer Aufstieg, darf man denken, verdankt sich nicht allein dem Adelsprädikat, sondern auch seinem schlauen Kopf..
7) Siehe die gut dokumentierte Arbeit von „GuttenPlag.Wiki”, die diesen Wahnsinn zur Methode macht.
8) So mancher von ihnen wird sich allerdings mit Beklemmung fragen, wann man ihm auf seine Schliche kommen wird.
9) So in etwa lauten Qualitätskriterien für Dissertationen.
PS 1: Guttenberg wird hier natürlich nicht verteidigt. Seine Dissertation, für die er sich inzwischen „entschuldigt” hat und auf dessen Dr.-Zierrat er verzichtet, wollte nun wirklich nicht mit ausufernder Abpinselei die Maßstäbe des herrschenden Wissenschaftsbetriebs kritisch aufs Korn nehmen. Wie auch: Ist er doch oberster Chef jener nationalen Behörde, die mit Krieg am Hindukusch kapitalistisches Privateigentum und Konkurrenzwirtschaft verteidigt.
PS 2: Der vorstehende Text beansprucht wie alle anderen GegenReden kein Copyright. Wem er einleuchtet, der soll ihn benutzen wie er mag. Wem er nicht einleuchtet, der soll sich melden bei: info@fhuisken.de. Denn so unwichtig bis störend beim Vortrag von einem Argument der Verweis auf den Autor ist, so interessiert es diesen doch, wenn ihm jemand einen Fehler in seinen Gedanken aufzeigt.

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Zu Guttenberg: Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?

23. Februar 2011 104 Kommentare

Freerk Huisken vom GegenStandpunkt hat (im folgenden „abgedruckt“, man kann den Text man auf seiner Webseite unter „Lose Texte“ finden, contradictio hat darauf hingewiesen) zum Hauptproblem des Skandals um Guttenbergs Doktorarbeit Stellung bezogen:
Der Fall Guttenberg: Geistiges Eigentum oder
der Unfug der Privatisierung von Erkenntnis

Wer von den Kritikern und Spöttern, die sich über die Plagiate in der von K.F. von Guttenberg vorgelegten Dissertation empören, weiß eigentlich wie die Arbeit heißt?(1) Wer kennt die Thematik, wer hat zwecks inhaltlicher Auseinandersetzung einen Blick in die leicht per Internet zugängliche Doktorarbeit geworfen? Und wer von denen hat sich die Mühe gemacht, die Thesen dieser Arbeit einmal getreu dem Motto des Verlags, bei der die Dissertation neu publiziert worden ist, zu überprüfen: Vincit veritas – die Wahrheit siegt?
Natürlich sind das rhetorische Fragen. Wer auf Plagiatssuche ist, wer fehlenden An- und Ausführungszeichen, unterlassenen Fußnoten mit Quellenangaben auf der Spur ist, muss das nicht. Dem geht es um etwas anderes als um die Frage, inwieweit die vom Verteidigungsminister abgelieferte Arbeit neue und zutreffende Erkenntnisse geliefert hat. Der prüft vielmehr, ob sie auch den „strengen Standards wissenschaftlichen Arbeitens” (SZ, 22.2.) entspricht. Und zu denen gehört nun einmal der Unfug mit dem geistigen Eigentum. Was ändert es eigentlich an einem zu Papier gebrachten Urteil über einen verfassungsrechtlichen oder sonstigen Sachverhalt, wenn er aus einer Mischung von Selbsterdachtem und bereits publizierten Gedanken, die nachgedacht und für stimmig befunden worden sind, besteht – ohne dass der Erstdenker des übernommenen Gedankengebäudes genannt worden und die Quelle minutiös nachgewiesen worden ist. Am inhaltlichen Urteil ändert das nichts. Es kann wahr oder falsch sein; und keine Quellenangabe entbindet einen Schreiberling von der Frage, ob die übernommene Textstelle, sofern er sich auf sie beruft, stimmig ist. Zu prüfen hat er sie wie die eigenen Gedanken – sollte man wenigstens meinen.
Doch ändert sich schon so einiges mit Zitataufweis und Quellenangabe. In der Zuordnung von Gedanken zu seinem jeweiligen Erstschöpfer, der Wissenschaftlerperson äußert sich die Personalisierung und Privatisierung von Erkenntnis. Das hat seine Konsequenzen: An die Stelle der Prüfung von wissenschaftlichen Urteilen tritt dann der Autoritätsbeweis. Da werden Kant und Habermas, Descartes und Popper, Keynes, Weber und andere Giganten des Geisteslebens weniger deswegen zitiert, weil ihre Theorien jeder kritischen Überprüfung standhalten würden und sich deswegen auf ihnen aufbauen ließe. Sie als Quelle zu benennen soll den Schreiber vielmehr als jemanden ausweisen, der die gültigen Geistesgrößen studiert hat, und der bereits darüber den Bonus kassieren kann, im Fahrwasser dieser wissenschaftlichen Riesen, mithin auf richtigem Kurs zu segeln. Da ersetzt der gute Name des Wissenschaftlers die Prüfung seiner theoretischen Absonderungen.
Und wer als erster eine bestimmte These formuliert hat, an dem hängt sie ein für alle mal dran, der darf sich rühmen, der Erfinder gewesen zu sein; und wer sie nach ihm benutzt, hat das Copyright des Erstverfassers zu beachten. Erkenntnis wird auf diese Weise mit Hilfe des Rechts, also mit staatlicher Gewalt, wie ein Eigentum seines Autors behandelt. Die Erkenntnis darf zwar – wenigstens im Bereich der Geisteswissenschaften – benutzt, sozusagen ausgeliehen werden, sie „gehört” aber weiterhin dem Erstermittler. Deswegen können Plagiate, also nicht mit dem Hinweis auf die Quellperson gekennzeichnete Textpassagen auch Strafen nach sich ziehen: die Aberkennung des akademischen Titels oder für den Fall, dass ein Eid gebrochen worden ist(2) , sogar Haftstrafen. Verlangt ist in den Geisteswissenschaften also etwas anderes als offenen Fragen aus dem Bereich von Politik und Ökonomie, Recht und Familie etc. mit der Absicht nachzugehen, sie einer zutreffenden Klärung zuzuführen. Originalität ist verlangt, d.h. mutige, von Kreativität zeugende neue Gedanken und Modelle, die ohnehin niemand im akademischen Reich mit richtigen Gedanken verwechselt. Genau deswegen bedarf es der albernen Prüfung, inwieweit ein formulierter Gedanke nicht bereits einen Eigentümer hat, der benannt werden muss.
Dass diese Prüfung mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden ist – deswegen ist von „strengen Standards” die Rede – liegt daran, dass wissenschaftliche Erkenntnis, sei sich richtig oder falsch, ein geistiges und kein materielles Ding ist. Gegenständliches Eigentum – etwa ein Auto, die Stereoanlage oder eine Fabrik – steht dem Eigentümer per Rechtsverhältnis zu seinem ausschließlichem Gebrauch zu und geht in ein anderes Benutzungsverhältnis nur per Eigentumsübertrag über. Der bestimmte Gegenstand hat dann die Hände gewechselt, an ihm darf sich der neue Eigentümer, der dafür Geld losgeworden ist, erfreuen. Mit der Etablierung von geistigem Eigentum wird dagegen der Versuch unternommen, Erkenntnis, die einmal ersonnen überall und zu jeder Zeit und von jedermann an zueignen und zu benutzen ist, ohne dass sie damit dem ursprünglichen Entdecker verloren geht, rechtlich in den ökonomischen Kategorien des gegenständlichen Eigentums zu fassen. So absurd das ist – diese Zeilen etwa kann sich der Leser aneignen, ohne dass ihr theoretischer Gehalt dadurch aus meinem geistigen Arsenal verschwände – und so skandalös das ist – ihrer Natur nach allgemeine Erkenntnis, beliebig reproduzier- und anwendbar, wird per Recht seiner allgemeinen und damit allgemein nützlichen Natur beraubt -, so hat es doch seine kapitalistische Räson. Die wird besonders in den Naturwissenschaften deutlich, aber eben nicht nur dort.
Beim Dr.-Titel, dem Staatsexamen oder jedem anderen universitären Grad handelt es sich in erster Linie um Mittel in der akademischen Konkurrenz. Nur deswegen wird aus der nicht gekennzeichneten Abschrift einer Textpassage aus einem vorliegenden Werk – nehmen wir einmal an, sie habe dem „Plagiator” nur schlicht eingeleuchtet – ein Vergehen, ein unzulässiger Konkurrenzvorteil, der mit Rückstufung in der Konkurrenz oder gar Ausschluss aus ihr geahndet gehört. Der Ruf ist auf jeden Fall ruiniert. Was dem sachlichen Gehalt nach gar nicht vom Selbsterdachtem zu unterscheiden ist, wird dann per Fahndung – „GuttenPlag.Wiki” – nach sprachlicher und stilistischer Übereinstimmung als Diebstahl ermittelt. Wenn sich jetzt Professoren in offenen Briefen und TV-Statements um das Niveau des akademischen Betriebs sorgen , dann gilt diese ihre Sorge allein der Sicherung dieser Standards ihres Konkurrenzbetriebs. In ihren Olymp darf nur dem Einlass gewährt werden, der ihre geistige Autorität achtet und in jenen Maßen Originalität aufzuweisen hat, wie sie von einer Dissertation, in der die jeweilige Disziplin „um neue Gesichtspunkte” erweitert werden soll, erwartet wird. Ob der da Jahr für Jahr angelieferte Geistesmüll zutreffende neue Einsichten in gesellschaftliche Phänomene einhält, steht nicht zur Debatte. Wie auch!
Für die Naturwissenschaften gilt all dies einerseits ebenfalls, andererseits schlägt hier die kapitalistische Konkurrenz mit ihrer Eigentumslogik ungleich härter zu. In der Kategorie des Patents, das durch eine ganze Rechtsabteilung definiert und geschützt wird, fasst sich der Versuch von Unternehmen zusammen, sich die Benutzung neuer, Gewinne versprechender Entdeckungen und Erfindungen ausschließlich, d.h. gegen die Konkurrenz zu sichern. Auf diese Weise werden nützliche naturwissenschaftliche Erkenntnisse – die übrigens und ganz im Gegensatz den gesellschaftswissenschaftlichen Forschungsresultaten nur dann anwendbar sind, wenn sie stimmen – um ihre allgemeine Anwendbarkeit gebracht und ganz dem Kapitalinteresse an Vermehrung von Geld durch Entwicklung neuer Produkte und neuer Verfahren zur Steigerung der Produktivität des Unternehmens subsumiert. Ein Betrieb, der als erster ein neues Antriebssystem, ein noch schnelleren Prozessor oder ähnliches auf den Markt bringt, kassiert im Verhältnis zur Konkurrenz Extraprofite, schafft damit Konkurrenzverlierer – nebst all dem, was an menschlichem Elend an der Schließung von Unternehmen hängt. Daraus ergibt sich umgekehrt, dass hierzulande keine neue naturwissenschaftliche Entdeckung praktisch nutzbar wird, wenn sich nicht ein Kapital findet, das in ihr eine neue Gewinnquelle sieht – die Frage, ob so eine Entdeckung den Menschen nützen könnte, ihr Leben gesünder, die Arbeit leichter oder ihre Freizeit länger machen könnte, ist kein das Kapital umtreibender Gesichtspunkt. Und so ein Kapital findet sich nur, wenn die – wenigstens vorübergehend – exklusive Nutzung von Wissen als Patenteigentum gesichert ist. Naturwissenschaft im Kapitalismus wird nach Eigentumskategorien per Staatsgewalt ganz dem Eigentum an Kapital nützlich gemacht. Und in der Fabrik werden die Produkte von Naturwissenschaft in ihrer vergegenständlichten Form als Maschinen und Automaten dafür hergenommen, immer mehr Arbeit für immer weniger Geld aus immer weniger Arbeitskräften herauszupressen. Deswegen stellen Naturerkenntnis und Technologie hierzulande keinen Segen, sondern umgekehrt in ihrer privatisierten Kapitalform einen Schaden für den einkommensabhängigen Teil der Menschheit dar.
Um all das geht es beim Guttenberg-Plagiat. Und nichts davon ist Thema!
Fußnoten:
1)„Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“, Berlin 2009
2) Bei der Vorlage von Prüfungsarbeiten aller Art muss in der Regel beeidet oder erklärt werden, dass alle fremden Quellen gekennzeichnet worden sind.
PS 1: Guttenberg wird hier natürlich nicht verteidigt. Seine Dissertation, für die er sich inzwischen „entschuldigt” hat und auf dessen Dr.-Zierrat er verzichtet, wollte nun wirklich nicht mit ausufernder Abpinselei die Maßstäbe des herrschenden Wissenschaftsbetriebs kritisch aufs Korn nehmen. Wie auch: Als oberster Chef jener nationalen Behörde, die mit Krieg am Hindukusch kapitalistisches Privateigentum und Konkurrenzwirtschaft verteidigt.
PS 2: Der vorstehende Text beansprucht wie alle anderen GegenReden kein Copyright. Wem er einleuchtet, der soll ihn benutzen wie er mag. Wem er nicht einleuchtet, der soll sich melden bei: info@fhuisken.de. Denn so unwichtig bis störend beim Vortrag von einem Argument der Verweis auf den Autor ist, so interessiert es diesen doch, wenn ihm jemand einen Fehler in seinen Gedanken aufzeigt. Den will er korrigieren.

