Das „Positionspapier von CDU und CSU“ vom 1.11.2015
Das Positionspapier vom 1.11.2015 von CDU und CSU hat die Überschrift „Menschen in Not helfen, Zuwanderung ordnen und steuern, Integration sichern“
Also ganz bewußt nicht Zuwanderung vermindern sondern „nur“ ordnen.
Wenn sie dann „Transitzonen“ fordern, „… als vordringlichste Maßnahme zur besseren Kontrolle unserer Grenze“, dann ist „Kontrolle“ schon wieder ein Euphemismus, denn „In diesen Transitzonen wird für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern, mit Wiedereinreisesperre, mit Folgeanträgen und ohne Mitwirkungsbereitschaft ein beschleunigtes Asylverfahren einschließlich Rechtsmittelverfahren und Rückführung durchgeführt.“ Es sollen also Flüchtende wieder zurückgewiesen werden. Da das die Flüchtlinge natürlich auch wissen, wird die Regierung sie in diese „Transitzonen“ genannten Internierungslager per polizeilicher Gewalt einweisen und dort mit Zwang festhalten müssen. Gemäß ihrem Zweck können diese Lager, egal wie sie dann heißen („Hot Spots“ war bisher der zynischste Verschleierungsbegriff) nur die „Haftanstalten“ sein, als die sie die SPD zurecht bezeichnet. Da muß man schon ein gewiefter Richter am BVG sein, um den Gefängnischarakter solcher Abschiebeknäste wegzudefinieren: „Die Ausgestaltung des Verfahrens erfolgt in enger Anlehnung an das Flughafenverfahren, das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine Hafteinrichtung ist.“
Wenn CDU/CSU fordern, „Zur Vermeidung von Problemen soll schnellstmöglich zwischen Deutschland und Österreich ein besseres und faires Grenzmanagement
vereinbart werden.“ dann ist offensichtlich, daß es „besser“ nur dann wird, wenn die angestrebten „gemeinsamen Polizeistreifen entlang der Grünen Grenze“ möglichst viele Flüchtlinge erst gar nicht auf deutschen Boden kommen lassen oder sie höchstens direkt in die nächstgelegene „Transitzone“ abführen.
Selbst bei einem recht eindeutigen Ziel „Intensivierung von Rückführungen und Abschiebungen“ reden sie drum rum und vermeiden es zu schreiben, daß jetzt eben erheblich mehr Menschen wieder abgeschoben werden sollen als bisher.
Eine „besseren Bewältigung der aktuellen Situation“ sieht dann für die CDU aus glatt so aus, daß der Familiennachzug für zwei Jahre ausgeschlossen wird.
Und auf die bisherigen Weicheier unter den Ländern und Kommunen soll der Druck massiv erhöht werden:
„Bund und Bundesländer sind in der Pflicht, eine konsequente und bei Leistungsgewährungen und Rückführungen genauso wie bei der Beschleunigung von Asylverfahren zu gewährleisten.“
Die CDU weiß auch, daß der Flüchtlingsstrom nicht nur an der deutschen Grenze verringert werden kann: „Das Europäische Recht verlangt einen strikten Schutz der Außengrenzen der EU, der zurzeit nicht gewährleistet ist. Indem wir den Schutz der Außengrenzen wiederherstellen, illegale Schleusungen und Migration beenden, legale Strukturen des Flüchtlingsschutzes und der Lastenteilungen mit unseren Nachbarländern schaffen, werden wir die Zahl der Flüchtlinge reduzieren.“
Mit so neutralen Verben wie „schützen“, „beenden“, soll umschrieben werden, daß die „Reduktion der Flüchtlingszahlen“ ein recht gewalttätiges Geschäft ist und bleibt.
Auch für das zentrale Projekt einer Einbindung der Türkei in die Reduzierung der Flüchtlingszahlen, die nach Deutschland kommen, sind CDU/CSU ganz schön vage:
„Wir sprechen uns für die baldmöglichste Einberufung eines EU-Türkei-Gipfels zur Verabschiedung der gemeinsamen Migrationsagenda aus. Dabei soll Einvernehmen hergestellt werden über:
– die finanzielle Unterstützung der Türkei zur besseren Versorgung von
Flüchtlingen,
– die Eröffnung neuer Kapitel in den laufenden Verhandlungen,“
Also eine völlig unverbindliche Absichtserklärung sich (also am besten der EU insgesamt und nicht nur der BRD) die Begrenzung was kosten zu lassen und noch vager das Winken mit Entgegenkommen bei der EU-Annäherung für die Türkei.
Aber in Kernfragen wird knallhart vorgetragen:
„Beschleunigung des Inkrafttretens der Rückführung von Drittstaatsangehörigen aus der EU in die Türkei.“
Alle Flüchtlinge, die „wir“ nicht wollen, hat die Türkei gefälligst zurückzunehmen, denn sonst wüßten die EU-Staaten ja buchstäblich nicht, wohin mit ihnen.
