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Staatsbankrott fordern?

6. Mai 2010

Die Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft haben ein Flugblatt mit dem Titel „Griechische Krankheit, deutsche Misere“ herausgebracht. Als Startpunkt nehmen sie ein Zitat von Marx und Engels

… wenn die Demokraten die Regulierung der Staatsschulden verlangen, verlangen die Arbeiter den Staatsbankrott.“

Dies ist ein Zitat aus „An die Mitglieder des Kommunistischen Bundes“, MEW 7, 253. Gleich online gefunden (genauer wiedergefunden, denn wegen eines links von seinemForum auf diesen Blog auf mein Zitat des Jour fixe zum Wert des GegenStandpunkt München hatte ich das enpassant schon gelesen) habe ich es bei Wal Buchenberg, der auf seinem Marx-Diskussionsforum das auch zu seinem Programm für den 1. Mai gemacht hat:

Die Staatsverschuldung lässt sich nicht stoppen, indem man schreit: „Nicht auf unsere Kosten!“
Wenn Lohnarbeiter streiken, dann nehmen sie den Lohnausfall in Kauf, schlimmstenfalls den Verlust des Arbeitsplatzes.
Wenn man die Schuldenfalle des Staates beseitigen will, muss man den Staatsbankrott fordern, auch wenn dadurch Einbußen bei den Transferleistungen entstehen. Die gibt es so oder so. Aber der Staatsbankrott nimmt der Regierung das Heft des Handelns aus der Hand.
Wer verschuldeten Regierungen Geld leiht, gewinnt über kurz oder lang auch Macht über diese Regierungen.
Wer den Staatsbankrott fordert, nimmt der Regierung das Geld. Wer der Regierung das Geld nimmt, nimmt ihr auch Macht.
Wie bei einem bankrotten Unternehmen müssen wir uns anschließend fragen: Welche Aufgaben des Staates können wir in die eigene Hand, in eigene Selbstverwaltung übernehmen?
Es gibt (in anderen Ländern und in der deutschen Geschichte) Erfahrungen mit der Verwaltung der Sozial- und Krankenkassen durch die Versicherten bzw. die Gewerkschaften.
Solche Forderungen und Maßnahmen zielen auf Entstaatlichung und auf eine selbstbestimmte Gesellschaft.
Alle Maßnahmen und Forderungen, die auf Entstaatlichung und auf Selbstverwaltung zielen, sind wirklich antikapitalistisch und damit auch erfolgversprechend.
Alle Maßnahmen und Forderungen, die auf Entstaatlichung und Selbstverwaltung zielen, sind erfolgversprechend, weil der einen Seite („Klasse“) die Macht genommen wird, die sich die anderen Seite („Klasse“) nimmt. Das Kräfteverhältnis ändert sich zugunsten der Rechtlosen und Ausgebeuteten. Sie holen sich damit die Verfügungsgewalt über einen Teil ihres Lebens zurück. Die ganze Verfügungsgewalt über ihr Leben holen sie sich, wenn sie Staat und Kapital beseitigen und alle wirtschaftlichen und öffentlichen Vorgänge in eigene Hände nehmen.

aus Zum 1. Mai: Sind wir alle Griechen?

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  1. Nestor
    7. Mai 2010, 00:48 | #1

    Staatsbankrott fordern: Wem soll das dienen?
    Warum soll das eine Forderung der Arbeiterklasse sein?
    Damit wird das nationale Geld, das Maß der Werte, international entwertet. Der Staat verliert also seine internationale Zahlungsfähigkeit. Die Nationalökonomie ist auf ihre eigene Produktion verwiesen, der Import stockt.
    Inwiefern dient das der Arbeiterklasse?
    Nur so eine Frage.

  2. 7. Mai 2010, 11:26 | #2

    Nestor — sei nicht so gedankenfaul und schau Dir mal den Zusammenhang bei Marx und Engels an, in dem das Zitat steht, dann weißt Du Bescheid.

  3. Krim
    7. Mai 2010, 12:14 | #3

    Vor allem: Von wem soll man den Staatsbankrott eigentlich fordern?
    – Vom Staat?

  4. 7. Mai 2010, 12:22 | #4

    Ich habe das Zitat, das sicherlich ein bisschen unglücklich ist, so interpretiert, dass sich die Arbeiterklasse nicht von den Nöten des Staates und seiner Haushaltslage beeindrucken lassen sollte um dann deswegen von den eigenen Forderungen abzuweichen.

  5. 7. Mai 2010, 12:43 | #5

    Hier noch eine längere Version des Marx-Zitats

    Wir haben gesehn, wie die Demokraten bei der nächsten Bewegung zur Herrschaft kommen, wie sie genötigt sein werden, mehr oder weniger sozialistische Maßregeln vorzuschlagen. Man wird fragen, welche Maßregeln die Arbeiter dagegen vorschlagen sollen. Die Arbeiter können natürlich im Anfange der Bewegung noch keine direkt kommunistischen Maßregeln vorschlagen. Sie können aber:
    1. die Demokraten dazu zwingen, nach möglichst vielen Seiten hin in die bisherige Gesellschaftsordnung einzugreifen, ihren regelmäßigen Gang zu stören und sich selbst zu kompromittieren sowie möglichst viele Produktivkräfte, Transportmittel, Fabriken, Eisenbahnen usw. in den Händen des Staates zu konzentrieren.
    2. Sie müssen die Vorschläge der Demokraten, die jedenfalls nicht revolutionär, sondern bloß reformierend auftreten werden, auf die Spitze treiben und sie in direkte Angriffe auf das Privateigentum verwandeln, so zum Beispiel, wenn die Kleinbürger vorschlagen, die Eisenbahnen und Fabriken anzukaufen, so müssen die Arbeiter fordern, daß diese Eisenbahnen und Fabriken als Eigentum von Reaktionären vom Staate einfach und ohne Entschädigung konfisziert werden. Wenn die Demokraten die proportionelle Steuer vorschlagen, fordern die Arbeiter progressive; wenn die Demokraten selbst eine gemäßigte progressive beantragen, bestehen die Arbeiter auf einer Steuer, deren Sätze so rasch steigen, daß das große Kapital dabei zugrunde geht; wenn die Demokraten die Regulierung der Staatsschulden verlangen, verlangen die Arbeiter den Staatsbankerott. Die Forderungen der Arbeiter werden sich also überall nach den Konzessionen und Maßregeln der Demokraten richten müssen.
    Wenn die deutschen Arbeiter nicht zur Herrschaft und Durchführung ihrer Klasseninteressen kommen können, ohne eine längere revolutionäre Entwicklung ganz durchzumachen, so haben sie diesmal wenigstens die Gewißheit, daß der erste Akt dieses bevorstehenden revolutionären Schauspiels mit dem direkten Siege ihrer eigenen Klasse in Frankreich zusammenfällt und dadurch sehr beschleunigt wird.
    Aber sie selbst müssen das meiste zu ihrem endlichen Siege dadurch tun, daß sie sich über ihre Klasseninteressen aufklären, ihre selbständige Parteistellung sobald wie möglich einnehmen, sich durch die heuchlerischen Phrasen der demokratischen Kleinbürger keinen Augenblick an der unabhängigen Organisation der Partei des Proletariats irremachen lassen. Ihr Schlachtruf muß sein: Die Revolution in Permanenz.

    aus Ansprache der Zentralbehörde an den Bund (März 1850), MEW 7, S. 244-254

  6. Band23ff.
    7. Mai 2010, 13:15 | #6

    Warum soll man sich auch mit Wissenschaft und Beweisen im „Kapital“ aufhalten, wenn man in Marxschen Frühschriften geschichtsgläubigen Schwachsinn findet. Da hat wohl jemand im Google „Marx und Staatsbankerott“ eingegeben – und eine zum wirklichen Staatsbankrott unpassende Stelle gefunden, die den vorübergehenden Idealismus der Autoren kennzeichnet: Als ob man ausgerechnet die Demokratie gegen deren Ziele ausspielen könnte!
    „Wir haben gesehn, wie die Demokraten bei der nächsten Bewegung zur Herrschaft kommen, wie sie genötigt sein werden, mehr oder weniger sozialistische Maßregeln vorzuschlagen. Man wird fragen, welche Maßregeln die Arbeiter dagegen vorschlagen sollen. Die Arbeiter können natürlich im Anfange der Bewegung noch keine direkt kommunistischen Maßregeln vorschlagen. Sie können aber:“ usw.
    Das Auspinseln von zukünftigen Revolutionsszenarien scheint zur Erblindung zu führen: Demokraten werden einst GENÖTIGT sein, kommunistische MASSREGELN vorzuschlagen?! Den historisierenden Täuschungsversuch mal überlesen, waren Arbeiter weder irgendwann in der Lage „Maßregeln vorzuschlagen“, noch sollte man zu solch staatstragendem Eifer aufrufen.

