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Luftnummern und Betrüger

1. Juli 2010

Theo Wentzke vom GegenStandpunkt hat in seinem Leipziger Vortrag zur Eurokrise (am 21.06.2010) folgendes gesagt:

„Wenn es [ein x-beliebiges Staatspapier] fällig ist, dann zahlt der Staat in dem Sinn das gar nicht zurück sondern gibt neue Zettel aus und zahlt die alten aus, eigentlich das, was gemeinhin als Pyramide gilt, was bei Privatleuten durchaus zum Betrugsvorwurf bis hin zur Verurteilung deswegen führen kann.“

Das scheint mir der Sache in keiner Weise gerecht zu werden, schon der Vergleich des kapitalistischen Staates, dem sich nun wirklich größte Mühe gibt (und bannig Schulden dafür macht), das kapitalistische Wachstum zu fördern, mit „Privatleuten“ (an anderer Stelle als die archetypische schwäbische Hausfrau, also eine Proletenexistenz, angeführt), trifft es nicht. Der korrekte Vergleich wären doch die kapitalistischen Unternehmen gewesen, die bekanntlich genauso mit revolvierenden Krediten arbeiten wie ihre Staaten.
Ob sich all die vielen Milliarden Kredite, die die einen wie die anderen aufgenommen haben, ex post als „Luftnummern“ (auch wieder aus Theos Referat) erweisen oder als erfolgreiche Vermehrung von kapitalistischem Reichtum, so was weiß man immer erst hinterher.
Auf jeden Fall gibt sich ein bürgerlicher Staat, der ja darauf angewiesen ist und alles daran setzt, daß seine Wirtschaft brummt, also die Kapitale wachsen, genauso wenig wie diese Kapitale mit der Geldmenge zufrieden, die er oder sie bisher zusammengekriegt haben. Beide leihen sich Unsummen in der Hoffnung, daß das der Profitsteigerung dienlich ist. Und so wie ein Konsumgüterkonzern nicht wissen kann, ob die enormen Ausgaben für meinetwegen Fußballwerbung wirklich die erhofften Umsatz- und Profitsteigerungen bringen, genausowenig kann sich ein kapitalistischer Staat sicher sein, ob seine „Konsumausgaben“ für Gehälter für noch einen Exzellenzcluster an irgeneiner Uni das Bruttosozialprodukt wirklich steigert.
Viele Firmenbankrotte zeigen genauso wie die Klemme in der z.B. Griechenland (eigentlich ja alle anderen größeren Staaten auch) jetzt steckt, daß da manche Blütenträume zerschlagen werden durch die Konkurrenten. Das aber mit Schneeballbetrügern gleichzusetzen, die nie vorhaben, das eingenomme Geld wirklich in irgenwas profitabel umzurubeln, macht meiner Ansicht nach aus einer Konkurrenzbeobachtung eine Moralgeschichte.

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  1. Nestor
    2. Juli 2010, 00:16 | #1

    Wieso denn?
    Ich weiß nicht, wo hier Moral herkommen soll oder gar schwäbische Hausfrauen.
    Es geht doch darum, daß hier Geld aufgenommen wird und mit neuen Schulden zurückgezahlt wird. Wenn das jemand wie Herr Madoff macht und irgendwann stagniert der Zufluß an Frischgeld, so heißt er Betrüger und kommt vor Gericht. (Vorher ist das übrigens ein Jahrzehnt lang gutgegangen.)
    Wenn bei einem Staat der Zufluß an Frischgeld ausbleibt, wie man unlängst wieder einmal gesehen hat, so ist das zwar unerfreulich, und bringt alle möglichen Akteure in Verlegenheit, von Betrug wird jedoch nicht geredet, da ein Staat ein anderes Rechtssubjekt ist als ein Privater. Den kann man nicht so einfach vor Gericht stellen.

