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China: Dillmann versus Schölzel

16. Januar 2010

Renate Dillmann hat mir ihren Briefwechsel mit Arnold Schölzel (dem Chefredakteur der „jungen Welt“, der die China-Veranstaltung von Renate Dillmann mit Peters und Berthold am 17.12.2009 in Berlin organisiert hatte) zur Verfügung gestellt und zur Veröffentlichung freigegeben.
Hier der Streit im Hin und Her:

„Sehr geehrter Herr Schölzel, sehr geehrter Herr Borat,
über den Verlauf der Diskussion am 17.12., mehr noch über den nachfolgenden Artikel von Helmut Peters bin ich einigermaßen verärgert. Stellen Sie sich bei der jw eigentlich so eine sachliche Auseinandersetzung vor? Zu einer solchen hatte mich Peter Borat auf der Buchmesse in Frankfurt eingeladen. Uns beiden war damals durchaus bewusst, dass Peters/Berthold und ich auf der Veranstaltung kontroverse Thesen und Urteile bezüglich der Volksrepublik und ihrer Wirtschafts- und Außenpolitik vertreten würden. Dazu hieß es, das sei ja durchaus wünschenswert und gerade reizvoll, interessanter jedenfalls, als wenn nur Peters und Berthold ihre im Tenor relativ gleich lautenden Bücher vorstellen würden. Nun ist es wirklich nicht so, dass ich es nicht gewohnt wäre, kontrovers zu diskutieren und auch hart zu streiten. Dabei kommt es mir aber in der Tat darauf an, über eine Sache, in diesem Fall eben die Volksrepublik und ihre heutige ökonomisch-politische Verfasstheit, zu argumentieren. Das war in der Diskussion leider nicht einmal ansatzweise der Fall. Die Frage, ob man der Ansicht sein darf, dass in der VR Kapitalismus herrscht und ihre Außenpolitik heute den unternehmerischen und staatlichen Interessen entspricht, wenn man nicht dem Klassenfeind in die Hände spielen will, verrät schon einiges über ein eher bedingtes Verhältnis zur Wahrheit…
Im Vorfeld wurde mir übrigens für die Vorstellung meines Buchs explizit das Thema China – Amerika vorgegeben; die Replik von Helmut Peters nimmt sich dagegen die Freiheit, auf das Buch / die Thematik als Ganzes zu antworten. Und dies in der Form, dass er sich zunächst einmal sehr lange nicht mit dessen Inhalt auseinandersetzt, sondern mit den angeblichen wissenschaftlichen Defiziten der Autorin. Die Veranstaltung und Peters’ Beitrag bemühen sich weniger um Kritik an den von mir vertretenen Gedanken als um die Diskreditierung ihrer Urheberin und Verurteilung ihrer Resultate als Häresie am wissenschaftlich-methodischen Herangehen – übrigens eine erzbürgerliche Manier, Aussagen an vorgeblich gültigen Maßstäben, Methoden und Begrifflichkeiten zu messen, hier nur mit dem Adjektiv „marxistisch“ oder „historisch-materialistisch“ versehen. Dreimal wird Peters dann inhaltlich: in der Frage „Kommunismus und Nation“, dem Grund für Dengs Übergang zur heutigen, von mir als kapitalistisch beurteilten Produktionsweise der VR und bei der modernen chinesischen Außenpolitik. In allen drei Fällen gibt er meine Argumentation aus dem Buch nicht richtig wieder – sei es, weil er sie nicht verstanden hat, sei es, weil er sie nicht teilt und sich die Argumente für seine Kritik so zurechtlegt, wie es ihm günstig erscheint. Auf alle Fälle möchte ich das so nicht stehen lassen. Deshalb hoffe ich – auch im Sinne einer weiteren konstruktiven Zusammenarbeit –, dass Sie mir die Gelegenheit zu einer entsprechenden Replik geben.
Mit freundlichen Grüßen,
Renate Dillmann“

Die Antwort von Arnold Schölzel::

„Sehr geehrte Frau Dillmann,
es tut mir leid, daß Sie über den Verlauf der Diskussion am 17. Dezember verärgert sind, verstehe aber nicht ganz den Grund Ihrer Verärgerung. Die Veranstaltung war – auch mir – als Vorstellung dreier Bücher angekündigt worden. Kontroversen waren zu erwarten. Unplanbar war der konkrete Verlauf der Diskussion, der zum großen Teil vom Publikum beeinflußt wurde. Da es eine Veranstaltung von ungewöhnlicher Länge war, hatte meines Erachtens jeder Teilnehmer auf dem Podium ausreichend Zeit, seine Position darzulegen. Daß über die drei Bücher gesprochen wurde, d. h. nicht über diese oder jene spezielle Frage, war wohl unvermeidlich. Im übrigen halte ich es für besser, Fragen, die einem nicht gefallen, an Ort und Stelle zu beantworten anstatt den Frager unter erkenntnistheoretischen, ideologischen oder sonstigen Verdacht der Bedingtheit zu stellen. Das macht aus einer Diskussion natürlich eine andere, die ich z. B. für völlig überflüssig halte. Ich übrigen bin ich auch nicht der Meinung, daß eine Veranstaltung derart Subjekt wird, daß es ihr weniger um Kritik als um Verurteilung von Häresie geht. Das können dann wohl doch nur konkrete Personen.
Ihre Reaktion auf den Artikel von Helmut Peters, der sicher sehr kritisch ist, erhöht aus diesem Grund nicht meine Neigung, die Kontroverse fortzuführen. Im Mittelpunkt der Kritik von Peters steht aus meiner Sicht nicht der Vorwurf einer Häresie, sondern sehr konkrete Details wie die Deng-Zitate, die Auffassungen der KP Chinas zu Kapitalismus im eigenen Land oder die nachweisbaren westlichen Konzepte gegen China. Sollte Helmut Peters sachlich Falsches geschrieben haben, läßt sich das korrigieren. Darüberhinaus sehe ich wenig Veranlassung, die Kontroverse fortzuführen.
Freundliche Grüße
Arnold Schölzel“

Darauf entgegnete Renate Dillmann:

