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A. Lanier: Was ist Geld? und eine Kritik der Freiwirtschaftslehre von Gesell

8. Juli 2009

Amelie Lanier hat mittlerweile das Skript zu ihrem Geld-Workshop Ostern 2009 in Berlin online gestellt. Man kann es hier bei ihr nachlesen.

Ich habe mir den 2. Teil des Veranstaltungsmitschnitts der Leipziger Veranstaltung vom 11.06.2009 mit dem Titel „Erst krachten die Banken, jetzt die ganze Weltwirtschaft – Warum? Gegen das Hoffen auf und das Bangen um die baldige Gesundung „unserer“ Wirtschaft“ angehört, bei der Theo Wentzke vom GegenStandpunkt referiert hat. Nicht völlig überraschend hat sich dort auch wieder mal ein Gesellianer z uWort gemeldet. Zu meiner Überraschung hat Theo darauf so reagiert:

„Es gibt verschiedene Vorschläge (in der Nachfolge von Silvio Gesell, das ist der Theoretiker, der sich das ausgedacht hat), die der Meinung sind, daß man Planwirtschaft und Geldwirtschaft, beides machen könnte. Das wäre dann mal einen Abend wert, sich damit zu befassen.“(16:30 Minuten vor dem Ende des Mitschnitts)

Ich habe mich nun wirklich in meinen Leben in der Tat nicht sonderlich viel länger als einen Abend mit den gesellianischen Vorstellungen vom Schwundgeld befaßt. Eigentlich nur vor und bei dem Workshop von Amelie. Bisher ist da meine Erkenntnis, daß Gesell nun wirklich alles andere als ein Propagandist einer kommunistischen Planwirtschaft gewesen ist, sondern sozusagen neuproudhonistisch der Vorkämpfer für endlich von den Geldsorgen befreites Warenproduzieren. Also ein moderner Vordenker der klassischen Kleinbourgeoisie, der nur aus taktischen Gründen heraus, mit seinem Zeugs bei allem, was da so politisch gekreucht und geflogen ist, hausieren gegangen ist. Selbst die Bolchewisten hat er nach der Oktoberrevolution nicht in Ruhe gelassen, um die von deren unheilvollem Marxismus vielleicht doch noch abbringen zu können.

Sollte ich da den wahren Gesell so völlig verkannt haben? Oder habe ich nur wieder mal nur Theo Wentzke mißverstanden?

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  1. 8. Juli 2009, 21:07 | #1

    wentzke wird sich wohl einen abend damit befassen wollen, um die richtigen argumente zu schärfen, warum das eben nicht zusammen geht.

  2. 8. Juli 2009, 21:34 | #2

    Da liegt mir doch auf der Zunge, daß er das dann doch auch hätte gleich sagen können, statt solch defensives ja geradezu falsches Zeugs!

  3. 9. Juli 2009, 00:23 | #3

    Im Dezember im Festsaal Kreuzberg hat auch einer den „Wörgel“ , ein in der letzten Weltwirtschaftskrise in einem österreichischen Dorf nach Gsellschem Vorbild geschaffenes Ersatzgeld erwähnt und gefragt, ob der denn nicht eine gute Antwort auf die damalige Weltwirtschaftskrise gewesen sei. Wentzke antwortete, man müsse sich fragen, warum er verboten wurde.
    Ich sehe die Sache so: Ein krisenfestes Geld sind Arbeitsgutscheine die nicht auf Zins verliehen werden dürfen allemal. Deswegen sind sie ja auch in diversen Wirtschaftskrisen verwendet worden, u.a. auch in Argentinien in den 90ern. Sie bringen aber ihre eigenen Widersprüche hervor (wie soll der Übergang zum Verleih und damit zum Kreditwesen sowie zum Kauf der Ware Arbeitskraft und damit zum Kapitalismus verhindert werden?) , behalten Arbeit als Grundlage des Reichtums bei statt ‚disposable time‘ dazu zu machen, beinhalten auch die soziale Härte, Bedürfnisserfüllung von Arbeitsfähigkeit abhängig zu machen (Kinder, Kranke, Behinderte) und werden bei nächster sich bietender Gelegenheit notfalls mit Gewalt abgeschafft, weil sie das Monopol des Staates auf die Schöpfung von Geld untergraben.
    Letzteres hat Wentzke meiner Erinnerung nach auch geantwortet.