„die Vereinbarung eines legalen Flüchtlingskontingents aus der Türkei für die
EU insgesamt“ lese ich auch als den Wunschtraumeiner Obergrenze der Flüchtlingszahlen, die es gemäß Merkel ja nicht geben soll.
Ein besonderer Hohn ist die Deklarierung von Afghanistan (nun ja, nur von handverlesenen „Schutzzonen“) als sicheres Heimatland, in das man ungerührt von dort Geflüchtete wieder zurückfliegen lassen kann. Oder als Drohung: „Vor diesem Hintergrund werden wir die Entscheidungsgrundlagen des BAMF für Afghanistan überarbeiten und anpassen.“
Wenn CDU/CSU ganz optimistisch/fordernd schreiben:
„Vom EU-Afrika-Gipfel am 14.11. in La Valetta erwarten wir ein klares Signal zur Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika sowie eine Neuausrichtung und Verstärkung der Entwicklungszusammenarbeit mit Blick auf die Reduzierung von Flüchtlingsbewegungen und den Abschluss von Rückübernahmeabkommen.“
dann ist die „Bekämpfung von Fluchtursachen“ sicher schon dann erreicht, wenn „die Reduzierung von Flüchtlingsbewegungen und den Abschluss von Rückübernahmeabkommen“ erfolgreich für die EU verlaufen.
Daß die berüchtigten „Hotspots“ oder „Aufnahme- und Verteilzentren“ weniger mit „Aufnahme“ sondern mit Abwehr zu tun haben, schreiben sie selbst, es geht nämlich um „Durchführung der Verfahren „vor Ort“ für nicht Schutzbedürftige und ihre
Rückführung in die Herkunftsländer.“
Und selbstverständlich ist dafür folgendes nötig:
„Die beschlossene Verstärkung von Frontex muss schnellstmöglich umgesetzt werden.“
Aufzeichnung der Diskussionsveranstaltung mit
Rolf Röhrig in Leipzig am 5. November 2015:
„Weltflüchtlingsmacht Deutschland“
http://www.argudiss.de/node/348
Die Veranstaltung am 4. November 2015 in Berlin.
„Mit so neutralen Verben wie „schützen“, „beenden“, soll umschrieben werden, daß die „Reduktion der Flüchtlingszahlen“ ein recht gewalttätiges Geschäft ist und bleibt.“ (Neoprene)
Da die EU insgesamt diese Aufgabe neu festzulegen sich bisher weigert, die BRD die Suppe aber auch nicht gänzlich alleine auslöffeln will, greift sie nun auf europäische Verbündete und auf die Türkei zurück. Dass sie also anscheinend dazu Konzeptionen des Europas zweier Geschwindigkeiten benutzt, wird vermutlich auch als Geste vor allem gegenüber Ungarn und Polen gemeint sein, denen demonstriert wird, dass es ohne sie sowieso in Europa viel besser funktioniert:
„Kontingentlösung für Türkei nimmt Gestalt an
Auf Initiative von Angela Merkel wollen sich an diesem Sonntag EU-Staaten treffen, die bereit sind, Flüchtlingskontingente aus der Türkei aufzunehmen. Im Gespräch sind nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung 400.000 Flüchtlinge.
In der Europäischen Union formiert sich erstmals eine Gruppe von Staaten, die der Türkei ein Kontingent von Flüchtlingen abnehmen will, wenn Ankara im Gegenzug den Zustrom nach Europa stoppt. Wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung aus Verhandlungskreisen erfuhr, haben Kanzlerin Merkel und Kommissionspräsident Juncker für diesen Sonntag, 14 Uhr, in Brüssel ein „Treffen der Willigen“ arrangiert. Daran werden neben Deutschland die drei Benelux-Länder, Österreich, Schweden, Finnland und Griechenland teilnehmen.
Auch Frankreich ist eingebunden; die Kanzlerin hat die Initiative mit Präsident Hollande am Mittwoch bei einem Treffen in Paris besprochen. Hollande kann am Sonntag jedoch erst um 16 Uhr nach Brüssel kommen, wenn das mit Spannung erwartete Gipfeltreffen zwischen den EU-Regierungschefs und der türkischen Regierung beginnt. Dabei soll ein umfassender politischer Pakt mit der Türkei besiegelt werden.“
http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/fluechtlingskrise-kontingentloesung-fuer-tuerkei-nimmt-gestalt-an-13937583.html
„Letztlich ist die Erwartung der Türkei klar, auch wenn niemand in Ankara der Ansicht ist, dass sie realistisch sei: Man will, dass die Kommission umgehend den Gesetzgebungsprozess zur Aufhebung der Visumspflicht einleitet und den Mitgliedstaaten dann binnen weniger Monate detailliert und mit genauen Fristen vorschlägt, türkische Staatsbürger von der schwarzen auf die weiße Schengen-Liste zu verschieben, ihre Visumspflicht also aufzuheben. Solange man das nicht sehe, sehe man sich nicht zu einem Entgegenkommen verpflichtet. Was die EU bisher anbietet, sind aus Sicht Ankaras nur Glasperlen – Tand, dessen Glitzern über seine Wertlosigkeit hinwegtäuschen soll.