„Sehr geehrter Herr Schölzel,
wie gesagt, ich habe kein Problem damit, wenn jemand ein anderes Urteil vertritt. Auf Streit in der Sache bin ich aus und stelle mich dem gerne. Lassen wir die Veranstaltung einmal außen vor. Folgendes hat mich geärgert an dem Beitrag von Peters:
1. Was ist bereits problematisch an einer „eigenen Begrifflichkeit“?
2. Was meint Peters mit „arroganter Art und Weise, in der die Autorin vermeint, die KP Chinas belehren zu müssen“? a) ist Kritik an der KP arrogant? b) ist die KP gleich dem Papst unfehlbar? Oder was soll ein solcher Unfug?
3. „Andererseits werden anscheinend bedenkenlos Berichte großbürgerlicher Medien bzw. wissenschaftliche Untersuchungen von Autoren mit einer distanzierten oder antisozialistischen Haltung gegenüber China bedenkenlos (!) wiedergegeben, um die chinesische Entwicklung einseitig in abschreckender Weise zu zeigen“. Dem Leser Primärmaterial zu unterbreiten, ist also gleich zweifach „bedenkenlos“. a) ist Peters der Auffassung, dass seine Leser nicht selbst in der Lage sind, sich über die vorgestellten Quellen Gedanken zu machen und Urteile zu bilden? b) will er vorschlagen, „antisozialistisches“ Material erst gar nicht zur Kenntnis zu nehmen?
4. Peters weiß sehr genau, dass sich mein Buch ein ganzes Kapitel lang (etwa 10 Seiten) mit Dengs Überlegungen 1978 auseinandersetzt. Er müsste auch wissen, dass ich die Gründe der damals beginnenden „Modernisierung“ im nationalen Standpunkt verorte, den Deng bei allen Unterschieden mit Mao teilt. Es ist sachlich mehr als inkorrekt, wenn er den Eindruck erzeugt, als sei die zu Beginn des Teils II zitierte Floskel „Bereichert euch!“ die einzige Stelle, an der sich mit Dengs Bestandsaufnahme und seiner Programmatik beschäftigt wird. Späteres Zitat: „Die Ursachen für diesen Strategiewechsel werden nicht einmal erwähnt.“ Was soll das? Hat er das Buch nicht gelesen – oder will er bewusst falsch informieren?
5. Ich habe nie den Eindruck erzeugt, dass ich diese Quellen im chinesischen Original gelesen habe. Ganz sicher ist das aus wissenschaftlicher Sicht ein Nachteil, den ich auch bedauere; ich bin allerdings nicht der Meinung, dass das in Deutsch und Englisch zur Verfügung stehende Material es verunmöglicht, sich ein fundiertes Urteil zu bilden – nicht mehr und nicht weniger habe ich angestrebt. Und in diesem Sinne zur Sache: Was soll denn der von Peters beschworene Unterschied von „Bereichert euch“ und „einem Teil der Regionen, der Unternehmen und der Arbeiter und Bauern zu erlauben, als erste durch Fleiß, Anstrengungen und große Leistungen ein etwas größeres Einkommen als andere zu haben“ sein? Wo liegt denn da die hinterhältige Fälschung? Selbst wenn man das „etwas größere Einkommen“ ganz auf die Sphäre der Warenzirkulation beschränkt und annimmt, dass hier tatsächlich der Fleiß der Produzenten (von Unternehmen ist übrigens schon die Rede!) die Waren hervorbringen soll, mit denen er dieses „etwas größere Einkommen“ erzielt – was soll denn das anderes beinhalten als eine Bereicherung an der zahlungsfähigen Nachfrage der anderen? Und will man wirklich behaupten, dass es dabei geblieben ist in der Deng-Phase? Oder hat es da nicht doch sehr schnell den Schritt gegeben, dass „etwas größere Einkommen“ durch unternehmerische/landwirtschaftliche Produktion (also die Anwendung und Ausbeutung von Arbeitskraft) zustande gekommen sind? Ist die Behauptung eines Unterschieds also nicht nur Ausfluss eines gar nicht sachlichen Interesses, das auf eine Ehrenrettung des Deng-Programms hinaus will?
6. „Zum einen sprach Marx von einer asiatischen Produktionsweise, zum anderen ist die von der Autorin in diesem Zusammenhang vorgenommene Einschätzung wissenschaftlich längst widerlegt.“ Was soll ein solcher Satz, außer diskreditieren? Weder erklärt Peters, was Marx mit asiatischer Produktionsweise meint, noch warum dieser Gedanke „wissenschaftlich längst widerlegt ist“. Worauf kommt es ihm an?
7. „Sie teilt nicht die marxistische Erkenntnis, dass es für den Sozialismus ,zivilisatorischer Voraussetzungen’ bedarf, dass es z.B. für den Übergang aus vorkapitalistischen Verhältnissen zum Sozialismus unumgänglich ist, sich zunächst einmal den materiellen und geistigen Fortschritt der Menschheit im Kapitalismus zusammen mit seinen Erfahrungen, die ,bürgerliche Kultur’, anzueignen.“ Ja und? Was ist das für eine Art der Feststellung? Ich teile etwas nicht. Und zwar eine angebliche „marxistische Erkenntnis“. Muss man das? Was soll das überhaupt für eine Erkenntnis sein? In der Tat sehe ich im Aufmachen dieses Verhältnisses – erst muss Kapitalismus mit seinen „zivilisatorischen Errungenschaften“ sein, dann Sozialismus – schon ein Lob für die kapitalistische Produktionsweise, das diese meiner Ansicht nach nicht verdient hat. Und wenn dieses falsche Lob für die Entwicklung der Produktivkräfte zum Anlass dafür wird, die angepeilte sozialistische Ökonomie mit einem Instrumentarium falsch verstandener Kategorien der Warenproduktion anzugehen, wird daraus ein praktisches Programm, das die Schädlichkeit des Kapitalismus für die Produzenten des Reichtums nicht wirklich überwindet und sich noch Widersprüche ganz eigener Art einbrockt. So sieht meine Kritik an der realsozialistischen Ökonomie grob gefasst aus – und ich bin der Meinung, dass es doch einiges für sich hat, über die inzwischen untergegangene Produktionsweise mal in dieser Art und Weise nachzudenken.
8. „Losgelöst von den objektiven (?) ökonomischen Bedingungen kann sich Dillmann zum Beispiel gar nicht genug über die angebliche, dem Kapitalismus vergleichbare ,Lohnsklaverei’ im Sozialismus auslassen. Dieses ideologisch geprägte Konstrukt ist das Kriterium, mit dem sie die ersten 30 Jahre Entwicklung in der Volksrepublik China misst.“ Das Wort Lohnsklaverei kommt in meinem Buch ein einziges Mal vor – ich habe die Stelle im Kontext zitiert, damit die wirklich bösartige Manier dieser Zusammenfassung deutlich wird:
4 Prinzipien staatlich geplanter Wertproduktion und ihre praktische Umsetzung im ersten Fünf-Jahres-Plan: Ein Fehler und viele Widersprüche
Auf dem Land gerät die Bodenreform sehr bald in eine Krise. Die kleinbäuerlichen Eigentümer bleiben im Zustand bloßer Subsistenzwirtschaft, immer knapp an der Grenze zum Verhungern. Ein Grund dafür liegt gerade im relativen Erfolg der Anfangsjahre im Hinblick auf Ernährung, medizinischen Fortschritt und Sicherheit der Lebensumstände: Die Kindersterblichkeit geht drastisch zurück, die Lebenserwartung steigt, Seuchen und Kriege, die zuvor ganze Generationen dezimiert haben, bleiben aus. Das damit einhergehende Bevölkerungswachstum droht nun seinerseits, die Erfolge zunichte zu machen. Dabei macht sich zunehmend auch der Umstand bemerkbar, dass die bloße Neuaufteilung des Landes an die Bauernfamilien natürlich nicht wie von selbst einhergeht mit einer Steigerung der Produktivität. Die dafür notwendigen Mittel (Traktoren etc.) sind nicht vorhanden, ebenso wenig wie eine Industrie, die sie herstellen könnte. Mittel, die ihre Landwirtschaft wenigstens auf kleiner Stufenleiter ergiebiger machen (besseres Saatgut, Zugtiere, Düngemittel) können sich die wenigsten leisten – das private Eigentum wirkt dabei als Schranke, weil die kleinen Bauern auf eigene Rechnung und im Rahmen der in Kraft gebliebenen Geldwirtschaft produzieren. Von dem sowieso schon kümmerlichen Resultat der bäuerlichen Produktion verlangt der sozialistische Staat per Steuern und Naturalabgaben einen Teil, den er für Ernährung und Kleidung seines städtischen Proletariats braucht. Als Folge setzen bereits Anfang der 50er Jahre erste Wellen von Notverkäufen der in der Bodenreform zugeteilten Äcker ein; ansatzweise bilden sich erneut Großgrundbesitz und Lohnsklaverei auf dem Land.
Deshalb treibt die kommunistische Regierung nun genossenschaftliche Zusammenschlüsse voran. Angesichts der beschränkten materiellen Ausgangsbedingungen sollen so mit einfacher Kooperation der Arbeitskräfte und gemeinsamer Nutzung von Tieren und Arbeitsmitteln bessere Ergebnisse erzielt werden. Wegen ihrer Erfahrungen aus der Bürgerkriegsphase und auch mit Blick auf das Desaster der Zwangskollektivierung in der frühen Sowjetunion wird in dieser Phase noch viel Wert auf Einsicht und Freiwilligkeit gelegt. Die ersten Genossenschaften arbeiten auf Basis des eingebrachten Eigentums, das erhalten bleibt und dessen Nutzung den Bauern ebenso vergütet wird wie ihre individuelle Leistung. Die Genossenschaften erhalten zudem staatliche Kredite und Hilfe durch Unterweisung in Agrartechnik; so wird den nicht-genossenschaftlich weiter wirtschaftenden Bauern vor Augen geführt, wie nützlich und vorteilhaft sich ein Zusammenschluss auswirkt. Zudem tritt der Staat als größter Auf- und Verkäufer der wichtigsten Agrarprodukte auf, vor allem von Getreide. Damit will er der wieder aufflammenden Spekulation und Preissteigerung die Grundlage entziehen; andererseits sollen die Bauern über garantierte Aufkaufpreise zur Produktion angeregt und Bauern und Städter über die staatlichen Verkaufspreise mit lebensnotwendigen Getreiderationen versorgt werden.“ (S. 72 ff)
No comment!
9. „Für mich erstaunlich, dass eine promovierte Akademikerin, die sich zum Marxismus bekennt, nicht wissen will, dass sich mit der sozialistischen Revolution auch der bisherige bürgerliche Klassencharakter der Nation ändert und sich eine vom Sozialismus gepräfte Nation in ihrer historischen inneren und äußeren Funktion herausbildet. Natürlich (!?!) spielt der Begriff der Nation im heutigen China eine überragende Rolle. Das drückt sich in dem Ziel der KP Chinas aus, eine ,Renaissance der chinesischen Nation’ anzustreben. Hinter dieser Formulierung verbirgt sich auch der Wille, sich als Volk nie wieder unterdrücken, ausbeuten und diskriminieren zu lassen. Ein tragender Gedanke in China, dem die Autorin bisher nicht begegnet zu sein scheint (obwohl sie diesem bedauerlichen Umstand ganze Kapitel widmet, wie Peters kurz zuvor feststellt! R.D.) Ungeachtet dessen ist es für mich unredlich, nicht zu erwähnen, dass die KP China diese nationale Renaissance auf der Grundlage der Erkenntnis Mao Tse-tungs verfolgt, dass allein der Sozialismus China retten kann (eben dieser Gleichsetzung: der Sozialismus soll China retten – was heißt das für Maos Vorstellung vom Sozialismus und was heißt das für seine Vorstellung von Nation wird lange nachgegangen! R.D.) Ich sehe im Programm und in der Strategie der chinesischen Partei keinen Widerspruch, sondern vielmehr einen dialektischen Zusammenhang zwischen sozialistischem Weg und Entwicklung der chinesischen Nation. Entwicklung der Nation ist hier in gewisser Weise ein Synonym für die Stärkung des Gesamtpotential des Landes zur Sicherung der Existenz und der Abwehr von Versuchen vor allem des US-Imperialismus, China zu ,verwestlichen’. Unter diesen Umständen ist die Stärkung des Landes objektiv Voraussetzung und Bedingung für die Absicherung des sozialistischen Weges.“ Okay, es ist ja offensichtlich, dass Peters für die Volksrepublik und die Politik der KP ist und alles daransetzt, Programm und ideologische Selbstdarstellung des Landes zu verdolmetschen und mit den berühmten „objektiven Bedingungen“ und „dialektischen Zusammenhängen“ jede Entscheidung und jedes dabei rauskommende Fakt als historisch angemessen zu deuten. Weiter gehören Kategorien wie Volk und Nation offensichtlich wie selbstverständlich in sein marxistisches Weltbild. Sich darüber Gedanken zu machen, was da eigentlich alles dialektisch zusammenpassen soll: Sozialismus und ein gediegenes Ausbeutungswesen für Weltmarkterfolg heute bzw. Sozialismus und ein Programm das Volk hart in Anspruch nehmender Massenkampagnen in der Mao-Zeit und schließlich Sozialismus und das Programm einer auf Weltgeltung drängenden Nation damals wie heute! – das darf nicht sein, das ist eine Verfehlung vor allen angeblichen, von Peters’ höchstpersönlich bestimmten Leitlinien des Marxismus.
10. Ich komme zum Kern der ganzen Chose. Der liegt in der Behauptung von Peters, dass es sich in der Volksrepublik nach wie vor um zumindest „perspektivischen“ Sozialismus handelt, eine Behauptung, die sich gedanklich schlicht auf die Weiterexistenz der Herrschaft der KP stützt. „Nach der tiefgreifenden Veränderung des internationalen Kräfteverhältnisses durch den Untergang des frühen Sozialismus und der damit verbundenen Staatengemeinschaft hatte die Volksrepublik zwei Möglichkeiten: entweder sich nur sehr bedingt zu öffnen, dann wäre das Ende der Volksrepublik nur eine Frage der Zeit gewesen, oder sich zu entschließen, das Wagnis einzugehen, bei Wahrung der nationalen Selbständigkeit innerhalb der kapitalistischen Weltordnung zu agieren und alle sich dabei bietenden Möglichkeiten für die Stärkung des Landes mit langfristiger sozialistischer Perspektive zu nutzen. Die KP Chinas entschloss sich für die zweite Möglichkeit (…).“ Einmal abgesehen von der Unwahrhaftigkeit, die darin liegt, die Rolle der chinesischen KP beim Untergang des Ostblocks wegzulassen; einmal abgesehen von der Tatsache, dass die Öffnung Chinas zum Weltmarkt erheblich früher begann und keinesfalls als bloße Re-aktion aufzufassen ist – wofür soll das eigentlich sprechen? Ergibt sich die „sozialistische Perspektive“ wirklich daraus, dass die Volksrepublik im Unterschied zu den anderen sozialistischen Staaten überlebt hat und sich heute – ungeachtet ihres ökonomischen Programms – so nennt? Klar, wenn man bereit ist, alles heute in China stattfindende als Sozialismus durchgehen zu lassen, nur weil man auf diese charakterlose Art rückwärts behaupten kann und will, dass der eigene gelebte Sozialismus doch nicht ganz verfehlt war, bei etwas geschickterer Handhabung durch die eigene Partei vielleicht sogar in ähnlicher Art und Weise hätte überleben können – ja, dann muss man wohl so argumentieren.
11. Selbstbetrug und eine ziemlich systematische Schönfärberei von Programm und Praxis der KP Chinas – statt: eine Auseinandersetzung mit den Prinzipien und Fehlern des realen Sozialismus, die auf der einen Seite zu seinem Untergang und auf der anderen Seite zu der neuen Weltmacht China geführt haben!
Auf der Veranstaltung wurde aus dem Publikum unter großem Beifall behauptet, dass die junge Welt im Gegensatz zur bürgerlichen Presse die einzige wirklich freie Zeitung ist. Gerade haben Sie die Rosa-Luxemburg-Konferenz veranstaltet – mehr brauche ich vermutlich nicht zu sagen…
Ich bin gespannt, wie Sie verfahren werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Renate Dillmann“

