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Mitten in der Pandemie wird die Rückkehr zur Arbeit gefordert. Warum? (Kaufmann]

28. März 2020

Geld oder Leben
Mitten in der Pandemie wird die Rückkehr zur Arbeit gefordert. Warum?
Artikel von Von Stephan Kaufmann in Der Zeitung Neues Deutschland

Kategorien(3) Fundstellen Tags:
  1. Rob
    29. März 2020, 08:37 | #1

    These circumstances recall the capitalism of the nineteenth century, fitting the pre-Great Depression ideology that currently informs economic logic. Work or die has been ‘disrupted’ to become work and die. The idea that Democrats are going to save anyone but themselves is several crises past delusional. Solidarity is these circumstances means class solidarity. Organize or die is the message being sent from above.
    https://www.counterpunch.org/2020/03/27/bailouts-for-the-rich-the-virus-for-the-rest-of-us/

  2. Paul
    29. März 2020, 08:45 | #2

    I will not kill my mother, my father, my grandparents, my best friend for your fucking stock portfolio.
    When the president looks the nation in the eye and says some lives lost are acceptable to save the stock market, he means you. Not some abstract percentage. You. He means your mom, your grandad, your kid. He means you personally should die if it makes him more money.
    Robert Brockway: “So the new GOP talking point is ‘the death toll might me be as low as 1%. We should sacrifice the 1% for a working economy.’ I agree. Let’s talk about which 1%.”
    https://www.counterpunch.org/2020/03/27/i-will-not-kill-my-mother-for-your-stock-portfolio/

  3. Mattis
    29. März 2020, 16:19 | #3

    @Rob:
    „These circumstances recall the capitalism of the nineteenth century“
    Nein, das ist nicht die Rückkehr eines „alten“ Kapitalismus, sondern Corona bringt nur drastischer zum Ausdruck, was auch ganz üblicher Alltag ist: dass selbst schwere Krankheiten wenig erforscht werden, die keinen Profit versprechen, dass die Überlastung des medizinischen Personals viele Fehldiagnosen und Falschbehandlungen bewirken, die mangelnde Hygiene zu vielen tödlichen Infektionen führt, in Altenheimen aufgrund mangelhafter Pflege vorzeitig gestorben wird etc., bis hin zur unspezifischen Antibiotikavergabe und dem profitablen Pestizideinsatz in der Landwirtschaft, was zu resistenten Keimen führt, nicht zu vergessen das statistisch erfasste verfrühte Ableben ganzer Berufsgruppen.
    All diese Tode passieren permanent, ohne öffentliches Geschrei, und die Zahlen können auch mit einer Pandemie durchaus mithalten.

  4. 30. März 2020, 10:57 | #4

    „All diese Tode passieren permanent, ohne öffentliches Geschrei, und die Zahlen können auch mit einer Pandemie durchaus mithalten“

    Woher willst du das denn wissen, Mattis? Und nicht nur du, das ist ja eine weitverbreitete These unter Politikern, Medizinern und interessierter Öffentlichkeit, von Wodarg bis Johnson, um nur zwei berüchtigte Namen zu nennen. Wenn man nicht verschwörungstheoretischen Begründungen glauben schenken will, daß die ganze „Panik“ erfunden und geschürt wird, um jetzt schon den drohenden Bürgerkrieg und das dann für die Aufrechterhaltung der bürgerlichen Ordnung notwendige Notstandsregime zu testen, dann bleibt als vernünftige Erklärung, daß die praktisch auf der ganzen Welt immer mehr eingeführten einschränkenden Maßnahmen Egebnis der (zum Teil offensichtlich recht späten) Einsicht der Regierungen ist, daß diesmal eben *nicht* eine normale Grippewelle durchs Land zieht, eben nicht die üblichen 10.000 Menschen pro Jahr an Krankenhausinfektionen sterben usw. Selbst die Epidemiestudie der Bundesregierung von 2011 ( https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/120/1712051.pdf ) geht von erheblich mehr Toten aus, sogar von Millionen. Nun mag man entgegenhalten, daß die Bundesregierung es damals auch nicht die Bohne gejuckt hat, daß das RKI im Falle eine „echten“ Epidemie mit 7,5 Mio Toten gerechnet hat (S. 64). Andererseits hat die Regierung das offensichtlich in die Kategorie Asteroideneinschlag eingeordnet, ja schon sehr schlimm, arme Dinosaurier, aber das passiert ja so gut wie nie, also „uns“ schon mal gar nicht. Jetzt merken auch viele Politiker, daß sie (und wir) eventuell doch auch nur Dinosaurier sind, und werden entsprechend nervös.