  2. 2. Juli 2010, 01:11 | #2

    Die schwäbischen Hausfrauen werden von Theo im Vortrag (den du wohl nicht angehört hast) als typische Referenz in der bürgerlichen Presse angeführt: Man macht nicht mehr Schulden, als man auch zurückzahlen kann.
    Es ist grotesk, wenn du kapitalistisches Kalkül bei Investionen (denn als das ist doch auch einwesentlicher Teil selbst der Staatsausgaben gemeint) gleichsetzt mit dem Unterschlagungskalkül eines Ponzi-Scheme-Betrügers/Schneeballsystembetrügers. Das ist eine Perversion der Logik des kapitalistischen Investors, der darauf besteht, daß seine Geldanlage sich gefälligst zu rentieren hat. Wenn das nicht passiert, wie es sich gehört, dann müssen da immer Betrüger am Werk gewesen sein, zumindest Versager. Es ist nicht nur deshalb bei der Staatsverschuldung kein Betrug, weil man einen Staat nicht beim nächstbesten Staatsanwalt anzeigen kann. Es ist bei (fast) allen bankrotten Unternehmen, die auch immer jammern, daß es doch noch so schön hätte weitergehen können, wenn fiese Banken ihnen nur nicht den Kredithahn zugedreht hätten, nur die Feststellung, daß diese konkrete Anlage (im Volksmund Spekulation) eben schiefgegangen ist. Gemeint war aber auch hier jeweils der Erfolg und nicht das Untertauchen mit zusammengegaunertem Geld. Was bei Staaten ja eh schlecht gehen würde.
    Es ist übrigens schon aus dem Grund lächerlich, bei Staatsausgaben gleich an Betrüger zu denken, weil die Staatshaushalte ja unter den immer kritischen Augen der „politischen Klasse“ aufgestellt werden. Da wird doch noch über das klitzekleinste Milliönchen heftig gerungen, ob es dem Anspruch gerecht werden könne, wirklich dem Wachstum förderlich zu sein. Natürlich geht ein großer Teil davon in per se recht unkontrollierbare Rüstung, bei der eh nicht vernünftig abzuschätzen ist, ob die wirklich was bringt für die Nation, da hat man sich in Deutschland ja schon zweimal ganz grob verhauen historisch, und ein kleiner Bruchteil wird auch regelmäßig unterschlagen und verjuxt, aber das Gros der Staatsausgaben (übrigens auch wieder vergleichbar bei börsennotierten Industrieunternehmen) wird doch buchstäblich coram publico verbraten.

  3. Krim
    2. Juli 2010, 10:33 | #3

    Wentzke meint meiner Ansicht nach nicht, was der Staat macht und was private Betrüger machen, die ein Schneeballsystem in Gang setzen, seien dasselbe. Das eine sei genauso moralisch fragwürdig wie das andere. Vielmehr geht es darum, was auch dir aufgefallen ist, dass mit zweierlei Maß gemessen wird, wenn der Staat was macht oder die Privaten. Der gleiche oder fast gleiche Vorgang wird wie selbstverständlich ganz anders beurteilt. Denn darauf, dass der Staat ein Betrüger sein könnte, kommt ja keiner, obwohl es ähnliche Vorgänge sind.

  4. 2. Juli 2010, 10:48 | #4

    Nochmal: es sind eben gerade *nicht* „gleiche oder fast gleiche Vorgänge“. Firmen, die Kredit aufnehmen um damit die Gewinnsumme zu steigern, die machen im wesentlichen das Gleiche wie ein Staat, der mit kreditfianzierten Ausgaben „Wachstum fördert“. Private Hanseln verfuttern nur ihr popeliges Einkommen, das fördert höchstens den Profit von Aldi bis Galeria Kaufhof.
    Und ebenfalls nochmals: Was der Staat an Haushalt plant und dann gesetzlich beschließen läßt und hinterher sogar noch von einem Rechnungshof prüfen läßt, ob er es auch ja genauso gemacht hat wie beschlossen, findet nicht hinter dem Rücken der Staatsbürger statt, sondern wird nach allen Regeln der demokratischen Kunst verhandelt, kritisiert, optimiert, die Zeitungen und TV-Sender sind voll davon. Damit werden nicht zu Unrecht sogar Wahlkämpfe geführt, wie jetzt, wo an der Bildung wieder mal nicht gespart werden darf, sondern nur an den Rentnern und Hartz-IVlern