Freilich hat auch die Türkei bisher nur Glasperlen im Angebot. In Brüssel erwartet man von Ankara, das seit Oktober 2014 partiell geltende Rücknahmeabkommen mit der EU umgehend auf alle Migranten anzuwenden, die über die Türkei in die EU gelangen. Die Türkei hat auch scheinbar Bereitschaft signalisiert, darauf einzugehen – doch dürfte die türkische Interpretation des Rücknahmeabkommens einstweilen nicht zu einer Verringerung der Völkereinwanderung nach Europa beitragen.
Denn Migranten etwa aus Pakistan, Bangladesch oder Iran, die über die Türkei auf eine der griechischen Inseln gelangen, reisten zumindest bisher von dort über den westlichen Balkan weiter nach Deutschland und Schweden. Sobald sie die griechisch-mazedonische Grenze überqueren, verlassen sie das Gebiet der EU und betreten es erst wieder bei der Überquerung serbisch-kroatischen Grenze. Zur Rücknahme solcher Flüchtlinge sieht sich die Türkei aber nicht verpflichtet, da sie schließlich nicht von türkischem Boden aus die EU zum zweiten Mal betreten haben. Von diesem europäisch-türkischen Glasperlenspiel erwartet man sich in Ankara nichts – man spielt es aber mit.“
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/das-glasperlenspiel-des-fluechtlingsgipfeltreffen-13936235-p2.html
(Dass Griechenland an den mittäglichen Gesprächen teilnimmt, hat
vermutlich weniger mit der „Aufnahme“ von Flüchtlingen zu tun, sondern damit, dass die Griechen erpresst werden sollen, abgewiesene Flüchtlinge ihrer Reisefreiheit Richtung Kerneuropa zu berauben – was die Griechen bisher aber abgelehnt haben.) Da entdeckt die EU also noch ‚Regelungsbedarf‘.
EU-gemäßes „Wohlverhalten“ der entsprechenden [Balkan-]Staaten (sei es bei Durchreise, sei es bei Rücknahme von Flüchtlingen) wird honoriert; schließlich wollen diese Länder in die NATO, EU oder auch an EU-Gelder herankommen, – und das beinhaltet EU-nützliche Erpressbarkeiten…
http://www.spiegel.de/politik/ausland/mazedonien-steine-und-blendgranaten-am-neuen-grenzzaun-a-1065049.html
Weiterer Streit in der EU ist vorprogrammiert:
– die Flüchtlingszahlen werden vermutlich allenfalls wegen der Temperaturänderung sinken,
– die Osteuropäer sollen trotz ihrer Ablehnung den Fonds für die Türkei u.a. zwecks Flüchtlingsabwehr mitfinanzieren,
– und alles funktioniert sowieso nur dann, wenn mit der Türkei näher kooperiert wird.
http://www.zeit.de/politik/2015-11/fluechtlinge-eu-tuerkei-ahmet-davutoglu
„Eine große Unehrlichkeit“ – das ist da noch eher untertrieben…
Übrigens hat die DKP einen Brief an die ARD geschrieben, weil diese unterschlage, dass das Bombardement der Russen sich hoffnungsvoll auf die syrischen Bewohner auswirke, und diese glücklich in ihre Heimat zurückkehren würden.
Andere Quellen berichten, dass die Türkei ihre Migrationspolitik fundamental geändert habe, und Flüchtlinge zurück nach Syrien nötige, indem sie den Aufenthalt der Flüchtlinge und die Tätigkeit der Schlepper drangsaliere:
„Ein IOM-Sprecher erklärte, auch ein härteres Vorgehen der türkischen Behörden gegen Schlepperbanden könnte eine Ursache für den Rückgang sein.“
http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/zahl-der-fluechtlinge-von-tuerkei-nach-griechenland-bricht-ab-13933125.html
DOKUMENTATION der Veranstaltung in Nürnberg, 26.11.2015
Weltflüchtlingsmacht Deutschland Teil II:
Die inneren Unkosten des „moralischen Imperialismus“ der Kanzlerin und die nationalistische Ablehnung, die sie dafür kassiert
http://www.argudiss.de/node/353
Die Grenzen der EU werden mit Frontex militärisch aufgerüstet
http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/frontex-soll-staerker-beim-grenzschutz-eingebunden-werden-13960703.html
– und wie so ein Hotspot in Griechenland ausschaut,
(das hatte nestor bereits gepostet):
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/12/12/hotspots-fuer-fluechtlinge-das-haessliche-gesicht-deutschlands-und-der-eu/
Sowohl die Ausgestaltung des Hotspots auf Lesbos als auch die Prozeduren der Abschiebung lassen vermuten, dass die griechische (wie die mazedonische) Regierung ihre Flüchtlingspolitik nunmehr gänzlich dem Wunsch nach einem guten Einvernehmen mit der BRD untergeordnet hat:
http://www.jungewelt.de/2015/12-12/026.php