  7. Spätmarx
    7. Mai 2010, 13:34 | #7

    Hinzuweisen wäre in Fortsetzung von Band23ff. auf eine Einlassung von Ofenschlot:
    „Zum Zusammenhang eines Zitats, das wahrscheinlich bald eine Karriere als »geflügeltes Wort« durchlaufen wird.“

  8. star wars
    9. Mai 2010, 11:21 | #8

    Ich glaube dass ein „Staatsbankrott“ u.a. eine Chance sein könnte. Sowohl für Linke, als auch für die Leute die einen Staatsbankrott miterleben müssen. Das Kapital ist geschwächt, der Staat ebenfalls, und auf die internationale Standortkonkurrenz muss nicht unbedingt mehr im vollem Umfang Rücksicht genommen werden. Zahlungsverpflichtungen können, und müssen vielleicht, eh nicht mehr beglichen werden. Eine Zeitlang müssen (obwohl sie können, dass ist eine Willensfrage, wie die Leute, und verschiedene Klassenfraktionen im Lande, auf einen Staatsbankrott reagieren werden) die Abhängigkeitsverhältnisse vom Kapital nicht mehr die übliche Qualität von Druck erzeugen, der im Alltagsgeschäft immer schon vorausgesetzt ist. Das Kapital ist geschwächt, und auf die Staatsgläubiger von außen könnte auch mal geschissen werden.
    Im Alltagsgeschäft geht es um den Profit, sowie die internationale Konkurrenzfähigkeit des Staates. Diese im Alltag zum Zuge kommende „Selbstverständlichkeiten“ sind, vor allen Augen, zunächst mal ruiniert worden. Nur wenn alle Beteiligten unbedingt wieder internationale konkurrenzfähig werden wollen, wird der Staatsbankrott, mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, zu einem Spießrutenlauf mit Blankoscheck ausgestellt. Aber das um was es in Normalzeiten immer geht, was wie eine Naturgegebenheit von Allen vorausgesetzt wird, ist ja erst mal kaputt gegangen. Um was es in Zukunft gehen soll, könnte deswegen, theoretisch, nach einem Staatsbankrott neu „ausgehandelt“ werden.

  9. jedi
    9. Mai 2010, 14:53 | #9

    „Staatsbankrott“, u.a. eine Chance für Linke
    Das ist totaler Unsinn. Was da „geschwächt“ ist in Krisenzeiten, relativiert an keiner einzigen Stelle das Verhältnis Kapital-Arbeit oder Herrschaft-Gefolgschaft. Die ZAHLUNGSFÄHIGKEIT kommt einigen Kapitalisten und Staaten abhanden, nicht der geschäftsfreudige oder untertänige Wille von Kapitalismusteilnehmern – schön wärs! Momentan wird der Sachzwang, den viele als Naturgegebenheit hinnehmen, sogar verschärft: Die Zahlungsunfähigkeit von Banken fangen Staaten auf, für deren Haushaltskonsolidierung wiederum die Untertanen zur Kasse gebeten werden. Chance? Wohl eher eine Verschlechterung von Chancen … wenn man Materialist ist.

  10. star wars
    9. Mai 2010, 16:34 | #10

    Geh doch mal auf das geschriebene ein. Alles andere von dir ist – wirres Zeug.

  11. jedi
    9. Mai 2010, 17:13 | #11

    „Das Kapital ist geschwächt“
    Apropos wirres Zeug: Wieso ist „das Kapital“ (ich nehme an, du meinst die Klasse) geschwächt, wenn sich Kapitalisten um die Verteilung der Schäden ihrer Akkumulation fürs Geschäft hauen? Welchen „Druck“ sollen die denn jetzt weniger machen, wenn nach wie vor an ihrem erfolgreichen Geschäftsgang das Wohl und Wehe aller hängt?
    „der Staat ebenfalls“
    Wie der Staat Druck macht angesichts seiner „Schwäche“, ist auch gerade zu besichtigen. Der Schluss, dass Probleme mit Währung und Haushalt den Herrschaftsanspruch des Staates lockern würden, ist verkehrt. Woher diese Illusion kommt, schreibst du auch:
    „Um was es in Zukunft gehen soll, könnte deswegen, theoretisch, nach einem Staatsbankrott neu „ausgehandelt“ werden.“
    Weil dir die derzeitige staatliche Verfassung nicht gefällt, deutest du die AUSSENPOLITISCHE Schlappe als „Chance“ – so als wäre es immer schon um deinen Traum vom Gesellschaftsvertrag gegangen!

  12. star wars
    9. Mai 2010, 18:06 | #12

    Wieso ist „das Kapital“ (ich nehme an, du meinst die Klasse) geschwächt, wenn sich Kapitalisten um die Verteilung der Schäden ihrer Akkumulation fürs Geschäft hauen?

    Was meinst du damit? Du glaubst dass es wirklich einfach genug ist, wenn sie Lohnarbeiter schädigen werden sie in der Konkurrenz der Kapitalien wieder erfolgreich abschneiden können? Haben sie doch schon in der Vergangenheit, und haben dennoch einen Staatsbankrott dafür bekommen. Nicht nur in Griechenland, sondern überall geht es darum so weit es geht billig produzieren, und so viele Waren wie möglich auf dem Gütermarkt, im Verdrängungswettbewerb gegeneinander, absetzen können. Da braucht es nicht erst eine Wirtschaftskrise damit es so funktioniert. Ausbeutung ist für das Kapital notwendige Bedingung, aber keine Erfolgsgarantie, im Wettbewerb der Kapitale gegeneinander.

    Welchen „Druck“ sollen die denn jetzt weniger machen, wenn nach wie vor an ihrem erfolgreichen Geschäftsgang das Wohl und Wehe aller hängt?

    Ich hab doch schon geschrieben dass die Qualität des Drucks sich verändert. Der Staat ist zahlungsunfähig geworden. So oder so wird es mit der Geschäftemacherei jetzt schwieriger werden. Ob der „Druck“ größer oder geringer wird, darauf spekuliere ich diesbezüglich erst mal nicht. Aber wie auf die drohende Zahlungsunfähigkeit des Staates reagiert wird, die strategische Situation, hängt auch ein Stück weit davon ab wie die Willenverhältnisse sich der neuen Situation anpassen werden. Allerdings scheinst du ja nicht davon auszugehen dass sich der Wille zu dem, von der Profittreiberei ausgeübten Druck, jemals irgendwo auf diesem Globus ändern könnte. Denn davon hängt ja wohl oder übel „das Wohl und Wehe“ aller ab. Der Wille wird zum Anhängsel des gegebenen Staatsmaterials (hier des griechischen) wieder mal degradiert.
    Und ausgerechnet auf der Grundlage wird gehofft, dass sich irgendwann, irgendjemand irgendwo gegen die kapitalistische Ordnung, erheben könnte. Eine schöne Aussicht die du uns hier offenbart hast.

  13. jedi
    9. Mai 2010, 21:57 | #13

    Sorry, dass ich keine schönen Aussichten für dich habe, aber wessen „Erfolgsgarantie“ meinst du eigentlich. Dass erfolgreiches Geschäftemachen in Krisenzeiten schwerer ist, soll am Geschäftemachen rütteln? Wie das?
    Dann gibt es halt Zahlungsunfähigkeit, Verdrängungswettbewerb, Krise etc., dann ist das halt die Bedingung für Geschäftstätigkeiten. Was soll das an der Überzeugung ändern, Staats- bzw. Eigentumsdiener sein zu wollen?