  4. 9. Juli 2009, 01:16 | #4

    Theo hat mir auf meine obigen Fragen geantwortet:

    Ich halte weiterhin aufrecht, daß es meiner, wenn auch beschränkten Kenntnis nach, niemand aus der Gesell-Ecke gab/gibt, der Verfechter irgendeiner Planwirtschaftskonzeption ist. Die alle naselang in der Tat auch bei GSP-Veranstaltungen auftauchenden Schwundgeld-Propagandisten scheinen mir durch die Bank beinharte Fans der Marktwirtschaft zu sein. Das reicht mir schon, da brauche ich gar nicht erst auch noch darauf hinzuweisen, daß aus diesem Milieu mancher bei rassistischen Vorstellungen und den Nazis gelandet ist, wie das z.B. vor einigen Jahren von Elmar Altvater gekommen ist. Und dieses Zeugs ist in der Tat einfach nur falsch, egal bei wem der Herr Gesell persönlich damals damit hausieren gegangen ist, ich hab das eigentlich nur als historischen Jux erwähnt.

  5. 9. Juli 2009, 01:22 | #5

    Ungefähr so, wie Pirx die Antwort von Theo Wentzke bei seiner Veranstaltung hier in Berlin beschrieben hat, hat der auch meiner Erinnerung nach, ich hab den Mitschnitt jetzt nicht nochmal abgehört, in der Tat geantwortet. Auch das zeigt schon, das man dazu eigentlich noch etwas weiter ausholen könnte, was ich auch für gar nicht so unangebracht halten würde.

  6. Koza
    9. Juli 2009, 04:22 | #6

    Der Theo Wentzke liegt in seinem begrüßenswerten Anliegen, über das Gesellentum was zu erarbeiten, grundverkehrt. Denn daß Planwirtschaft und Geldwirtschaft vereinbar sind, ist doch gerade der Witz der realsozialistischen Ökonomie [gewesen], der dadurch, daß er, Wentzke, sie nicht für vereinbar hält, nicht behoben wird.

    Einen defizienten Modus von Plan & Geld zu monieren, wäre gerade keine Kritik der überlieferten Produktions- und Vergesellschaftungsweise. Eine Seite, etwa die des Geldes, mir wegzudenken, um auf Basis der antizipierten Faktizität einer schönen Planung argumentieren zu können, konstruierte im vorliegenden Falle nur einen Idealsozialismus als Bedingung der Kritik gegen das mit Geld zudem gar nicht so ohne weiteres einzufangende Schwund-Geld. Diese Voraussetzung brauche ich deshalb auch nicht, um Theorie & Praxis des Schwundgeldes zu begreifen. An einer immanenten Kritik des Schwundgeldes führt mithin kein Weg vorbei.

    Aber wenn schon, dann soll der Theo Wentzke doch mal ausführen, wieso eine geplante Produktion die Bedingungen, den Verlauf und die Ergebnisse der Vernutzung der Arbeitskräfte überhaupt angenehmer als im Hier und Heute macht. Art wie Zweck der Betätigung der Träger ihrer Potenzen haben sich ja mit dem Plan noch nicht revolutioniert. Die gesellschaftlichen Produktivkräfte, die in Bewegung gesetzt werden, um die Wirtschaft zum Gedeihen zu bringen, bleiben für die Produzenten, die unter den Plan subsumiert werden, nicht ihn sich als ihr Mittel, zu etwas zu kommen, kreieren, noch immer ein reichlich ominöses Ding. Auch die Ermittlungsart ihrer Bedürfnisse und die Ausgestaltung ihrer Kooperation, die erst eine Assoziation, die ihren Lebenszusammenhang frei gestaltet, ausweisen, sind noch gar nicht zu erkennen.

