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Lafargue: Die Religion des Kapitals

23. August 2010

Ofenschlot macht mit einem längeren Zitat Werbung für eine jüngst erschienene Neuübersetzung:
Paul Lafargue, »Die Religion des Kapitals« jetzt erschienen bei Matthes & Seitz.
Im Folgenden sein Auszug (S.45ff.):
Das Wesen des Gott-Kapitals
1. Meditiere über die Worte Deines Gottes, des Kapitals.
2. Ich bin der menschenfressende Gott, ich nehme Platz an den Tafeln der Fabrik und verspeise die Lohnarbeiter. Ich verwandele ihr mickriges Leben in göttliches Kapital. Ich bin das unendliche Rätsel: ewige Substanz, und doch nichts als vergängliches Fleisch, meine Allmacht ist nichts als die Schwäche der Menschen. Die leblose Kraft des Kapitals speist sich aus der Lebenskraft der Lohnarbeiter.
3. Ich bin das Prinzip der Prinzipien: Durch mich beginnt jede Produktion, bei mir endet jeder Austausch.
4. Ich bin der lebendige, allgegenwärtige Gott: Eisenbahn, Hochöfen, Getreidemühlen, Frachtschiffe, Weinberge, Gold und Silbermünzen sind die membra disjecta* des universellen Kapitals. *[Laut Wikipedia »… Ausdruck für die (…) aus ihrer ursprünglichen organischen Ordnung gerissenen Teile eines Ganzen.«]
5. Ich bin die unermessliche Seele der zivilisierten Welt; mein Körper ist unendlich vielfach und mannigfaltig. Ich lebe in allem was verkauft und gekauft wird. Ich wirke in jeder Ware, und keine einzige besteht außerhalb meiner lebendigen Einheit.
6. Ich glänze im Gold und stinke im Mist, ich bin der Genuss im Wein und das Ätzende in der Säure.
7. Meine stets anwachsende Substanz fließt gleich einem unsichtbaren Strom durch alle Materie, unendlich geteilt und wieder geteilt, kerkert sie sich selbst ein in die besondere Gestalt jeder Ware, und ohne mich zu ermüden bewege ich mich von einer Ware zur anderen: heute Brot und Fleisch, morgen Arbeitskraft des Produzenten, übermorgen ein Eisenbarren, aber auch ein Stoffballen, ein dramatisches Werk, ein Fass voller Ruß, ein Sack Dünger: Die ewige Wiedergeburt des Kapitals nimmt kein Ende. Meine Substanz stirbt nicht, aber die Gestalten, in denen sie erscheint, sind zeitlich – sie enden und vergehen.
8. Der Mensch sieht, fühlt, riecht und schmeckt meinen Körper, aber meinen Geist, der feiner ist als Äther, nehmen die Sinne nicht wahr. Mein Geist ist der Kredit. Er braucht keinen Körper, um sich zu offenbaren.
9. Ich belebe und verwandle alle Dinge, ich bin geschickte als der Chemiker [Jöns Jakob] Berzelius oder als [Karl Friedrich] Gerhardt, ich verwandele weite Fluren, gigantische Maschinen, schweres Metall und brüllende Herden in Aktien aus Papier. Und leichter als elektrisierte Knallgasbläschen tanzen und hüpfen Kanäle und Hochöfen, Fabriken und Bergwerke an der Börse, meinem geheiligten Tempel, von Hand zu Hand.
10. Ohne mich würde in den Ländern, die von den Banken regiert werden, weder etwas beginnen, noch zu Ende gebracht werden. Ich befruchte die Arbeit, ich domestiziere im Dienste der Menschen die unüberwindlichen Kräfte der Natur und ich lege das mächtige Ruder der gesamten Wissenschaft in seine Hände.
11. Ich umgarne die menschliche Gesellschaft mit dem goldenen Netz des Handels und der Industrie.
12. Der Mensch, der mich nicht besitzt, dem kein Kapital zur Verfügung steht, wandelt nackt durch das Leben, umgeben von wilden, mit allen denkbaren Folter- und Mordinstrumenten ausgestatteten Feinden.
13. Dem Menschen, der kein Kapital besitzt, aber stark ist wie ein Stier, wird man das Gewicht, das auf seinen Schultern lastet, noch beschweren; wenn er fleißig ist wie eine Ameise, wird man seine Aufgaben noch verdoppeln; wenn er genügsam ist wie ein Esel, wird man seine knappe Nahrung noch reduzieren.
14. Was wären die Wissenschaften, die Tugenden und die Arbeit ohne Kapital? Eitelkeit und vergebliches Bemühen.
15. Ohne die Gnade des Kapitals leitet die Wissenschaft den Menschen abseits auf den Weg des Wahnsinns, stürzen ihn Arbeit und Tugend in den Abgrund des Elends.
16. Weder Wissenschaft noch Tugend, noch Arbeit befriedigen den Geist des Menschen. Ich bin es, das Kapital, das die hungrige Meute seiner Gelüste und Leidenschaften befriedigt.
17. Ich gebe mich hin und entziehe mich ganz nach Gutdünken, und ich lege keine Rechenschaft darüber ab. Ich bin der Allmächtige, der über die lebenden Dinge ebenso herrscht wie über die toten.
„Sie schleudern uns als Beleidigung die Bezeichnung homme de couleur ins Gesicht. Es ist unsere Aufgabe als revolutionäre Mulatten, diese Bezeichnung aufzunehmen und sich ihrer würdig zu erweisen. Radikale in Amerika, macht Mulatte zu eurem Sammelruf! … Er bezeichnet Elend, Unterdrückung, Haß. Wißt ihr etwas Schöneres?“

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