Ist die VR China noch sozialistisch oder wieder kapitalistisch
Bekanntlich konnte das Buch von Renate Dillmann über die Entwicklungen in der VR China wieder aufgelegt werden, ich habe hier darauf hingewiesen. Die Autorin hat einen weiteren Artikel zu China nachgeschoben: „China: Besonders üble Ausbeutung, repressiver Staat, Neokolonialismus, Uiguren, Hongkong“
Ich habe darauf bei Facebook hingewiesen und von einem altstalinistischen GSP-Freund (ja sowas gibt es auch!) folgenden Kommentar erhalten:
„Die alte Leier von Renate Dillmann: China wäre „kapitalistisch“ weil die KPCh absichtlich und geplant kapitalistische Elemente zur Entwicklung der Nation einsetzt und benutzt.
Damit liegt sie allerdings daneben: in China ist keineswegs eine RÜCKKEHR zum Kapitalismus erfolgt. Der kapitalistische Sektor der Volkswirtschaft wird derzeit zurückgedrängt, die Planwirtschaft gilt nach wie vor und schließt den kapitalistischen Sektor mit ein, vor allem aber: die Kapitalisten haben nicht die politische Macht in China.
Auch sind nicht alle 1,5 Mrd bedauernswerten Chinesen jetzt plötzlich dem „Überlebenskampf“ einer Konkurrenzgesellschaft ausgeliefert, dem die KPCh aus purem nationalen Machthunger eingerichtet hat, wie Dillmann suggeriert: Gebahren, Verhalten und Umgang der Privatwirtschaft mit Umwelt und Arbeitskräften wird streng kontrolliert und Verstöße gegen das Arbeitsrecht (China hat laut ILO eines der fortschrittlichsten Arbeitsrechte der Welt) sowie gegen Umweltauflagen (ebenso beispiellos modern und Öko-freundlich) werden rücksichtslos und strikt geahndet. Dies ist allerdings eine relativ neue Entwicklung, die etwa 2012 begonnen hat.
Dillmann liefert tw. nützliche Analysen und Einsichten, liegt in ihrer Grundeinschätzung aber komplett falsch, weil sie die Elle lupenreinen akademisch-marxistische, Besserwissenstum an den Sozialismus mit chinesischer Prägung legt, der in dem Riesenland herrscht.
Sozialismus, wohlgemerkt, und zwar in einer Form, wie es ihn noch nie gegeben hat, einer experimentellen Ökonomie, deren ausdrückliches Ziel die Schaffung eines Sozialismus mit moderatem Wohlstand in 2035 ist.
Oder, wie Xi Jinping es ausdrückt: „Wir wollen keinen Luxus, kein ausschweifendes Leben, aber ein gutes Leben für alle.“
Und dabei sind die chinesischen Kommunisten mit ihrem spezifischen Sozialismus schon recht weit gekommen, trotz all der westlichen Schlaumeier und Baizuos.“
Meine Antwort darauf war dort:
„Es mag ja sein, daß es stimmt, „Der kapitalistische Sektor der Volkswirtschaft wird derzeit zurückgedrängt“ (wobei ich dazu überhaupt nichts weiß). Es ist aber schon immer ein schlechtes Kriterium gewesen, nur zu schauen, ob in einem Staat nun „Schlüsselindustrien“ in Staatshand sind oder kapitalistische Firmen sind. Bekanntlich haben in den letzten 150 Jahren diverse durch und durch kapitalistisch gebliebenene Staaten alles Mögliche verstaatlicht, wenn ihnen die Konkurrenz auf einem als wichtig erachteten Wirtschaftsektor nicht genügend zum Aufbau der Nation beizutragen schien. Insbesondere Basisindustrien und Infrastrukturbereiche sind noch bis vor Kurzem in vielen kapitalistischen Staaten in Staatshand gewesen (und es wird vielleicht sogar wieder eine Renaissance solcher Verstaatlichungen geben, wenn es dem allgemeinen kapitalistischen Wirtschaftswachstum förderlich erscheinen sollte). Man muß also schauen, was die Logik des Wirtschaften in einem Staat ist, wenn es da um die Vermehrung von Kapital geht, dann sehen die Arbeitsplätze in den Staatsindustrieen regelmäßig eben genauso aus wie in den Konzernen.
Bezeichnenderweise führst du die in der Tat weitgehend durchgezogen Einführung eines ausgefeilten „Arbeitsrechts“ als Argument für den sozialistischen Charakter der VR China an. Für mich ist das genau umgekehrt der Beweis von antagonistischen Interessen von Arbeitern und Firmen in China, wo durch das Recht verhindert werden soll, daß die Arbeiter ihren Arbeitgebern völlig schutzlos ausgeliefert sind. Daß es hier in Deutschland schon lange ein enorm weitgefächertes Arbeitsrecht gibt, ist schließlich auch kein Bewei dafür, daß Merkel und Scholz irgendwelche sozialistischen Ambitionen hätten.
Genauso ist die Einführung von Umweltschutzgesetzen (ja, die gibt es in der VR China mittlerweile in der Tat) auch kein Beleg für den sozialistischen Charakter der Wirtschaft (oder auch nur des Staates) sondern zeigt, daß im kapitalistischen China der alte Marx-Spruch immer noch gilt, daß der Kapitalismus die Quellen allen Reichtums – den Arbeiter und die Erde zu zerstören droht. Daß Umweltgesetze erst seit ein paar Jahren gelten, zeigt übrigens, daß es selbst der chinesischen KP übel aufgestoßen ist, welchen irren Raubbau der kapitalistische wirtschaftliche Aufschwung in den Jahrzehnten davor angerichtet hatte. Selbst in der BRD sind deshalb manche Regelungen in den letzten Jahren verschärft worden, ohne daß Deutschland damit auch nur einen Schritt in Richtung Sozialismus gegangen wäre.“