    Da der GegenStandpunkt sich weigert, mehr darüber nachzudenken, gibt’s nur Arbeiter, die gemäß der Autorität eines Plans, von dem man noch gar nicht wüßte, wer ihn wie wozu macht, lauerte nicht eine Avantgarde wie auf ihrem emotional besetzten Lieblingsspielzeug darauf, ihr Soll erfüllen müssen und dabei Befriedigung finden sollen. Ob die Herrschaft gefälliger ausfällt, bleibt eine Laune der Umstände und Figuren an der Macht. Ungefähr eine Kopie dessen, was ist, nur ohne Geld.

    Würde ich noch arbeiten, ich gäbe mich für diesen Zweck einer sich auch noch kommunistisch nennenden Planwirtschaft nur unter der Bedingung des Zwangs her.

    Von wegen, dass jedes Begehren, über Kommunismus zu diskutieren, geheuchelt ist, weil man darin schon immer die bürgerliche Vorstellungswelt mit sich herumschleppe. Interessant aber, dass Marxisten unter Zuhilfenahme dieses Psychologismus die Diskussion abblocken.

  7. Apple
    9. Juli 2009, 12:14 | #7

    „Würde ich noch arbeiten, ich gäbe mich für diesen Zweck einer sich auch noch kommunistisch nennenden Planwirtschaft nur unter der Bedingung des Zwangs her.“

    Was soll „dieser Zweck“ sein? Menschen zu vernutzen?

  8. 9. Juli 2009, 12:42 | #8

    Auf die Frage von Apple antworten doch alle Vertreter von Auffassungen wie der von Koza, daß es bei Staaten nie um die pure Vernutzung von Menschen als Selbstzweck geht. Das ist doch immer Mittel zum Zweck. Selbst in Himmlers Posener Rede trug der vor: „Ob bei dem Bau eines Panzergrabens 10.000 russische Weiber an Entkräftung umfallen oder nicht, interessiert mich nur insoweit, als der Panzergraben für Deutschland fertig wird. Wir werden niemals roh und herzlos sein, wo es nicht sein muss; das ist klar.“

    So funktional hat das sicher auch Pol Pot gesehen oder Stalin. Oder, weil das sonst gleich gekommen wäre, Trotzki im Kriegskommunismus auch.

  9. 9. Juli 2009, 13:42 | #9

    @ Koza

    1. Von wegen Planung + Geld hätte im Osten so wunderbar funktioniert. Die haben sich doch dauernd entscheiden müssen, ob sie schwarze Zahlen schreiben und Schund herstellen, oder was Anständiges produzieren wollen.
    2. Planung ist halt die Voraussetzung dafür, für Bedürfnisse zu produzieren. Möglicherweise kann man sich auch politische Formen vorstellen, in denen das anders läuft. Was du dir in deinem Hirn zurechtspinnerst weiß ich nicht, das Ziel des GSP ist jedenfalls bedarfgerechte Produktion. Dafür muss man die Leute nur nach ihren Wünschen fragen und ein bisschen Arbeit für deren Erfüllung werden diejenigen schon übrig haben, die nicht solche Vollspacken sind wie du.

  10. 9. Juli 2009, 14:09 | #10

    Das meine ich nun mit Pirx auch, daß die These von Koza „daß Planwirtschaft und Geldwirtschaft vereinbar sind, ist doch gerade der Witz der realsozialistischen Ökonomie [gewesen]“ recht steil ist. Wer hat das denn dort behauptet? Was für ein Erfolg der Planung kam denn dabei raus, wenn die schwarzen Zahlen erreicht wurden? Wofür waren denn die Zahlen, die ja monetäre Zahlen waren der Rechnungslegung, überhaupt aussagefähig? Was ist denn da gewachsen, wenn in der DDR eine Rate von X % während der letzten y Jahre ausgewiesen wurde?

