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Schwierig, schwierig, Teil I

11. August 2010

Jour fixe vom 02.08.10 des GegenStandpunkt in München – Fragen zur Inflation (Fortsetzung vom JF vom 19.07.10)

Dankenswerterweise sind auf dem letzten Jour fixe ein paar Leute mit den Schwierigkeiten herausgerückt, die sie mit dem Abschnitt über die Inflation im GS 1-10 hatten. Was aus diesen Fragen hervorgeht, bestätigt die schlimmsten Befürchtungen der Redaktion hinsichtlich der Rezeption der Ableitung des Finanzkapitals. Nämlich, dass die Vorstellung, die man aus Schulungen mitgenommen hat – aller Wert erwächst aus der Ausbeutung, ist Ausdruck von Arbeit – nach der Lektüre der Artikelserie über das Finanzkapital ergänzt worden ist durch die folgende Vorstellung: Es gibt quasi noch eine zweite Quelle des Werts, und zwar über die Ziffern der Banken, und die fällt auch mit unter den abstrakten Begriff der Selbstverwertung des Werts – was im Endergebnis ja auch nicht zu unterscheiden ist. Diese Vorstellung, sie ist verkehrt. Die Ableitung des Finanzkapitals versucht nicht zu erläutern, dass es neben der Ausbeutung noch eine zweite Quelle von Geld gibt. Dass theoretisch Schindluder getrieben wird mit zusammenfassenden Ausdrücken wie Selbstverwertung des Werts, geht aus den Nachfragen hervor. Da wird sich dann gefragt: Ist es nicht ein theoretischer Rückfall auf die – angeblich gerade überwundene – Vorstellung, die Verwertung des Werts könne nur in der realen Akkumulation passieren, wenn man Inflation bespricht als allgemeine Teuerung in der Warenwelt (festgemacht an Warenkörben) und dieses Faktum dann erklären will? Das sei ein Rückfall auf eine Vorstellung, die doch gerade überwunden worden sei durch die andere Vorstellung, die Selbstverwertung des Werts könnte quasi ohne Arbeit passieren und dafür sei das Finanzkapital zuständig.
Es ist wichtig, bei sich oder in Diskussionen mit anderen, nachzuprüfen, ob das die Quintessenz ist, die man sich aus der Ableitung des Finanzkapitals gemerkt hat. Das wäre fatal, denn das ist nicht das Verhältnis zwischen der Welt der Produktion, der Ausbeutung, der Vermehrung des Kapitals durch Arbeit, des Regimes des Kapitals über die Arbeit und über Reichtum im Sinne von dem dinglichen Reichtum, über den die Gesellschaft verfügt, und den Freiheiten, die aus der Macht des Finanzkapitals erwachsen. Das ist kein additives Verhältnis, also dass man erst eine und dann die zweite Quelle vor sich habe. Sondern es ist das Verhältnis zwischen der gesellschaftlich umfassenden Betätigung einer Produktionsweise und der Macht des Kapitals, ausgemünzt in Geld, sich diese ganze Produktionsweise so zunutze zu machen, dass nicht nur über die Arbeit verfügt wird, sondern auch über die antizipierten Resultate des ganzen gesellschaftlichen Produktionsprozesses, als Kommandomacht über Arbeit und Reichtum. Das ist die Freiheit, die sich das Finanzkapital auf all den umständlichen Wegen erwirbt, von denen in den diversen Artikeln im Gegenstandpunkt die Rede ist, nämlich seine Freiheit und seine Macht, im Vorgriff auf noch nicht Produziertes mit dieser Fiktion von Kapital kapitalistisch zu operieren. Es ist, als sei in der Rezeption des Artikels der Hinweis, dass es sich da um fiktives Kapital handelt, mit dem das Finanzkapital operiert, völlig untergegangen und als wäre nur noch ‚Kapital’ übrig geblieben. Man kann nicht die Welt der Produktion oder das, was Realwirtschaft heißt, und die Leistungen des Finanzkapitals quasi 1+1 nebeneinander stellen und dann – im Namen dessen, dass doch aus beidem Geld resultiert – zusammenfassen.

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  1. Samson
    16. August 2010, 21:14 | #1

    Also bspw. der Satz, „Es ist nicht schwierig, mitzubekommen, was Inflation ist – das wird einem doch dauernd vorgerechnet: An durchschnittlichen Warenpreisen und -körben wird die im Zeitverlauf sich einstellende Teuerung allgemeiner Art ermittelt, an der das Interessante ist, dass sie sich am Geld als dessen Entwertung ausdrücken lässt.“, erklärt m.E. gerade gar nicht, was Inflation sei. Dass irgendwer irgendwem was vorrechnet, ist belanglos, so lange die Rechnung nicht für akzeptabel gehalten wird. (Lassen sich x Sachen in y Geld ausdrücken, gilt dies ebenso für x +/- n oder y +/- n, besagt aber qualitativ nicht mehr, als dass Sachen mit Geld nix zu schaffen haben)
    Damit sie aber von denen, die sie präsentiert bekommen, für akzeptabel gehalten wird, bedarfs neben der Polizei eben jede Menge ideologischer Beeinflussung. Irgendwo in Brechts „Dreigroschenroman“ steht ein schöner Satz über die Arbeiter, die so blöd sind, sich die Polizei erst zu wählen, von der sie anschließend niedergeknüppelt werden. Das ist quasi wie die Kehrseite der Medaille, auf deren Vorderseite die berühmte Frage steht, was ein Banküberfall gegen die Gründung einer Bank sei.
    Gleiches gilt für das Thema ‚Bewertung‘. Die Macht des Geldes als fiktives Kapital, also gewissermaßen als bloßer Anspruch auf Privateigentum, hängt in letzter Instanz von den Gewaltmitteln ab, die hinter dem Geld bereit stehen und gerade nicht von den Produktivkräften, die es in Bewegung zu setzen vermag. Anderfalls hätte es die US-Immobilien-Spekulation so wenig geben dürfen wie zuvor die ‚Konjunktur‘ auf Basis des US-Handelsbilanzdefizits. Die entscheidende Frage ist nicht was bewertet wird, sondern von wem.
    Dass Teuerung sich „am Geld als dessen Entwertung ausdrücken lässt“, ist soooooo interessant nun auch wieder nicht. Es ist halt bloß eine bestimmte Konsequenz von Distribution als Tausch; und zwar eine aus politischem Kalkül. Es ist eben eine Methode, Verluste zu vergesellschaften, die beim Versuch der Plusmacherei vermittels Tausch entstehen. Die Wahl der Methoden hängt nun wieder, wie die MLer sagen würden, von den gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen ab. Andere Methoden wären bspw. alle Varianten von ‚Marktausdehnung‘, gleichgültig ob als ‚Demokratie-Export‘ oder Privatisierung von vormaligen ‚Sozialleistungen‘ incl. Infrastrukturen. Der Witz ist halt, derlei Erklärungen folgen aus der These vom tendenziellen Profitratenfall. Hält man den nun selber für fragwürdig, dann taugen auch die Erklärungen nicht viel …

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