  5. 30. März 2020, 13:02 | #5

    Peer hat mir bei Nestor vorgeworfen, ich betreibe „Erbsenzählerei“ (mal abgesehen davon, daß das ultraverharmlosend ist). Ich habe ihm (und damit auch Mattis) so geantwortet:
    „Also gut, wenn Mattis feststellt, „Corona bringt nur drastischer zum Ausdruck, was auch ganz üblicher Alltag ist“ dann stimme ich ihm natürlich zu, auch in seiner Zurückweisung, es wäre jetzt um den „guten“ modernen Kapitalismus geschehen und jetz kämen wieder die schlimmen, schlimmen Verhältnisse des Manchester-Kapitalismus.
    Ich betone nur stärker sein „drastischer“, es ist jetzt halt für die allermeisten Menschen in vielerlei Hinsicht um Längen drastischer als selbst in einer „normalen“ Wirtschaftskrise oder früheren Grippewellen (mit Ausnahme der Jahrhundertgrippe nach dem ersten Weltkrieg). Und ja nicht nur für die Leidtragenden dieses kapitalistischen Systems sondern auch für die Profiteure in Wirtschaft und Staat.“

  6. Krim
    30. März 2020, 13:44 | #6

    Eigentlich verstehe ich Mattis so, dass er sagen will, es brauche kein Corona um den kapitalistischen Umgang mit Leben und Gesundheit der Leute zu kritisieren. Der normale Zynismus wird in Coronazeiten nur potenziert. Wie hoch die Todeszahlen am Ende sein werden muss man abwarten. In Italien sieht es ja durchaus anders aus mit einer Sterberate von über 10%. Man darf ja auch nicht vergessen, dass die wirtschaftlichen Folgen für die Leute, ebenfalls auf die Rechnung des Kapitalismus gehen und keine Krankheitsfolge sind.
    Übrigens scheint sich heute eine leichte Abschwächung in der täglichen Zunahme anzudeuten. Und zwar in ganz Europa, nicht nur in Deutschland. Sonst könnte es auch ein Ausrutscher sein.
    https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6

  7. 30. März 2020, 13:49 | #7

    Natürlich braucht es „kein Corona um den kapitalistischen Umgang mit Leben und Gesundheit der Leute zu kritisieren“. Genauso wenig wie man auf eine Wirtschaftskrise warten müßte, um die Gewinnemacherei zu kritisieren, oder einen Kriegsausbruch braucht, um imperialistische Außenpolitk abzulehnen.
    Und wie hoch die Todeszahlen am Ende sein werden, entscheidet nichts in der Ablehung der Gesundheitspolitik in kapitalistischen Staaten. Oder seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, nur der Vollständigkeit halber.