Kategorien(1) MG + GSP Tags:
  1. 16. Januar 2010, 20:12 | #1

    Auf der Ver­an­stal­tung wurde aus dem Pu­bli­kum unter gro­ßem Bei­fall be­haup­tet, dass die junge Welt im Ge­gen­satz zur bür­ger­li­chen Pres­se die ein­zi­ge wirk­lich freie Zei­tung ist. Ge­ra­de haben Sie die Ro­sa-​Lu­xem­burg-​Kon­fe­renz ver­an­stal­tet – mehr brau­che ich ver­mut­lich nicht zu sagen…

    Was will sie damit eigtl. sagen? Will sie die Behauptung, dass die junge Welt die „einzige wirkliche freie Zeitung“ ist, in Zweifel ziehen? So versuchen die jW blamieren zu versuchen, weil sie Dillmanns Erwiderungen nicht abdrucken oder die Debatte nicht fortsetzen will, fände ich schon etwas komisch. Und worauf will sie mit der Anspielung auf die Konferenz hinaus?

  2. 16. Januar 2010, 22:01 | #2

    wohl luxemburgs zitat über die freiheit des andersdenkenden. und ja, die nervt, dass die jw die diskussion abbricht

  3. 16. Januar 2010, 22:18 | #3

    Naja, statt Freiheit für Andersdenkende zu fordern, halte ich es mehr mit Lenin, „daß die vielgerühmte Freiheit der Kritik nicht das Ablösen einer Theorie durch eine andere bedeutet, sondern das Freisein von jeder geschlossenen und durchdachten Theorie“. So wird es Dillmann sicherlich nicht gemeint haben, da sie ja klarstellt, dass es ihr in dem Streit um die Sache geht und es dabei ja wichtig ist die Sache objektiv zu bestimmen. Daher finde ich es eben falsch die jW auf die Weise zu blamieren, dass sie gar keine andere Meinungen zulasse und so frei deshalb gar nicht sein kann. So sieht es dann auch eher danach aus als ob man darauf Wert legen würde, dass auch die „andere Meinung“ noch mal zum Zuge kommt und eben auch als Meinung wahrgenommen werden soll, statt vllt. anzumerken, dass der Streit um die Sache mit Sicherheit noch nicht vorbei sein kann, weil eben von ihrer Seite noch einige Gegenargumente vorliegen usw.

  4. muhaha
    16. Januar 2010, 23:08 | #4

    nur weil man auf diese cha­rak­ter­lo­se Art rück­wärts be­haup­ten kann und will, dass der ei­ge­ne ge­leb­te So­zia­lis­mus doch nicht ganz ver­fehlt war

    dieses charakterschwein! nur weil er gut dastehen will und keine fehler einsehen!

  5. muhaha
    16. Januar 2010, 23:22 | #5

    Ich bin ge­spannt, wie Sie ver­fah­ren wer­den.

    wann wurde das denn geschrieben? mein tipp: es wird gar nicht verfahren werden. aller wahrscheinlichkeit nach nie mehr.
    hat schöl­zel sein einverständnis zur veröffentlichung hier gegeben?

    statt vllt. anzumerken, dass der Streit um die Sache mit Sicherheit noch nicht vorbei sein kann

    wie kommst du auf die idee, dass die disku noch nicht vorbei „sein kann“? das ist sie ganz offensichtlich. macht nennt man das. dillmann hat das verstanden – deshalb bettelt sie auch beim machthaber, rekurs nehmend auf luxemburg: man möge ihr das schreiben doch erlauben.

  6. Nestor
    17. Januar 2010, 00:57 | #6

    Das mit der Rosa Luxemburg-Konferenz verstehe ich nicht, obwohl ich mit den sonstigen Ausfőhrungen R. Dillmanns übereinstimme. Was ist an der Veranstaltung dieser Konferenz „unfrei“ oder was auch immer?
    Ich weiß, vermutlich wie die meisten Leser hier, nicht, worum es auf dieser Konferenz gegangen ist.
    Es wäre vielleicht gut, diesen kryptischen Schluß-Absatz irgendwie zu erläutern.

  7. muhaha
    17. Januar 2010, 01:37 | #7

    @nestor: es geht, im zusammenhang mit ein­zi­ge wirk­lich freie Zei­tung ist das nicht allzu schwer zu entziffern, nicht um die inhalte der konferenz, sondern um deren betitelung: rosa-luxemburg-konferenz.
    beklagt wird von dillmann, dass gegen die losung luxemburgs, dass „die freiheit immer die des andersdenkenden sei“, verstossen würde, wenn ihr nicht die möglichkeit zur replik in der zeitung geboten wird.

  8. Prädikatenfreund
    17. Januar 2010, 09:02 | #8

    „wann wurde das denn geschrieben?“
    Kann das Datum des ersten Briefes in Betracht ziehend nicht allzu lange her sein. Aber sehen Sie selbst.

  9. Prädikatenfreund
    17. Januar 2010, 09:05 | #9

    „mein tipp: es wird gar nicht verfahren werden.“
    Wieso sollte es nicht? Haben Sie Gründe für diese Behauptung?