  5. Nestor
    2. Juli 2010, 11:23 | #5

    @Neoprene
    Der kapitalistische Investor, der sein Geld anlegt, seis in Wertpapieren oder Produktion, ist hier gar nicht Thema. Es geht um die Praxis, Schulden aufzunehmen und mit neuen zurückzuzahlen.
    Der Herr Madoff oder die isländischen Banken haben doch keine Betrugsabsicht gehabt, sondern sie haben sich darauf verlassen, daß immer neues Geld hereinkommt. (Genauso wie amerikanische und spanische Immobilienfirmen sich drauf verlassen haben, daß die Immobilienpreise immer steigen.) Wenn dann die sogenannten Blasen platzen, und irgendwer groß dabei baden geht, so wird Geschrei laut: Betrug! und die Angelegenheit kommt vor den Kadi.
    Du hingegen vermischt in deiner Argumentation dauernd ökonomische Vorgänge mit Rechtskategorien, und Moral sowieso, und verstehst daher das Ziel von Theos Vergleich nicht: Die Logik überhaupt des Schuldenmachens ad infinitum, das die Grundlage unseres heutigen Kreditsystems ist: Es geht nicht darum, Schulden zurückzuzahlen, sondern darum, sie zu bedienen – durch die Aufnahme neuer Schulden.

  6. bigmouth
    2. Juli 2010, 12:26 | #6

    natürlich hat Madoff mit Absicht betrogen – der hat seinen kunden ja nicht verraten, dass er ein ponzi-system aufbaut, sondern hat behauptet, er würde in aktien investieren – hat er aber nicht. informier‘ dich bitte mal, bevor du unsinn in die welt posaunst

  7. Nestor
    2. Juli 2010, 13:08 | #7

    Er hat sich halt drauf verlassen, daß es immer so weitergeht, weil immer wieder Geld hinzukommt. Im Häfn enden wollte er auch nicht.
    Und in Aktien zu investieren ist auch keine Garantie für Gewinne, wie man ja in neuerer Zeit wieder einmal sehen konnte.
    Ist es so schwer, sich in die Logik hineinzudenken, um die es hier geht? Neue Schulden werden aufgenommen, um alte zu bedienen. Das geht ewig oder auch nicht.
    Wann etwas Betrug ist, weiß man immer erst nachher, und das entscheiden Gerichte. Was sich ökonomisch abspielt, ist daß der Zufluß stockt.

  8. Krim
    2. Juli 2010, 14:17 | #8

    Die Gemeinsamkeit von Staat und privaten Geschäftemachern (keine Hanseln, die ihr Einkommen verfuttern, denn denen steht diese Technik eh nicht zu Gebote) besteht darin, wie Nestor richtig sagt, dass mit neuen Schulden alte bedient werden. Wenn der Private damit auf die Nase fällt, wird er zum Betrüger oder Versager gestempelt. Der Staat nicht. Also wird mit zweierlei Maß gemessen.

  9. bigmouth
    2. Juli 2010, 16:24 | #9

    nein, er wurde nicht wegen versagen nachher zum betrüger gestempelt – er hat ein illegales geschäft betrieben, und er hat seine kunden darüber belogen hat darüber, was er macht. auch wenn das vor 10 jahren rausgekommen wäre, als das noch lief, wäre er in den bau gelandet, weil er von tag 0 an überhaupt nie einnahmen erzielt hat: http://de.wikipedia.org/wiki/Schneeballsystem#Anlagesysteme_mit_Schneeballcharakter
    der staat ist kein ponzischema, weil er mit steuern & abgaben einnahmen erzielt. anlagen in der hoffnung auf wachstum sind auch kein ponzischema – im gegensatz zu diesem kann es nämlich erfolg haben. das war bei Madoffs vorgehen von vornherein ausgeschlossen