  8. Mattis
    31. März 2020, 19:08 | #8

    Nein, ich wollte natürlich Corona nicht relativieren, auf keinen Fall. Ich wollte aber schon ausdrücken, dass die “normalerweise” kapitalistisch bedingten Tode eine durchaus große Dimension darstellen, die sich aber “unauffällig” – jedenfalls ohne größere öffentliche Beanstandung – verteilt auf Fehldiagnosen, falsche Behandlungen, “Berufs”-krankheiten, Suizide, Tote am Bau und in der Fabrik, unerforschte tödliche Krankheiten und vieles andere, das primär auf die Profitwirtschaft und mangelhafte Versorgung zurückgeht. Ich hab ja längst nicht alle Beispiele aufgezählt. Also diese Dimension macht sich kaum jemand klar, und deshalb hab ich gesagt, diese Zahlen können durchaus an eine Epidemie heranreichen, auch wenn Corona als Sonderfall zugegeben eine eigene Größenklasse darstellt, was aber gar nicht am Virus selbst, sondern hauptsächlich an der fahrlässigen Gegenstrategie liegt.
    Ausgangspunkt war ja meine Kritik an Äußerungen, jetzt hätten wir nicht mehr den “normalen” modernen Kapitalismus, sondern einen anderen, Manchester oder wie auch immer. Nein sag ich, es sind genau dieselben Prinzipien, keine anderen, die da zur Auswirkung kommen, das muss klar sein. Und bei heftigerer Attacke eines Virus potenziert sich diese Auswirkung – aber auch eben nur darum, weil nicht vorgesorgt ist mit Materialien und Methoden, ohne Reserven für eine Katastrophe. Die Rede von möglicherweise Hunderttausenden Toten in Deutschland unterstellt ja die Situation, dass extrem wenig getestet werden kann, zu wenig Intensivbetten verfügbar sind, dass Klinikpersonal mangelhaft auf Masseninfektionen vorbereitet ist (im normalen Alltag bereits voll am Limit arbeitet!) und dass selbst mangelhafte Maßnahmen wie das Tragen einer einfachen Stoffmaske, die sich viele Leute jetzt notgedrungen selber zuhause nähen, als nicht relevant abgetan worden sind, was ich für einen Zynismus sondergleichen halte. Die seien ja “kein vollständiger Schutz” heißt es, na und wenn das nur zu 70% schützt, kann mans gleich bleiben lassen, oder wie?
    Verschwiegen wurde lange Zeit, dass es eben nicht erst das Husten oder Niesen braucht, um die “Tröpfeninfektion” zu bewirken – es genügt Sprechen in die Richtung des anderen! Fast keiner der momentan Infizierten ist angehustet worden. Und so wie eine Maske den Ausstoß bei einem bereits Infizierten abbremst, so kann eine Maske natürlich auch umgekehrt ein heranfliegendes Corona-Aerosol abhalten, jedenfalls in dem Gesichtsbereich der Maske. Dazu Stirnband und Brille geben weiteren Schutz. Dass die Dinger vom Atmen feucht werden und nach zwei Stunden unbrauchbar sind, bedeutet ja auch nur, dass man sie öfter wechseln muss, also entsprechend mehr von den Dingern gebraucht werden. Zum Einkaufen reicht es aber allemal. Aber ok, das ist jetzt zu sehr im Detail, aber mich regt diese zynische Ignoranz von Spahn und Koch-Institut etc. schon sehr auf. Langsam erst geht ihnen jetzt der Arsch auf Grundeis, weil plötzlich nicht nur Menschen sterben (und viele weitere Tote schon absehbar sind!), sondern inzwischen der Exportweltmeister selbst an den Tropf muss, und da wird dann plötzlich der afghanische Schneider (braver Mann, keine Frage) zum Volksheld, der jetzt in Hessen unentgeltlich Masken näht. Jetzt plötzlich sollen diese “asiatischen Fähnchen” Deutschland retten.
    Eine sozialistische Ökonomie hätte sofort alle Textilbetriebe angewiesen, Masken zu produzieren sofern noch welche fehlen (wer braucht denn in so einer Situation neue Hemden oder Hosen!) und sämtliche Labore und Krankenstationen, sich schonmal aufs massenhafte Testen einzustellen und auf Quarantäne-Unterkünfte, sobald man technisch weiß wie das Virus nachweisbar ist, und alle, die nicht für Lebensnotwendiges oder Medizinisches arbeiten und jung und gesund sind, würden als Helfer umdisponiert. Wie sollte sich ein Virus dann noch so massenhaft verbreiten können?