  10. pro_kommunismus
    17. Januar 2010, 09:20 | #10

    Gut, da wollte Dillmann eben die jw an deren Ethos einer links-pluralen offenen Plattform blamieren. Das kann man sich sicher sparen. Aber Luxemburg hin oder her, warum soll man sich nicht darüber aufregen, dass gewisse Leute statt mit Argumenten mit histo-maotorischen Denkvorschriften und daraus abgeleiteten Kritikverboten „argumentieren“?
    Über die jw kann man sich wirklich nur ärgern. Wenn Sozialisten auf Seiten der Selbstbehauptung einer Nation stehen und dafür jedes Opfer bei jenen rechtfertigen, die das auszubaden haben, dann beweisen sie die Notwendigkeit solcher Kapitel wie „Kommunismus und Nation“.
    Den dialektischen „Geheimplan zum Sozialismus“ (oder IST das schon der Sozialismus?), der sich hinter Sonderwirtschaftszonen verbirgt, wo junge Frauen für 10 Cent am Tag die Bilanzen von Nike und Adidas mästen, den wüsste ich gerne. Zumal jene Arbeiterinnen den Sozialismus zum dem sie unterwegs sind unter diesen Bedingungen lebend eh nicht mehr erleben würden.
    Aber dafür fehlt mir wahrscheinlich die Fähigkeit zum dialektischen Denken.

  11. 17. Januar 2010, 11:39 | #11

    Zumal jene Arbeiterinnen den Sozialismus zum dem sie unterwegs sind unter diesen Bedingungen lebend eh nicht mehr erleben würden.

    die lebenserwartung chinesischer frauen beträgt derzeit 74 jahre. ich glaube, man muss deren situation nicht dahingehend übertreiben, um was dagegen zu sagen, dass man china zu Manchester 1830 erklärt

  12. 17. Januar 2010, 12:02 | #12

    ausserdem verkennst du, dass die meisten bauern in china lieber für den besseren Lohn bei Nike arbeiten würden, denn als bauern arm zu bleiben.

    ich denke auch, dass die chinesischen kommunisten zu großen teilen immer leute waren, die im kommunismus ein gutes mittel sahen, die nation nach vorne zu bringen, und, als das nicht so klappte, dann recht pragmatisch den kurs anpassten.
    was ich mich allerdings frage: welche wahl hätten „echte“ kommunisten in der heutigen situation? ohne aussenhandel mit „sozialismus in einem land“ rumwurschteln, versuchen, autark produktionsmittel aufzubauen – würde das tatsächlich weniger armut & knochenarbeit für die bevölkerung bedeuten? die SU hatte im vergleich weit bessere startvoraussetzungen

  13. muhaha
    17. Januar 2010, 13:37 | #13

    Kann das Datum des ersten Briefes in Betracht ziehend

    und das steht wo? es findet sich nur ein datum, und zwar das der veranstaltung.
    ich frage, weil ich davon ausgehe, dass dillmann nicht nur ihre, sondern auch fremde briefe hier nur „freigibt“, weil mittlerweile klar ist, dass nicht „verfahren“ wird.

    Wieso sollte es nicht? Haben Sie Gründe für diese Behauptung?

    dazu reicht doch der erste antwortbrief aus. und besser wird das nicht, wenn man briefwechsel „freigibt“ – sollte es denn so sein, dass die entscheidung noch nicht gefallen ist (wovon ich eigentlich nicht ausgehe, denn ich halte dillmann nicht für so ungeschickt, vor so einer entscheidung briefwechsel online zu stellen. aber vielleicht täusche ich mich und demnächst gibt es eine onlinepetition gegen die jW).
    natürlich ist das vorgehen der jW ärgerlich. wahrscheinlich hat schöl­zel das lenin-zitat bei sich rumhängen. denn das endet ja damit, dass es schlecht ist, gegen prinzipien zu verstoßen. der ML hat auch einige heilige prinzipien.

  14. 17. Januar 2010, 13:59 | #14

    bigmouth, woher nimmst du denn deine Gewißheit, wenn du behauptest/zitierst „die lebenserwartung chinesischer frauen beträgt derzeit 74 jahre“?
    Denn weder ergibt sich das rückwärts schauend aus den Sterbetafeln des letzten Jahrhunderts, das war nämlich in China schaurig genug, noch gibt es irgendeine vernünftige Basis, einem in China Neugeborenem diese magischen 74 Jahre zuzuweisen (und das regelmäßig auch noch mit Nachkommastellen!). Ich wage glatt mal zu behaupten, daß die tatsächliche Lebenserwartung der oben angeführten Nike-Arbeiter und vor allem Arbeiterinnen viele, viele Jahre darunter liegen wird. Lohnarbeit ist schon hier eine recht ungesunde Art zu (über)leben, in Shenzhen aber sicher dreimal.

  15. Krim
    17. Januar 2010, 14:25 | #15

    „ohne aussenhandel mit „sozialismus in einem land“ rumwurschteln, versuchen, autark produktionsmittel aufzubauen – würde das tatsächlich weniger armut & knochenarbeit für die bevölkerung bedeuten?“ – Wenn man sich nicht gar zu dämlich anstellt, hieße das selbstverständlich weniger armut und arbeit. Die Chinesen haben 1,3 Milliarde Leute ungefähr soviel wie auf der ganzen Welt um 1850. Öl wird zu 50% durch Importe gedeckt, China ist nach den Usa der zweitgrößte Importeur. Andererseits können sie immerhin die Hälfte des Bedarfs an Öl für ihre boomenden Wirtschaft selbst decken. Kohle haben sie genug und auch sonst sieht es rohstoffmäßig nicht schlecht aus. Wieso auf solch gigantischer Stufenleiter kein bequemer Kommunismus möglich sein soll verschließt sich mir. China ist doch keine Quäkerkommune mit vielleicht 1000 Hanseln, sondern ein Fünftel der Welt. Wenn man solche „Sozialismus in einem Lande“-Bedenken bei Luxemburg und der Schweiz anmeldet könnte ich das ja noch verstehen. Bei China ist das „eine Land“ aber ein beträchtlicher Weltteil, eine ganze Hemisphäre.

  16. 17. Januar 2010, 14:31 | #16

    @neo wg. bigmouth:
    es ist nicht der richtige einwand gegen die antikritik von bigmouth, über die höhe irgendeiner lebenserwartung herumzurechten. zu sagen ist, dass eine kpc einfach nicht interessiert, ob ein bauer auf dem staatspachtacker oder eine turnschuhwürkerin glücklicher ist, sondern was sie jeweils zu dem beitragen, was dort wie hier wachstum heißt und sich auch gleich brutal errechnet. und noch weniger interessiert die kpc, welche wahl denn „echte kommunisten“ in der heutigen situation hätten, die mit sowjetischen „startvoraussetzungen“ zu vergleichen mir nur ein histomat-vollgasdemagoge im stande scheint. wer fürchtet denn auf dieser welt gerade wessen produktivkräfte?

  17. muhaha
    17. Januar 2010, 14:41 | #17

    ausserdem verkennst du, dass die meisten bauern in china lieber für den besseren Lohn bei Nike arbeiten würden, denn als bauern arm zu bleiben.

    aber gab/gibt es nur diese alternativen? das bezweifle ich.

  18. muhaha
    17. Januar 2010, 14:44 | #18

    Öl wird zu 50% durch Importe gedeckt, China ist nach den Usa der zweitgrößte Importeur. … Wieso auf solch gigantischer Stufenleiter kein bequemer Kommunismus möglich sein soll verschließt sich mir.

    ja HEUTE. das war aber alles nicht gegeben. und die kommunisten in china dachten sich eben, man müsse das erst alles anschaffen, um überhaupt an kommunismus denken zu können. eben: zuerst diese „gigantische stufenleiter“ erklimmen. genau das ist deren programm.

  19. 17. Januar 2010, 14:54 | #19

    was ist denn toll daran, 1,3 mrd einwohner zu haben? die können vielleicht mehr produzieren als 100 mio, aber gleichzeitig konsumieren die auch mehr. economy of scale flacht immer irgendwann ab – dann haste ein nullsummenspiel. und der bebaubare boden ist ne konstante, die auch durch agrartechnologie nicht unendlich mehr ertragsreicher gemacht werden kann. die chinesische regierung hat die 1kind-politik ja nicht zum spaß eingeführt, sondern weil sonst dutzende millionen verhungert wären
    entscheidend ist doch die produktivität pro kopf.
    ohne beteiligung am welthandel ist’s verdammt schwer, moderne industrie zu betreiben. dass die chinesen sich so im rohstoff-reichen afrika engagieren, ist ja kein zufall.
    ohne handel haste auch eingeschränkt zugriff auf moderne technik usw. ich halte es für überhaupt nicht ausgemacht, dass autarker sozialismus in einem entwicklungsland , wo man quasi bei 0 anfangen muss, notwendigerweise zu besseren ergebnissen führt als vernünftige handelsbeziehungen

  20. pro_kommunismus
    17. Januar 2010, 14:55 | #20

    @Großmaul
    Der Kapitalismus soll also ein Mittel sein, um das Volk besser versorgen zu können?
    Beliebige, rein empirische Einwände:
    Es ist ja nicht so, dass es in China keinen Reichtum gäbe. Also ran ans Versorgen? Von wegen! China hat fast 2 Billionen Dollar Devisenreserven aber nicht einmal eine öffentliche Krankenkasse. Ist unschwer zu erkennen, wo da Prioritäten gesetzt werden, oder?
    400 Millionen Wanderarbeiter haben NICHTS von den schönen glitzie-glutzie-Hochhäusern in Shanghai, sondern leben wie in Manchester.
    Die Natur ist der kapitalistischen Benutzung rücksichtslos preis gegeben worden und es wird erst dann langsam umgesteuert, wenn das Volk wie die Fliegen an Lungenkrankheiten, Krebs und co. zu sterben beginnt.
    Wozu braucht es Millionäre, während Millionen immer noch Hunger leiden?
    Usw.
    Selbst ein Chavez ist in Sachen Ressourceneinsatz für Volksfürsorge den chinesischen Kommunisten um Lichtjahre „voraus“ (voraus in „“, denn der Vergleich würde den Zweck unterstellen, den ich bei China nicht erkennen kann).