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Die tragische Bejubelung von Nasser und dem Militär in Ägypten

22. Februar 2011 Kommentare ausgeschaltet

Peter Decker hat bei der Nürnberger Ägypten-Veranstaltung nebenbei darauf hingewiesen, daß eine kommunistische Partei dort schon was anderes machen würde als die jetzige Volksbewegung. Ich meine, insbesondere müßte sie sich mit den wieder aufgekommenen Hoffnungen in das Militär auseinandersetzen, von dem sich gerade jetzt wieder viele dort eine Verbesserung der Verhältnisse erwarten. Als Material zum Thema hier zwei längere Zitate aus trotzkistischer Sicht:
„Illusions in the army run deep in Egypt, where military officers led by Nasser overthrew the despised British-backed monarchy in 1952. While Nasser, with the support of the Stalinist Communist Party, would lay claim to leadership of a mythical “Arab socialism,” he aimed from the beginning to crush the combative working class. One month after coming to power, Nasser seized on a textile workers strike in Kafr Al-Dawwar near Alexandria to deliver a dramatic blow to the workers movement. Two strike leaders were hanged on the factory grounds, the Communists were banned and strikes were outlawed. Subsequently, Nasser turned on his Communist supporters with a vengeance, rounding up almost every known leftist in the country.“
Aus “Egypt: Mass Upheaval Challenges Dictatorship”, Workers Vanguard No. 973
Etwas weiter ausholend zu Nasser, dem Militär-Volkshelden und der traurigen Rolle der Kommunistischen Partei in Ägypten
„Historically the political and cultural center of the Arab world, the land of the Nile is by far the most populous of all Arab countries. Egypt was also militarily the strongest state directly confronting Zionist Israel. Consequently, Egyptian strongman Colonel Nasser was the dominant figure of Arab nationalism in the 1950s and ’60s, intervening in and influencing developments in Syria, Iraq, Yemen and elsewhere in the Near East.
Two generations ago, Nasser was widely viewed as embodying a mythical “Arab Revolution” and a non-Communist “socialist” alternative for so-called “non-aligned” countries of the Near East, Asia and Africa. He burnished his “anti-imperialist” credentials through the 1956 Suez War in which he stood up to Israel, Britain and France. Yet the fact that enthusiasm for Nasser was so widespread was in no small part due to the Stalinists themselves helping to foster illusions in Nasser’s “Arab socialism.” In reality, Nasser came to power largely with the aim of crushing the combative Egyptian working class, which was mainly under the leadership of the Communists.
The upsurge of class struggle in Egypt at the close of World War II, while not reaching the levels of Iran and Iraq, nevertheless allowed the young Communist groupings, the most prominent being the Egyptian Movement for National Liberation (EMNL) founded by Jewish intellectual Henri Curiel, to achieve a measure of mass influence. The traditional Egyptian nationalist organization, the Wafd, had been widely discredited by its corrupt and oppressive rule during the war years, when it served as undisguised flunkies for British rule. As a mass upsurge against British occupation swept the country and workers increasingly asserted their power in strikes, the Communists were able to steadily displace the Wafd as the principal leadership of the labor movement, especially in textile, the country’s main industry.
In February 1946, a police attack on student demonstrators in Cairo resulted in the deaths of a number of students. On February 21, the Communist-led National Committee of Workers and Students called a strike, completely shutting down the country, in which several more demonstrators were shot dead. As the country erupted in strikes and demonstrations, a strike on March 4 again shut down the entire country. In Alexandria, British forces in league with Egyptian cops fired on the demonstrators, killing 28. Desperate to put a stop to the upsurge, the British announced they would withdraw their troops to the Suez Canal Zone. The government then launched a wave of repression, especially targeting Communist leaders.
Following the 1948 War, the discredited regime declared a state of siege, while mobs incited by the fascistic Muslim Brotherhood pillaged Jewish businesses, burned synagogues and slaughtered dozens of Jews. In at least one case, Communists organized the defense of a Jewish-owned store against the pogromists. As the mass expulsions and emigration of Jews began, among the first targeted were Henri Curiel and other founders and leaders of Egyptian Communism.
A wave of popular agitation against the British military occupation again erupted in October 1951 when the British ignored an edict by the Wafd government to withdraw from the Canal Zone. With the Egyptian government exposed as powerless, the Communists put themselves at the head of the tide of anti-British sentiment that swept the country. As government repression proved incapable of stemming the mounting strike wave, the Communists continued to extend their influence in the Greater Cairo textile union, the Cairo transport unions and elsewhere. By late 1951, the EMNL’s successor, the Democratic Movement for National Liberation (DMNL), had become the leading political force in the Egyptian labor movement.
In January 1952, an armed clash between British and Egyptian forces in the Canal Zone touched off rioting in Cairo in which much of the downtown commercial district was burned down. With the government totally discredited and virtually paralyzed, the country was increasingly polarized between the rapidly growing Muslim Brotherhood and the Communists. Student members of the Muslim Brotherhood carried out military training at the universities, driving around campuses in military jeeps and spraying machine-gun fire in the air to intimidate their opponents.
The DMNL also had a military section, but its work consisted of providing support for Nasser’s Free Officers Movement, a heterogeneous coalition in the military including Muslim Brothers, Wafdists and the DMNL. Nasser looked to the DMNL to print the Free Officers’ leaflets and perform other tasks. Meanwhile, the Free Officers provided military support to the Muslim Brotherhood for its “liberation battalions” in the Canal Zone. Central in this was Nasser’s comrade-in-arms (and future Egyptian president) Anwar Sadat, who in a 1952 newspaper interview praised Adolf Hitler as a great patriot who worked for the good of his people.
In July 1952, the Free Officers seized power, sweeping away the despised monarchy. The DMNL supported the military coup as an expression of the “national democratic movement.” The following month, when textile workers in Kafr Al-Dawwar near Alexandria went on strike, believing their leaders’ assurances that the new regime was on their side, Nasser threw down the gauntlet to the organized workers movement. Two strike leaders were arrested, condemned to death for “a grave crime against the state” and hanged on the factory grounds. The Communists were banned, strikes were outlawed and a corporatist regime of labor control was set up in which the trade unions were placed under effective control by the military regime.
Nasser’s nationalization of the Suez Canal in 1956 and the subsequent invasion of Egypt by Britain, France and Israel was a milestone in the postwar history of the Near East. Washington’s successful strong-arming of Britain and France to withdraw their troops confirmed U.S. imperialism as the top dog in the region. The U.S. was then intent on cohering the Baghdad Pact (CENTO), a regional anti-Soviet military alliance akin to NATO in West Europe. Standing at the head of a campaign against adherence by Arab governments to the Baghdad Pact, Nasser shifted to a pro-Soviet posture, while continuing his anti-Communist repression. Less than one month before nationalization of the Suez Canal, a military tribunal sentenced 40 Communists to prison terms of hard labor.
The establishment of closer relations between the Soviet Union and Egypt led to a Soviet reappraisal of Nasser, whose July 1952 coup was now described as an “anti-imperialist revolution.” The various Communist groups in Egypt, united by their enthusiastic support for Nasser, moved to fuse their forces. In their desire to ingratiate themselves with the rising tide of Nasser’s pan-Arab nationalism, the unified Communist Party of Egypt stipulated that Jews were prohibited from playing a leadership role in the party.
With the Egyptian Communists firmly under Nasser’s thumb, the nationalists in power in Syria sought a merger with Egypt in order to stifle the growing influence of the Syrian Communist Party. As in Egypt, the Syrian Communists tied themselves politically to bourgeois nationalists who showed themselves to be the workers’ worst enemies. The fiercely anti-Communist Syrian Ba’ath Party in power had adopted a “left” stance. Resisting Western pressure to join the Baghdad Pact, it made overtures to the Soviet Union and welcomed the Communists into the ruling coalition.
The Syrian Communist Party continued to grow spectacularly, leading the three trade-union federations by 1957. While objecting to the proposed union with Egypt, the Syrian CP continued to hail Nasser as the “leader of the National Front of Arab Liberation.” But the formation of the “United Arab Republic” under Nasser’s leadership in 1958 led to the suppression of the powerful Syrian CP, then the largest in the Near East, and the arrest of its leaders and hundreds of members.
The next year, Nasser turned on his Egyptian Communist supporters with a vengeance, rounding up almost every known leftist in the country. The Communists in prison were humiliated, tortured and pressured to repudiate their political ideas. Yet even as their comrades were beaten to death or left to die for lack of medical aid, the Communists maintained their political support for Nasser.
During its diplomatic alliance with Nasser’s military bonapartist regime, the Kremlin Stalinists showered Nasser’s capitalist Egypt with more anti-aircraft missiles and other military equipment than they gave to North Vietnam as the Vietnamese workers and peasants waged a heroic—and ultimately victorious—struggle against U.S. imperialism. Not surprisingly, the bourgeois-nationalist Nasser ultimately turned against his Soviet patrons. In the 1970s, his hand-picked successor, Anwar Sadat, brought Egypt fully into the fold of American imperialism.“
Aus “Near East, 1950s – Permanent Revolution vs. Bourgeois Nationalism” Workers Vanguard Nos. 740-741