  10. 2. Juli 2010, 17:52 | #10

    Krim, woher nimmst du eigentlich deine Gewißheit
    „Wenn der Private damit auf die Nase fällt, wird er zum Betrüger oder Versager gestempelt. Der Staat nicht. Also wird mit zweierlei Maß gemessen“?
    Erstens werden gescheiterte Unternehmer regelmäßig nicht zum kriminellen Betrüger abgestempelt, sondern einfach nur per Insolvenzverfahren ihr Unternehmen abgewickelt.
    Zweitens werden Staaten, bei denen die Bedienbarkeit nach Meinung der Kreditgeber zweifelhafter geworden ist, ebenfalls nicht als Betrüger abgestraft (von dem dummen Griechen-Bashing mal abgesehen), sondern ebenfalls „einfach“ nur mehr oder weniger deren Schulden abgewickelt. Argentinien ist da ein passendes Beispiel, wie solche euphemistisch „Umschuldungen“ genannten rechtsgültigen Entwertungen praktisch abgehen.
    Nur, und das macht die aktuelle Gemengelage so brisant, im Euro-Raum geht sowas nicht mehr so „glatt“, ohne das ganze Projekt platzen zu lassen. Jedenfalls ist das die berechtigte Sorge aller hiesigen Macher.

  11. Nestor
    2. Juli 2010, 19:02 | #11

    Warum das eine als Betrug geahndet wird und das andere nicht, fällt halt in die Sphäre der Rechtspflege: Der Gesetzgeber will, daß sich die Unternehmer bereichern, damit ER Einnahmen hat, und nicht mit Pyramidenschemen Luftnummern machen.
    Aber bleiben wir doch bei der Ökonomie, auch wenns offenbar einigen schwerfällt: Der Staat hat Einnahmen, aber auch Ausgaben, die die Einnahmen übersteigen, und deshalb verschuldet er sich. Und diese Verschuldung wächst, in den USA genauso wie in Deutschland oder Griechenland, weshalb die Schulden nur aus neuen Schulden bedient werden können, und nicht aus den Einnahmen.
    Deswegen ist ja Griechenland unter anderem so ins Gerede gekommen: Ein Haufen Schulden war gerade fällig, und aus verschiedenen Gründen gestaltete sich die Neuaufnahme von Schulden schwierig, und da wurde auf einmal die Bedienung der Altschulden fragwürdig, und damit Griechenland als Schuldner überhaupt.

  12. 2. Juli 2010, 20:06 | #12

    Wenn Nestor sagt
    „Der kapitalistische Investor, der sein Geld anlegt, seis in Wertpapieren oder Produktion, ist hier gar nicht Thema.“, dann ist das in zweierlei Hinsicht falsch.
    Erstens, weil natürlich zu jedem Kreditnehmer, der was plant mit dem schönen Mehrgeld anzufangen, auch immer mindestens ein Kreditgeber gehört, der sich genauso fragt, ob der Kreditnehmer auch „korrekt“ plant und deshalb davon auszugehen ist, daß der Ertrag auch erwirtschaftet werden kann.
    Zweitens geht es natürlich bei der Staatsverschuldung inhaltlich eben doch beiden Seiten darum, ob der jeweilige Staat damit auch was „Vernünftiges“, also Wachstumsförderndes anstellt.
    Auch der Satz „Der Staat hat Einnahmen, aber auch Ausgaben, die die Einnahmen übersteigen“ ist so platt einfach falsch: Nach beiden Seiten, also wieviel Einnahmen, also vor allem Steuerabzüge von den schönen Profiten der Unternehmen bzw. schmalen Lohneinkommen der Arbeiterklasse gehen gerade noch und wieviel Nettoneuverschuldung geht gerade noch um die im Zweifel weit darüber hinausgehenden Ausgabepläne abzudecken. Der Staat „hat“ da jeweils gar nichts Festes, was zu berücksichtigen wäre, sondern entscheidet buchstäblich jährlich und manchmal in Krisenzeiten von Tag zu Tag, was er da jeweils für angemessen und notwendig hält.
    Und selbstverständlich wächst jegliche Verschuldung der kapitalistischen Subjekte, also die der Unternehmen, der Finanzinstitute und die des Staates schon seit Anbeginn des Kapitalismus im Schnitt permanent an. Aus Geld mehr Geld zu machen ohne mehr Kredit ging offensichtlich noch nie und deshalb werden bei allen kapitalistisch relevanten Kreditnehmern fällig gewordene Schulden immer nur mit noch mehr Schulden bezahlt.