  21. 17. Januar 2010, 15:06 | #21

    kommie, ich rede über eine hypothetische situation, wo ein land handel nutzt, um die situation der einwohner zu verbessern, nicht um china hier & jetzt. ich finde dein dogma fragwürdig, dass autarkie auf jeden fall vorzuziehen ist
    chavez kann die bevölkerung ja auch nur besser versorgen, weil er venezuelas erdöl verkauft und davon auf dem weltmarkt einkauft – handel eben. sollten die besser davon absehen, und mit dem erdöl benzin und plastikerntemittel herstellen?

  22. 17. Januar 2010, 15:08 | #22

    Ich will gar nicht bestreiten, daß meine Verärgerung über Bigmouth keine „richtige“ Kritik an seinem Vortrag war. Ich wollte ihm „nur“ seinen blöden Empirismus, zudem völlig aus der bürgerlichen Luft gegriffen, nicht durchgehen lassen, dazu habe ich mir früher leider allzuviel Statistik reinziehen müssen.

  23. muhaha
    17. Januar 2010, 15:08 | #23

    ohne handel haste auch eingeschränkt zugriff auf moderne technik usw. ich halte es für überhaupt nicht ausgemacht, dass autarker sozialismus in einem entwicklungsland , wo man quasi bei 0 anfangen muss, notwendigerweise zu besseren ergebnissen führt als vernünftige handelsbeziehungen

    die moderne technik gab es in der sowjetunion und teilweise wurde sie auch bereitsgestellt. jedoch schon die art und weise, wie das erfolgte, sagt einiges aus über das beiderseitige verständnis davon, wie sich „sozialismen zweier länder“ begegnen.

  24. pro_kommunismus
    17. Januar 2010, 15:15 | #24

    @Großmaul
    Das ist eine Frage, die nur prakisch und konkret beantwortet werden kann. Wo ein Land nichts hat, um selber Kommunismus zu machen (z.B. Kuba) braucht es einen großen kommunistischen Bruder oder bleibt eben abhängig vom Weltmarkt und muss den so geschickt (das hält sich arg in Grenzen) wie möglich ausnutzen, um die Leute zu versorgen und die Produktion zu verbessern. Ob das der Fall ist, kann man hypothetisch nicht sagen, sondern das hängt dannn an den realen Umständen. Klar ist nur, dass sich die Frage der Weltrevolution nicht in Ländern wie Kuba entscheiden kann.
    Im Falle Chinas sehe ich aber ein umgekehrtes Verhältnis von Weltmarkt und Volksfürsorge als in dem hypothetischen Fall. Die haben glatt ihr Volk selbst zur Ressource gemacht.

  25. 17. Januar 2010, 15:38 | #25

    ja. ich möchte die kp auch gar nicht verteidigen.
    das problem ist auch, dass in den ersten 30 jahren der volksrepublik die wirtschaftlichen erfolge wegen der vielen (politischen) krisen und riesenfehler eher verhalten ausfielen. zwar ging’s den leuten insgesamt (mit der großen hungersnot in folge des großen sprungs als ausnahme)deutlich besser als in der ersten hälfte des 20. jhdts – es gab nahrungsmittelsicherheit, bildung usw – aber sonst recht wenig hebung des lebensstandards, des BSPs usw. dh, diese zu guten teilen verschenkten jahre haben offenbar Deng usw zu der überzeugung geführt, dass planwirtschaft in china nicht funktioniert
    http://en.wikipedia.org/wiki/File:Prc1952-2005gdp.gif
    das ist natürlich kein maßstab dafür, wie’s der landbevölkerung geht. zwar lassen sich da auch teilweise verbesserungen beim einkommen feststellen – das ist aber auch so ne sache als maßstab…

  26. muhaha
    17. Januar 2010, 16:17 | #26

    die hebung des bsp alleine ist kein maßstab, denn dabei sieht man davon ab, wer davon profitiert. die usa sind führend, was das bsp anbelangt, sind aber der entwickelte industriestaat mit der meisten armut. auch in deutschland steigt das bsp kontinuierlich, genauso die armut.
    das bsp setzt auch nicht-stoffliche planung voraus bzw. deren rechnerische übersetzung in wert. wollte eine stoffliche planwirtschaft ein bsp errechnen, müsste sie sich an den weltmarktpreisen orientieren. angesichts dessen, dass anhand alleine des bsps nicht allzu viel über armut im entsprechenden land ausgesagt ist, wahrscheinlich kein sehr sinnvolles unterfangen, sondern eher zeitverschwendung. es gibt sicherlich bessere indikatoren. man könnte ja mal die leute direkt fragen, wie es ihnen so geht und was sie so meinen.

    und riesenfehler

    welche?

  27. muhaha
    17. Januar 2010, 16:18 | #27

    die hebung des bsp alleine ist kein maßstab, denn dabei sieht man davon ab, wer davon profitiert. die usa sind führend was das bsp anbelangt, sind aber der entwickelte industriestaat mit der meisten armut. auch in deutschland steigt das bsp kontinuierlich, genauso die armut.
    das bsp setzt auch nicht-stoffliche planung voraus bzw. deren rechnerische übersetzung in wert. wollte eine stoffliche planwirtschaft ein bsp errechnen, müsste sie sich an den weltmarktpreisen orientieren. angesichts dessen, dass anhand alleine des bsps nicht allzu viel über armut im entsprechenden land ausgesagt ist, wahrscheinlich kein sehr sinnvolles unterfangen, sondern eher zeitverschwendung. es gibt sicherlich bessere indikatoren. man könnte ja mal die leute direkt fragen, wie es ihnen so geht und was sie so meinen.

    und riesenfehler

    welche?

  28. 17. Januar 2010, 16:36 | #28

    Ach Fidel, äh pro_kommunismus, nein es stimmt nicht (ganz), wenn du behauptest:

    „Wo ein Land nichts hat, um selber Kommunismus zu machen (z.B. Kuba) braucht es einen großen kommunistischen Bruder oder bleibt eben abhängig vom Weltmarkt und muss den so geschickt (das hält sich arg in Grenzen) wie möglich ausnutzen, um die Leute zu versorgen und die Produktion zu verbessern.“

    Denn außer dem Übergang zum ganz altbackenen konterrevolutionären Stalinismus, den die siegreichen Revolutionäre in Kuba relativ schnell und mit erstaunlich wenig internen Friktionen hingekriegt haben (die hatten ja alles ander als „kommunistisch“ angefangen) und dem jetzigen Versuchen, „geschickt“ über die Runden zu kommen, wo der Ostblock weg ist, gab und gibt es ja noch die Perspektive, der internationalen Ausweitung der in diesem Fall ja besonders kleinen Insel. Das haben die kubanischen Revolutionäre ja überwiegend und entscheidend überhaupt nicht gemacht (Ausnahme Guevaras falscher tragischer Alleingang in Bolivien), weder mit Blick auf Lateinamerika z.B. im Bürgerkrieg in El Salvador oder in den Auseinandersetzungen um Nikaragua, wo ja auch kleinbürgerliche Rebellen den alten Diktator besiegen konnten, oder in Bezug auf Chile, wo Castro genau die selbstmörderische Volksfrontpolitik von Allende mitgetragen und begrüßt hat, die die Ostblock-KPen ja schon seit dem 7. Weltkongreß der Komintern der Welt ans Herz gelegt hatten. Und sie haben es auch nicht grundlegend getan, eine neue Komintern haben Fidel Co. weder als nötig erachtet, noch gewollt und eben auch nicht gekriegt.
    (Es ist in diesem Zusammenhang auch ärgerlich, daß die Diskussionen, die es vor Jahren mal auf dem Marxistischen Diskussionsforum anläßlich der Kuba-Veranstaltung von Theo Wentzke 1997 in Berlin gegeben hat, mit der Schließung des Forums mituntergegangen und weggeschmissen worden sind. Denn ich wüßte nicht, wo danach über Kuba und ein Programm von Kommunisten in und für Kuba je wieder geredet worden sei.)

  29. lehmanns brüder
    17. Januar 2010, 16:45 | #29

    Dillmanns Kritik der unfreien RL-Konferenz könnte auch darauf abzielen, dass die jW ja nun nicht unbekannt dafür ist, dass sie bestimmten kreisen, wie dem gs-verlag, eine teilnahme an podiumsdiskussionen und büchertischen schon im vorraus versagt. dass jetzt die fortführung einer erst angefangenen debatte zensiert wird, spricht dann nochmals eher gegen die these der einzig wahren freien presse.

