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VSA-Buchankündigungen: Huisken, Sandleben, Bischoff u.a.

1. August 2011

Jemand hat im Diskussionsforum Kapitalismuskritik schon auf zwei Buchankündigungen des VSA-Verlages für den nächsten Winter hingewiesen.
Freerk Huisken wird ein Buch herausbringen,
„Der demokratische Schoß
ist fruchtbar…
Das Elend mit der Kritik am (Neo-)Faschismus

Von Heinz-Jürgen Dahme und Norbert Wohlfahrt (beide Autoren sagen mir nichts, aber das Thema klingt interessant) soll es geben:
Ungleich gerecht?
Kritik moderner Gerechtigkeitsdiskurse
und ihrer theoretischen Grundlagen

Folgende Bücher könnten ebenfalls interessant werden:
Guenther Sandleben
Politik des Kapitals
in der Krise
Eine empirische Studie (2007-2010)

(es gab vor Jahren mal eine Auseinandersetzung zwischen G. Sandleben (und Horst Schulz) und F. Huisken zum Staatshaushalt gegeben, ich hatte hier darüber berichtet)
Und wahrscheinlich nicht wirklich interessant, aber beispielhaft für die „linke“ Kritik zum Thema
Joachim Bischoff
Die Herrschaft des
Finanzkapitals
Politische Ökonomie der Schuldenkrise

Kategorien(1) MG + GSP Tags:
  1. Heinrich
    1. August 2011, 08:44 | #1

    „…Heinz-​Jür­gen Dahme und Nor­bert Wohl­fahrt (beide Au­to­ren sagen mir nichts, …“

    Wenn die Autoren Wohlfahrt und Dahme so deutlich Stellung beziehen wie Wohlfahrt in dieser Rezension eines Buches von Albert Krölls, http://www.socialnet.de/rezensionen/8691.php, dann könnte deren Buch ein gutes Buch werden.

  2. 1. August 2011, 10:47 | #2

    Ja, Heinrich, das erwarte ich auch. Das wäre dann aber schon was anderes, als was z.B. Prof. Wohlfahrt bisher auf seinem beruflichen Fachgebiet, er ist schließlich „Prof. für Sozialmanagement, Verwaltung und Organisation“, so publiziert hat/publizieren mußte: http://www.efh-bochum.de/homepages/wohlfahrt/
    Gerade in solch einem hochgradig ideologisch aufgeladenen Gebiet wie der öffentlichen „Wohlfahrtspflege“ tut man sich sicher nicht gerade leicht, wenn man einerseits recht klare staatliche Vorgaben weitergeben muß (sozusagen ex cathedra und nicht nur im stummen Vollzug) und andererseits persönlich politisch hoffentlich/offensichtlich was ganz anderes gut findet. Da hat es ein Kapitalismuskritiker, der meinetwegen Bibliothekar oder Physiotherapeut ist, sicher einfacher, den immer notwendigen Spagat zwischen den beruflichen Erfordernissen einer Lohnabhängigenexistenz und den politischen Einsichten darüber unter einen persönlichen Hut zu kriegen.

  3. 1. August 2011, 11:12 | #3

    ich glaube, du unterschätzt die freiheit von forschung und lehre

  4. 1. August 2011, 11:45 | #4

    Bei der Zurichtung von zukünftigen Sozialpolizisten, also der Soft-Cop-Variante der Gerichtsvollzieher / Kontaktbereichsbeamten / JVA-Bediensteten legt der Staat aber schon merkbar „engere“ Kriterien an als in „Orchideenwissenschaften“ oder meinetwegen Deutsch-für-die-Grundschule-Lehrern.

  5. 1. August 2011, 13:06 | #5

    der ist längst verbeamteter fh-professor. was kann dem denn passieren?
    ich denke, der wird sich wenn überhaupt nur zurück nehmen, um seinen studierenden nicht zu schaden. die wollen da ja für einen job lernen (direkter als an der uni), und kommen da nicht hin, um gesellschaftskritik erklärt zu kriegen. dafür brauchen die offiziell anerkanntes wissen, dass die auch bei anderen leuten in prüfungen und klausuren reproduzieren können. das schränkt doch viel mehr ein, denen nichts kaputt machen zu wollen

  6. 1. August 2011, 13:20 | #6

    bigmouth, wieviele Linke kennst du, die es geschafft haben, als Beamte einen praktisch unkündbaren Job ergattert zu haben und die dessen gewiß rund um die Uhr eine dicke kommunistische Lippe riskieren? Und wieviel mehr Linke kennst du, die mit Ach und Krach eine Patch-Work-Uni-„Karriere“ hinter sich oder noch vor sich haben, wo schon die nächsten zwei Jahre alles andere als gesichert sind? Als wenn nicht fast alle Lohnabhängigen sich immer mal wieder die bange Frage stellen müßten, „was kann [mir] denn passieren?“