  14. star wars
    10. Mai 2010, 09:47 | #14

    Sorry, dass ich keine schönen Aussichten für dich habe, aber wessen „Erfolgsgarantie“ meinst du eigentlich. Dass erfolgreiches Geschäftemachen in Krisenzeiten schwerer ist, soll am Geschäftemachen rütteln?

    Du bist echt ein Dödel vor dem Herren. Zunächst nimmst du meinen Hinweis darauf, dass die Konkurrenz der Kapitale gegeneinander keine Erfolgsgarantie für jedes einzelne ist, damit du im nächsten Schritt, und gleichen Satz, den Hinweis gegen meinen anderen Hinweis richtest, dass der griechische Staat zahlungsunfähig geworden ist. Die Verfügung über Geld, Zahlungsfähigkeit, ist zugleich Machtmittel für die Kapitalisten und den Staat. Und wenn du darüber nicht mehr im vollem Umfang verfügst (sprich Profitträchtigkeit der Ökonomie), schwindet auch deine ökonomische Macht, die du als Staat gegen potentielle Widersacher und Mitkonkurrenten in Stellung bringen kannst (potente Ökonomie, Steuern, Infrastruktur).
    Die Abhängigkeit im Kapitalismus ist nicht einseitig, vom Staat und den Kapitalisten zu den braven Arbeitern und Steuerzahlern. Sie brauchen notwendigerweise den Willen der Ausgebeuteten zum beständigen Mitmachen. Andererseits brauchen der Staat und die Kapitalisten zugleich eine potente Finanzbasis, um in der Konkurrenz gegeneinander, national und international, bestehen zu können. Ohne zweites klappt aber größtenteils nicht mal dass erste. Arbeitskräfte, Maschinen, Infrastruktur müssen nämlich auch bezahlt werden. Dann kann noch so der Wille vorhanden sein „Kapital nimm mich“, wenn´ s nicht bezahlbar ist, fällt der Dienst am Kapital notwendigerweise schon aus. Dass ist die besondere Situation, die in einer Finanzkrise wie Griechenland auffällig ist. Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass deswegen automatisch alle zu Kommunisten oder Kritikern des Systems werden müssen.
    Dein Problem ist doch eigentlich, dass ich nicht bei der begrifflichen Abstraktionsebene der GSP-Redaktion stecken bleiben will. Davon fürchtest du dich, wie bekanntlich auch die GSP-Redaktion, wie der Teufel das Weihwasser. So.

  15. jedi
    10. Mai 2010, 19:10 | #15

    „gegen potentielle Widersacher“
    Wo gibts die denn – außer auf deinem Wunschzettel?
    „wenn´ s nicht bezahlbar ist, fällt der Dienst am Kapital notwendigerweise schon aus“
    Nein, das ist ein Denkfehler: Auch die Arbeitslosen verrichten selbstverständlich mit ihrem funktionellen Sich-Einteilen Dienst am Kapital. Das sehen nur die Kapitalisten anders, weil sie die RESERVEARMEE nicht bezahlen wollen. Einfach mal Marx lesen, dann brauchst du nicht irgendwen mit irgendwas zu denunzieren!
    Was würdest du denn sagen, wenn jemand nicht deine Fehler, sondern sein romantisches Abziehbild von einer Zeitschrift kritisieren würde? Richtig: Der hätte – wie du – das Thema absichtlich verfehlt.

  16. star wars
    11. Mai 2010, 10:37 | #16

    Wo gibts die denn – außer auf deinem Wunschzettel?

    Die Rede war vom Staat und seinen prinzipiell verfügbaren Gewaltmitteln. Der Staat verlässt sich nämlich nicht auf Gehirnwäsche von Massenmedien. Er verlässt sich auch nicht darauf dass die Zwittertheorie vom bürgerlichen Willen des GSP schon richtig sein wird. Der Staat braucht allerdings, und setzt die kapitalistische Ökonomie, immer schon voraus.
    Die Rede war nie von einer schon kurz bevorstehenden Revolte in Griechenland, und anderswo. Das ist von dir ein gezielt provozierter Gegenstandwechsel. Damit ich von meiner Ausgangshypothese abkomme. Die Rede war zugleich von den ökonomischen Konsequenzen eines anstehenden Staatsbankrotts, für die einzelnen Klassen in einem Lande. Wovon du offensichtlich gar nichts wissen willst. Weil ja schon die theoretische Beschäftigung mit dieser ökonomischen und politischen Ausgangssituation in einem Lande revisionistisch, staatsaffirmativ, unrealistisch usw. sein soll.

    Nein, das ist ein Denkfehler: Auch die Arbeitslosen verrichten selbstverständlich mit ihrem funktionellen Sich-Einteilen Dienst am Kapital.

    Herr Gott noch mal. Damit war Arbeitslosigkeit im Kapitalismus gemeint. Und die ist halt nicht identisch mit Lohnarbeit im Kapitalismus. Der Dienst am Kapital über Lohnarbeit ist halt nicht der gleiche Gegenstand wie der Dienst des Staates an der Kapitalistenklasse, wenn er seine Arbeitslosen verwaltet bzw. möglichst bei Laune halten muss. Oder, wenn du so willst, die funktionelle Bedeutung der Lohnarbeit für einen einzelnen Kapitalisten, und der Kapitalistenklasse, ist ein anderer Gegenstand als die funktionelle Bedeutung einer industriellen Reservearmee für den einzelnen Kapitalisten, der Kapitalistenklasse, sowie dem kapitalistischen Gemeinwesen als ganzes.
    Lohnarbeit und Arbeitslosigkeit sind im Kapitalismus sowieso zwei Seiten der gleichen Medaille. Da dass Rentabilitätskriterium für ihre Verrichtung, sowie dem Abbau von Lohnarbeitsplätzen, immer schon vorausgesetzt ist. Der einzelne Kapitalist kann, und will vielleicht nicht, sich um die allgemeine Angelegenheiten eines kapitalistischen Gemeinwesens kümmern. Vielleicht kapiert er sie sogar nicht, wenn er die Dienstbarkeit der industriellen Reservearmee an ihm, und seine Glaubensgenossen, bloß unter prinzipiell vermeidbaren Rentabilitätsaspekten, im Vergleich zu seinem, von ihm vorausgesetzten Unternehmensgewinn, messen lassen will. Der kennst möglicherweise nicht das Gesetz vom Fall der Profitrate, die Notwendigkeit der Herausbildung einer industriellen Reservearmee, oder kann diese nicht richtig interpretieren usw..
    Der einzelne Kapitalist, und ein jedes kapitalistisch organisiertes Gemeinwesen will Gewinne machen. Bzw. in seiner Leistungsbilanz ein möglichst hohes plus, im Vergleich zu seinen Staats-Mitkonkurrenten, erzielt haben. Der einzelne Kapitalist hat also durchaus ein Interesse an möglichst zahlungsfähiger Kundschaft (die ihm andere besorgen müssen), wie der Staat an Vollbeschäftigung. Und dies tut der Kapitalist bzw. das kapitalistische Gemeinwesen nicht darüber dass er Arbeitslose verwaltet bzw. zeitbefristet und länger unterstützt. Der einzelne Kapitalist setzt produktivere, und die Lohnkosten möglichst minimierende Maschinerie, sowie möglichst billige Arbeitskräfte, ein. Er sorgt deswegen dafür dass immer billiger und in immer kürzerer Umschlagszeit produziert wird. Während die selbigen Methoden zur Steigerung der Kapitalproduktivität führen, untergraben sie zugleich die Finanzierungsgrundlage einer zahlungsfähigen Kundschaft. Umso schwieriger für einen Staat der zahlungsunfähig wird, und ihm deswegen die verfügbaren finanziellen Machtmittel langsam abhanden gekommen sind.