  13. Krim
    2. Juli 2010, 23:52 | #13

    neo. ich rede nicht von der rechtsprechung, sondern von der öffentlichen wahrnehmung und da gibt es unterschiede, ob irgend ein Konzern rote Zahlen schreibt, bankrott macht oder ob der Staat Schulden mit Schulden bedient.

  14. Nestor
    3. Juli 2010, 00:39 | #14

    Der öfters strapazierte Satz, der Staat täte wirtschaften, ist richtig und falsch.
    Erstens wirtschaftet der Staat, indem er Einnahmen und Ausgaben verbucht und damit irgendwie umgeht, genauso wie ein einfacher Normalverbraucher.
    Zweitens „wirtschaftet“ er keineswegs so wie ein Unternehmer, der ja als Vorbild des Wirtschaftens gilt. Er investiert nicht, um G-G’ zu machen, also im Sinne einer Vorschuß-Überschuß-Rechnung.
    Er unterscheidet sich natürlich vom einfachen Bürger dadurch, daß der Kredit des Staates unbegrenzt ist, zum Unterschied von dem des Normalverbrauchers. Oder zumindest schien es vor kurzem so, zumindest in Europa.
    „Kreditgeber“ ist sowohl der kleine Sparer als auch der kapitalistische Investor: Beide tragen ihre Kohle dorthin, wo sie erwarten, daß daraus mehr wird. So geht der kleine Mann sowohl zur Bank als auch zu dubiosen Pyramiden-Verwaltern, aber auch zum Lotto und zu Sportwetten.
    Der kapitalistische Investor hat etwas mehr Kohle und trägt die zu vermeintlich seriöseren Institutionen: zur Bank auch, zu Investmentfonds, an die Börse, oder er ist gleich so weit, daß er selber irgendein Unternehmen aufzieht, das ihm natürlich ein „mehr“ über seine Investitionen erzeugen soll.
    Andererseits nehmen diverse Subjekte Geld auf, sind also Schuldner. Das macht der Staat, das machen die Banken, das machen die Unternehmen (Aktien, Anleihen, Bankkredite), und auch der kleine Mann, entweder in Form eines Konsumentenkredits, und, sofern er keinen kriegt, geht er zur Pfandleihe oder zum Wucherer.
    So gibt es die verschiedensten Gläubiger und Schuldner. Die Banken sind beides. Ihre Aktiva und Passiva legen davon Zeugnis ab. Sie sind also im Kreditsektor die wichtigste Schaltstelle, das Um und Auf, ud deshalb werden sie auch mit allen Mitteln gestützt.
    Theo hat nur zwei Arten von Schuldnern miteinander verglichen, und darauf hingewiesen, daß ein Staat eine andere Art von Schuldner ist als z.B. ein privates Kreditinstitut, das sich ein solches Vorgehen nicht leisten kann.