  9. 31. März 2020, 22:09 | #9

    „Corona-Ausbruch in Deutschland „Die Zahlen sind vollkommen unzuverlässig“
    Wie gefährlich das Coronavirus ist, wissen Experten noch immer nicht genau. Hier erklärt der Statistikexperte Gerd Antes, was nun für eine Risikobewertung nötig ist und warum die Reaktion der Politik bislang richtig war. “
    https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/coronavirus-die-zahlen-sind-vollkommen-unzuverlaessig-a-7535b78f-ad68-4fa9-9533-06a224cc9250#ref=rss
    [Die Biege zum Schluß, „warum die Reaktion der Politik bislang richtig war“, erschließt sich mir nicht, und auch nicht aus den Ausführungen von Prof. Antes]
    Kurz davor hatte ich auf einer Facebook-Seite geschrieben:
    „The problem with the ratio of the number of people who have died because of Covid-19 to the total number of infected people is that nobody cares so far. As far as I have read in all states where there are growing numbers of Covid-19 infections. For a valid estimate of total infections at least a big countrywide test action would be neccessary. Not a few hundreds but many thousands. And because thuch an infection is a very dynamic process this would have to be repeated every other week or so. No state has the test capacities to do this, in many states even people who probably have been infected do not get a test even when working with persons at risk because of the scarcity of test kits or laboratory facilities.
    What could be counted is the number of people that died because they got Covid-19. But even this is not done correctly. One the one hand every dead person who gets tested after his or her death and shows SARS-CoV-2 is counted, even when the person had other potentially deadly deseases. On the other hand many people who die not even get a test even if they had pneumonia or similar infects, I personally learned the other day.“

  10. 31. März 2020, 22:45 | #10

    Bei Facebook hat jemand mich in Bezug auf die aktuellen Testschwierigkeiten in der BRD (ich habe auch dort auf den Artikel in der Berliner Zeitung hingewiesen) erstaunt gefragt:
    „Ein Staat, der seine Wirtschaft abwürgt, gleichzeitig diesen Schuldenberg aufnimmt, wird doch in der Lage sein, ein paar Tests zu machen?“
    Ich habe darauf (das hat Mattis ähnlich ja auch schon betont) geantwortet:
    „Ja und nein: Grundsätzlich sollte dem nichts im Wege stehen, Allein Deutschland (von der EU braucht man ja nicht mehr reden, die gibt es in dieser Sache ja schon gar nicht mehr) hat eine riesige Chemo-, Pharma- und Geräte-Industrie. Auch wenn solche Tests wirklich nicht so ein einfaches Zeugs sind wie ein Schwangerschaftstest (jedenfalls bisher, zukünftig könnte das sehr wohl auch so einfach gehen), würde „man“ das also hinkriegen, wenn „man“ es befehlen/organisieren/produzieren würde.
    Das wäre die vernünftige Antwort einer Gesellschaft, die Herr über alle Produktionsmittel und Wissenschaft in ihrem Gebiet ist. Auch dann würde die Reaktion sicher einige Zeit brauchen, wenn schon diese Gesellschaft so blöd gewesen wäre, jahrelang praktisch nichts zu machen, obwohl noch jeder Fachmensch gewarnt hätte, was da kommen kann und was da an Vorbereitung, Rücklagen, Reserven nötig wäre.
    So eine Gesellschaft sind wir aber nicht. Hier gibt es einen kapitalistischen Staat, der muß sich um das Wirtschaftswachstum kümmern und nun wirklich nicht um 20 Millionen Schutzkittel oder 100 000 Beatmungsgeräte. Da wird dann schon mal (wie letztes Jahr in Belgien) festgestellt, daß vor zehn Jahren völlig unnötig Millionen von Schutzmasken eingekauft worden sind und Jahr für Jahr gelagert werden mußten. Und, ist in diesen 10 Jahren auch nur eine einzige Pandemie über Belgien hinweggegangen? Nein, also weg mit diesem Klotz am Bein der Gesundheitsversorgung. Jetzt schreibt die Berliner Zeitung, daß die Testausweitung in Deutschland daran scheitert, daß die Reagenzien nicht mehr hinreichend da sind für die Tests. Für die Regierung ist das wohl sowas wie 100jähriger Cognac. Wenn der ausgetrunken ist, dann gibt es eben hundert Jahre keinen neuen.“

  11. Krim
    1. April 2020, 12:41 | #11

    „Hier gibt es einen kapitalistischen Staat, der muß sich um das Wirtschaftswachstum kümmern und nun wirklich nicht um 20 Millionen Schutzkittel oder 100 000 Beatmungsgeräte.“

    Jetzt muss er das aber schon.