  17. jedi
    11. Mai 2010, 15:07 | #17

    Deine Behauptung war nunmal, dass die Knute von Staat und Kapital ob deren „Schwäche“ (wem auch immer gegenüber), mit den Geschädigten neu „ausgehandelt“ werden könne:
    „Um was es in Zukunft gehen soll, könnte deswegen, theoretisch, nach einem Staatsbankrott neu „ausgehandelt“ werden“ (sw)
    Dieser Idealismus tut erstens so, als ob staatliche Zahlungsschwierigkeiten zu mehr Mitsprache führten, das ist frei erfunden! Zweitens hat es noch nie einen Staat gegeben, der mit seinem Volk verhandelt – das wäre dann ja auch kein Souverän mehr. Absurd, aber loyal: Der Staat als Ergebnis einer Meinungsumfrage!

  18. star wars
    11. Mai 2010, 15:56 | #18

    Deine Behauptung war nunmal, dass die Knute von Staat und Kapital ob deren „Schwäche“ (wem auch immer gegenüber), mit den Geschädigten neu „ausgehandelt“ werden könne:

    Das „aushandeln“ ist nicht wortwörtlich gemeint, deswegen steht es auch in Anführungszeichen. Abgesehen davon schreibe ich nichts von irgendwelchen „Knuten“, noch meine ich dass irgendwelche Zwangsmaßnahmen den Willen zu was zwingen könnten, was er in seinem tiefsten Herzen eigentlich nicht wollen können wird. Eine Wille kann nämlich nicht gleichzeitig frei sein und zugleich zu was gezwungen werden (nicht mal der Wille eines Sklaven). Der Wille ist entweder frei, oder er ist es nicht.
    Ferner schmeißt du mit Begriffen über die hier gar nicht diskutiert wird, wie „Mitsprache“, „Souverän“, oder auch „Volk“. Wie soll ich auf Kommentare antworten deren Begriffsbestimmungen von dir schon vorausgesetzt werden? Und überhaupt, warum antwortest du nicht auf Einwände/Begriffsbestimmungen des letzten Kommentars? Sind dir die Einwände etwa unangenehm? Was willst du mir eigentlich mitteilen?
    Und jetzt reicht es mir mit deinen Unterstellungen!

  19. jedi
    11. Mai 2010, 17:30 | #19

    Das passt: „aushandeln“ in Anführungszeichen, um nicht „wortwörtlich“ die „Chance für Linke“ auszupinseln, aber einfache Begriffe wie Mitsprache, Souverän oder Volk als Kommunikationshindernis behaupten.
    Die sog. „Begriffsbestimmungen“ deines längeren Kommentars leben vom Vorurteil, dass Probleme beim Staatmachen „Chancen“ eröffnen – für wen auch immer. Dem ist nicht so, bzw.: es kommt auf die Subjekte der Probleme an. Wenn ein Staat wegen seiner Probleme im Ausland z.B. einen Krieg anzettelt, klingt deine „Chance“ etwas „auszuhandeln“ recht zynisch.

  20. Krim
    12. Mai 2010, 10:48 | #20

    „Umso schwieriger für einen Staat der zahlungsunfähig wird, und ihm deswegen die verfügbaren finanziellen Machtmittel langsam abhanden gekommen sind.“ Das stimmt ja. Die Frage ist bloß, ob man deswegen Staatsbankrott fordern soll. Denn das ist ja erst recht ein Unglück für das im Staat benutzte und unbenutze Menschenmaterial. Das haben die Nationalisten aller Staaten verstanden, dass der Erfolg ihres Staates Bedingung ihres Zurechtkommens ist. Wenn der Staat den Bach runter geht, dann gehen sie auf jeden Fall mit runter. Aus diesem negativen Bedingungsverhältnis basteln sie dann leider ihre Affirmation. Wenn der eigene Staat erfolgreich ist, heißt das umgekehrt nicht, dass dann für alle der Wohlstand ausbricht.
    Warum sollte man also Staatsbankrott fordern? Für die Lohnabhängigen heißt das, wie man weltweit besichtigen kann, auf jeden Fall nichts Gutes und die Schwäche des Staates würde dir nur was nützen, wenn die Leute in der Mehrheit nicht so elende Nationalisten wären, sondern Kommunisten, die einen Kampf ausfechten wollen. Ansonsten wird der Staatsbankrott wie jede nationale Zwangslage auf dem Rücken der Lohnabhängigen ausgetragen.

  21. star wars
    12. Mai 2010, 10:54 | #21

    Das passt: „aushandeln“ in Anführungszeichen, um nicht „wortwörtlich“ die „Chance für Linke“ auszupinseln, aber einfache Begriffe wie Mitsprache, Souverän oder Volk als Kommunikationshindernis behaupten.

    Einfache Begriffe sind es nur für diejenigen, die diese Begriffe allein aus der bürgerlichen Gesetzgebung oder aus dem Sozialkundeunterricht kennen gelernt haben. Für die bewirkt deswegen auch das Wörtchen „Chance“, auf Grundlage einer bereits für ihn festgezurrten politischen Bedeutung, eine allergische Körperreaktion. Auf das Wörtchen „Chance“ kommt es mir allerdings überhaupt nicht an. Mir kommt es überhaupt darauf an die ökonomische Ausgangssituation, bei Zahlungsunfähigkeit eines Staates, und politische Entscheidungsmöglichkeiten, in einer theoretischen Beziehung zueinander zu setzen.
    Aber sicherlich, bei jemanden der systemimmanente politische Veränderungen nur über Schulbank und Flugblatt-Verteilung bewirken will nur allzu verständlich. Tangiert es doch allzu offensichtlich das politische Selbstverständnis, an dass er sich turnusmäßig schon gewöhnen musste.

    Die sog. „Begriffsbestimmungen“ deines längeren Kommentars leben vom Vorurteil, dass Probleme beim Staatmachen „Chancen“ eröffnen – für wen auch immer.

    Entschuldingung, aber jemand der diese Begriffe aus der bürgerlichen Gesetzgebung abschreibt, der will doch nur ihren dort bereits festgeschriebenen juristischen Zusammenhang rekapitulieren. Garniert wird dieser juristischer Zusammenhang nur noch mit der Vorstellung dass diejenigen Bürger, die immer wieder Mitmachen müssen bei dieser Veranstaltung, nicht können wollen müssen Mitzumachen. Einerseits werden Handlungsmuster und Denkgewohnheiten des Staates nachvollzogen, und theoretisch rekapituliert, andererseits aber die Missachtung dem gegenüber, theoretisch und praktisch, Recht gegeben.
    Und fertig ist das Denkprodukt des GSP vom eigentlich nicht wollen könnenden, aber von der Staatsmacht gezwungenen Fremdkörper dieser Staatsmaschinerie. Kein Wunder dass alles was in einem Staatsterritorium passiert, alle „Problemlagen“, die das bürgerliche Gemeinwesen für sich definiert, und selbstredend für sich entdecken muss, als „Problemlagen“ des „allmächtigen“ Staates erscheint, der als alleiniges „Subjekt“ seiner Staatswerdung, bzw. Staatsbildung, den bürgerlichen Menschen macht, als auch die politische Ökonomie, und vielleicht dann auch die Tier- und Pflanzenwelt die ihm umgeben.

  22. star wars
    12. Mai 2010, 11:14 | #22

    Das stimmt ja. Die Frage ist bloß, ob man deswegen Staatsbankrott fordern soll.

    Als Parole, oder als isolierte Zielsetzung, sicherlich nicht. Aber es könnte doch sein,, dass eine Mehrheit in der Bevölkerung sich jetzt dazu entschließt, differenzierte Zielsetzungen, als die vorgegeben Staatsräson, zu setzen. Das muss nicht unbedingt sofort sein dass diese kommunistisch sind.
    Ein überschuldeter Staat wird und muss von anderen Staaten unterstützt werden. Also besteht schon die Möglichkeit von innen heraus, die Staatsräson dieses Landes herauszufordern. Schließlich wird ein weitreichender Verarmungsprozess von innen und außen initiiert. Damit es später, in einigen Jahren oder Jahrzehnten, dem Kapital und der Staatsmacht im Lande, finanziell wieder besser geht. Auch wenn es zunächst einmal Widersetzungen bei Lohnsenkungen und Soziaabbau sein sollen. Es könnte ein Anfang, auch zum Umdenken, sein.