  15. 3. Juli 2010, 12:31 | #15

    Ja, der Satz „der Staat täte wirtschaften, ist richtig und falsch.“ Nur nicht im eingeschränkten Sinne von Nestor. Denn es ist schon ein grober Euphemismus, ausgerechnet den modernen kapitalistischen Staat genauso zu betrachten wie einen einfachen Normalverbraucher.
    Es stimmt schon, im engeren Sinne wirtschaftet er zumeist nicht wie ein Unternehmen, selbst da wo er sein Tätigwerden in die Form von ganz normalen Wirtschaftsunternehmen hüllt, wie bei Wasserwerken, Stromversorgern, Eisenbahnen usw. Dort investiert er in der Tat regelmäßig nicht, um auf die Schnelle aus Geld mehr Geld werden zu lassen, wie das alle klassischen Privatunternehmen tun. Dann hätte er diese Bereiche ja gar nicht in seine Obhut nehmen „müssen“ und hätte sie gleich den nun wirklich ganz normalen Unternehmen überlassen können. Damit ist aber noch lange nicht gesagt, daß er ein anderes Kalkül im Sinne hat als die sonst übliche Vorschuß-Überschuß-Rechnung. Meist meint er, z.B. weil einen weiteren Zeithorizont hat und nicht „gleich“ Gewinne sehen muß, durch seine Infrastrukturmaßnahmen besser für die langfristigen Gewinne sorgen zu können. Der moderne kapitalistische Staat ist jdenfalls nicht mit einem Feudalstaat gleichzusetzen, wo die Kredite in der Tat wie bei Otto Normalverbraucher für Klamotten, Prassen und schicke Wohnungen ausgegeben wurden (von Kriegen mal abgesehen, die haben sich Privatleute in der Tat nicht geleistet).
    Und nur in dem Maße, wie der Finanzmarkt diese Einschätzungen teilt, bzw. jetzt eben zunehmend nicht mehr teilt, kann/konnte der Staat „unbegrenzt“ Kredit dafür aufnehmen. Denn wie bei einem normalen Lohnbezieher, der sich „nur“ von seinen Konsumkrediten irgendwas privat Nützliches kaufen wollte, wo aber die Banken einem jetzt noch kleinen Angestellten zugetraut haben, daß der später mal mehr verdienen wird und deshalb „jetzt“ schon mal einen eigentlich zu hohem Kredit vertragen kann, genauso haben die Banken beim Staat dem auch bisher (und ja zurecht) zugetraut, daß seine Einnahmen schon genügend steigen werden, daß die Bedienung schon drin sein wird, weil der Staat ja offensichtlich nur lauter vernünftige wachstumsfördende Projekte mit seinen Staatseinnahmen insegesamt also auch mit seinen neuen Nettokrediten zu finanzieren gedenkt.
    Es tut nicht gut, wenn man offenichtliche Wetten wie Lottospielen, wo Leute nur hoffen dürfen, aber wenn sie schlau sind, nun wirklich nicht erwarten, damit aus ihrem Geld mehr Geld machen zu können, in einen Topf wirft mit Geldanlage mit der hinreichend sicheren Einschätzung, daß da wirklich fast immer aus dem hingegebenen Geld (und da ist es in der Tat wurscht, ob das ein Normalverbraucher ist, der sich Bundesschatzbriefe kauft oder eine dicke fette Bank, die sich mit Staatspapieren gleich in Millionenumfang eindeckt) auch mehr werden wird.
    Es stimmt dabei übrigens nicht einmal, daß der große kapitalistische Investor sein Geld zu seriöseren Stellen trägt als der kleine Mann. Die ganze schöne Welt der Hedgefonds und Derivatezocker sollte hineichender Beleg dafür sein.
    Nochmal mein Hauptpunkt; Natürlich sind auf der ersten Ebene alle Schuldner gleich. Es ist doch aber ein erheblicher Unterschied, ob ein armer Schlucker sich Geld beim Wucherer leiht, eil er sonst seiner Tochter keine Kommunionskleid kaufen kann, oder ob ein Immobilieninvestor seine Eigenkapitalrendite dadurch hofft steigern zu können, daß er soviel Geld als Kredit aufnimmt, wie die die erhofften/eingeplanten Mieten zur Bedienung hergeben.Oder eben der Staat, der auch nicht aus Not, weil sonst alles zusammenfiele, sich Geld für noch mehr Ausgaben leiht, als er sich „nur“ aus seinen Steuern leisten könnte. Der geht doch mit einem ganz anderen Anspruch an die Keditaufnahmen und wird auch ganz anders von seinen Hauptkreditgebern bewertet als die armen Schlucker, die eben nicht mit dem Auto zur Arbeit fahren könnten, wenn sie es sich erst kaufen könnten, wenn sie es aus Erspartem auch bar bezahlen könnten.