    „Für die Regierung ist das wohl sowas wie 100jähriger Cognac. Wenn der ausgetrunken ist, dann gibt es eben hundert Jahre keinen neuen.“

    Das ist zwar anschaulich, aber eine Erklärung ist es nicht, warum die Zuständigen das nicht auf die Reihe kriegen.
    1. Man hat null Einblick in das, was hinter den Kulissen abläuft, es könnte also theoretisch sein, dass die Herstellung von Testkapazitäten auf Hochtouren läuft. Gestern kam was im TV, dass „bald“ Schnelltests verfügbar seien. Aber irgendwie habe ich den Eindruck, dass das eher Durchhalteparolen sind. Und Tropfen auf heiße Steine.
    2. demokratische Politiker sind vollständig und völlig ungeeignet einen planwirtschaftlichen Aufbau eines ganzen Sektors (Schutzkleidung) aufzuziehen, weil sie halt nur den Markt kennen und wenn es auf dem Markt nichts gibt, kann man halt nichts machen. Das ist dann tatsächlich so wie der hundertjährige Cognac. Wenn der gesoffen ist, muss man 100 Jahre warten, bis der Markt wieder welchen hergestellt hat. Es wird als quasi Naturgesetz des Marktes akzeptiert, dass der Markt schon alles richten wird. Das das jetzt nicht so ist, geht nicht in ihre neoliberale Denke vieler Politiker. Dafür braucht es Planwirtschaftler, die einfach machen was vernünftig ist und alles außer Kraft setzen, was der Markt an Schranken beschert.
    Dazu muss man teilweise das Eigentum ignorieren und mit Gewalt und Geld tun, was notwendig ist, also alles Herstellen was dringend gebraucht wird. Dazu muss die Regierung ein Ministerium räumen und mit 5000 Mann die Krisenbewältigung organisieren bis hin zur letzten Schraube. Eine Art Planungsstab für die Krise, der zum einen Teil Schutzkleidung herstellt zum anderen Tests, zum dritten sich überlegt wie man die Tests auch strategisch einsetzt. Zum Beispiel die Bevölkerung stichprobenartig systematisch im Abstand von einer Woche durchtestet, um einen Überblick zu gewinnen und nicht nur dumpf Fallzahlen aufschreibt. Das wäre vernünftig, stattdessen wird diskutiert, ob es zulässig ist Bewegungsprofile von Händis zu nutzen. Letztenendes läuft das darauf hinaus, die Individuen haftbar zu machen, wenn sie sich nicht an Vorschriften halten, also die Verbreitung von Corona den Leuten als ihre Schuld anzuhängen. Lauter dummes Zeug. Nicht Corona killt die Leute, sondern die Dummheit demokratischer Krisenbewältiger.

  12. 1. April 2020, 13:04 | #12

    „Jetzt muss er das aber schon.“

    Das muß aber leider eher heißen: „müßte“. Denn es fällt ja auf, das die elementarsten Sofortmaßnahmen nicht beschlossen und umgesetzt wurden, sondern erst rumgewartet wurde, dann sozusagen bei Amazon Prime bestellt wurde, weil die ja garantieren, immer schon am nächsten Tag zu liefern, und so ging die Zeit ins Land

    „Man hat null Einblick in das, was hinter den Kulissen abläuft, es könnte also theoretisch sein, dass die Herstellung von Testkapazitäten auf Hochtouren läuft. Gestern kam was im TV, dass „bald“ Schnelltests verfügbar seien. Aber irgendwie habe ich den Eindruck, dass das eher Durchhalteparolen sind. Und Tropfen auf heiße Steine.“

    Ja, den Eindruck habe ich auch. Besonders, wenn ich die Pressekonferenzen von Prof. Wieler vom RKI anschaue. Da wird noch ganz genau, auf die Meldestunde genau angegeben, wieviel Covid-19- Infektionen die Tests ergeben haben, wieviele Tote mittlerweile der Erkrankung zugeschrieben werden, usw. Aber schon da fällt auf, daß er nur Absolutzahlen, die man sich kaum merken kann, vorliest, die Kondensierung zu prozentualen Wachstumsraten, die viel informativer wären, spart er sich konsequent. Das ist noch mehr Programm, wenn er von den eingeleiteten Maßnahmen redet, da gibt es überhaupt keine Zahlen mehr, da wird nur „schnell“ erhöht, da hat Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten eine „gute“ Position usw. Der Mann ist der in der Wolle gefärbte Runterspieler. Nur keine Panik, alles andere ist unwichtig, könnte man meinen.