    Zu Pirx „Planung ist halt die Voraussetzung dafür, für Bedürfnisse zu produzieren.“
    Eine nicht unerhebliche Frage recht großer politischer Brisanz ist/war doch die dann naheliegende Frage, wessen Bedürfnisse? Bzw. wer legt fest, welche Bedürfnisse in den Plan und damit in die Produktion einfließen? Das Apollo 13-Projekt wurde auch geplant, so gut das eben ging. Wessen Bedürfnis wurde da befriedigt? Das Politbüro der SED (oder gleich der KPsSU?) hat irgendwann entschieden, keine PKWs für private Nutzung zu bauen. Wen haben die da nach deren Bedürfnissen gefragt?

  11. Koza
    13. Juli 2009, 00:54 | #11

    „Würde ich noch arbeiten, ich gäbe mich für diesen Zweck einer sich auch noch kommunistisch nennenden Planwirtschaft nur unter der Bedingung des Zwangs her.“
    Koza — 9. Juli 2009 @ 04:22

    Was soll „dieser Zweck“ sein? Menschen zu vernutzen?
    Comment von Apple — 9. Juli 2009 @ 12:14

    Ich verstehe Deine Frage nicht ganz. Denn in jenem attributiv mitgeschleiften Zweckbezug schwang ja mit, dass der gefragte Zweck bereits vorher zur Beantwortung angestanden hatte: Du hättest also Gründe beizubringen, warum dort Skizziertes falsch bzw. für eine Bestimmung des Zwecks nicht hinreichend ist. Anderenfalls stellte sich Deine Frage gar nicht mehr. Denn einer Vernutzung von Menschenmaterial, wie Du meinst, vermuten zu können, fehlte doch gerade das dem Zweck einer Planwirtschaft inhärente Wozu. Jedenfalls dann, wenn ich Planwirtschaft noch nicht als ein Subjekt der Beschaffenheit nehme, dass deren Güte schon für sich selbst steht, folglich Planung als um ihrer Selbstzweckhaftigkeit willen erfolgen muß.

    Dann wird nämlich wirklich, was Du mit der in Deiner intuitierten Selbstantwort auf Deine selbst gestellte Frage, was denn der Zweck der Planwirtschaft sei, meinst, als nachgeradezu absurd zurückweisen zu können. Die Vernutzung des Menschenmaterials gerinnt der Planungsbehörde hinter ihrem Rücken zum unintendierten Zweck ihres Tuns, mögen ihre Maßnahmen auch mit Durchsetzung der Planungshoheit oder Rettungsprogramm der Planung überhaupt schön geredet werden. Mit Bewusstsein und Willen kann eben auch in einer Planwirtschaft etwas anderes getan werden, als das, was dafür ausgegeben wird.

    Meine These ist ja auch, dass, wenn eine qualitative Beziehungslosigkeit des Plans zum Arbeitsprozess dessen vorherrschendes Moment ausmacht, der uneinholbare Grund für diese Verselbständigung des Plans substantiiert ist. Der Plan mag ursprünglich für die optimale Erzielung ökonomischer Resultate gedacht und institutionalisiert sein, in seiner Trennung von der produktiven Tätigkeit ist immer schon seine Verkehrung vom Mittel zum Selbstzweck angelegt.

    Ich will also schon der Selbstverständigung halber nochmals versuchen, diesen Sachverhalt aufzuhellen..

    Was ist denn eine Planwirtschaft? Eine Wirtschaft, deren Nutznießer den zur Erzielung eines der Befriedigung der Bedürfnisse dienlichen Ergebnisses erforderlichen Einsatz benötigter stofflicher und menschlicher Ressourcen mittels eines Planes vereinbaren und entsprechend arbeitsteilig gestalten. Nur dieser äußere Bezug auf Herstellung und Verteilung der Güter kann der Planung unterliegen. Planung ist hier noch Mittel, sonst nichts.