  16. Nestor
    3. Juli 2010, 20:45 | #16

    Wir kommen irgendwie weg vom Thema.
    Es ging doch darum, daß du den Vergleich von Staaten mit Pyramidenspielen abgelehnt hast, mit der Begründung – ja welcher eigentlich? Daß der Staat Schulden aufnimmt, um das Wirtschaftswachstum zu befördern, und ein Pyramidenspiel-Veranstalter nur dafür, um sich selbst zu bereichern.
    Ich hoffe, ich habe deinen Einwand richtig verstanden.
    Der Vergleich, noch einmal, bezog sich auf das Verfahren, und nicht auf die Ziele, die mit dieser Schuldenmacherei verfolgt werden.
    Jetzt behauptest du, wieder auf den Zwecken und deshalb auf der Unvergleichbarkeit beharrend, der Staat kalkuliere doch so wie ein Unternehmer. Ganz wohl ist dir aber nicht dabei:

    Meist meint er, z.B. weil einen weiteren Zeithorizont hat und nicht „gleich“ Gewinne sehen muß, durch seine Infrastrukturmaßnahmen besser für die langfristigen Gewinne sorgen zu können.

    Was ist denn ein „weiterer Zeithorizont“ und warum soll der Staat den haben, der Private hingegen nicht? Wer muß eigentlich „gleich“ Gewinne sehen? Natürlich ist ein kürzerer Umschlag des Kapitals günstiger als ein längerer für den Unternehmer, aber diese fürchterliche Eile, die du ihm andichtest, hat er auch nicht. Das weißt du auch irgendwo, deshalb steht das gleich in Anführungszeichen. „Durch seine Infrastrukturmaßnahmen“ schließlich bemüht er sich um die Gewinne anderer, eben der Unternehmer.
    Also, du lehnst den Vergleich von verschiedenartigen Schuldnern ab, mit Berufung auf ihre verschiedenen Ziele. Es ist doch etwas anderes!
    Zu einem Vergleich gehören immer Identität und Unterschied. Zwei tupfgleiche Sachen miteinander vergleichen ist sinnlos, genauso zwei völlig verschiedene, einen Kugelschreiber und einen Elefanten zum Beispiel.
    Theo hat, noch einmal, die Art der Bedienung von Schulden verglichen, und zwar hat er das Gemeinsame herausgestrichen. Der Unterschied war gar nicht Thema.

  17. bigmouth
    4. Juli 2010, 10:11 | #17

    das verfahren ist eben nicht das gleiche. meien fresse, wie oft denn noch: beim pyramidenspiel gibt es nur ausschließlich schuldenmacherei, keine investitionen oder andere einnahmen. das ist bei staaten ganz anders. staaten können ihr haushaltsdefizit sehr wohl auf 0 senken, es sind staaten ja auch ganz verschieden verschuldet.

  18. 4. Juli 2010, 12:56 | #18

    Staaten könnten in der Tat beschließen, keine weiteren neuen Schulden zu machen. Es gibt immer mal wieder Jahre, wo vereinzelt Staaten sowas machen. Aber aus „gutem“ Grund, ihrer Staatsraison wegen, tun sie das eben zumeist nicht. So, wie kein modernes Unternehmen nur die paar popeligen Kröten investiert, die die Gründer zusammengespart hatten und zumeist gleich als AG anfängt, damit schon das Startkapital größer ausfällt und auf diesen ersten Batzen Geld gleich bei der Hausbank den einen oder anderen fetten Kredit draufsetzt, genauso bescheidet sich ein Staat, der weiter rauf kommen will auf der Stufenleiter der wirtschaftlich erfolgreichen Staaten, mit den Geldern, die der bisherige Erfolg per Steuern und bisheriger Verschuldung hergibt. Wie bei Firmen wird der zukünftige Erfolg antizipiert, schon fest eingeplant und demenstsprechend mit Ausgaben und der dazu passenden Finanzierung „sichergestellt“. Und wie bei Firmen geht das zumeist bzw. für eine Weile gut und, Überraschung, gerät immer wieder in Krisen, Überakkumulationskrisen. Von daher halte ich auch alle Bekundungen von Politikern, man müsse nicht nur zur Krisenbewältigung sondern als Strategiewechsel überhaupt langfristig ohne Neuverschuldung auskommen für Fensterreden. Die Staaten haben doch ihre anspruchsvollen Ziele genausowenig aufgegeben wie irgendein Großunternehmen das partout immer noch Nummer Eins auf der Welt werden will und dafür bei den Banken Kredite zusammenbettelt.

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