    „eine Erklärung ist es nicht, warum die Zuständigen das nicht auf die Reihe kriegen.“

    Nein, es war auch nur der verärgerte Ausdruck meiner Verachtung für diesen Typ bürgerlicher Politiker, die in der Tat „nur den Markt kennen und wenn es auf dem Markt nichts gibt, kann man halt nichts machen“.

    „Zum Beispiel die Bevölkerung stichprobenartig systematisch im Abstand von einer Woche durchtestet, um einen Überblick zu gewinnen und nicht nur dumpf Fallzahlen aufschreibt.“

    Natürlich, das sage ich ja auch schon die ganze Zeit und Epidemiologen wie Prof. Antes sowieso. Das hat halt nur den Haken, daß man das dann auch machen können muß. Wieler ist da ganz ehrlich: Uns fehlt es vorn und hinten an Testkapazitäten, da können wir uns so einen Scheiß einfach nicht leisten.

    „Nicht Corona killt die Leute, sondern die Dummheit demokratischer Krisenbewältiger“

    Das ist nun etwas überzogen: Selbst bei der frühesten perfekten Reaktion auf die Erkenntnis der Chinesen vom letzten Dezember, daß da wieder was Neues unterwegs ist bei den Coronaviren, hätte man den Ausbruch der Epidemie wphl kaum gänzlich verhindern können. Aber mit Sicherheit viel besser eindämmen können und auch viel mehr retten können, wenn die Staaten sich alle auf solch ein Ereignis vernünftig vorbereitet hätten. Was dazu nötig gewesen wäre, kann ja jede Regierung jetzt in schon in die Jahre gekommenen Planspielberichten, Studien und Empfehlungen nachlesen, die bis auf wenige Ausnahmen alle in den Wind geschlagen wurden.

  13. 1. April 2020, 13:13 | #13

    „Solidarität ist schon unter normalen Bedingungen ein inflationär gebrauchtes Wort. In Coronazeiten hat es Hochkonjunktur. Gemeint ist laut Duden das »unbedingte Zusammenhalten«, ein »Zusammengehörigkeitsgefühl« oder das »Eintreten füreinander«.

    Da jede Forderung die Abwesenheit des Geforderten zur faktischen Grundlage hat, gibt der Ruf nach Solidarität durchaus Aufschluss über den antagonistischen Charakter der Interessenverfolgung in der bürgerlichen Gesellschaft. Überflüssig wäre es jedenfalls, Menschen dort zur Solidarität aufzufordern, wo ihre individuelle Nutzenverfolgung mit der Bedürfnisbefriedigung aller anderen Gesellschaftsmitglieder glücklich zusammenfällt.“
    So fängt der Artikel von Arian Schiffer-Nasserie in der „jungen Welt“ vom 1.4.2020 an
    https://www.jungewelt.de/artikel/375718.rotlicht-solidarit%C3%A4t.html?sstr=Rotlicht

  14. Krim
    1. April 2020, 13:20 | #14

    „Die Wahrheit ist deutlich komplexer, denn viele von denen, die jetzt am Coronavirus sterben, wären möglicherweise auch ohne das Virus gestorben, aber später.“

    Was ist denn das für eine zynische Logik?
    Wenn es nicht so menschenverachtend wäre, wäre es witzig. Herr Antes, schon mitgekriegt? Wir alle sterben irgendwann. Wer also an Blindarm stirbt oder an einer Gewehrkugel im Kopf, dafür war dann wohl auch nicht der entzündete Blinddarm schuld oder die Gewehrkugel, denn gestorben wäre er ja eh – bloß eben später.

    „Stirbt jemand am oder mit dem Virus? Das lässt sich kaum auseinanderdividieren. „

    Wozu sollte man das denn auseinanderdividieren wollen? Ohne Virus wären sie nicht gestorben, „sondern später“ wie Herr Antes sagen würde – reicht doch völlig.
    „SPIEGEL: Was ist die Alternative?
    Antes: Wir müssen sehr regelmäßig, vielleicht jede Woche, einen repräsentativen Bevölkerungsquerschnitt auf Infektionen untersuchen. Dafür sind sehr viele Tests nötig. Das bindet Ressourcen und ist teuer, wäre in Anbetracht der Lage aber angemessen, um eine solide Entscheidungsgrundlage zu schaffen. Aus dem Anteil der Infizierten in einer solchen Stichprobe lassen sich genaue Rückschlüsse auf die Gesamtsituation ziehen. Damit wird es deutlich leichter, abzuschätzen, ob oder wie die Zahl der Neuinfektionen steigt oder abnimmt und mit wie vielen Patienten und Intensivpatienten die Krankenhäuser in den nächsten Wochen rechnen müssen.“ Genau! Endlich.