  30. star wars
    17. Januar 2010, 17:13 | #30

    @big mouth

    kommie, ich rede über eine hypothetische situation, wo ein land handel nutzt, um die situation der einwohner zu verbessern, nicht um china hier & jetzt. ich finde dein dogma fragwürdig, dass autarkie auf jeden fall vorzuziehen ist

    Ich glaube du bringst hier die Handelsbilanz eines Staates, mit der ökonomischen Potenz der zahlungskräftigen Versorgung ihrer Bewohner mit Gebrauchswerten, durcheinander. Staaten möchten möglichst viel zahlungskräftige Nachfrage aus dem Ausland, über Warenexport einheimischer Industrieproduktion, bedienen. Und umgekehrt möchten sie dass möglichst viele Güter und Dienstleistungen im Inland, will heißen innerhalb der hiesigen Staatsgrenzen einer Landes, produziert werden sollen. Reich ist im globalen Kapitalismus deswegen nicht das Land dass seine Bewohner am besten mit Gebrauchsgegenständen versorgt, sondern der Wirtschaftsstandort welches imstande ist das meiste Geld, Zecks dessen Vermehrung, innerhalb der staatseigenen Landesgrenzen, im Dienst nehmen zu können.
    Diese Bilanz kannst du z.B. im Vergleich zu Afrika gut studieren, wo es an Allem möglichen an der Versorgung der Bewohner mit Gebrauchsgegenständen fehlt (z.B. Nahrungsmitteln, Medikamente), allerdings Zwecks mangelhafter Zugriffsmacht auf die ökonomische Potenz des Geldes die gebrauchswertsstiftende Versorgung der Notleidenden mit Nahrungsmitteln u.a. unterbleiben muss.
    Und umgekehrt die Wirtschaftskrise in den USA, wo Unternehmen ihre Produktionskapazitäten einschränken müssen, Geldhäuser auf ihre akkumulierten, wertlos werdenden Wertpapierbeständen sitzen bleiben und die Staatsmacht ,sozusagen als Lender of last Ressort, durch Aufkauf dieser, in Bankbilanzen aufgehäuften, fiktiven Geldwertsummen, die Zahlungsunfähigkeit der Geschäftemacher und Geldhäuser, vorläufig zu verhindern imstande ist. In Amerika hat man Geld aufhäufen können, allerdings können diese fiktiven Wertsummen an Geldern, welche sich in den Zahlungsbilanzen von Staat und Geldhäusern mittlerweile auftürmen, Zwecks fehlender Verwertungsmöglichkeiten des Geldes, nicht mehr vollauf gewinnbringend reinvestiert werden.

  31. 17. Januar 2010, 17:17 | #31

    @muhaha
    großer sprung und kulturrevolution. wobei letztere wohl schon das ergebnis hatte, das mao bzweckt hatte, nämlich seine vorherrschaft in der partei zu sichern.
    in beiden fällen ist unglaublich viel zeit und arbeit einfach vertan worden für unsinn, mit hohen opferzahlen

  32. Krim
    17. Januar 2010, 18:46 | #32

    “ die können vielleicht mehr produzieren als 100 mio, aber gleichzeitig konsumieren die auch mehr.“ Dieses Problem hast du bei einem weltweiten Kommunismus auch. Ich wollte dich drauf hinweisen, das der qualitativen Unterschied zwischen einer 1, 2, oder 6 Milliarden Leute umfassenden kommunistischen Ökonomie so gewaltig auch nicht mehr ist. (denkt man sich mal den Imperialismus weg) Es ist nicht so, dass die Chinesen Mangels Umfang ihrer Gesellschaft keine wissenschaftliche Forschung und eine Umsetzung in Technologie zur Produktivitätssteigerung auf die Beine stellen könnten. Was eine kommunistische Gesellschaft von 1.3 Milliarden nicht hinkriegt, würde eine weltweite mit 6 höchstwahrscheinlich auch nicht hinkriegen. Oder du wolltest mit dem „Sozialismus in einem Land“-Argument sagen, dass Kommunisten eh zu dämlich sind für effektive Produktion und es dafür unbedingt einen kapitalistsichen Weltmarkt braucht. Aber ich glaube nicht, dass das deine Absicht war.

  33. 17. Januar 2010, 19:11 | #33

    wissenschaft etc. sind doch überhaupt nicht in erster linie abhängig von der bevölkerungszahl, sondern welche infrastruktur da schon besteht. global gäbe es da halt viel mehr entwickeltes, (was an maschinen und menschen vprrangig noch in der ersten welt zu finden ist) auf das man aufbauen könnte – und mit heutiger logistik ist es ja auch kein problöem, materielle güter woanders hinzuschippern. china hatte 1950 wenige 1000 ausgebildete ingenieure, kaum fabriken usw. aus dem stand heraus kann man halt nicht direkt ne effektive produktion herbei zaubern; über die sowjetischen und chinesischen methoden, dass zu erreichen, sind ja nun mal dutzende millionen menschen verreckt – und nicht aus reiner bösartigkeit von mao & stalin. wir können nur hoffen, dass solche fehler in zukunft vermieden werden.
    wahrscheinlich könnte man mit 200 millionen leuten global ganz wunderbar kommunismus machen, gäbe es nur so viele menschen. es wäre teilweise sogar viel einfacher, weil man keine so großen probleme mit zerstörung der lebensgrundlagen hätte. das ist nämlich n problem, dass uns der kapitalismus hinterlassen wird – wie kriegt man 6- 10 mrd menschen versorgt auf einem netten modernen materiellen niveau, ohne dass es zum kollaps kommt?
    dass es zu wenig leute gibt, ist nun wirklich kein akutes problem – und arbeitskräftemangel war nun auch echt nie das problem in china

  34. bla
    17. Januar 2010, 19:42 | #34

    wahrscheinlich könnte man mit 200 millionen leuten global ganz wunderbar kommunismus machen, gäbe es nur so viele menschen. es wäre teilweise sogar viel einfacher, weil man keine so großen probleme mit zerstörung der lebensgrundlagen hätte. das ist nämlich n problem, dass uns der kapitalismus hinterlassen wird – wie kriegt man 6- 10 mrd menschen versorgt auf einem netten modernen materiellen niveau, ohne dass es zum kollaps kommt?

    Erklär mir doch erst mal warum du den Kapitalismus überhaupt abschaffen willst.
    Vielleicht sollte man da erst mal Einigkeit herstellen, bevor man sich auf solche Spinnereien wie du sie die ganze Zeit vorträgst, einlässt.

  35. Krim
    18. Januar 2010, 15:36 | #35

    „aus dem stand heraus kann man halt nicht direkt ne effektive produktion herbei zaubern;“ Mag ja sein, dass zaubern auch im Kommunismus nicht geht.
    „global gäbe es da halt viel mehr entwickeltes, (was an maschinen und menschen vprrangig noch in der ersten welt zu finden ist) auf das man aufbauen könnte“ Nun ist es so, dass das entwickelte Zeug von den kapitalistischen Staaten nicht einfach hergeschenkt wird. Auch nicht an Staaten die keine kommunistische Wirtschaft haben, sondern Kapitalismus machen wollen. Solche Staaten nennt man Entwicklungsländer, was normalerweise erfahrungsgemäß bedeutet, dass sie das auch bleiben. Also wenn du vergleichen willst, ob „Sozialismus in einem land“ „tatsächlich weniger armut & knochenarbeit für die bevölkerung bedeuten“ würde, dann müsstest du fairerweise mit Entwicklungsländern vergleichen. Und aus dieser Sicht wäre es eher ein Glück als ein Pech autark rumzuwursteln, statt vom Kapitalismus entwickelt zu werden.

  36. 20. Januar 2010, 02:36 | #36

    Ich verstehe hier Dillmanns Anliegen, in der jW nochmal zu publizieren, überhaupt nicht. Jeder der drei Diskutanten wurde gehört, hatte Gelegenheit seine Argumente vorzubringen und hatte auch einen Artikel in der jW untergebracht. Was will sie eigentlich noch? Wo sieht sie eine Benachteiligung? Gewiss könnte man die Debatte noch ewig weiterführen. Nur ist eine Dauerdiskussion mit denselben Leuten zum selben Thema in keiner Zeitung, ob akademisches Fachblatt oder linke Tageszeitung, von der Redaktion und den Lesern zu ertragen. Die Leser sind doch ausführlichst auf die Thesen der Leute und die Bücher, in denen sie sie nachlesen können, hingewiesen worden. Dillmanns Forderung nach Fortsetzung der Diskussion ist nicht mit einer Ungleichbehandlung zu begründen. Sie will schlicht das letzte Wort in der Debatte haben. Ist eben Pech, wenn man nicht selbst den abschließenden Artikel verfassen kann. Bei drei Diskutanten sind halt immer zwei „benachteiligt“.
    Sie mahnt hier auch unzulässig die Freiheit der jW an. Der Freiheit, kontroverse Meinungen zu publizieren, wurde nämlich entsprochen. Es hat nichts mehr mit Publikationsfreiheit und übrigens auch nicht mit Wissenschaftlichkeit zu tun, wenn Dillmann von einem Publikationsorgan, einem Forum auch für den wissenschaftlichen Meinungsaustausch, verlangt, sich zum „der Wahrheit“ (TM by MG) verpflichteten Richter über die Beiträge der einreichenden Autoren zu erheben und vorwegzunehmen, was eigentlich der noch folgende, hoffentlich fruchtbare, wissenschaftliche Austausch oder die weitere Forschung ergeben sollen. Dann würde, im Fall einer Parteinahme für Dillmann, die jW zu einem dogmatischen und parteiischen Blatt einer bestimmten, angeblich marxistischen, Morallehre verkommen. Sie würde nicht mehr frei publizieren, sondern zensieren bzw. passende Artikel bestellen, so wie es ein kleiner Zirkel nicht fachkundiger Redakteure für angemessen hält. Jedes künftige Publizieren mit einem wissenschaftlichen Anspruch hätte sich damit in der jW erledigt. Wenn Dillmann so etwas will, ist sie doch beim GSp bestens aufgehoben. Dort ist im Unterschied zur jW noch nie ein Gegenstandpunkt zur Redaktionslinie zu Wort gekommen.