    Der gesamte Binnenkomplex kommunistischer Tätigkeit ist damit aber überhaupt noch nicht erfaßt. Die Bedingungen, unter denen gearbeitet werden muß, die Art und Weise, wie kooperiert wird, der Streit um die Güte der Zwecke, der noch allemal der Ermittlung der Bedürfnisse korrespondiert, für deren stratifizierte Befriedigung sich jeder Einzelne in der Koproduktion ja auch anstrengen soll, sind noch ganz außen vor.

    EINSCHUB: Nach Ansicht der GSPler ist das Nachdenken über das, was das alles ist bzw. sein könnte, sowieso nur ein Affront gegen ihre Kritik des Kapitalismus. Wer diese ihre Kritik nämlich, sie braucht hier gar nicht ausgeführt zu werden, um die Absurdität dieser methodisch angelegten Untergrabung eines Dialogs nachvollziehen zu können, nicht teilt und obgleich, vielleicht aus ganz anderen Gründen und mit verschiedener Zwecksetzung auch noch, auf eine Alternative hinaus will, muß grundsätzlich verkehrt gewickelt sein und ist unehrlich, hat er nur seine Fragen, evtl. auch an sie. Wer meine Kritik nicht aufnimmt, ist zudem von schlechtem Charakter, da er nicht zugibt, sie nicht zu teilen. Die Kritik, die einer vorbringt, ist nicht die Kritik, die sie ist, nein, sie ist eine der grundsätzlichen Natur, da sie erhaben über die GSP-Kritik ist bzw. sein könnte. Daß man dessen Kritik braucht, um seine Konsequenz zu ziehen, steht außer Frage. Ebenso ist ausgeschlossen, sich gemeinsam auf den Hosenboden zu setzen, um etwas rauszukriegen.

    Diese Marxisten, die im Untertitel ihres Organs ihrer Freundschaft zur Politik Kunde tun, – mit einer politischen Vierteljahreszeitschrift wollen sie unbedingt auf sich aufmerksam machen, müssen einem ja schon immer erklären, wo’s lang geht, auch wenn sie den Gegenstandswechsel brauchen, um zum der Auseinandersetzung bedürftigen Gegenstand eben nichts sagen zu müssen, weil sie im Diskutanten den Feind ihres methodisch inszenierten Kunststücks wittern, das herrschende Gemeinschaftswesen durch Zurückführung seiner vielen der Mehrheit abträglichen Gegensätzlichkeiten auf die böse Gewalt permanent abstrakt zu negieren, also faktisch ein praktisches Friedensbündnis mit Staat & Gesellschaft gefunden zu haben. Von wegen, dass deshalb durch sukzessives Abstrahieren von den Abstraktionen jemals der handlungsheischende Punkt einer bestimmten Negation, also die Konzentration auf die konkrete Tat, erreicht werden könnte.

    Jegliches praktische Sich-Verhalten, das auf Umkrempelung der sozialen und individuellen Verhältnisse abzielt, das auf konkrete Negation nicht nur in der Form der himmlischen Revolution scharf ist, verfällt deshalb auch der vernichtenden Kritik, weil man die Apartheit des eigenen Standpunkts nicht entdecken kann. So kommt es, dass neben viel Richtigem, wie durchaus auch in gerade Erinnertem hier: http://www.gegenstandpunkt.com/gs/04/1/lb-plan.htm zu entdecken, immer nur das Beharren auf dem richtigen Weg und die Rekrutierungsarbeit zur Förderung der engagierten Passivität im eigenen Zirkel als offerierter Ausweg verbleibt.