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21.03.2011: Veranstaltung des GSP zu Tunesien und Ägypten in Berlin

22. Februar 2011 Kommentare ausgeschaltet

Tunesien, Ägypten:
Das Volk stürzt seine alten Machthaber. Der Westen ruft nach „Stabilität“ und „Demokratie“. Was ist da los?

Referent: Manfred Freiling
Zeit: Montag, 21.03.2011, 19:30 Uhr
Ort: Haus der Demokratie, Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin
Veranstalter: GegenStandpunkt Verlag
Der Ankündigungstext lautet:
1. Bei aller Unterschiedlichkeit der Motive und sozialen Lage: Die Massen protestieren gegen ihr „korruptes Regime“ und stellen die Machtfrage; nach Hause gehen sie erst als die alte Staatspartei abtritt. Sein Ziel erreicht hat die Aufruhr bekanntlich deshalb, weil sich das Militär diesmal „an die Seite des Volkes“, jedenfalls nicht gegen es, gestellt hat und nun den „friedlichen Übergang“ zur nächsten Staatsführung sichern will. Was ist das für eine „Revolution“, die – fürs erste – damit beendet ist, dass die Demonstranten auf eine neue Herrschaft hoffen dürfen, die das Land besser regiert?
– Was waren und sind das für soziale Verhältnisse, in denen die Leute da unten ihr Leben fristen müssen?
– Gegen was für eine Sorte Herrschaft haben sie aufbegehrt? Worin bestand das „System Mubarak“ oder „Ben Ali“?
– Welche Rolle spielte und spielt das Militär in diesen Nationen?
2. Es steht hier in jeder Zeitung: Die Regierungen in Amerika oder Europa haben die Revolte weder bestellt noch vorbehaltlos begrüßt; denn es waren „ihre“ Regime die angegriffen wurden. Die Mubaraks der Region sind klassische Kreaturen der Freien Welt und haben die Dienste, für die man sie ausstattete, vorbildlich erledigt: Der „innere Friede“ wurde mit der Unterdrückung von Hungeraufständen und jeglicher Opposition sowie dem Bau von Flüchtlingslagern sachdienlich durchgesetzt. Jetzt sorgt sich der Westen um „Stabilität” in Nordafrika: Was ist damit gemeint?
– Für welche „vitalen Interessen“ des Westens waren unsere Diktaturen in der „Krisenregion“ eigentlich gut?
– Was sind das für weltpolitische Dienste, deren „Stabilität“ ihre Nachfolger verlässlich(er) garantieren sollen?
– Wofür steht die Forderung Obamas oder Merkels nach „Demokratie“ und „freien Wahlen“?

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Peter Decker: Das bringt nichts! (mit den Linken)

20. Februar 2011 5 Kommentare

Bei der Diskussionsveranstaltung am 17.02.2011 in Nürnberg über Tunesien und Ägypten hat es (seit längerem mal wieder, sowas ist bei GegenStandpunktveranstaltungen extrem selten) eine Intervention von klassischen sagen wir mal Partei- und Antiparteilinken gegeben. Und ganz gegen Peter Deckers berühmte didaktische Langmut, noch auf jeden bürgerlichen liberalen Freiheitsfreund einzugehen, hat er diese zwei Mitdiskutanten brüsk und geradezu verärgert kurz abgebürstet:

Peter Decker: … Daß eine Meinungsbildung darüber, woran es eigentlich liegt, daß es einem schlecht geht, fehlt.
„Parteilinker“: Diese Bewegung kann sowieso nicht viel erreichen im Sinne, die Verhältnisse zu ändern. Das wird es nur geben, wenn die Arbeiter sich richtig organisieren. („Antipartei-linker“:Und Massenstreiks und Generalstreiks organisieren). Wenn es Besetzungen von Betrieben von Produktionsmitteln gibt und Fabrikkomitees.
Peter Decker: Ihr denkt euch das immer so mit dem Formalismus: Arbeiter, Arbeiter, Arbeiter! Denn wenn die das machen, dann ist das schon richtig. Aber auch die machen jede Menge Blödsinn. Es werden in Ägypten auch eine Menge Arbeiter bei den Massenprotesten dabei gewesen sein. Also liegt es nicht daran, ob es Arbeiter sind, sondern was die Leute meinen, was die Ursachen des Übels sind, mit denen sie konfrontiert sind. Und was sie deshalb meinen, was an dessen Stelle muß.
„Parteilinker“:Es geht um die Produktionskräfte. Es geht nicht um „Volksbewegung“, dann kannst du 1989 auch toll finden, wo auch Millionen auf der Straße waren. Was haben die erreicht? Der Gravitationspunkt liegt in den Betrieben. Und das ist keine Aufklärungsgeschichte, sondern das ist kollektive Erfahrung, wo Arbeiter miteinander kämpfen, anfangen zu kämpfen, Schritt für Schritt sich radikalisieren mit Hilfe auch der radikalen Arbeiter, der revo-lutionären Arbeiter, die mitten drin in den Streiks und der Bewegung versuchen, diese nach vorne zu tragen. Und nicht Veranstaltungen da organisieren und sagen, kommt zu uns, wir klären das alles auf.
„Antiparteilinker“: Und es ist schon ein Unterschied, fremd- oder selbstorganisert. Weil gerade, wenn man für eine klassenlose und herrschaftsfreie Gesellschaft kämpft, gerade deswegen muß doch von Anfang an die Bewegung selbstorganisert sein, weil Partei heißt ja logischerweise wieder nichts anderes als in die politische Sphäre zu gehen, an die Staatsmacht, statt die Staatsmacht zu zerschlagen. Da hat er schon recht: Das kann nur von unten kommen! Weil, wenn es wirklich mit Generalstreiks anfängt wie 1917 in Rußland, wo wirklich Fabrikkommittees da waren, dann ist es schon wieder eine ganz andere Situation, als wenn die Leute nur auf der Straße herumlaufen, da kann es nur so eine Ein-Punkt-Volksbewegung sein, wie in Stuttgart 21 heute. Das kann ja dann nur scheitern.
Peter Decker: Mir ist das jetzt zu phrasenhaft. Ich hab das jetzt irgendwann auch mal satt, dass man immer gesagt bekommt, dass muß von „unten“ kommen und nicht von „oben“. Es muß von den Arbeitern kommen und nicht von sonst wem. Das ist langweilig.
„Parteilinker“: Na klar, für Nichtarbeiter ist so was immer „langweilig“!
Peter Decker: Jaa, Jaa, lassen wir den Punkt, das bringt nichts, das ist öde.
„Parteilinker“: Wie sollen die Menschen die zukünftige selber Gesellschaft gestalten, wenn die nicht lernen? Mitten drin in dem Prozeß die Leute aufklären, das soll es sein?
Peter Decker: Lassen wir den Streit, es bringt nichts. Hör einfach auf, das taugt nichts! Das bringt deswegen nichts, weil außer dem Moralismus, von „unten“, die „echten Arbeiter“, „man muß das alles im Prozeß erlernen“, usw, außer diesem Zeugs kommt da nichts.

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Volksaufstände gegen Diktatoren des freien Westens

11. Februar 2011 1 Kommentar

Der folgende Artikel ist gespiegelt von vonmarxlernen.de und massiv nachformatiert

Im Maghreb und rund um die arabische Halbinsel versuchen die Völker, ihre alten Machthaber zu verjagen. Ihre Lebensumstände, bei meist kargem Verdienst und steigenden Preisen über die Runden kommen zu müssen, haben sie satt. Die Herrschaft, die ihnen diese Lebenslage auferlegt und sie gewaltsam absichert, die seit Jahrzehnten regierende Staatspartei und deren Repräsentanten, wollen sie loswerden. Die soziale Frage eskaliert damit zur Machtfrage.
Objektiv haben es die Rebellierenden mit gleich zwei Adressen zu tun: Direkt mit ihrer Staatsgewalt, die ihr Land kapitalistisch „modernisiert“, die Bevölkerung dafür eingespannt und wegen der daraus resultierenden Verarmung und Unzufriedenheit unterdrückt hat; indirekt aber auch mit jenen auswärtigen Mächten, die in und an diesen Staatswesen „vitale Interessen“ haben. Deutsche Firmen nutzen Billiglöhne für ihren Profit, Multis aus USA oder Frankreich widmen sich geschäftsmäßig den reichhaltigen Rohstoffvorkommen, die nordafrikanische Landwirtschaft wird ganz nach den Maßgaben europäischer Importbedürfnisse hergerichtet, die „Festung Europa“ schätzt die Hilfe lokaler Potentaten zur Unterbindung unerwünschter Flüchtlingsströme nach Spanien und Italien. Auf den Dienst an diesen weltmächtigen Interessen haben sich die Präsidenten in Tunis und Kairo aus eigenem Kalkül, zur Stärkung ihrer jeweiligen Nation, festlegen lassen. Aus ihm beziehen die Ben Alis und Mubaraks, ergänzt um Milliarden Dollar oder Euro für Militärhilfe, die Ressourcen für ihren nationalen Aufbruch und die Pfründe ihres Machtsystems. Die Regierungen in Tunesien und Ägypten wollen ihre Staaten zu regionalen Machtbastionen ausbauen, an denen keiner vorbei kommt.

***

Jetzt ist die ganze Region in Unordnung. Die Massen fordern nicht nur „Gerechtigkeit“, sie rufen auch nach „Freiheit und Demokratie“, weil ihr Leben und Überleben in allen Fragen von der persönlichen Macht eines „Diktators“ abhängig war. Sie eint in ihrem Protest die Parole „Verschwinde!“ (mit der sie nicht die Person allein meinen) – über all ihre politischen und sozialen Unterschiede und Gegensätze hinweg.

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Revolution in „unseren“ arabischen Diktaturen

9. Februar 2011 Kommentare ausgeschaltet

Noch ein GSP-Text zu Nordafrika:
„Im Maghreb und auf der arabischen Halbinsel versuchen die Völker, ihre alten Machthaber zu verjagen. Das Leben, bei meist kargem Verdienst und steigenden Preisen über die Runden kommen zu müssen, haben sie satt; die Herrschaft, also die seit Jahrzehnten regierende Staatspartei, die diese Lebensumstände gegen sie durchsetzt, wollen sie loswerden; die soziale Frage eskaliert zur Machtfrage. Dabei haben es die Demonstranten mit gleich zwei Adressen zu tun:
Direkt mit der Staatsgewalt, die ihr Land kapitalistisch „modernisiert“, innenpolitisch „stabilisiert“ und ihre Leute dafür eingespannt und unterdrückt hat; indirekt aber auch mit jenen auswärtigen Mächten, die in und an diesen Staaten „vitale Interessen“ haben. Die gesamte Region ist als Bollwerk gegen den sog. „Islamismus“ hergerichtet, Ägypten als pro-israelische Friedensmacht aufgerüstet, deutsche Firmen nutzen afrikanische Billiglöhne für ihren Profit, Multis aus USA oder Frankreich widmen sich geschäftsmäßig den reichhaltigen Rohstoffvorkommen, die tunesische Landwirtschaft wird ganz nach den Maßgaben europäischer Importbedürfnisse hergerichtet, die „Festung Europa“ schätzt die Hilfe lokaler Potentaten zur Unterbindung unerwünschter Flüchtlingsströme nach Spanien und Italien usw. usf. Auf diese Dienste an diesen weltmächtigen Interessen haben und wollten sich die Präsidenten in Tunis und Kairo festlegen lassen. Daraus, ergänzt um Milliarden Dollar oder Euro für Waffenimporte und Militärhilfe, beziehen die Ben Alis und Mubaraks die Pfründe ihrer Macht.
Jetzt ist die ganze Region in Unordnung. Die Massen rufen nach „Freiheit und Demokratie“, weil sie sich von einer anderen Herrschaft ein besseres Leben versprechen; sie erzwingen den Regierungswechsel in Tunesien und verlangen den sofortigen Rücktritt Mubaraks; die alten Chefs und ihre Cliquen reisen aus oder kleben am Amt; in letzter Instanz hängt alles daran, wie sich das Militär entscheidet. Und diese Entscheidung fällt nicht nur vor Ort, sondern auch im „freien Westen“, nicht zuletzt hierzulande.
Die Antwort der kapitalistischen Führungsmächte des Westens ist bezeichnend. Sie ergreifen Partei: gegen „Diktatur“ und „Korruption“, also gegen ihre eigenen Kreaturen; für „Bürgerrechte“ und „Gemeinwohl“, also eine Herrschaftsform nach hiesigem Muster; v.a. aber gegen Anarchie und für Stabilität im „arabischen Krisengürtel“. Mit einer Parteinahme für die Anliegen des Protests ist das nicht zu verwechseln. Erst recht nicht mit dem Eingeständnis, dass ihre Interessen auf genau diese Weise bedient wurden: Die Rolle pro-westlicher und anti-islamischer Marktwirtschaften in Nordafrika war ohne Hunger, Elend, Gleichschaltung und Staatsterror nicht zu haben, mit aber lange sehr gut! Diese Gleichung funktioniert jetzt nicht mehr; deshalb distanzieren sich die Paten in Europa und USA von den alimentierten Statthaltern ihrer Interessen und plädieren für den „Wandel“: Die Sorge um das „Pulverfass Nahost“ gilt erklärtermaßen der Sicherung der Dienste, die Regierende wie Regierte für die Metropolen der Freien Welt zu erfüllen haben; und dafür ist die „Gewähr von mehr Freiheit“ offenbar gerade recht. Im Angesicht eines Aufruhrs gegen ihre „Autokraten“, den sie nicht bestellt haben, empfehlen Obama, Sarkozy oder Westerwelle Demokratie – nicht als Alternative, die Leute besser zu behandeln, sondern als alternative Herrschaftsmethode, „Ruhe & Ordnung“, also einen Übergang zu neuen, stabilen Verhältnissen für die Bedienung ihrer ökonomischen und strategischen Interessen herzustellen.“
[der Ankündigungstext für eine Veranstaltung in Marburg am 16.02.2011]