  37. Krim
    22. Januar 2010, 17:33 | #37

    „Dillmanns Forderung nach Fortsetzung der Diskussion ist nicht mit einer Ungleichbehandlung zu begründen.“ Wo hat Dillmann behauptet sie sei benachteiligt worden oder ungleich behandelt worden. Oder kannst du dir Kritik gar nicht mehr anders vorstellen als Ungerechtigkeit zu kritisieren und deshalb unterstellst du jedem der etwas zu meckern hat, es ginge ihm um Ungleichbehandlung.
    „…und vorwegzunehmen, was eigentlich der noch folgende, hoffentlich fruchtbare, wissenschaftliche Austausch oder die weitere Forschung ergeben sollen.“ Also erstmal sollte ein Buch ja Ergebnisse präsentieren und keine Thesen deren Gültigkeit dannn erst in einem pluralistischem Palaver diskutiert werden. Wenn es um Wissenschaft geht lautet die Frage stimmen die Aussagen oder stimmen sie nicht und darüber wird gestritten. Zweitens ist es ein Hohn ihr das Verlangen unterzuschieben, die Zeitung sollte einen wissenschaftlichen Streit entscheiden. Wie Dillmann dargelegt hat ist es zu einem wissenschaftlichen Streit gar nicht erst gekommen. Stattdessen wurde Dillmann an den moralischen Maßstaben der Revis blamiert und ihre Argumente wurden diskreditiert.

  38. 22. Januar 2010, 18:15 | #38

    antikaps Argumentation auf der schieren Ebene der bürgerlichen Diskussions“kultur“ paßt gut zu seinem ja schon grundsätzlicher gemachten Statement:

    „Ich unterlasse hier jede weitere Kritik an Dillmanns Buch, da sie schon im anderen Thread nicht zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit ihr geführt hat.“

    Von einem, der unter anderem ein in der Wolle gefärbter Mao-Fan geblieben ist, eigentlich herzlich wenig, aber damit steht er leider ja nicht mal schlechter da als die meisten anderen hier wie sonstwo auch.

  39. 24. Januar 2010, 19:26 | #39

    Krim: „Wo hat Dillmann behauptet sie sei benachteiligt worden oder ungleich behandelt worden.“
    Das steht so in ihrem ersten Brief implizit. „Im Vorfeld wurde mir übrigens für die Vorstellung meines Buchs explizit das Thema China – Amerika vorgegeben; die Replik von Helmut Peters nimmt sich dagegen die Freiheit, auf das Buch / die Thematik als Ganzes zu antworten.“ Da wurde sie ungleich behandelt, hatte nicht dieselbe Themenstellung wie Peters. Davor beklagt sie: „Nun ist es wirklich nicht so, dass ich es nicht gewohnt wäre, kontrovers zu diskutieren und auch hart zu streiten. Dabei kommt es mir aber in der Tat darauf an, über eine Sache, in diesem Fall eben die Volksrepublik und ihre heutige ökonomisch-politische Verfasstheit, zu argumentieren.“ Auch wieder eine Ungleichbehandlung: Sie habe nicht argumentieren dürfen. Dabei ist das Unsinn. Wie Schölzel schon antwortet, wurde die Diskussion auch vom Publikum bestimmt. Dillmann hatte verglichen mit den anderen Diskutanten nicht zu knapp Zeit, ihre Argumente vorzubringen. In der Tat hat sie ja auch Argumente gebracht (die dann auch zumindest teilweise zerpflückt wurden). Wenn sie jetzt behauptet, es käme ihr aufs Argumentieren an, sie dies also aus ihrer Sicht in der Diskussion nicht konnte/durfte, so liegt das allein an ihr. Sie hätte die Argumente bloß sagen müssen. Niemand hat sie daran gehindert. Sie hatte sich sogar von allen die meiste Zeit zur Vorstellung ihrer Thesen und Argumente genommen.
    Krim: „Oder kannst du dir Kritik gar nicht mehr anders vorstellen als Ungerechtigkeit zu kritisieren und deshalb unterstellst du jedem der etwas zu meckern hat, es ginge ihm um Ungleichbehandlung.“
    Du führst wieder den typischen GSP-Denkfehler vor, eine partikulare Aussage zu verallgemeinern. Dillmann kritisiert eine Ungleichbehandlung, also kritisieren alle Kritiker Ungleichbehandlung. In dem Fall trifft die Kritik Dillmanns aber, da es für den sachlichen Diskurs wirklich auf eine Gleichbehandlung ankommt. Jeder muss über das Thema in gleicher Weise informiert werden – was laut D. nicht geschehen ist – und jeder muss in gleicher Weise Gelegenheit bekommen, seine Argumente zu sagen – was entgegen D.s Behauptung geschehen ist.
    Krim: „Also erstmal sollte ein Buch ja Ergebnisse präsentieren und keine Thesen deren Gültigkeit dannn erst in einem pluralistischem Palaver diskutiert werden.“
    Du beherrschst die Methode des moralischen „Argumentierens“ so gut wie Dillmann. Das war übrigens ein Kritikpunkt in der Diskussion. Der Gegner „schwatzt“ oder „palavert“, selbst liefert man „Ergebnisse“, am besten auch noch „wahre“. Damit die nicht infrage gestellt werden, darf der Diskurs auch nicht pluralistisch sein. Man selbst legt die zulässigen „Argumente“ fest und zensiert alles außerhalb der erlaubten „Wahrheit“. „Man selbst“ ist dabei möglichst immer die MG, ihre Anhänger oder Sympathisanten. Die Revis Peters und Berthold, das steht im Voraus fest, haben natürlich keine gültigen „Ergebnisse“ vorgelegt, das geht ja gar nicht, da sie nicht in der MG sind.
    @Neoprene: Du hast mich falsch (Satz vorzeitig beendet) und unvollständig (Intention entstellt) zitiert. Interessant, dass du zu solchen Mitteln greifst. Ich schrieb hingegen:
    „Ich unterlasse hier jede weitere Kritik an Dillmanns Buch, da sie schon im anderen Thread nicht zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit ihr geführt hat, sondern als Anlass zu themenfremden, philosophischen, Kompetenzstreitigkeiten über noch aufzuhäufende Leichenberge genommen wurde. (Was man ja machen kann, wenn man nichts Wichtigeres zu tun hat, aber vielleicht in einem passenderen Forum.) Für alle an der politischen Ökonomie der VR China Interessierten, die sich nicht darum sorgen, wie eine Wirklichkeit so konstruiert werden kann, dass sie sich passgenau in eine vorgefertigte, falsche, Theorie fügt, gebe ich einige Hinweise auf Literatur, die reichliches Material zur VR liefert bzw. einen unvoreingenommenen Blick auf dieses Material ermöglicht.“ (Hervorhebungen hinzugefügt)
    Aus dem Zitat geht klar hervor, warum ich nicht weiter argumentiere. Ich halte es für überflüssig, Argumente zu wiederholen, wenn auf sie in über 400 Kommentaren nicht eingegangen wurde, sondern nur über das Thema Leichen im Kommunismus „palavert“ (oder argumentiert?) wurde. Außerdem wollte ich schlichtweg die Literaturhinweise loswerden. Hast du dich denn wenigstens da mal schlau gemacht (z.B. bei Bramall) und dein Chinazerrbild von Dillmann/MG korrigiert?

  40. 24. Januar 2010, 21:17 | #40

    Ich unterlasse jede weitere Kritik an antikaps Kritik an Dillmanns Buch, weil leider auch er genau das praktiziert, was er vor allem Dillmann vorwirft: „moralisches Argumentieren“. Kein einziges inhaltliches Argument vorbringen, aber dem politischen Feind ein „Chinazerrbild“ unterstellen. Er hat es ja noch nicht mal für angebracht gehalten, wenigstens ein paar Thesen von Bramall „Sources of Chinese Economic Growth, 1978-1996, (2000)“ hier zu verteidigen.

  41. 24. Januar 2010, 23:32 | #41

    Meine Argumente findest du in dieser Diskussion. Sie rechtfertigen meine Einschätzung der Chinadarstellung Dillmanns und ihrer Anhänger als Zerrbild. Auf eine Auseinandersetzung mit diesen Argumenten warte ich noch immer. Dort könnte dir auch auffallen, dass ich kein „Mao-Fan“ bin oder was du dir sonst noch per MGscher Gedankenlese- und Zweckdetektionskunst über mich zusammenspinnst. Lass doch die persönliche Ebene und das „Entlarven“ vermeintlicher Zwecke aus der Diskussion raus. Das wird gewiss nicht zu einer sachlichen Klärung über Dillmanns Behauptungen führen. Zur Erinnerung: Ich habe v.a. D.s tendenziöse Quellenwahl und die darauf basierende abstruse Interpretation kritisiert sowie auf eine Verwechslung des Nation-Begriffs von MG und KPCh hingewiesen.