    Ex-MGler kennen nämlich schon auch die Drangsal der Fragen, die manchen so wie sie selbst bewegen, sie wollen sie nur nicht aufdröseln, weil dann ihr Selbstverhältnis als extern fungierende Avantgarde für den großen Rest in Frage stünde, ja das Konzept ihrer Theoriestrategie ad absurdum geführt wäre, eine Strategie, die hierzulande sowieso nur darauf bauen kann, dass die Verfasstheit der Revoluzzer und Reformisten so miserabel ist, wie sie es ist, deshalb man sie der Theorieversorgung bedürftig weiß.

    ZURÜCK ZUR SACHE: Etikettenschwindel ist’s, der Planwirtschaft eo ipso eine kommunistische Qualität beigeben zu wollen. Unter ihrer Regie kann vielmehr alles Mögliche betrieben werden, etwa eine autoritäre Bedürfnisdiktatur, ein fiktionierter Gottesstaat, ein endlich zu seinem Recht gekommener staatsmonopolistisch organisierter Kapitalismus, u.v.a.m. Wenn anderswo hier, etwa bei Willi 10. Juli 2009 um 22:33 Uhr in der Diskussion bei http://geprueftesargument.blogsport.de/2009/07/01/der-kapitalismus-muss-immer-hiebe-kriegen/#comment-9408, die Herbeiführung einer kommunistischen Planwirtschaft retrospektiv als ultimativer MG-Zweck abgefeiert wird, ist immer schon unterstellt, mit dem geplanten Charakter der kommunistischen Ökonomie sei’s wesentlich bereits getan. Gedanken macht man sich dann höchstens noch darüber, ob die weisungsbefugten Organe die Planung im Sinne der Verteilung der Aufgaben auch richtig hinkriegen können. Aber logo. Die raum-zeitlichen Probleme der Herstellung und Verteilung der Güter gemäß einer arbeitsteiligen Zuordnung der flexiblen Gesamtarbeitskraft durch die mobile Planungsintelligenz geraten zum trügerischen Interesse. Man stellt sich nämlich nur noch vor, wie man selbst die Ökonomie samt Arbeitskräften lenkt.

    Daß im Interesse eines nun der Bedürfnisbefriedigung dienenden, also auf den Kopf gestellten Produktionsverhältnisses, das als Kapitalverhältnis die Gesellschaft und ihre auf diese Weise individualisierten Glieder bis in die Poren des Denkens und Fühlens hinein durchdrungen hatte, nun gearbeitet werden soll, ist nur dem kein Problem, der es nicht hat bzw. nicht haben will. Die ontologische Bestimmung der Arbeit als Zwang versperrt ihm jegliche Reflexion darüber, dass sie es ist, die als produktive Potenz überhaupt erst frei gesetzt werden muß. Die Grundrisse-Redeweise von der disposable time als Maß des Reichtums tangierte lediglich das Resultat der Arbeit, das Verhältnis von Arbeits- und freier Zeit als noch je ohne eigene Bestimmtheit. Noch nicht als die genuine Betätigung der Produktivkraft im Schöpfungsprozess des Produktionsverhältnisses selbst bestimmt, gerinnt sie, die disposable time, zum der Arbeit äußerlichen Zweck, lässt sie Substanz und Modi der für notwendig erklärten Arbeit, die eh schon den Berechnungsweisen der Rationalität und Effektivität unterworfen sind, unangetastet. Am Charakter der Arbeit änderte sich also im Vergleich zu ihrer kapitalistisch verifizierten Anwendungsweise zunächst einmal gar nichts. Noch nicht einmal ihr Vollzug unter humanen Bedingungen ist ihr in dieser dann wohl zu Recht rationell genannten Betrachtungsweise eingeschrieben. Und insofern auch nichts irreführender, als die disposable time zum Kriterium gelungenen Individualreichtums zu erklären. [Vgl. hierzu: http://neoprene.blogsport.de/images/HeinrichKritikausGSP208.pdf ]