  15. Krim
    1. April 2020, 13:32 | #15

    „Wieler ist da ganz ehrlich: Uns fehlt es vorn und hinten an Testkapazitäten, da können wir uns so einen Scheiß einfach nicht leisten.“

    Das ist aber kein Scheiß, sondern wichtiger als mancher Test. Wenn man die Tests nicht hat, muss man sie sich eben abknappsen. z.B. keine leichten Fälle testen. Und natürlich gleichzeitig neue Tests produzieren. (das muss man immer wieder sagen, weil die Schlüsselrolle des Testens entweder immer noch nicht genug begriffen wird oder/und dem Mangel an Tests immer noch nicht entschlossen genug begegnet wird.)

  16. 1. April 2020, 15:09 | #16

    „Das ist aber kein Scheiß, sondern wichtiger als mancher Test.“

    Ja, natürlich, sonst hätte ich ihm das ja auch nicht angekreidet. Nur müßte das bei Prof. Wieler und Frau Merkel ankommen und nicht hier.

  17. Moritz
    10. April 2020, 21:20 | #17
  18. 14. April 2020, 14:02 | #18

    „The post-pandemic slump“ von Michael Roberts Blog
    Eine Übersicht zu den unterschiedlichen Einschätzungen der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie.
    Sein persönlicher Schluß:

    „And now it seems that any recovery from the pandemic slump will be drawn out and also deliver an expansion that is below the previous trend for years to come. It will be another leg in the long depression we have experienced for the last ten years.“

  19. 30. April 2020, 11:06 | #19

    Manchen Menschen, wie hier Herrn Borsche bei TELEPOLIS, reichen gesunder Menschenverstand und ein bißchen Grundrechenarten, um zu vernünftigen Corona-Einschätzungen zu kommen:
    https://www.heise.de/tp/features/Den-Lockdown-Gegnern-ins-Stammbuch-geschrieben-4712111.html

  20. Mattis
    16. Mai 2020, 16:49 | #20

    Corona: Keine einzige Wohnung wurde zerstört, und es gibt immer noch genug zu essen. Nur ein paar Monate lang etwas weniger Warenverkauf und schon gibts massenhaft Entlassungen und eine veritable Wirtschaftskrise. Sowas kann kein Virus bewirken, sondern das zeigt (einmal mehr), was für ein existenzgefährendes System der Kapitalismus ist. Darüber mal nachzudenken, statt Maskenpflicht als Freiheitsberaubung anzuklagen, kommt wohl trotzdem nicht in Frage.

  21. 16. Mai 2020, 17:55 | #21

    „Corona: Keine einzige Wohnung wurde zerstört, und es gibt immer noch genug zu essen.“

    Man sollte nicht unterschätzen, was die Epidemie alles schon jetzt angerichtet hat. In den USA ist z.B. durch das Grassieren des Virus in den Fleischfabriken die Fleischproduktion drastisch zurückgegangen. Die Stillegung der Just-In-Time-Lieferketten hat allenthalben dazu geführt, daß selbst da, wo Staaten ihren Unternehmen wieder freie Bahn zum Weitermachen wie bisher geben, nicht alles wieder hochlaufen kann, weil Alles und Jedes dafür fehlen kann und auf die Schnelle häufig auch nicht ersetzt werden kann

