Nach Anhören der Veranstaltung mit Renate Dillmann und Ingo Nentwig (grob von der Partei Die Linke) zum Charakter der VR China am 1. 7. 2010 in Köln habe ich mich wieder mal geärgert, daß sowas nicht auch in Berlin veranstaltet wurde/wird. Denn ich hätte mit Sicherheit nicht ruhig auf meinem Zuhörerzustuhl gesessen, wenn solch ein antisozialistischer „Linker“ (früher wäre er von Rechts und von wirklich Links als Fellow Traveller beschimpft worden) mit unverhohlener Freude über die blutig hergestellten Fakten der Geschichte erzählt, um damit deren Alternativlosigkeit damals genauso zu bemänteln wie seine Bejubelung der kapitalistischen Gegenwart (natürlich nur ganz, ganz kritisch, schließlich ist er beinahe einer von der Partei Die Linke, da aber einer von den ganz linksradikalen!) .
Natürlich weiß auch jemand wie Nentwig, der sich ja zynisch und stolz in die Tradition der stalinisierten Dritten Internationale stellt, um den erbitterten Streit sowohl in der frühen Komintern als auch drum herum mit anderen Kommunisten und Anarchisten um die Fragen, welches Programm Revolutionäre brauchen, um den von Lenin ja nicht zu Unrecht „Sozialchauvinisten“ genannten mehr oder weniger linken Nationalisten die Massen abspenstig zu machen. Das gerade in einem Gebiet (ich vermeide jetzt mal ganz bewußt die Begriffe Staat/Land/Nation, weil die ja gerade kontrovers gesehen werden) mit vom Kapitalismus bis dahin wenig entwickelten Produktivkräften wie dem Machtgebiet der Bolschewiki schon die Verteidigung gegen des Wiederabräumen durch die imperialistischen Mächte nicht leicht von der Hand ging, daß im eigenen Gebiet nicht allzuviel vorhanden war, um den Massen, vor allem den Massen der noch auf und vom Land lebenden Menschen eine unmittelbar einleuchtende Perspektive der Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse liefern zu können, genau dieser nicht gerade ermutigende Ausgangspunkt war doch einer der Hintergründe für die dann erbittert ausgefochtenen politischen Kämpfe um „Sozialismus in einem Land“ versus „Kampf für die proletarische Weltrevolution“ zuerst nur in der Sowjetunion, aber dann natürlich auch in der ganzen 3. Internationale.
Natürlich weiß Nentwig auch darum, daß die Stalin-Fraktion nach einigen Jahren des weltweiten Kampfes in den nationalen Sektionen der Komintern das nationale Projekt Sowjetunion/“Sozialismus“ nur in einem Land durchgesetzt hat, was gerade für China von Anfang an katastrophale Folgen gehabt hat. Es ist doch eine stalinistische Fälscherlüge, daß sich das weltweit also auch und gerade in China niemand anders habe vorstellen können als so wie das Stalin auch der chinesischen KP an“empfohlen“ hat, Wer natürlich immer noch den „Kurzen Lehrgang der KPdSU/B“ als Bibel der Dokumentation der politischen Entwicklungen ansieht, von dem kann man auch nichts anderes erwarten. Kurz: alle Anhänger anderer Vorstellungen in der Komintern wurden doch ausgeschaltet und in der Sowjetunion buchstäblich umgebracht in den Großen Säuberungen der 30er Jahre.
Um den letztlich desaströsen Kurs des Blocks der vier Klassen in China ist doch schon in den 20ern politisch gekämpft worden, selbst nach dem 2. Weltkrieg gab es z.B. noch vereinzelt z.B. trotzkistische Kritiker am Kurs von Maos KP (übrigens auch in Indochina, wo Ho Tschi Minh deren Anhänger blutig zusammenschießen ließ, weil die die Rückkehr der französischen Imperialisten nach der Niederlage Japans nicht mit „friedlicher Koexistenz“ bemänteln wollten.)
Letztlich ist Nentwig ein durch und durch bürgerlicher Apologet der Verhältnisse, so wie sie eben sind, und da die kapitalistisch sind, nun schon eine ganze Weile auch in China, das gibt er unumwunden zu, ist das eben gut, weil so gekommen. Weil schon seit Stalin die Hauptfraktion aller, die sich für Kommunisten ausgegeben haben, einen stramm nationalistischen Kurs gefahren hat, ist das das unumstößliche Urteil der „Geschichte“, daß es eben anders nicht ging. Es ist eine lächerliche Ausflucht von Nentwig gewesen, eine Kritik daran abzutun mit dem Argument, Nationalismus, „progressiver“ Nationalismus zudem, das war die Vergangenheit, jetzt hat die „Geschichte“ eben was anderes auf die Tagesordnung gesetzt, was auch immer das bei Nentwig sein mag, eine internationalistische antinationalistische proletarische Perspektive wird das wohl kaum sein, da steht selbst der angebliche ultralinke Flügel der Linkspartei doch mächtig weit rechts von. Für die VR China ist er so großzügig, den dortigen „Genossen“ schon hoch anzurechnen, daß die die „Übergangszeit“ der für den Sozialismus leider notwenigen kapitalistischen Schinderei auf „nur“ zwei drei Jahrhunderte ansetzen. Schließlich rechnen die in Jahrtausenden, genauso wie die Historiker des kaiserlichen China.