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Zum „geregelten Übergang“ in Nordafrika a la Merkel

5. Februar 2011 Kommentare ausgeschaltet

Dieser Tage sind von den verantwortlichen Demokraten in Politik und Medien ungewöhnliche Bekenntnisse über Gehalt und Nutzen ihrer Liebe zur demokratischen Staatsform zu hören: Sonst belehren sie das Publikum, dass das Leben nicht lebenswert, Umsturz Recht und Pflicht der Unterdrückten ist, wo die Staatsgewalt nicht nach den Regeln der Demokratie über das Volk ausgeübt wird. Staaten, die ihnen nicht passen, wie Weißrussland oder China sprechen sie das Prädikat Volksherrschaft ab: Die dortigen Führer üben keine legitime Macht über das Volk aus. Dort entlarvt man Scheinwahlen, prangert Unfreiheit und politische Unterdrückung an, finanziert die Opposition, schürt Subversion und Aufruhr.
Wenn in arabischen Diktaturen die Massen sich gegen ihre Unterdrücker erheben, sieht die Sache anders aus: Da verursacht der Volkszorn über Foltergefängnisse, Hunger und Perspektivlosigkeit eher Sorgen. Westliche Politiker fürchten um die Stabilität der Region, um die Westorientierung der betreffenden Staaten, ihre Israel-Freundlichkeit und die Unterdrückung des politischen Islam, die sie bisher so zuverlässig geleistet haben. Die arabischen Diktaturen waren nicht nur nützlich, sie waren Geschöpfe der USA und der EU, von ihnen eingerichtet und ausgehalten; man hat sie mit Demokratie-Genörgel und Menschenrechts-Anklagen verschont, stattdessen mit dem Geld und den Waffen versorgt, die nötig waren, um Mubarak, Ben Ali und andere gegen Widerstände an der Macht zu halten. Deren Staatsterror hat nicht nur überhaupt Stabilität garantiert, sondern die Stabilität, die die USA in der Nachbarschaft ihres engsten nahöstlichen Verbündeten und die EU am Südrand ihres Machtbereichs brauchen.
Wenn die Kerle das aber nicht mehr hinkriegen, wenn ihnen die Unterdrückung ihrer Massen nicht mehr gelingt, dann ist Schluss mit der Dankbarkeit der großen Demokratien für ihre Diktatoren. Merkel, Sarkozy, Obama haben lange gewartet, ob die Regimes sich würden halten können. Seitdem aber klar ist, dass sie scheitern, wissen unsere Edeldemokraten, was für unfähige Bluthunde sie an ihrem Busen genährt haben.
Jetzt fordern sie, dass in den arabischen Ländern ein “geregelter Übergang” zu neuen nationalen Führern organisiert wird, die erstens Weltmarkt-orientiert, Israel-freundlich, anti-islamistisch sein müssen, und die zweitens “unsere” Stabilität besser gewährleisten, weil – jedenfalls solange – das Volk ihnen williger folgt als den alten Herren. Das ist dann Demokratie.
Abgesehen vom imperialistischen Problem, das die Umwälzungen in Nordafrika darstellen, wird sich der Vortrag mit der Ökonomie und den Lebensbedingungen befassen, die die Anbindung dieser Länder an den EU-Kapitalismus geschaffen hat; sowie mit der Sorte “Revolution”, die sich durch die Vorwürfe der Aufständischen an die alte Führung und ihre Ansprüche an eine neue charakterisiert.
Aus der Einladung zu einer Diskussionsveranstaltung in Nürnberg der SG Sozialistische Gruppe – Hochschulgruppe Erlangen Nürnberg
am Donnerstag, 17.2.11, 20 Uhr
Ort: Festsaal des K4, Nürnberg
Veranstalter: GegenStandpunkt-Verlag

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Unsere Medien und die Kämpfe für eine gerechte Herrschaft in Kairo und anderswo:

5. Februar 2011 Kommentare ausgeschaltet

Berechnende Grußadressen an die Aufständischen

Zunächst hat man die Unruhen in Tunis und dann in Kairo eher irritiert als Störung aufgenommen, die man noch nicht richtig ins eigene Weltbild einordnen konnte. Inzwischen kriegen sich die Berichterstatter aus Kairo, Tunis und anderen Schauplätzen in Nordafrika und Nahost gar nicht mehr ein, so klar und leidenschaftlich ist ihre Parteinahme für „Revolution“ und „Tyrannensturz“:

Ja, endlich wehren sich die Volksmassen gegen ein Leben in Armut, gegen ihre Unterdrückung durch finstere Herrscher, die sich in einem System von Günstlingswirtschaft und Korruption persönlich bereichert haben – auf Kosten der kleinen Leute! Eine Riesenheuchelei! All die Jahre haben unsere Meinungsprofis als landesübliche Normalität abgebucht, was sie jetzt, ab dem Moment, wo die Volkserhebung bereits eine neue politische Lage herbeigeführt hat, die nicht mehr so leicht rückgängig zu machen ist, als „unerträgliche Zustände“ qualifizieren, gegen die mit vollem Recht aufbegehrt wird. So lange diese Regime fest im Sattel saßen und ökonomisch und politisch nützlich waren, fanden sie es gut und sinnvoll, dass die hiesigen Regierungen mit den „Autokraten“ Handel und Wandel trieben, sie mit Geld und Waffen ausstaffiert und sie als Garanten von „Stabilität“ hofiert haben. Jetzt, wo alles ins Kippen kommt, sind sie unzufrieden und fordern entschiedenes und rasches Umdenken in Berlin, Paris oder Washington. Sie bringen es aalglatt fertig, ihre eigenes Bejahen der Regime im arabischen Raum im Nachhinein damit zu kaschieren, dass sie ihren Regierungen vehement Versäumnisse vorwerfen, mindestens einen Mangel an vorausschauender Außenpolitik attestieren oder gleich eine glaubwürdigkeitsschädigende Kumpanei mit unwürdigen Verbündeten nachsagen.

Bei alledem ist und bleibt die Parteilichkeit – nicht für die Aufständischen, sondern – für ihre Regierungen und deren Erfolgsaussichten in der aufgewühlten Region – der klare Maßstab ihres Nachdenkens. Dass das so ist, merkt man gerade auch an der Besprechung der Volkserhebungen. So sehr man sie neuerdings begrüßt und den gerechten Zorn des Volkes feiert, das sich seine alten Herrscher vom Hals schaffen möchte, so klar und deutlich wird die Sorge ausgedrückt, dass es beim Chaos auf den Plätzen nicht bleiben darf. Stattdessen muss schnell eine neue Ordnung errichtet werden, und zwar eine Ordnung, die im westlichen Sinne funktioniert. Arschklar ist unseren Revolutionsfreunden aus den Redaktionsstuben, in welche Richtung eine Volkskritik an verkehrter Herrschaft gehen soll und welche Überlegungen nicht aufkommen dürfen, wenn das Volk sich für einen Moment lang so benimmt, als sei es das Subjekt seiner Verhältnisse.

Hinter der Pose der Unterstützung einer gerechten Revolte steckt nichts als der Wunsch, sie im gewünschten Sinne zu beeinflussen. Fürs erste verlegt man sich darauf, sie im gewünschten Sinne zu interpretieren und die eigenen Forderungen an den Aufstand in diese Interpretation mit hineinzupacken. Was die Aufständischen denken und wollen sollen und was nicht, geben die Berichterstatter jederzeit kund und krallen sich jeden, dessen sie habhaft werden können, als Beleg dafür, dass die „Kämpfer für ihre Träume“ schon mehr oder weniger auf dem richtigen Weg sind.

• Keinesfalls dürfen die Massen aus ihren gerade in letzter Zeit immer elender werdenden Lebensumständen den Schluss ziehen, dass diese eine Folge der importierten Marktwirtschaft sind, deren Geltung inzwischen dafür gesorgt hat, dass in Nordafrika Gemüse für Europa angebaut wird und nicht mehr Getreide für den heimischen Bedarf, dass mit den wachsenden Geschäften europäischer Konzerne und der Bereicherung einiger Partner mit Firmensitz in Sfax oder Alexandria die Arbeitslosigkeit und die Lebensmittelpreise nach oben schießen. Gut gelitten hingegen ist die Deutung der Lage, nur den Kontrast zwischen der Verarmung der Leute und der Verschwendungssucht seiner Herrscherclique und der Günstlinge zum Skandal zu erklären. Diese Kritik am Elend und der Perspektivlosigkeit auch gut ausgebildeter Bürger hat den Vorteil, dass man nicht mehr verlangt als eine neue saubere Herrschaft, die kein Geld auf ausländische Konten schafft, sondern sich ernsthaft ums allgemeine Wohl, also um ihr Volk kümmert. Die Protestler sollen sich also partout den Irrglauben halten oder zulegen, ein Staatschef, der keine Millionen beiseite schafft, sondern wirklich alles in seiner Macht Stehende tut, um sein Land und die dort lebenden Menschen auf Vordermann zu bringen, würde unter den Bedingungen des kapitalistischen Weltmarkts etwas anderes zuwege bringen als die Bereicherung einiger und die bleibende Armut der vielen.

