Die Schlußbemerkungen von Peter Decker bei der Veranstaltung zum Thema „Wie die Demokratie Protest unschädlich macht – Die Praxis des Demonstrationsrecht am Beispiel der Blockupy-Aktionstage in Frankfurt“ am 15.11.2012 in Nürnberg:
„Ein Nachtrag, der ein bißchen an Aktivisten des Demonstrierens hinredet. Es gibt unter den linken Organisationen eine ziemlich feste Meinung, daß Vorträge halten und Flugblätter produzieren und verteilen, Schriften produzieren und verteilen, daß das „Theorie“ ist. Das kann schon respektabel sein, aber es ist bloß „Theorie“. Demonstrieren ist „Praxis“, und zwar die Praxis.
Denen möchte ich gerne sagen, die heutige Besprechung der Demonstration als Mittel, für ein Anliegen Aufmerksamkeit zu erwecken, sollte ein bißchen gezeigt haben, daß diese Praxis – ohne daß ich jemandem deshalb den Vorwurf machen will, wenn er demonstriert, das ist nicht verkehrt – bedeutet, sich den Organen der Öffentlichkeit ausliefern, damit die was aus der eigenen Sache machen. Und die machen dann daraus, was sie wollen. Das ist unvermeidlich, das ist kein Fehler.
Dann sollte man verstehen: Praxis im Sinne eines politischen Kampfes um „Macht“, um die Fähigkeit, den Lauf der Dinge zu bestimmen, ist etwas ganz anderes als Demonstrieren. Wer das will, der muß an die Grundlagen der Macht gehen, der muß dran gehen, worauf beruht denn dieses Gemeinwesen? Das ist ein ganz anderes Feld. Letzen Endes ist das das Feld, wo die Arbeiterschaft den Reichtum dieser Gesellschaft produziert. Wenn die sich verweigern, das ist ein wirklicher Hebel, das ist ein wirkliches Mittel der Macht. Demonstrieren ist dann selber bloß das Demonstrieren von praktischem Willen. Das hat was, ja, und das soll man auch nicht leugnen. Es ist wie auf dem Feld des Theaters das Dementi, daß es bloße Meinung sei. Das ist nicht unrespektabel. Aber es ist doch bloß auf dem Feld des Theaters das Dementi, daß es bloße Meinung sei. Die sagen, Demo ist doch die Praxis! Reden ist Theorie, Demo ist Praxis! Jetzt will ich sagen, aber Leute, vergeßt bitte dabei nicht: Praxis ist bloß Demo! Und das ist nicht dasselbe als wenn ich sagen wollte, man soll nicht demonstrieren. Daß soll man. Aber man soll wissen, auf was man sich einläßt. Daß man da bloß ein Mittel hat, dessen fragwürdige Seiten wir heute durchgenommen haben, ein Mittel der Verbreitung eine kritische Auffassung betätigen, daß sich durchaus vergleichen muß mit: Was ist besser, 10 000 Flugblätter mit ein paar Argumenten oder 10 000 Demonstranten mit einer Parole? Da kann man für beides was anführen, aber man soll nicht so tun, daß das eine „Politik“ wäre und das andere „Theoriewichserei“.
Das jetzt an die – sind wahrscheinlich nicht da, wie immer – Aktivisten des Demonstrierens: Einfach mal überlegen: Ist das, was sie für die Praxis halten, ist das wirklich was anderes als auch nur ein Mittel, einen Standpunkt bekanntzumachen? Wem das klar ist, der ist dann auch bereit, praktisch die Vergleichbarkeit der Mittel ins Auge zu fassen und auch den Riesenaufwand, den es kostet eine nationale Demo irgendwo zu organisieren, ins Verhältnis zu dem Nutzen zu setzen, der damit verbunden ist. Das war jetzt mal hinzugesetzt von mir, von uns, das Moment des Praktischen an diesen Überlegungen.“
Zur Erinnerung, was die eigene Sache mal war:
http://www.gegenstandpunkt.com/msz/html/81/81_6/demo.htm
So deutlich haben das die Genossen in Frankfurt übrigens nicht vorgetragen, da klang das stellenweise so, als wenn die Demokratie es so hinorganisiert habe, daß das Demonstrationsrecht einem Demonstranten den Schneid per se unvermeidlich abkaufen müßte.