  7. star wars
    1. August 2011, 13:23 | #7

    Ich frag mich worauf Heinz-​Jür­gen Dahme und Nor­bert Wohl­fahrt mit ihrer Veröffentlichung „Un­gleich ge­recht? Kri­tik mo­der­ner Ge­rech­tig­keits­dis­kur­se und ihrer theo­re­ti­schen Grund­la­gen“ hinauswollen? Der erste Satz des Titels „ungleich gerecht“ weisst jedenfalls auf einen Gegensatz zwischen „Ungleichheit“ und von ihnen postulierten „Gerechtigkeitsvorstellungen“ hin. Weiss jemand vielleicht mehr zu dieser Veröffentlichung? Würde mich interessieren.

  8. 1. August 2011, 14:10 | #8

    Da ich nicht annehme, daß die Autoren ihr Buch schon weit verbreitet haben, ehe es überhaupt erschienen ist, es vielleicht noch nicht einmal fertig ist, und erst recht nicht annehme, daß die diesen Blog lesen, kann ich nur vermuten, daß sie das ungefähr so meinen:

    „Umverteilungspolitik spielt auch im Aktivierungsparadigma eine nicht unerhebliche Rolle, ist nur nicht mehr voraussetzungslos (dekommodifiziert) und folgelos (Exklusionsdohung), vor allem ist Verteilungsgerechtigkeit nicht mehr höchster Wert, sondern ein nachgeordneter Wert in der Wertehierarchie (W. Merkel). Aktivierungspolitik als exklusionsandrohende Erziehung Bedürftiger ist angesichts des geltenden Sozialrechts und des Sozialstaatskompromisses nicht unproblematisch, da das Aktivierungsparadigma soziale Grundrechte kontingentiert, abschafft oder neu definiert; auch die Strategie der Sozialinvestition ist rechtsfolgeschwer, da Investiti- onen immer auch Entscheidungen über Nicht-Förderung, Nicht-Unterstützung bzw. Aus- schluss und Außerkraftsetzen des Umverteilungsmechanismus zur Folge haben. Sozialinvesti- tionen sind (wie alle Investitionen) hochgradig selektiv. Der Investor hat als Manager die Be- fugnis, Entscheidungen zwischen verschiedenen wohlfahrtsfördernden Alternativen zu tref- fen. Deshalb verwundert es nicht, dass Aktivierungspolitik von Anfang an (also seit den ers- ten Workfare-Programmen) auch immer durch ethische Grundsatzfragen begleitet wird (vgl. Mead 1986). Wohlfahrtsstaatskritik war immer auch ein Diskurs über Werte, Menschenbild, letztendlich die Ausgestaltung sozialer Gerechtigkeit.
    Der sozialpolitische Gerechtigkeitsdiskurs hat auch in der Bundesrepublik an Fahrt gewon- nen, seitdem das Aktivierungsparadigma aus dem Stadium der Rhetorik in das Stadium des konkreten Um- und Abbaus des Wohlfahrtsstaats eingetreten ist. Besonders heikle wird die Situation und Diskussion dadurch, dass die Partei der sozialen Gerechtigkeit (also die SPD) das Aktivierungsparadigma mit aller Macht forciert und sich dadurch von den eigenen, lange vertretenen sozialen Gerechtigkeitsprinzipien entfernt und sich gezwungen sieht, für die ei- gene Politik eine neuen „Hintergrundtheorie“ von Gerechtigkeit zu entwickeln, was nicht schwer fällt, da der Theoriefundus voll ist. Schwerer fällt es dagegen, den Mitgliedern und Wählern diese neue Hintergrundstheorie zu vermitteln, ohne dass der Paradigmenwechsel zu offensichtlich wird.
    Gerechtigkeit dürfe man angesichts der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandlungs- prozesse nicht nur als Verteilungsgerechtigkeit im Rahmen eines egalitären Gerechtigkeits- verständnisses sehen, heißt es neuerdings; Gerechtigkeit darf nicht nur der Gleichheit (Vertei- lungsgerechtigkeit), sondern muss auch der Freiheit des einzelnen dienen; sozialpolitisch ge- wendet bedeutet das: Gerechtigkeit muss auch der Freiheit der Wirtschaft und des Unterneh- mertums dienen (vgl. Mahnkopf 2000). Für diesen Perspektivenwechsel kann man auf eine Vielzahl von Arbeiten aus der praktischen Philosophie wie aus der Wohlfahrtsökonomie zu- rückgreifen.