  22. Mattis
    17. Mai 2020, 17:09 | #22

    @Neoprene:
    Arbeits- und Hygienebedingungen u.a. in den Fleischfabriken sind ja veritable Brandbeschleuniger in Sachen Infektion. Das konnten wir schon mehrfach auch in D begutachten.
    Die US-Fleischsituation scheint auch nicht ganz so dramatisch zu sein, siehe
    https://www.tagesschau.de/faktenfinder/corona-usa-fleisch-101.html
    Aber davon mal abgesehen:
    Eine frühzeitige Reduktion der Produktion – statt wochenlanger Verharmlosung – hätte vielerorts die Eskalation verhindern können, ohne dass man komplett stilllegen müsste. Das hätte auch zumindest teilweise helfen können, eine gewisse Proportionalität der Produktion zu erhalten. Und selbst wenn das nicht machbar gewesen wäre: Feldarbeit ist möglich, notfalls können alle zumindest vegetarisch überleben.
    Zu den Zulieferproblemen: Autofabriken z.B. wollen schnell wieder Geschäfte machen, aber die Zulieferung hat noch nicht wieder den benötigten Umfang. Warum ist das schlimm, wenn die Endfertigungen etwas warten müssen, bis die Zulieferung wieder läuft? Das ist primär ein kapitalistisches Problem: dass jetzt noch nicht soviele Autos wie erhofft verkauft werden können. Das Problem ist eben nicht, dass im Land fahrbare Vehikel fehlen. Notfalls tuts auch ein gebrauchter, wenn der aktuelle den Geist ganz aufgibt.
    Und so ist es doch mit den meisten Gebrauchsgegenständen.
    Darauf wollte ich hinweisen: dass nicht ein sachlicher Engpass die Krise ausmacht, sondern der fehlende Umsatz, also die ausbleibende Kapitalverwertung.
    Man kann sich das auch darüber klarmachen, dass die Reduktion der „Wirtschaftsleistung“ für 2020 auf ca. 10-15% geschätzt wird. Das ist doch keine Katastrophen-Dimension! Aber im Kapitalismus wird diese Dimension zur Katastrophe für die Lohnabhängigen, in den USA gibt’s jetzt schon ca. 30 Millionen neue Arbeitslose.

  23. 17. Mai 2020, 17:52 | #23

    „Die US-Fleischsituation scheint auch nicht ganz so dramatisch zu sein“

    Jetzt vielleicht schon nicht mehr, eben aber doch:

    „Der Nachschub des Rohmaterials ist aber ins Stocken geraten. Denn das Schlachtvolumen ist in der letzten Aprilwoche um 35 Prozent eingebrochen.
    Rund 20 Fleischfabriken mussten in den vergangenen Wochen wegen des Coronavirus zwischenzeitlich schließen. Allein in einer davon, der Smithfield-Produktion in South Dakota, werden rund fünf Prozent des US-Bedarfs an Schweinefleisch portioniert.“

    Der Spiegel noch am 7.5.2020

    „Aber davon mal abgesehen:
    Eine frühzeitige Reduktion der Produktion – statt wochenlanger Verharmlosung – hätte vielerorts die Eskalation verhindern können“

    Ja nun, eine geplante und dementsprechend gesteuerte Wirtschaft hätte alles Mögliche abfedern können, natürlich auch einen massiven Lockdown. Haben wir aber nicht und kriegen wir auch so schnell nicht rein. Weil eben gilt: „Das ist primär ein kapitalistisches Problem“. In der Tat, das „sachliche Problem“ ist ausschließlich das blöde Virus und wie man das so weit es eben geht, wieder los wird. Der Rest ist von Merkel und Co. selbstgemacht.

  24. Mattis
    11. Juli 2020, 12:08 | #24

    „Fast keiner der momentan Infizierten ist angehustet worden.“
    Das hatte ich Ende März geschrieben. Die Aerosol-Theorie war absolut naheliegend, anhand der damals schon bekannten Fakten.
    Gestern nun, 10. Juli (!) hat die WHO verkündet, es könnte an der Aerosol-Theorie was dran sein.
    Masken wurden anfangs generell für ineffektiv gehalten, solange es keine gab, nicht aus wissenschaftlicher Erkenntnis.
    Jetzt wird die Aerosol-Theorie nur sehr zaghaft zugestanden, warum? Weil dann viel bessere Masken nötig wären, für den Schutz des Trägers – und die natürlich wieder nicht ausreichend vorhanden sind.

  25. Petra
    19. August 2020, 20:43 | #25

    Stephan Kaufmann über gängige Ideologien über Ausbildung und Einkommen im Kapitalismus – nicht nur in Zeiten der Pandemie
    https://www.neues-deutschland.de/artikel/1140455.armut-fuer-die-wirtschaft-lernen-wir.html

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