• Neben Gerechtigkeit sollen die Massen nach Freiheit und Demokratie streben, als wäre eine andere Regierungsform das Allheilmittel gegen alle ihre Sorgen. Dabei gäbe es jede Menge Anhaltspunkte für den Verdacht, dass die Demokratie, auf die sie die westlichen Unterstützer als Ziel aller Träume festlegen wollen, womöglich nur eine neue Herrschaftstechnik ist, um sie und ihre Interessen unterzuordnen. Sie sollen nicht argwöhnisch werden, auch wenn die hundertprozentig demokratischen westlichen Politiker bis gestern staatliche Repression gegen jede unerwünschte Opposition in ihrem Land politisch und materiell unterstützt haben. Es soll ihnen auch nicht zu denken geben, wie sich diese Demokraten aus den westlichen Hauptstädten demokratischen Fortschritt in Kairo und Tunis allenfalls vorstellen mögen: Falsche Fuffziger aus Sicht des Westens wie Islamisten oder Kommunisten dürfen ja wohl auf gar keinen Fall profitieren, egal, wie viel Wählerstimmen sie sich demnächst auf die Fahnen schreiben dürfen – von wegen Volkes Wille geschehe! Dass sich westliche Beobachter seit langem den Kopf zerbrechen, ob arabische Durchschnittsmenschen überhaupt „reif“ für eine Demokratie sind, in der man die gewählten Politiker zwar mit Vertrauen ausstatten, aber nie daran messen darf, ob ihre Taten nur der Nation oder auch den eigenen kleinlichen Interessen gut tun, wäre auch so ein Verdachtsmoment. Oder das gerade sehr im Kurs stehende Argument, die Demokratie dafür hochzuhalten, dass sie mit ihren Sitten und Gebräuchen, von der wohlorganisierten Meinungsfreiheit bis zur Betätigung des Volkswillens im staatskonstruktiven Sinn, die „stabilere“ Herrschaftsform darstellt – verglichen mit patriarchalischen Diktaturen: Nein, daraus hat man nichts zu lernen. Man soll umgekehrt froh und zufrieden sein, wenn einem mehr Demokratie die altbekannten Formen der Bespitzelung oder Schikanierung erspart, mit denen die bisherigen Statthalter der großen Demokratien im freien Westen den Alltag in Nordafrika versüßt hatten.

Die Massen, die jetzt gerade ihre Köpfe hin
halten, sollen – wenn es nach unseren Journalisten geht – einen interessanten Spagat hinlegen: Sie sollen sich ihre Wut und Unzufriedenheit aus dem Leib schreien. Sie sollen, falls unumgänglich, auch ihre Regierungen hinwegfegen, sich dann allerdings schnell und unauffällig wieder mit denselben sozialen Verhältnissen wie vorher zufrieden geben. Wenn Meinungsfreiheit und Wahlen dafür
taugen – okay! Wenn darüber aber Feinde der Freiheit (unserer, versteht sich!) ans Ruder kommen, geht das natürlich zu weit. Unsere Journalisten wissen da genau Bescheid und drücken den Völkern die Daumen, dass sie ihren komplizierten Part richtig machen.

Den Rest sollen ihrer Weltsicht zufolge eh die eigentlichen Zuständigen aus den freien Hauptstädten der zivilisierten Welt erledigen: Sie müssen den Volksaufstand zu Ende bringen, indem sie eine passende neue Herrschaft installieren helfen.

[gespiegelt von vonmarxlernen]

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Die Massen halten es nicht aus in Eurafrika

1. Februar 2011 42 Kommentare

Revolten in Algerien, Tunesien und Ägypten

1
Angesichts des Aufstands in Nordafrika lernen wir täglich, dass Demokratie eine komplizierte Sache ist. Die Rede von der Herrschaft des Volkes heben sich europäische Politiker lieber für die heimischen Nationalfeiertage auf. Wenn die Massen, wie in Tunesien und Ägypten auf die Straße gehen, um ihre Regierungschefs zum Teufel zu jagen, hüten sich Merkel, Sarkozy und Obama vor falscher Parteilichkeit: Niemals würden sie den zornigen Massen einfach Recht geben und Ben Ali oder Mubarak ihrerseits auffordern, das Land zu verlassen. Denn diese Figuren sind ihre Kreaturen und Europas schöne demokratische Ordnung ist untrennbar verbunden mit dieser Herrschaft. Auch wenn sie das gar nicht so wahrnehmen, rennen die Aufständischen dort unten deshalb auch gegen europäische Interessen an. Deshalb steht für Europa und den Westen viel auf dem Spiel, wenn ein „Diktator“ wie in Tunesien die Staatsmacht einfach aus der Hand gibt – denn die ökonomischen und sozialen Verhältnisse in diesen Ländern sind in Absprache mit und unter Anleitung der EU zustande gekommen.
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03.02.11 ¦ Berlin ¦ Huisken: Schulnoten: Jeder kritisiert sie, keiner will sie abschaffen!

27. Januar 2011 Kommentare ausgeschaltet

Freerk Huisken vom GegenStandpunkt wird sich wieder mal in Berlin die Schule vorknöpfen und eine Vortrag an der FU in Berlin halten mit dem Thema:
Schulnoten: Jeder kritisiert sie, keiner will sie abschaffen!
Zeit: Donnerstag, 03.02.2011, 18:00 Uhr
Ort: Freie Universität, Silberlaube Seminarzentrum (Raum L115), Berlin
Veranstalter: Ini Lehramt und das Sozialreferat des AStA FU
Die Berliner GSP-Gruppe Kein Kommentar kündigt die Veranstaltung so an:

Notengebung: Jeder kritisiert sie, keiner will sie abschaffen! Was auch kein Wunder ist, denn alle gängigen Beschwerden über die Ziffernnoten in der Schule nehmen Partei für den Zweck, dem sie dienen:
– Wer Noten für wenig aussagekräftig hält, der will die schulische Herstellung von Unterschieden zwischen den Schülern nicht angreifen, sondern nur besser begründen.
– Wer die Ziffernnoten mit ihrem Raster von 1 bis 6 für zu grob erklärt, der möchte die Sortierung des Nachwuchses nach Gymnasium und Restschulen nicht kritisieren, sondern bis auf zwei Stellen nach dem Komma genau ausrechnen.
– Wer die Notengebung für ungerecht erachtet, der hat nicht etwa entdeckt, dass bei ihr die individuelle Leistung gar nicht für sich beurteilt wird, sondern der ist erst zufrieden, wenn jeder Schüler zufrieden ist, d.h. sich einbildet, seine Note würde seine Leistung gerecht ausdrücken.
– Und wer schließlich den durch Notengebung erzeugten Konkurrenzdruck beklagt, der hat sie wirklich nicht mehr alle: Wie soll denn ein Lernen für Noten, das jeden Schüler zwingt, besser zu sein als seine Mitschüler; das ihn dazu anhält, sie auszustechen, ihnen den Schulerfolg, den man selber erkämpfen will, zu bestreiten und zwar mit allen hässlichen, aber in der Konkurrenz üblichen Mobbing- und sonstigen Techniken;….wie soll das alles ohne Konkurrenz und den Druck, der nun einmal dazu gehört, veranstaltet werden?
Warum das so ist und warum sich daran bei allen Schulreformen nichts geändert hat, das lernen angehende Lehrer nicht. Sie werden eben nur darauf vorbereitet, es zu machen – per diagnostisch ausgefeilter Notengebung Schicksal spielen. Und dabei dürfen sie ganz fürchterlich auf die Notengebung schimpfen. Das haben sie im Studium gelernt. Im Job lernen sie dann noch die nächste Lehrerkritik an den Noten: Die Zensurengebung würde sie daran hindern, ihrer eigentlichen Profession, der Erziehung und Bildung, nachzugehen. Von wegen „hindern“!
Die Verteilung des Nachwuchses auf die ganz gegensätzlichen Karrieren der Klassengesellschaft ist zentraler Gehalt von Erziehung und Bildung in der hiesigen Staatsschule.

Diese Veranstaltung ergänzt Thesen, die Freerk Huisken z.B. letztes Jahr auch an der FU vorgetragen hat unter dem Titel: Wieso, wes­halb, warum macht die Schu­le dumm?
Nach- oder Vorlesen kann man Freerks Kritik in seinem Standardwerk
Erziehung im Kapitalismus
Von den Grundlügen der Pädagogik und dem unbestreitbaren Nutzen der bürgerlichen Lehranstalten

[Update: Bei archive.org kann man auch einen Mitschnitt mit besserer Tonqualität runterladen, die vom Sozialreferat veröffentlichte Version ist leider wieder mal sehr stark komprimiert worden.]