    Das egalitäre Gerechtigkeitsmodell lässt sich auf einen langen, gut ausgearbeiteten bis in die christliche Tradition zurückreichenden Begründungsstrang zurückführen. Gleichheit bildet auch den Kern der europäischen Aufklärungsmoral, was dazu geführt hat, dass Teilung und ungleiche Verteilung in der auf die Aufklärung aufbauende Moderne höchst begründungsbe- dürftig geworden sind. Der amerikanische Philosoph John Rawls hat noch in den 1970er Jah- ren eine umfassende und differenzierte Begründung für eine egalitäre Gerechtigkeitstheorie entwickelt und sich dabei vor allem von der moralischen Gleichheit ausgehend, gefordert, dass sich diese in allen „gesellschaftlichen Verteilungsdimensionen“ widerspiegeln müsse. „Chancengleichheit“ zu garantieren, würde nicht genügen, vielmehr müsse der Staat „sich der Herstellung möglichst weitgehender materieller Gleichheit“ verschreiben (Kersting 2003, S. 117).
    „Chancengleichheit“ soll nach dem Aktivierungsparadigma der wichtigste Stützpfeiler des neuen sozialen Gerechtigkeitsmodells sein; damit gerät die egalitäre, verteilungszentrierten Gerechtigkeitstheorie des Keynesianischen Wohlfahrtsstaats sozialpolitisch ins Kreuzfeuer. Als „Hintergrundstheorien“ für den Schwenk in der sozialpolitischen Gerechtigkeitsvorstel- lung werden vor allem liberale Gerechtigkeitstheorien bemüht, denen es darum geht, eine freiheitsbegründende und freiheitsfördernde Gerechtigkeit zu propagieren. „Der freiheits- rechtliche Sozialstaat ist um die Ermöglichung der Wahrnehmung des Freiheitsrechts, ist um die Ermöglichung selbstbestimmter Lebensführung bemüht. Sein Hauptziel ist die Minimie- rung von Autonomierisiken, nicht die Erträglichmachung der Folgen manifesten Autonomie- verlustes. Daher ist der freiheitsrechtliche Sozialstaat nicht auf das Versicherungsprinzip zu reduzieren … Daher zeigt sich seine Leistungsstärke auch nicht an dem Niveau der Versor- gung … Aus freiheitsrechtlicher Perspektive ist der Sozialstaat vordringlich ein Ermöglicher, der Vorsorge für die Freiheit trifft, kein Reparaturunternehmen, das Benachteilungsschäden beseitigt“ (Kersting 2003, S. 128). Als weiterer Bausteine für die aktivierungspolitische Ge- rechtigkeitstheorie werden ökonomische Argumente bemüht: der Sozialstaat dürfe sich weder ethisch noch ökonomisch von der Markt- und Wettbewerbsgesellschaft abkoppeln, denn marktunabhängige Versorgungssysteme gäbe es nicht. Deshalb gipfelt die neue Gerechtig- keitstheorie, sobald sie sich auf sozialpolitischem Terrain bewegt, in der These, der Sozial- staat sei „zur Sicherung der Marktmöglichkeit der Bürger da“ (S. 134), was auch die Schaf- fung unternehmensfreundlicher Rahmenbedingungen beinhaltet. Sozialtransfers werden zu Investitionen, wenn sie nicht aufgrund von Rechten, „sondern für Aktivitäten“ ausgezahlt werden (Priddat 2003, S. 384). In dieser Gerechtigkeitsvorstellung muss der Bürger nicht ein- fach nur kooperieren, sondern viel weitergehender auch zur „Ko-Investition“ bereit sein (S. 390)“

    [aus „Heinz-Jürgen Dahme – Norbert Wohlfahrt: Soziale Gerechtigkeit im aktivierenden Sozialstaat.
    Zur Entwicklung einer dezentralisierten und sozialraumorientierten Sozialpolitik“, von der Homepage von N. Wohlfahrt http://www.efh-bochum.de/homepages/wohlfahrt/pdf/Dahme-Wohlfahrt-Gerechtigkeit-NDV.pdf (Daß der aber auch noch so heißt!!)]

  9. Heinrich
    24. März 2012, 14:00 | #9

    „Wenn die Autoren Wohlfahrt und Dahme so deutlich Stellung beziehen wie Wohlfahrt in dieser Rezension eines Buches von Albert Krölls, http://www.socialnet.de/rezensionen/8691.php, dann könnte deren Buch ein gutes Buch werden.“

    Das Buch ist erschienen. Erster Eindruck: Das Buch lässt an „Deutlichkeit“ nichts zu wünschen übrig. Das Buch wir es deshalb womöglich schwer haben, ebensoviel Anklang unter linken Sozialarbeitern zu finden, wie anderen Pubolkationen der beiden Autoren.

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