    Daß und wie gearbeitet wird, ist angesichts dieser abstrakten Negation kapitalistischer Arbeit ein nicht weiter zu beachtendes Randphänomen, welches allein der technischen Lösung überantwortet wird. Gearbeitet muß ja werden, ansonsten sich der Parasit aus der Gemeinschaft ausschließt, entsprechend die Folgen zu tragen hat, bzw. ob seiner als individualistisch oder sonstwie diagnostizierten Subversivität der würdigen Behandlung überführt gehört. Die Planwirtschaftsfans aus dem Umkreis des GSP haben noch immer großen Einfallsreichtum aufgeboten, wie sie mit den ihrem Anordnungswesen resistenten Elementen umzugehen beliebten. Allein aufs Zustandekommen und Ergebnis ihrer Phantasien, wie die contradictio in adjecto eines geplanten Kommunismus ginge, bezogen, sind sie sogar imstande, sich aus der jüngeren Versuchsgeschichte der Kommandowirtschaft zu bedienen. Bisweilen, wenn ihnen nichts mehr einfällt, werden sie ehrlich genug, ihre wahre Absicht zu offenbaren: eine kommunistische Produktion ginge wohl eh nicht, doch die nach Prinzipien ihrer als allgemein proklamierten Vernunft geleitete Produktion wäre immerhin im Vergleich zur jetzigen Schadensbilanz ein dem Wesen des dummen Proletariats gemäßer Fortschritt. Und Lohnarbeit könne doch auch ihre Früchte bringen, stimme nur das Ergebnis ihrer notwendigen Verrichtung, ist der Appell an den Appeal des materialistischen Instinkts. Der Abschied vom Kommunismus, den man nie begreifen wollte, verleiblicht sich in der Gestalt des intellektuellen Protagonisten des Leider der angeblich naturgesetzlichen Notwendigkeit der Arbeit zumeist noch als jedes Problembewusstsein, das sowieso verboten gehörte, weil das Nachdenken über etwas doch kein Problem zu sein hat, sondern nur oft genug Vorgekautes geistig zu fressen ist, verhohnepipelnde Aufrechnung des Alkohol-, Fleisch- und Leberkäsbedarfs als des höchsten Ausdrucks kulinarischer Verwirklichung. Dieses Zifferndenken entlang der Oberfläche des Begehrens menschlicher Genußerfüllung prätentiert nur die Feindschaft der Kandidaten der Planungsbüros gegen jegliche kommunistische Koproduktion. Dem Fetischismus der Planung als dem Mittel zur Realisierung eines singulären Zwecks aufsitzend, ist bereits das Nachdenken über das, was sich unterhalb tut, von antimaterialistischer Natur. Die Differenziertheit der in der Tätigkeit erst zu erringenden Individualität gerät den Extra-Realisatoren des Plans zum Greuel. Das der eigenen Versachlichung und Dienstbarmachung sich sperrende Individuum ist ihr Hauptfeind. Wieso also sollten Arbeiter, deren gattungsgeschichtlicher Nebenjob es ist, mit ihrer proletarischen jegliche noch dem tradierten Kapitalverhältnis entstammende eigentümliche soziale Bestimmtheit aufzuheben, sich aus einsichtigem Grunde solchem Diktat unterwerfen? Sie würden sich ja gegen ihr eigenes Emanzipationsprojekt damit wenden.

    Im übrigen erforderte wenigstens die Umsetzung Eurer Vorgaben dann wohl doch die leibhafte Präsenz und Aktion sehr diversifizierter Organe. Und wer sagt eigentlich, dass gerade im Übergang zur neuen Produktionsweise unter der Bedingung härtester Anspannung mit der in die Scheinarbeitslosigkeit verscheuchten Armada ein materielles Plus erzielt werden kann?