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Der Antikommunismus kommt auch ohne Kommunisten aus

24. Januar 2011 1 Kommentar

Mit diesem bitteren Wortspiel bringt vonmarxlernen.de die Gesine-Lötzsch-„Debatte“ treffend auf den Punkt:

Linken-Parteichefin Gesine Lötsch darf auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz eine Rede halten. Sie will die links-idealistische und gerade deshalb stets etwas enttäuschte Wählerschaft umwerben. Lötsch veröffentlicht im Vorfeld einen Artikel in der Jungen Welt und spricht da, wie jeder gute Parteivorsitzende bei einer solchen Gelegenheit, über die hochgesteckten Ideale, die der schnöden praktischen Politik – die bei allen möglichen, auch weltverbessernden Nuancen nun mal Verwaltung und Förderung des Kapitalismus und seiner Opfer heißt! – irgendwie zugrunde liegen und diese deshalb adeln sollen. Zwar ist es schon ein wenig komisch mit diesen Idealen, denn die sind ja qua Definition Ziele, die man nie erreicht – das soll aber nach allgemeinem Verständnis gar nicht gegen sie sprechen, sondern macht sie gerade so beliebt.
Was für Westerwelle der „Liberalismus“, für Seehofer die „christliche Werte“ sind, ist für die gute Gesine im Kontext dieser linken Konferenz der „Kommunismus“ – die über allem schwebende schöne Idee. „Wege zum Kommunismus“ seien es, die ihre Partei noch immer suche – das Treiben der Linken in Regierung und Opposition also „eigentlich“ als Weg in eine glücklichere Zukunft ohne Klassen und Herrschaft zu begreifen.
Der Zweck der Chose ist ebenso abgefeimt wie klar: Die Linkenchefin will ein Deutungsangebot liefern, das man sich zur Politik ihrer Partei dazu denken kann. „Seht es doch mal so, dass wir alle vom besten Willen zur Verbesserung der Welt beseelt sind. In diesem Ideal sind wir uns doch alle einig!“ Mit der Berufung auf die doch immer noch gültige schöne Idee will sie sich eine Art Generalabsolution einholen und so dafür werben, dass ein linkes Publikum ihre Partei auch dann wählt, wenn es sich über deren „Realpolitik“ in Berlin oder sonst wo erbost. Koalitionäres Gekungel, Regierungsbeteiligungen und das Mittragen „unsozialer“ Entscheidungen sind im Lichte eines höheren Ziels zu sehen, als mögliche (und unbedingt auszutestende) „Wege zum Kommunismus“ eben. Kritik daran verbaut diese interessanten Wege nur, ist falsch, dogmatisch, parteischädigend.
Genau so verlogen berechnend wie Gesine Lötsch daherkommt, fallen die Reaktionen der anderen Parteien und der freien Presse aus. Zwar wissen die gewieften Parteitaktiker und noch viel besser natürlich die professionellen Meinungsmacher sehr genau, dass die Linkspartei keine Systemkritik im Programm hat, sondern allenfalls an „neoliberalen“ (also für gar nicht systemnotwendig, sondern schlicht überflüssig gehaltenen) „Auswüchsen“ herumreformieren will und dass Lötsch parteiintern in diesem Spiel noch besonders für den „Realismus“ ihrer Mannschaft gegen alle linksmoralischen Phantasien kämpft. Voll gespieltem Entsetzen „entdecken“ sie aber alle mit viel Begeisterung eine Wölfin im Schafspelz. Hat man es nicht immer gesagt? Die Linkspartei tut nur demokratisch, marktwirtschaftlich und reformerisch – in Wahrheit aber glaubt selbst ihre biedere Vorsitzende an den Teufel.
***
Man könnte lachen über eine solche Geister-Debatte, die nun schon fast einen Monat lang mit schöner Regelmäßigkeit aufgewärmt wird. Das Lachen vergeht aber angesichts des totalitären Inhalts, mit dem da auf die Neuauflage der alten Tante SPD eingedroschen wird. Von wegen Gespenst! Kommunisten braucht es offenbar gar keine, um gegen sie zu kämpfen. Antikommunismus ist schlicht Staatsräson in Deutschland! Also kann man damit auch prima Stimmung machen gegen die „Linke“ und die lästige Konkurrenz, die überall partout verbessernd mitmachen will, nach Strich und Faden ausgrenzen. Über Kommunismus zu faseln, ohne ihn nach Strich und Faden zu verurteilen – das geht in der deutschen Bollwerk-Republik nicht. Das desavouiert ein für allemal, und wer das nicht begreift und sich auch noch auf Meinungsfreiheit oder ähnliche Mätzchen beruft, ist ein Fall für die Stasi, pardon: den Verfassungsschutz.

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[online] 20.11.2010 ¦ Leipzig ¦ R. Mats: Wie kapitalistisch war der Sozialismus?

24. Januar 2011 70 Kommentare

Audioarchiv verweist auf den Mitschnitt eines Vortrags von Rüdiger Mats zum Thema „Wie kapitalistisch war der Sozialismus“, den er im Rahmen einer Veranstaltungsreihe zu linker Kapitalismuskritk der Leipziger Gruppe INEX am 20.11.2010 in Leipzig gehalten hat.
Die Kurzinfo bei FRN:

„Der Realsozialismus wurde bis ans Ende seiner Tage als logische Konsequenz des marxschen Sozialismusmodells, als eine notwendige Übergangsgesellschaft betrachtet, weil der Kommunismus nicht unmittelbar zu erreichen war. In der Phase revolutionärer Umgestaltung seien zwar noch nicht alle Merkmale der bürgerlichen Gesellschaft überwunden, aber das Privateigentum an Produktionsmitteln und damit die Ausbeutung sollten bereits weitgehend aufgehoben sein.
Ob in der Sowjetunion überhaupt so etwas wie Sozialismus existierte, hängt nicht zuletzt von der Frage ab, ob sich der Charakter der Produktion verändert hat und ob sich von den Grundlagen der kapitalistischen Produktion tatsächlich verabschiedet wurde.
Ein Referat von Rüdiger Mats zu den Fragen: Wie kapitalistisch war der Sozialismus(?) Und lässt sich eine gesellschaftliche Verkehrsform und Vermittlung, die die derzeitigen abstrakten Prinzipien von Wert und Geld überwindet, überhaupt denken und verwirklichen? “

Sie verweisen zudem auf einen Artikel in Phase 2, Nr. 34 in 2009:
Bloß eine neue Maschine aufstellen – Was man aus dem Scheitern des Realsozialismus für die linksradikale Praxis schließen kann – und was nicht“
Auch in Phase 2 (36-2010) hat Rüdiger Mats einen Artikel zum Thema:
Ich bring‘ schon mal den Müll runter – Probleme gesellschaftlicher Integration im Übergang vom Kapitalismus zur befreiten Gesellschaft
Dazu paßt auch noch eine Veranstaltung ais 2009 zum Thema „Die Ökonomie des Realsozialismus“, die so angekündigt worden war:

„Der „real existierende Sozialismus“ ist zusammengebrochen. Diese Tatsache wird gerne genutzt, um jede Kritik an der marktwirtschaftlichen Ordnung als unrealistische Träumerei abzutun – und damit auch jedes politische Konzept, das eine gemeinschaftlich und planvoll organisierte Ökonomie für eine bessere gesellschaftliche Grundlage hält als den Kapitalismus.
Die gängigen Erklärungen, weshalb die DDR ihren ökonomischen Niedergang erleben „musste“, kümmern sich um die Funktionsweise dieser Wirtschaftsweise wenig. Die ökonomischen Methoden des Realsozialismus werden entweder bloß als Abweichungen vom kapitalistischen Normalgang bestimmt (der sowieso naturgegeben sei) oder es wird gegen die Planwirtschaft eine kooperationsunfähige „Menschennatur“ ins Feld geführt, die angeblich nur dann zum Zusammenleben mit anderen taugt, wenn staatliche Gewalt und wirtschaftliche Existenzangst ihr so richtig Beine machen.
Solche Einwände gehören kritisiert – und genau das wollen wir tun.
Und wir wollen uns genauer mit der Frage beschäftigen, wie es eigentlich zuging in der DDR-Wirtschaft:
– Wie lief die wirtschaftliche Planung ab?
– Welche Probleme traten dabei auf?
– Welche Rolle spielten dabei Geld, Preise und der „sozialistische Markt“?
– Wie kamen die Realsozialisten eigentlich darauf, ihre Planwirtschaft so aufzuziehen?
– Und: Was bedeutet das für politische Positionen heute, die den Kapitalismus durch eine vernünftigere Wirtschaftsweise ersetzen wollen?“


Nachtrag:
Einer der Macher von audioarchiv hat dort
geschrieben:

Ich hatte bereits eine nachbearbeitete Fassung der Gesamtveranstaltung hochgeladen. Dort ist allerdings neben der Diskussion auch eine längere (themenfremde) Vorrede eines INEX-Menschen zum Extremismusbegriff enthalten.