    Für die Lohnabhängigen heißt das, wie man weltweit besichtigen kann, auf jeden Fall nichts Gutes und die Schwäche des Staates würde dir nur was nützen, wenn die Leute in der Mehrheit nicht so elende Nationalisten wären, sondern Kommunisten, die einen Kampf ausfechten wollen. Ansonsten wird der Staatsbankrott wie jede nationale Zwangslage auf dem Rücken der Lohnabhängigen ausgetragen.

    Das stimmt ja, nur leider wird niemand als Kommunist geboren. Die Zahlungsunfähigkeit eines Staates kann allerdings als Aufhänger für Veränderungen im nationalistischen Gedankengut dienen. Der Entschluss dazu muss allerdings von denen fallen, die sich die Staatsräson nicht umstandslos anschließen wollen.

  23. 12. Mai 2010, 12:22 | #23

    Merkt ihr denn nicht, wie euch die MG auch bei dieser Frage mal wieder nach Strich und Faden verarscht? (Star wars scheint da was zu ahnen. Ich habe noch Hoffnung.) Mit ihrer Masche, den angeblichen „Staatsidealismus“ von lauter „nationalistischen“ Linken anzuprangern, behält sie sich vor, festzulegen, was staatsidealistisch sei, und ihren Anhängern diese ihre Interpretation zu diktieren.
    Wie beliebig die Argumentation der MG geht und wie sehr sie daher eines ergänzenden verbindlichen Denkverbots durch ihre Funktionäre bedarf, zeigt die Argumentation von Krim:
    „Aus diesem negativen Bedingungsverhältnis basteln sie dann leider ihre Affirmation. Wenn der eigene Staat erfolgreich ist, heißt das umgekehrt nicht, dass dann für alle der Wohlstand ausbricht.
    Warum sollte man also Staatsbankrott fordern?“
    Diese Argumentation hat mich erstaunt, weil m.E. im letzten Satz ein „nicht“ fehlt. Bezieht sich denn jetzt nicht gerade Krim affirmativ auf den Staat? Diese Argumentation zeigt, wie beliebig sich mit der MG-Ideologie in jede genehme Richtung argumentieren lässt. Mit dem Allzweck-Vorwurf „staatsidealistisch/staatsaffirmativ“ lässt sich sowohl gegen die Befürwortung als auch gegen die Ablehnung des Staatsbankrotts „argumentieren“, weil sich beide irgendwie auf den Staat beziehen. Der Staat ist der MG aber heilig. Als treuer Anhänger der MG wird man also leider auf die Einlassungen der Funktionäre warten müssen, um diese Frage voll „korrekt“ zu entscheiden.
    @neoprene: Ich hoffe, du zensierst nicht wieder meine und anderer Leute Beiträge. Es empfiehlt sich sowieso – einfach weil Blogkommentare dafür weniger geeignet sind, aber auch wegen der auf MG-Blogs virulenten Zensur – Diskussionen in einem Forum mit freier Diskussion, z.B. in meinem Forum Marxismus, zu führen.

  24. jedi
    12. Mai 2010, 13:59 | #24

    Die gelogenen Denuziationen mal nur als Leseprobe:
    „bei jemanden, der (blabla) nur allzu verständlich“
    „Entschuldingung, aber jemand, der (blabla)“
    „das Denkprodukt des GSP“
    „Ein überschuldeter Staat wird und muss von anderen Staaten unterstützt werden. Also(?!) besteht schon die Möglichkeit von innen heraus, die Staatsräson dieses Landes herauszufordern“
    Du schreibst in der sprachlichen Form einer Schlussfolgerung, dass eine Bedingung der Möglichkeit von etwas bestünde. Sieht man mal von dem idealismustypischen Trick ab, im Potenzialis Wünsche als Wirklichkeit hinzustellen, bleibt das Rätsel, WER denn die Staatsräson herausfordern soll, für WEN ist es denn eine „Möglichkeit“?
    Der methodische Fehler: Die Welt der Möglichkeiten ist unendlich und deswegen auch kein gutes Argument – reale Herausforderer für Griechenland z.B. sind bislang nur die nicht-griechischen Staaten.
    Sollten sich dereinst die Randalierer tatsächlich auf staatskritische Hinterbeine stellen, ginge es auch nicht um „finanzielle Schwächung“ von Staatswesen (das ist DEREN Geschäft), die wäre allenfalls eine Begleiterscheinung, wenn sich Leute aufmachen würden, Geld praktisch zu kritisieren.
    „Es könnte ein Anfang, auch zum Umdenken, sein.“
    Das Argument meine ich, das ist verkehrt. Mit dem Umdenken kann jeder jederzeit anfangen, dazu muss es den Menschen weder schlecht noch gut gehen. Der Schützengraben führt manchen Landser zur Religion zurück, der nächste Soldat desertiert und noch ein anderer ist froh, dass über Kriege ohne ihn entschieden wird. Insofern KÖNNTE auch eine nationale Misere dazu beitragen, dass Kritik aufkommt, klar. Woran sich der Volkszorn aber momentan wirklich entzündet, hat mit einem Umdenken in Sachen Materialismus wenig zu tun.

  25. Krim
    12. Mai 2010, 14:07 | #25

    @SW: „Die Zahlungsunfähigkeit eines Staates kann allerdings als Aufhänger für Veränderungen im nationalistischen Gedankengut dienen.“
    Klar kann man den Staatsbankrott zum Aufhänger für Agitation machen. Man kann aber auch alles andere z.B. den nicht erfolgten Staatsbankrott oder den Umgang des Staates mit anderen bankrotten Staaten zum Aufhänger machen. Es ist nicht so, dass ausschließlich ein Staatsbankrott für Agitation taugt. Mal abgesehen davon, dass man es als politische Gruppierung sowieso nicht in der Hand hat, ob der Staat bankrott geht, was soll es bringen den Leuten das sichere Unglück (was ein Staatbankrott bedeutet) an den Hals zu wünschen nur um sie (besser) agitieren zu können.

  26. star wars
    12. Mai 2010, 15:48 | #26

    Insofern KÖNNTE auch eine nationale Misere dazu beitragen, dass Kritik aufkommt, klar. Woran sich der Volkszorn aber momentan wirklich entzündet, hat mit einem Umdenken in Sachen Materialismus wenig zu tun.

    Das ist natürlich bequem sich auf dieses KÖNNTE auszuruhen. Ansonsten nix dazu sagen und stattdessen den Kritiker beschimpfen lassen. Übrigens, woher willst du wissen dass sich in Griechenland sowieso nichts ändern wird, oder ändern könnte. Worin liegt denn die theoretische Differenz zu diesem „könnte“ und deinem vorausgesetzten „könnte“. Welches als abstrakte Möglichkeit der Veränderung bzw. Aufklärung offengelassen wird. Was ist den der wesentliche Unterschied zwischen verschiedenen „könnten“ überhaupt, was die Position des GSP angeht. Ein Streik z.B. oder die Zahlungsunfähigkeit eines Staates. Die Wahrheit liegt darin dass ihr, wegen dem vorausgesetzten theoretischen Instrumentarium, keine Differenzen bzw. Wesensunterschiede sieht bzw. sehen könnt. Nach belieben packt ihr die bereits vorausgesetzten Lehrbücher und bürgerlichen Phrasen aus der Tasche bzw. euren grauen Heften heraus.
    Darin liegt halt dein, bzw. euer, Widerspruch. Einerseits immer wieder zu behaupten dass eine Krise bspw. nur eine Möglichkeit u.a. hergibt damit sich Leute was klar machen können. Andererseits aber immer wieder diese Möglichkeit dadurch theoretisch zu diskreditieren (wenn sie mal als Möglichkeit von mir in Betracht gezogen wird) dass sie als solche ja nur eine von mehreren Möglichkeiten umfasst bzw. theoretisch bebildert wird. Die theoretische Sonderolle, meinetwegen einer Krise, wird als eine von mehreren Möglichkeiten der Kritik bzw. Aufklärung anerkannt. Aber gleichzeitig, eben als solche von mehreren Möglichkeit die sie ist, oder auch wegen Abweichung von der kapitalistischen „Normalität“, als nicht weiter diskussionswürdig, wieder in die Schranken verwiesen. Damit wird eine theoretische Auseinandersetzung mit der kapitalistischen Wirklichkeit, jenseits des Interpretationshorizonts eures theoretischen Instrumentariums, immunisiert.