  42. Privatknallfaul
    25. Januar 2010, 09:39 | #42

    Ich halte deine Darlegung im verlinkten Beitrag für falsch. Tibet wurde nicht heim ins Reich geholt, um dort den Kommunismus zu installieren sondern weil aus Sicht der Chinesen eben das Reich historisch eine Suzeränität über Tibet hatte, an die sie anknüpfen wollten. China hatte die Unabhängigkeit Tibets 1913 nie anerkannt – wie es auch die Unabhängigkeit der RoC / Taiwan nicht anerkennt. Die Unabhängigkeit der Mongolei hingegen wurde – widerstrebend – anerkannt, weil sie unter dem Schutz der UdSSR stand.
    Sowohl China als auch die UdSSR betrachteten sich nach der „Heimholung“ der in den Revolutionswirren und in diversen Kriegen verloreren traditionellen Gebietsteile als saturiert. Andere Länder im Einflussgebiet wurden nie für eine Integration in die Union akzeptiert, wie auch ein Beitritt Chinas zur Union oder auch nur den zugehörigen Wirtschafts- und Militärbündnissen nie ernsthaft angestrebt wurde – von beiden Seiten.
    Wie erklärst du das?

  43. Krim
    25. Januar 2010, 13:46 | #43

    Auf Ungleichbehandlung kommst du doch bloß, weil du weißt, dass wir Gleichheit und Gerechtigkeit nicht für gute Argumente halten.
    Der Vorwurf von Dillmann heißt aber nicht Ungleichbehandlung, sondern Peters würde nicht auf das Thema anworten, (das ihr von der Redaktion vorgegeben wurde). Er würde statt Argumente in der Sache vorzubringen die wissenschaftliche Qualifikation der Autorin beurteilen. Dein zweites Beispiel moniert ebenfalls nicht Ungleichbehandlung, sondern das Fehlen sachlicher Auseinandersetzung. Da stellt sich schon die Frage, ob dieses Vorgehen von der Zeitung beabsichtigt war. Man lässt einfach jemanden thematisch eingeschränkt (damit es nicht zu unangenehm wird) labern, beachtet den Inhalt gar nicht und nimmt das zum Anlass ihn unsachlich fertigzumachen.
    „In dem Fall trifft die Kritik Dillmanns aber, da es für den sachlichen Diskurs wirklich auf eine Gleichbehandlung ankommt.“ Blödsinn! Um einen sachlichen Diskurs zu führen, muss man sich auf die Sache einlassen, sachliche Argumente sagen, statt das Gegenüber diskreditieren.
    „Du beherrschst die Methode des moralischen „Argumentierens“ so gut wie Dillmann.“ Hast du dafür auch einen Beleg oder reicht es dir dein Gegenüber mit einer Behauptung zu diskreditieren. – „Man selbst legt die zulässigen „Argumente“ fest und zensiert alles außerhalb der erlaubten „Wahrheit“.“ Schoneinmal habe ich drauf hingewiesen, dass es gar nicht drum ging Argumente festzulegen, sondern Argumente erstmal vorzubringen, statt sich darin zu üben das Gegenüber in ein schlechtes Licht zu rücken. Jemandem zu sagen, der aufgrund persönlicher Anwürfe eine sachliche Diskussion anmahnt, er würde die Wahrheit festlegen wollen, ist eine verlogene Frechheit, die bloß nochmal beweist das man sich auf eine inhaltliche Debatte nicht einzulassen gedenkt.

  44. antikap
    25. Januar 2010, 14:03 | #44

    Zum Status Tibets gibt es wohl so viele Interpretationen wie es Beteiligte gab/gibt. Aus Sicht der VRC hat man lediglich militärisch nachvollzogen, was rechtlich/politisch eh schon klar war, nämlich, dass Tibet ein autonomer Teil Chinas war. Das Tibet-Beispiel zeigt, wie haltlos Dillmanns Kritik am Sozialismus in einem Land ist. China hatte, soweit es möglich war, seinen Sozialismusversuch von einem Kerngebiet ausgedehnt und beansprucht ja auch wie du schreibst Taiwan für sich. Das internationale Kräfteverhältnis, dem sich China gegenübersieht, widerlegt Dillmanns These, dass ein chinesischer Nationalismus die chin. Kommunisten von einer Ausbreitung des Sozialismus (oder gar der Weltrevolution?) abgehalten hat. Es bekräftigt vielmehr die jedem außer der MG völlig einleuchtende Tatsache, dass China von seinen Nachbarn auf den Status als Nation beschränkt wurde/wird. Was hätte China denn aus D.s Sicht machen sollen, um die Grenzen der Nation zu überwinden? Taiwan, Südkorea und Japan zur Verbreitung des Sozialismus angreifen und damit den 3. Weltkrieg auslösen? Dass es Sozialismus in einem Land war, lag zu allerletzt an den „nationalistischen“ Chinesen.
    Dass sich China zunehmend von der SU distanzierte, lag einfach an der Restauration des Kapitalismus in der SU, der Unverträglichkeit des in den Kapitalismus übergehenden Staatskapitalismus der SU und des im Aufbau befindlichen Sozialismus der VRC. Im Übrigen ist Dillmann in dem Punkt sehr parteiisch pro-sowjetisch. Warum erwartet sie von China, sich der Führung eines angehenden kapitalistischen Staates zu unterwerfen? Das Tolle und Verrückte an moralischer Kritik der Sorte Dillmann ist die beliebige Parteinahme gegen das vorverurteilte Kritikobjekt. Ein SU-Kritiker könnte genauso gut der SU nationale Beschränktheit vorhalten, weil sie sich nicht 1949 der im sozialistischen Lager führenden Rolle der VRC unterworfen hat. Man sieht, D. kann sich alles völlig beliebig zurechtlegen. Den Nation-Begriff klaubt sie sich von der MG zusammen, was Sozialismus zu sein hat, entnimmt sie dem Vorbild der SU. Das ist die reinste essenzialistische Verblendung, die alle „Erkenntnis“ aus vorgefassten Begriffen in die Welt projiziert!
    Wenn Dillmann so an der Verbreitung und Verteidigung ihrer – davon bin ich immer noch überzeugt – absolut haltlosen und empirisch nicht zu stützenden „Argumente“ interessiert ist, soll sie sich halt mal hier dazu äußern statt nur ihren Briefwechsel zu veröffentlichen.

  45. Privatknallfaul
    25. Januar 2010, 15:09 | #45

    „China hatte, soweit es möglich war, seinen Sozialismusversuch von einem Kerngebiet ausgedehnt und beansprucht ja auch wie du schreibst Taiwan für sich.“
    Taiwan und Tibet sind aus Sicht sowohl der Nationalen als auch der Kommunisten selbstverständlicher Teil Chinas gewesen. Insofern spricht das nicht für Expansionismus über nationale Dimensionen hinaus.
    Dillmann hält sowohl China als auch der UdSSR diesen nationalen Standpunkt vor – der UdSSR übrigens vor wie nach der erfolgreichen Machtergreifung der chinesischen Kommunisten. Aufgrund des Buchthemas fällt letzteres merklich knapper aus. Den Sozialismusbegriff der UdSSR übernimmt das Buch auch nicht sondern verweist insbesondere in der systematischen Kritik auf die Ähnlichkeit beider Systeme hin.
    Ich frage mich, wie du das überlesen konntest, weil es sich alle Nase lang wiederholt. Überhaupt ist das meine Kritik an dem Buch, dass es weder eine logisch herleitende noch eine historisch abhandelnde Beschreibungsform konsequent durchzieht und daher viele redundante Passagen hat, in denen nach Brüchen die notwendige Einleitung nocheinmal geschoben wird. Ohne ein vorheriges oder paralleles Studium weiterer Darstellungen zur Historie Chinas sind viele Teile des Buches schlichtweg nicht zu erschließen.

  46. K-mol
    30. Januar 2010, 12:02 | #46

    China hatte die Unabhängigkeit Tibets 1913 nie anerkannt – wie es auch die Unabhängigkeit der RoC / Taiwan nicht anerkennt.

    Hallo,
    kannst du auch erklären, wie man die Unabhängigkeit einer theoretisch übergeordneten politischen Einheit anerkennen soll/kann? Oder läuft das darauf hinaus, dass sich China dem nationalistischen Anspruch zu unterwerfen hat?

  47. Privatknallfaul
    1. Februar 2010, 10:16 | #47

    Ich habe die Frage nicht verstanden.

  48. 3. Februar 2010, 11:40 | #48

    die PRC würde im moment aber auch taiwan als taiwan nicht anerkennen, weil sie die insel als zu china gehörig betrachten. auf unabhängikeitsbestrebungen bei aufgabe jeder ansprüche auf festlandchina taiwanischer parteien wird idr mit säbelrasseln reagiert

  49. K-mol
    7. Februar 2010, 15:28 | #49

    Hallo Privatknallfall,
    ich wollte fragen, wie du dir das vorstellst, dass China die Unabhängigkeit eines anderen China anerkennen soll, die selbst den Machtanspruch auf China und darüber hinaus hochhält? Da kommt doch nur heraus, dass China gegenüber den Nationalisten die Waffen strecken soll. Das ist ein ganz schön starkes Stück, was du da einforderst.
    Hallo Bigmouth,
    natürlich wird Taiwan als Taiwan anerkannt.

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