Download: via audioarchiv (2:16 h, 47 MB)

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Peter Decker zur berühmt/berüchtigten „Alternative“

20. Januar 2011 18 Kommentare

Peter Decker hat in seiner Veranstaltung zum Proletariats-Buch 2002 in Frankfurt (wie eigentlich bei fast jeder Veranstaltung des GegenStandpunkts) auch die Frage nach der Alternative vorgelegt bekommen. Er hat damals wie folgt geantwortet:
„Man kennt das Argument, immer wenn jemand was kritisiert, kommt das Gegenargument: Wo bleibt das Positive, bitte, ein Rezept! Ich möchte dabei ein bißchen die Frage zurückweisen und erklären warum (und da steckt auch schon eine Menge von der Antwort drin):
Es ist eine merkwürdige Geschichte. Man hört sich eine Kritik an, ich weiß nicht, ob die Kritik einleuchtet oder nicht einleuchtet. Wenn sie nicht einleuchtet, könnte man doch sagen: Moment, wie du von hier nach da kommst, das stimmt doch nicht, oder: Ich verstehe das nicht. Dann würde man die Kritik zurückweisen dort, wo die Kritik sich äußert. Wenn jemand aber sagt: Wo bleibt das Positive, wo ist die Alternative, dann läßt er die Kritik stehen, wie wenn sie ihm auch schmecken würde, wie, wenn er sie einsehen würde und billigt: Ja, die Kritik ist schon ok, aber was nützt die ganze Kritik, wenn die Alternativen fehlen? Und das hat was Verkehrtes, das kann mal unehrlich sein, oder es ist irrig, aber auf jeden Fall hat es was Verkehrtes.
Denn in der Kritik ist doch eine ganze Menge über das, wie man es haben will, wofür man eintritt, auch schon ausgesagt. Es ist doch nicht so, daß ich eine Kritik sage und jemand danach so vollkommen im Unklaren gelassen worden ist, was ich meine, das es richtig wäre. Jetzt sage ich nochmal, was in der Kritik alles schon ausgesprochen ist:
Wenn meine Kritik heißt: die Arbeiterschaft ist die negative Größe des Wirtschaftens, ihr Lebensunteralt ist im Rechnungsbuch der Unternehmer – und weil dann sogar der Staat von den Ergebnissen der Unternehmerschaft abhängt – im Rechnungsbuch der gesamten Nation die leidige Unkost von der man möglichst wenig bezahlen will, und wenn man sie schon bezahlt, möglichst ausgiebig nutzen will. Wenn ich das so hin sage, dann muß doch deutlich geworden sein, was mein Aufruf ist, was da an Appell drinsteckt:
Man muß eine Gesellschaft schaffen, man muß eine Wirtschaft schaffen, in der das Erwirtschaften des Lebensunterhalts aller Beteiligten der Zweck des Wirtschaftens ist und nicht die leidige Unkost, die klein gehalten werden muß. Das ist doch raus zu hören gewesen.
Aus dem Publikum:
Hat es schon Versuche gegeben in diese Richtung?
Peter Decker:
Die Frage weiß natürlich, es hat sie schon gegeben. Und sie weiß auch, der Ostblock ist untergegangen, er hat sich selbst aufgegeben. In die Frage, ob die es richtig angefangen haben, ob die was verkehrt gemacht haben, in die Frage, ob sie nicht mehr haltbar waren, oder ob ihre Führungen das wirtschaften, nicht für dich und mich, für den kleinen Iwan, sondern für den Staat für unergiebig befunden haben und zum Schluß gekommen sind, sie wollen es anders machen, über all das will ich nicht reden. Denn das wäre ein neues Thema, dann müßte man sagen: Der Reale Sozialismus und seine Irrtümer oder was auch immer.
Man soll mich dann auch nicht darauf ansprechen: Ist das nicht ein Gegenbeispiel gegen dich? Ich möchte dann lieber die andere Seite haben, nämlich: Wenn jetzt verstanden ist, was ich meine, das es Not tut, dann muß man sagen, ob man das billigt, das man meint, das das not tut, oder nicht. Und wenn man sagt, man billigt es, dann reden wir darüber, was man dafür tun kann, was dafür zu tun ist. Oder jemand will sagen: Das kann nicht gehen. Dann braucht es aber mehr Argumente als, da gibt es aber noch kein Beispiel. Die ersten Sozialisten hatten auch kein Vorbild. (Und die ersten Christen hatten ja auch kein Vorbild.) Irgendwann ist jeder immer mal der Erste.
Wenn es also noch keinen guten Versuch gegeben hat, dann ist es der Aufruf: Leute, meint ihr, der Versuch ist nötig, oder meint ihr, ihr fahrt doch ganz gut mit den Kapitalisten? Ja, wenn ihr das meint, dann ist doch alles in Ordnung! Dann ist die Diskussion vorbei. Das Merkwürdige ist bloß: Man kriegt nie ein gescheites Ja oder Nein. Wer tritt denn dafür ein, ja er hat das jetzt verstanden, wenn wir das Wirtschaftssystem, die Rechnungsweise nicht abschaffen,dann geht es uns und unsereinem immerzu so wie jetzt, höchstens noch schlechter, ja, er hat es verstanden. Aber dann sagt, aber mir ist es so eigentlich recht. Das hört man nicht. Aber die Bereitschaft, zu sagen, gut, es ist mir nicht recht, dann befasse ich mich mit der Frage, was zu tun ist, um das zu beseitigen. diese Konsequenz kriegt man auch nichtgescheit. Es läuft in ein Gemecker raus: Ewige Unzufriedenheit und keine Konsequenz.
Da plädiere ich für: bitte Konsequenz. Daß die Menschen sich untereinander einig werden, die nötige Arbeit zweckmäßig einzurichten und nicht immer gegeneinander zu arbeiten, daß sie nicht eine ungeheure Verschwendung von Menschenkraft organisieren, sondern ihre Kraft so einsetzen, daß alle gut fahren und dabei viel weniger arbeiten müssen als jetzt. Das soll nicht möglich sein? Wieso eigentlich nicht? Ja, wenn es keiner will, dann ist es nicht möglich, das stimmt. Aber sonst noch Hindernisse? Ja: Der andere Zweck! Die Eigentümer, klar, die Lohnarbeiter, die an ihrem Lohn festhalten wollen. Klar, das bleibt einem Kräftemessen überlassen, das ist eine Auseinandersetzung, selbstverständlich.
Aber die Einwände sind viel zu grundsätzlich, so vom Kaliber, geht das überhaupt, die Einwände sind so grundsätzlich angesiedelt, als dass sie sich in die Frage überhaupt einlassen würden, meinst du, du gewinnst den Kampf? Die meinen, der Mensch taugt nicht dafür. Die meinen, der Mensch taugt zum Dienen, zum braven Nachrechnen, wie viel er verdient hat, zum Sparen, zu all dem taugt er. Aber zu einer rationellen Organisation seiner Lebensbedingungen sollten nicht fähig sein? Und das sagen die Leute, die sagen, die Kritik an den Verhältnissen, wie sie jetzt sind, die würden sie eigentlich unterschreiben. Die also behaupten, sie hätten schon eingesehen das alles nicht in Ordnung ist. Da kommt man dann schnell an die Grenzen der Philosophie. Irgendwann verzweifelt man an seinem eigenen Verstand.
Also, die Frage ist wirklich so einfach, unabhängig davon ob es den Versuch schon gegeben hat, unabhängig davon, ob der gut oder schlecht abgewickelt worden ist, wenn es ihn gegeben hat, die Frage ist, meinen die Angesprochenen, dass es den Versuch braucht. Dann müssen sie darüber reden, was sie dafür machen wollen. Das war jetzt die Geschichte zu der Frage nach der Alternative. Die Alternative muss man herstellen.
Vielleicht noch einen letzten Punkt: Es gibt auch unter Linken die Sehnsucht nach der Alternative. Den Gedanken, man müsste, um für das eigene gute Anliegen zu werben, den Menschen an die man sich wendet, Kommunikation theoretisch gesprochen dem Adressaten ein leuchtendes Tableau der Zukunft entwerfen und sagen: So schön könnte es werden! Willst Du nicht für die gute Sache sein? Da muss ich sagen, sogar das ist noch eine große Täuschung: denn alles hängt an der Frage, ob die Menschen die Erwerbsquelle, die sie besitzen, einsichtsvoll ablehnen und sagen, das ist nichts. Solange sie das nicht tun, gilt jeder, der eine bessere Zukunft ausmalt, und sagt, dass ginge, als Träumer. Er wird aufgefordert Realitätsbeweise seiner Träume abzuliefern, und kann sich nur blamieren. Warum: weil man sich blamieren muss! Weil jeder, der einen Realitätsbeweis seines es ginge anders sagt, wird überprüft an der Realität, wie sie jetzt ist. Wer sagt, eine höhere Rente im Alter das ginge doch, kriegt gleich gesagt, sag uns einen Finanzierungsvorschlag! Wo hast du im Staatshaushalt die Lücke entdeckt, oder den überflüssigen Posten?
Ja bitte, wenn ich auch noch den Staatshaushalt eines kapitalistischen Staates verwalten muss, um es den Leuten besser zu machen, der dann kommen schrittweise All die Systemnotwendigkeiten, die hier herrschen rückwärts wieder herein ich wollte ja gerade sagen: ich will den kapitalistischen Staatshaushalt genauso beseitigen, wie die Rechnungen der Unternehmer. Und dann möchte ich aber auch nicht geprüft werden daran, ob meine Idee dem Staatshaushalt und den Tabellen des Finanzministers gerecht wird. Das wird sie nicht. Man muss also darauf achten, kein Mensch, der glaubt, er braucht den Lohn, er braucht die Lohnarbeit, und darin hat der immerhin eine verlässliche Quelle seines Einkommens, kein Mensch lässt sich durch Träumereien in der Zukunft davon abschätzen. Außer, wenn er meint, er hat keine gescheite Erwerbsquelle in seiner Bereitschaft zu arbeiten. Soviel zu der immer wieder schwierigen aber interessanten Frage, wo ist denn die Alternative?“

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