  27. antikap
    12. Mai 2010, 16:20 | #27

    @star wars: Der Trick der MG und der Diskutanten hier ist, einfach jeden Bezug auf Optionen im Kampf mit dem Staat des „Staatsidealismus“ zu verdächtigen. Da ist dann die Forderung der Rettung des Staats vor dem Bankrott staatsidealistisch, weil man sich irgendwelche Vorteile von einem weiterexistierenden Staat erhofft. So weit, so bekannt und abstrus. Jetzt wird’s aber noch ein Stück irrer. Selbst die Forderung des Staatsbankrotts soll jetzt staatsidealistisch sein. Frage an die MGler: Was ist dann in eurer Denke eigentlich nicht staatsidealistisch? Wahrscheinlich abwarten, ein Bierchen kippen und sich die grauen Hefte reinziehen, aber bloß nichts gegen irgendwas unternehmen, zwar immer gegen alles sein, auch wenn man sich damit permanent selbst widerspricht, aber um Himmels willen bloß nichts anpacken. Und erst recht nichts gegen den Staat unternehmen. Das könnte ja staatsidealistisch/-affirmativ sein, weil man sich damit auf den Staat bezieht.

  28. jedi
    12. Mai 2010, 17:07 | #28

    Hier die Wirklichkeit einer griechischen Reaktion auf die drohenden Sparmaßnahmen:
    „Und ich muss sagen, jetzt, wo unser Volk vor diesen großen Schwierigkeiten steht, ist es unakzeptabel, dass sich diejenigen, die jahrelang dieses Land geplündert haben, ins Fäustchen lachen.“ (Gewerkschaftsboss Panagópoulos)
    … und die Autonomen bringen Bankangestellte um – auch eine Möglichkeit …

  29. star wars
    12. Mai 2010, 17:22 | #29

    Was du nicht sagst. Intelligente Beweisführung, Autonome und Gewerkschaftsführer zu Wort kommen zu lassen. Das muss ich dir lassen.

  30. Militanter
    12. Mai 2010, 17:36 | #30

    „die Autonomen bringen Bankangestellte um“ ist schon eine grobe Verleumdung, denn es unterstellt, daß die Molli-Werfer den Tod der drei Bankangestellten im Gebäude in Kauf genommen hätten oder gar gewollt hätten. Wo sollen die denn sowas gesagt haben?

  31. jedi
    12. Mai 2010, 18:28 | #31

    @sw
    Lass halt andere zu Wort kommen, klär mich auf über den griechischen Widerstand! „Mögliche“ Widerständler sind aber bloß in der Fantasie welche, in der Wirklichkeit ist niemand in Sicht, dem ein „schwacher“ Staat gegenüberstände.
    @mili
    Es geht um etwas anderes: Auch Autonome, die keine Brandsätze in bewohnte Häuser schmeißen, machen ein paar saublöde Übergänge: Die bilden sich z.B. nicht wirklich ein, sie würden mit dem Schaden, den sie einem Bankgebäude zufügen, etwas an ihrer eigenen kapitalistischen Schädigung ändern. Die wollen sich mit ihrer Randale Geltung verschaffen, als Kritiker gewürdigt werden usw. – und deswegen kommt auch dabei nicht mehr als politische Selbstdarstellung heraus.

  32. star wars
    12. Mai 2010, 18:35 | #32

    @jedi-ritter
    Eigentlich wollte ich dich nur bestätigen. Allerdings ist es auch nicht sonderlich überraschend dass Gewerkschaftsführer Partei ergreifen für die Nation, bzw. Autonome Banken angreifen.

  33. jedi
    12. Mai 2010, 20:57 | #33

    @sw
    Die Beispielliste für Kritiker ist beliebig erweiterbar, überraschen wollte ich damit nicht. Nur hat damit auch die „Chance für Linke“ (dein Einstieg) oder gar „die Möglichkeit von innen heraus, die Staatsräson dieses Landes herauszufordern“ eine traurige Wirklichkeit: Die Mehrheit befürwortet Sparmaßnahmen, Kritiker und Gewerkschaften mahnen Gerechtigkeit an (s.o.) und die Autonomen zündeln – Chance verpasst, oder kommen die erst später auf den Trichter?

  34. star wars
    13. Mai 2010, 10:36 | #34

    Die Mehrheit befürwortet Sparmaßnahmen, Kritiker und Gewerkschaften mahnen Gerechtigkeit an…

    Nun, so weit ich aus einigen infra-test-befragungen weiss lehnen 70% der griechischen Bevölkerung die bereits angekündigten Sparmaßnahmen ab (ich weiss, es kommt dann ein anderer, und behauptet wieder direkt das Gegenteil). Und mit deiner Gewerkschaftskritik für griechische Zustände wäre ich an deiner Stelle vorsichtiger. Das ist nicht das gleiche wie die Gewerkschaften in Deutschland. Die können dort manchmal auch ernst machen. Und ob auch in Deutschland 200.000 Protestler auf die Straße gegen Sparmaßnahmen demonstrieren gehen würden, wenn ein Staatsbankrott kurz bevor steht, wage ich ebenfalls zu bezweifeln (übrigens, auch der Versuch das Parlamentsgebäude zu stürmen war letzte Woche unternommen).
    Auf was ich mit meinen Erläuterungen hinaus will ist dass es sich auf jeden Fall lohnt die regional und international gegeben Zustände theoretisch und in praktischer Absicht genauer unter die Lupe zu nehmen. Statt mit dem üblichen theoretischen Instrumentarium die kapitalistische und staatpolitische Wirklichkeit darüber zu subsumieren.

  35. Krim
    13. Mai 2010, 13:02 | #35

    Vielleicht muss man auch mal daran erinnern, dass eine schwächelnde Wirtschaft und seine Auswirkungen auf den Staat (Verschuldung, Haushaltsdefizit) ein Ergebnis der Konkurrenz der Staaten untereinander ist. Das ist ja kein Unfall, sondern das herbeigeführte Resultat des Imperialismus, also der Konkurrenz der Staaten um Bereicherung.
    Diese Zustände sind solange überhaupt kein Thema, solange sie nicht auf die Gewinnernationen zurückschlagen. Ein großes Geschrei gibt es erst, wenn die Verarmung einer Nation z.B. über eine gemeinsame Währung sich auf die Gewinnernationen auswirkt.
    Es ist auch überhaupt nicht abzusehen, wieso ein Volk, das als solches einen Konkurrenzstandpunkt gegen andere Völker einnimmt, von diesem Konkurrenzstandpunkt lassen soll, wenn es auf die Verliererseite gerät.Dann ist eher noch engeres Zusammenstehen, noch mehr Opfer angesagt, um den verdienten Platz in der Nationenhierarchie wieder einzunehmen. Da gibt es eher Faschismus und Krieg als Kommunismus. Will sagen man kommt als Nationalist bei Mißerfolg des Kollektivs nicht an den Punkt, wo der Nationalismus nicht mehr geht. Umdenken geht freilich immer.

  36. star wars
    13. Mai 2010, 14:16 | #36

    Es ist auch überhaupt nicht abzusehen, wieso ein Volk, das als solches einen Konkurrenzstandpunkt gegen andere Völker einnimmt, von diesem Konkurrenzstandpunkt lassen soll, wenn es auf die Verliererseite gerät.