Das wäre ja schon schlimm genug aber Nentwig bekräftigt sein Lob auf die Nation(en) ja noch, weil er ganz klipp und klar behauptet, daß es jetzt auch nur so weitergehen kann. Das blödeste Argument dabei ist sein Verweis auf die Massenunterstützung, die nationalistische kapitalistische und im Falle Chinas wie Deutschlands ja sogar ausgewachsene bzw. angestrebte imperialistische Politik jeweils haben. Das wird schon so sein, daß die chinesischen KP-Führer sich auch ganz demokratisch in ihrer Macht bestätigen könnten wie Frau Merkel oder Herr Schröder hier. Und es war auch nach dem Sieg der KP Chinas so, daß sie sich in ihrem Programm der nationalen Erhebung auf breiteste Zustimmung in der Bevölkerung berufen konnte, schließlich hatte sie diesen Nationalismus jahrzehntelang selber gepflegt in einem Land wo der eh schon vorherrschend war.. Das hat durch den großen Sprung nach vorn z.B. sicher schon einen großen Knacks bekommen, aber bis heute hatte die KP die Macht letztlich so sehr in der Hand, daß diese nie ernsthaft gefährdet war, nicht mal in der Kulturrevolution. Die Menschen sind leider bis heute Nationalisten geblieben, die sich zum Dank des Regimes jetzt an so schönen Sachen wie einer erfolgreich durchgeführten Olympiade erfreuen dürfen.
Renate Dillmann hat Nentwig entgegengehalten, daß sie gar nicht einsieht, warum nicht die erfolgreichen Revolutionäre einfach nur eine vernünftige Planwirtschaft für die Bedürfnisse der chinesischen Massen hätten hinkriegen können. Wieso es zur Entfaltung der Produktivkräfte denn ausgerechnet kapitalistische Zwangsverhältnisse bräuchte. Sehr passend kam dazu ein Einwurf aus dem Publikum der ex post Thomas Müntzer die Daumen gedrückt hat, stellvertretend für all die Menschen, die vielleicht nicht schon immer, aber schon recht lange, sich die jeweiligen Klassenverhältnisse nicht mehr gefallen lassen wollten. Das ist nun eine Frage, die ich mir (und GSPlern) auch schon länger stelle. Peter Deckers Antwort hierzu habe ich ja schon veröffentlicht.
Auf jeden Fall gehört dann aber in die bejahende Antwort hinein, daß damit aber ne ganze Menge Zwänge und Notwendigkeiten einhergehen: Die Verteidigung des eroberten Gebiets ist unumgänglich, weil sozialistische Inseln schon aus Prinzip von den imperialistischen Mächten der Welt nicht toleriert werden, das kostet buchstäblich ne ganze Menge an Ressourcen, die eigentlich für was Besseres gebraucht werden. Daraus dann aber ein explizites Projekt der nationalen Stärke zu machen ist der Fehler, ein Programm der Stärkung ist war und ist immer überlebensnotwendig. Ein bewußt nationales Projekt aufzumachen ist auch deshalb ein Fehler, weil die letztlich einzig helfende Strärkung der beschränkten Insel eines befreiten Gebietes/Staates die Ausweitung der ersten Revolution ist, zentral in der Höhle des Löwen, den imperialistischen Großmächten.
Nur als Nebenpunkt: Andere Genossen des GegenStandpunkt haben regelmäßig eine andere Sichtweise, für Rolf Röhrig jetzt wieder in Frankfurt zu Sarrazin ist der Kapitalismus durch Überfluß an allem gekennzeichnet. Ich habe ihm als Punkt, den ich für falsch, da BRD-borniert halte, dafür kritisiert, dass er gesagt hat:
„Das Alles da sei, was das Arbeiterherz nur begehren könne, daß da überall nur immer die Preisschilder dran hängen, die es ihm dann doch verwehren: Wenn überhaupt, dann ist/wäre das eine Situation, die nur in der jüngsten Geschichte des Kapitalismus und da auch nur für ein paar handverlesene Staaten gelten würde. Für ganze Kontinente wie Afrika schon mal nicht. Ich bezweifele ja schon immer, daß selbst nach einer Weltrevolution in Null-Komma-Nichts wirklich Alle Alles bekommen könnten. Da müßten schon einige wirklich ehrgeizige 5-Jahrespläne erfolgreich umgesetzt werden, damit wirklich auch jeder Inder oder Chinese ein ordentliches Dach über dem Kopf und einen Hausarzt in Reichweite hat, um nur zwei Grundbedürfnisse anzusprechen, bei denen es jetzt für ein bis drei Milliarden Menschen hapert.“
Ein wesnetlicher Mangel an der Kölner Diskussion war, daß nicht angesprochen wurde, daß die self fullfilling strategy der KP Chinas „Auf die eigene Kraft vertrauen“ als deren Variante der Programmatik des Sozialismus in einem Lande erheblich dazu beigetragen hat, daß die Argumente der KP, wir sind allein, nur unsere eigene nationale Stärke zählt, die Chinesen auch überzeugt haben. Der Untergang der indonesischen KP in den 60ern, der größten KP der nichtrealsozialistischen Welt wäre z.B. ein solcher „Beweis“ für die Richtigkeit der Politik der KP Chinas.
Der grundsätzliche Mangel der Veranstaltung war also, nicht gleich vorwegnehmend bzw. voraussetzend, was Nentwig als Verfechter der Linie „nur so ging und geht es, alles andere war nicht denkbar und wenn dann jedenfalls illusionär“ vortragen würde, viel grundsätzlicher in die Parade gefahren zu sein. Der Erfolg hat ihm und der KP Chinas eben nicht Recht gegeben, denn es war kein Erfolg für uns sondern für die.