    Im Kapitalismus geht es zu aller erst aber nicht um Standpunkte, sondern um ökonomische Interessen. Welche verfolgt werden und welche Methoden dabei erfolgsversprechend sein sollen hängt natürlich davon ab welcher Standpunkt eingenommen wird (Wirtschaftsweise, Konkurrenz, Eigentümerinteresse usw.). Die eigenen Niederlage wird dabei allerhöchstens nur in Kauf genommen und ist nie mit einkalkuliert.
    Ferner wird ein Konkurrenzler, gesetzt die Schuldenkrise in Griechenland, als Eigentümer geschädigt. Staat, Wirtschaft und Gewerkschaftsfunktionäre verlangen bzw. sind einsichtig darüber dass Lohsenkungen bzw. Sozialabbau stattfinden müssen. Der Staat wiederum muss sein Staatsverschuldung bzw. das Haushaltsdefizit gegenüber Staatsgläubigern von außen möglichst begleichen können.
    Die Opfer, welche immerzu von ihm verlangt werden, sollen plötzlich Unternehmer bereichen helfen die mit einem bereits vorausgesetzten, identitätsstiftenden „Volkskörper“ im innern nichts zu tun haben „können“. Die identitätsstiftende Ideologie von „oben und unten“ im gemeinsamen, nationalen „Boot“ greift hier nicht mehr. Hier wird also der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit im Kapitalismus als Interessensgegensatz zwischen innen und außen deutlich bemerkbar.
    Das ist die Sondersituation wie die jetzt in Griechenland. Als Nationalist will er allerdings nicht unbedingt den Konkurrenzerfolg „ausländischer“ Staatsgläubiger bzw. Banken herbeiführen. Wenn er spart bzw. Lohnsenkungen in Kauf nimmt, dann muss er zur Kenntnis nehmen, dass er damit erst mal „nur“ einen Beitrag dafür leistet dass sich die Staatsgläubiger „von außen“ schadlos halten bzw. sich weiterhin umstandslos bereichern können (kennt man ja auch von imperialismuskritischen Kritik- bzw. „Widerstands“formen in Lateinamerika).
    Nach innen hat der eigene Staat sowieso nichts anderes als eine gewaltige Schuldenlast gegenüber Staatsgläubigern akkumuliert. Was fehlt ist natürlich wieder mal die Bereitschaft zum Umdenken, weg von einem nationalen Standpunkt heraus. Ansonsten erfindet der stinknormale Nationalist schon wieder irgendwelche Gründe, welche die von ihm von der kapitalistischen Obrigkeit geforderten Opfer einleuchten lassen müssen bzw. werden (samt ideologische Nahrungsmittel, die dafür nötigt sind).

    Es ist auch überhaupt nicht abzusehen, wieso ein Volk, das als solches einen Konkurrenzstandpunkt gegen andere Völker einnimmt, von diesem Konkurrenzstandpunkt lassen soll, wenn es auf die Verliererseite gerät.

    Ein Volk hat allerdings keine Ahnung von den Gesetzmäßigkeiten kapitalistischen Wirtschaftens. Es ist gerade die allumfassende Konkurrenz gegeneinander (nach innen und nach außen) die beständig den Stoff dafür hergibt ein kapitalistisches Gemeinwesen als eigentlich herbeigekünsteltes Gemeinschaftswerk ideologisch zu verklären. Genau deswegen können sie z.B. Krisen auch mal auf dem falschen Fuß erwischen, bzw. von einer solchen überrascht werden. Staatsbankrottkrisen, oder auch Weltwirtschaftskrisen, sind in der Ideologiefront funktionierender Marktwirtschaften nicht unbedingt vorgesehen.
    Warum hat sich Bildzeitung und Konsorten denn bemüht die Schuldenkrise in Griechenland als Sonderfall der EU theoretisch zu behandeln. Klar, die Massenmedien hierzulande können sich darauf verlassen dass sie von ihren Lesern unterstützt werden. Schon im Ausgangspunkt sicher darüber sein können sie sich allerdings nicht sein. Deswegen muss das Volk „da unten“ mit entsprechend „bildungspolitischer“ Nahrung immerzu weitreichend versorgt werden.

  37. Krim
    13. Mai 2010, 19:06 | #37

    „Hier wird also der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit im Kapitalismus als Interessensgegensatz zwischen innen und außen deutlich bemerkbar.“ Und in der Hochkunjunktur ist der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit nicht bemerkbar?
    „Wenn er spart bzw. Lohnsenkungen in Kauf nimmt, dann muss er zur Kenntnis nehmen, dass er damit erst mal „nur“ einen Beitrag dafür leistet dass sich die Staatsgläubiger „von außen“ schadlos halten…“ Was denkt da der Nationalist? – „So eine Sauerei! – Fremde Nationen/fremdes Kapital stehlen, was in Wirklichkeit uns zusteht.“ – Will sagen: Der Nationalist zieht einen nationalistischen Schluß.
    „Warum hat sich Bildzeitung und Konsorten denn bemüht die Schuldenkrise in Griechenland als Sonderfall der EU theoretisch zu behandeln.“ Na wenn öffentlich zugestanden werden würde, dass Griechenland kein Sonderfall ist, dann wäre das das Eingeständnis, dass der Euro als Währung nichts mehr wert ist. Die Garantien, die jetzt von den EU-Staaten gegeben werden, beruhen darauf, dass es einen Unterschied gibt zwischen griechischen und deutschen Schulden. Gesamteuropäischer Kredit wird beansprucht um den nicht mehr vorhandenen griechischen Kredit zu stützen. Die Frage nach der Güte griechischen Kredits wird auf die Frage nach der Güte europäischen Kredits insgesamt überführt. Ob diese Frage immer positiv beantwortet werden wird, wenn noch mehr europäische Staaten bankrott anmelden, ist die Frage.

  38. Peter
    13. Mai 2010, 19:48 | #38

    Das Li­nea­re, wovon jetzt auch die Rede war von dir, pro­du­ziert jetzt schon seit über Hun­dert Jah­ren Zu­mu­tun­gen für einen gro­ßen Teil der Be­völ­ke­rung, die sind enorm und nicht ganz neu, über­haupt nicht neu. Ich habe dann auch ge­sagt: Es gibt da eine Es­ka­la­ti­on der Ab­sur­di­tät. Die Es­ka­la­ti­on ist, dass die Armut zu­nimmt in dem Maße, in dem der Reich­tum zu­nimmt. Die ka­pi­ta­lis­ti­sche Ge­sell­schaft, oder sagen wir noch mehr die ka­pi­ta­lis­ti­sche Wirt­schafts­wei­se hält das Alles prima aus! Wenn es die Ar­beits­lo­sen es aus­hal­ten, wenn es die Mil­lio­nen aus­hal­ten, die heute, auf der jet­zi­gen Stufe des ma­te­ri­el­len Reich­tums ka­pie­ren, wir müs­sen ärmer wer­den, damit es mit der Wirt­schaft wei­ter geht. Ja und es ist ja so: Die Löhne müs­sen run­ter! Die Lok­füh­rer haben vor­ge­rech­net, sie muss­ten zehn Pro­zent Re­al­lohn­sen­kung in den letz­ten Jah­ren hin­neh­men. Und an­de­re krie­gen ge­sagt: Wir brau­chen einen Nied­rig­lohn­sek­tor, usw., wir müs­sen uns be­schrän­ken. Das be­kom­men sie alle ge­sagt, das ist ja nicht bloß bei der Ei­sen­bahn so.
    Wenn die Leute sich die Zu­mu­tun­gen und die wach­sen­den Zu­mu­tun­gen oder die selbe Zu­mu­tung an­ge­sichts des noch grö­ßer ge­wor­de­nen Reich­tums, die da­durch auch eine noch grö­ße­re Zu­mu­tung ge­wor­den ist, wenn sie sich die ge­fal­len las­sen, der ka­pi­ta­lis­ti­schen Wirt­schaft ist das wurscht. Es hängt alles davon ab, ob die Leute sich das bie­ten las­sen. Und ob die sich das bie­ten las­sen oder nicht, das hängt alles davon ab, wie sie sich die Här­ten, die sie er­le­ben, er­klä­ren. Das ist sehr wich­tig, die­ser Ge­dan­ke!
    Denn, wir leben heute nicht in einer Welt, wo alle rum­lau­fen und sagen, ich bin doch zu­frie­den, es ist alles bes­tens und ihr paar Kom­mu­nis­ten und Mies­ma­cher, was wollt ihr denn ei­gent­lich? So ist es doch nicht. Wo du hin­kommst, alle sind un­zu­frie­den. Aber wie? Die große Linie der Un­zu­frie­den­heit ist die, dass die Opfer die­ser Wirt­schafts­wei­se ihre Las­ten und ihre Är­ger­nis­se auf „Fehl­ver­hal­ten“ an­de­rer zu­rück­füh­ren. Wenn es Ent­las­sun­gen gibt, schreit die Be­leg­schaft: Miss­ma­nage­ment! Um wie viel wei­ter wären die, wenn sie schrei­en wür­den „Ma­nage­ment“! Nicht: Der Un­ter­neh­mer macht einen Feh­ler, son­dern: Es ist sein Ge­schäft, so mit mir um­zu­sprin­gen. Wenn sie das ka­pie­ren wür­den oder wenn sie die­sen Stand­punkt ein­neh­men wür­den, dann wür­den sie schon viel kla­rer sehen, wie es liegt. Jetzt schrei­en sie aber „Mis­ma­nage­ment!“, selbst wenn sie pro­tes­tie­ren, dann äu­ßern sie noch den tie­fen Glau­ben, dass in dem Sys­tem doch diese Un­bill, denen sie aus­ge­setzt sind, dass die doch ei­gent­lich in die­sem Sys­tem gar nicht be­schlos­sen ist! Sie äu­ßern ihren Glau­ben, dass es doch ei­gent­lich nicht gegen sie gehen kann. Und wenn es gegen sie geht – und jetzt geht es ja gegen sie, das er­le­ben sie – dann kann es dann nur davon kom­men, dass ir­gend­wer nicht seine Pflicht tut. Dann schimpft man auf die Acker­män­ner, die das Tau­send­fa­che von einem nor­ma­len Stun­den­lohn ver­die­nen, und dann sagen sie, der kriegt zu­viel! Und die­ser Mensch will nicht ein­mal sagen, sol­che Ban­ker bräuch­te es nicht, son­dern, der will sagen, täte nicht das Hun­dert­fa­che mei­nes Loh­nes auch rei­chen? Der will ja noch nicht ein­mal den Lohn vom Acker­mann! Der will nur sagen, das ist aber zu­viel! Und dann kennt er die Po­li­ti­ker, die noch Ne­ben­jobs haben und dann kennt er den Ab­zo­cker, der un­ver­steu­er­te Zi­ga­ret­ten raucht, und und und, man kennt das doch. Man geht ir­gend­wo­hin, z.B. in die Metz­ge­rei, und stellst dich bloß hin­ter die Leute und hört denen eine Weile zu: Alle schimp­fen sie auf Drit­te. Sie sind davon über­zeugt, es liegt quasi – und das ist schon ein schö­ner Wi­der­spruch – eine uni­ver­sel­le Pflicht­ver­let­zung vor. (Das ist des­halb ab­surd, weil es keine Pflicht ist, wenn alle sie ver­let­zen.) Any­way, so schaut es aus. Und diese Un­zu­frie­den­heit, die mit allem, wor­auf die Leute sto­ßen, und wor­über sie un­zu­frie­den sind, immer gleich den Glau­ben ver­bin­den, dass kann doch hier nicht vor­ge­se­hen ge­we­sen sein! Diese Un­zu­frie­den­heit, wird leich­ter fa­schis­tisch als links. Die ruft näm­lich leich­ter nach einen star­ken Staat, der end­lich alle zu ihrer Pflicht zwingt. Der alle dran er­in­nert, dass das Ge­mein­wohl vor Ei­gen­nutz geht.
    Was wir bräuch­ten ist, dass die Leute sich eine an­de­re Frage stel­len: Mache nicht ich einen Feh­ler in der Er­fül­lung mei­ner Pflicht. Nicht, ma­chen die an­de­ren Feh­ler, weil sie ihre Pflicht nicht er­fül­len, son­dern ist nicht in mei­ner Pflicht, in dem Pro­gramm, das meine Pflicht aus­macht, liegt darin nicht der Feh­ler. Gebe ich mich nicht für etwas her, was für mein Wohl gar nicht ge­strickt ist? Diese Um­keh­rung der Fra­ge­stel­lung braucht man. Und das hängt nicht von der Größe der Ab­sur­di­tät und der Größe der Lei­den der Men­schen ab. Son­dern von der Weise, wie sie es sich er­klä­ren. Man kann ein Volk, dafür sind die Deut­schen ge­ra­de ein schö­nes Bei­spiel, un­glaub­lich nie­der­drü­cken und es muckt nicht auf. Wenn es davon über­zeugt ist, dass das halt nötig ist, um die ei­ge­nen Le­bens­grund­la­gen zu ver­tei­di­gen. (Ich meine hier Hit­ler und den zwei­ten Welt­krieg.) Und am Schluß fres­sen sie nur noch Dreck und haben immer noch nichts gegen den Laden. Wenn sie davon über­zeugt sind, dass das gegen ihr Leben und Über­le­ben ist. Wenn sie sich davon über­zeu­gen wür­den, was das für eine miese Sache ist, für die sie sich her­ge­ben, dann wür­den sie es nicht tun. Und dies nicht erst, wenn sie so­weit run­ter­ge­drückt sind.
    Das ist ganz wich­tig: Von einem Au­to­ma­tis­mus, in zehn, fünf­zehn Jah­ren, dann kippt alles um, kann keine Rede sein. Es ist ein­zig und al­lein ab­hän­gig von der Mei­nungs­bil­dung derer, die die Las­ten tra­gen müs­sen.

  39. Krim
    13. Mai 2010, 21:37 | #39

    Quelle?

  40. 13. Mai 2010, 22:16 | #40

    Peter De­cker bei sei­ner Nürn­ber­ger Wer­be-​Ver­an­stal­tung (am 8.​11.​2007) für ein neues Ka­pi­tal­le­sen.
    Die Teiltranskription des Vortrags erschien zuerst hier.

  41. star wars
    14. Mai 2010, 11:49 | #41

    Was hat denn das mit Imperialismus, Staatsbankrott und Griechenland-Krise-Erklärung zu tun. Dann werden doch schon wieder Master-Denkgebäude mit der wirtschaftlichen Situation in Griechand in eins gesetzt. Da wird so getan als ob eine Theorie über falsches Bewußtsein, sowie Griechenland-Krise, die gesondert noch erklärt werden müßte, der gleiche theoretische Gegenstand sein müßte. Übrigens ist auch der Decker-Ausschnitt ein Fehler, denn der tut so als ob nur ein paar Gedankenfehler vorliegen, wenn nach Dritt-Schuldigen gesucht wird. Dass diese Denkleistungen vorkommen weil die Leut Eigentümer sein wollen, käm den Decker nie in den Sinn. „Wie weit wären sie wenn…“ Na dann weiterhin viel Erfolg bei der Suche nach der richtigen Gedankensortiererei, Herr Decker!

  42. Krim
    14. Mai 2010, 12:45 | #42

    „Da wird so getan als ob eine Theorie über falsches Bewußtsein, sowie Griechenland-Krise, die gesondert noch erklärt werden müßte, der gleiche theoretische Gegenstand sein müßte.“

    Dem Zitat kannst du das nicht vorwerfen – höchstens dem Peter, der es gepostet hat. Deine Kritik an dem Zitat ist, nach nochmaligem durchlesen, richtig. Decker geht hier tatsächlich nicht auf den Grund ihres Denkfehlers ein. Er erzählt das phänomenologisch runter. Die Leute machen den und den Fehler, sie klagen Mißmanagement statt Management. Sie sollten sich die Frage stellen, wobei sie eigentlich mitmachen (als ob sie das nicht wüssten). Da wird schon ein kommunistisches Interesse an die Menschen rangetragen. Als Volk lassen sie sich alles bieten usw. Keine Erklärung – nur Beschreibung des Zustands.

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