    Fragen über Fragen, die nur jemand stellen kann, der sich von den zuständigen Stabsstellen hat instruieren lassen, s. http://geprueftesargument.blogsport.de/2009/07/01/der-kapitalismus-muss-immer-hiebe-kriegen/#comment-9173. Eine Entgegnung darauf ist mir wirklich zu blöde.

    ZUSAMMENFASSUNG:

    Die Betonung des einer kommunistischen Ökonomie inkorporierten Plans sitzt selber nochmals dem Fetischismus ihrer äußeren Abwicklung und Rechenweise als ihrer Zentralbestimmung auf. Denn in der Planung wird ja nichts als das Resultat der bereits erfolgten Klärung aller Binnenprozesse von Zweck und Modi der Bedürfnisbefriedigung in jeweiligen Arbeits- und Lebenszusammenhängen durch die assoziierten Produzenten, – sie seien als jeweilige lebensgeschichtliche Figuren unterstellt, festgezurrt.

    Ansonsten hat die Planung schon wieder eine dem ermittelten Bedürfnis und dessen Befriedigung opponierende Qualität. Organisationsausdruck ist das Zwecke setzende Bedürfnismanagement, nicht die im Produzenteninteresse funktional agierende Körperschaft.
    Die Ingenieure, Techniker und Organisatoren solcher Art von Reetablierung der Macht mögen dann noch Ideologen sein oder auch nicht, an ihrer präsupponierten Herrschaft über Arbeit und Leben anderer ändert dies nichts.

    Mithin gibt es nicht nur keinen Grund, sich bei Bedürfnisbefriedigung als geteiltem Zweck des sozialen Engagements über die Kernpunkte der Planung und die ihr zu Grunde liegende Art & Weise kommunistischer Koproduktion nicht jetzt schon zu unterhalten. Ganz im Gegenteil kann dadurch der Weg dahin nur verkürzt werden. Auf jeden Fall würde er nicht umsonst gegangen.

    [Auf Neoprenes und andere Einwände hie & dort kann ich leider frühestens am nächsten Wochenende eingehen.]

  12. Apple
    13. Juli 2009, 16:18 | #12

    @ Koza:

    Finde deine Ausführungen zum „Plan“ ganz richtig. Nur weiß ich nicht, ob deine Kritik die GSPler trifft. Keine Ahnung, was für für Begegnungen du bisher mit den Leuten hattest – wenn ich mal mit ihnen über das Thema geredet habe, dann hieß es nie, dass es grundsätzlich falsch sei, sich Gedanken über die zukünftige Organisation der kommunistischen Gesellschaft zu machen. Umgekehrt: da wären noch eine Menge theoretische Arbeit zu machen und viele Auseinandersetzungen zu führen. Man habe sich aber dazu entschlossen – in einer Lage, wo man noch nicht einmal genug Leute hat, um die Kritik der kapitalistischen Gesellschaft zu leisten und zu verbreiten – das hintanzustellen. Das ist aber eine sozusagen strategische Entscheidung und keine grundsätzliche. Deswegen heißt ihr Text auch nicht „Warum ein durchdachtes Konzept für den Kommunismus schlecht ist“, sondern warum sie eben nicht damit werben wollen.

    Und es leuchtet mir generell ein, dass man, bevor man sich mit Anderen Gedanken darüber macht, wie es anders gehen sollte, diesen Anderen zuerst erklärt, dass die Gesellschaft, in der sie jetzt leben, keine naturnotwendige und erst recht keine tolle ist.

    Wenn das jetzt so wäre – und so habe ich es bisher kennen gelernt – dann wäre dein Interessensgegensatz zu den GSPlern von der Sorte, dass du und sie sich über zwei unterschiedliche Sachen unterhalten wollen. Ist doch aber gar kein Gegensatz, weil man sich dabei gar nicht behindert.

    Oder es steckt doch ein grundsätzlicher Gegensatz inhaltlicher Art dahinter – dann habe ich ihn aber noch nicht verstanden. Aus der Tatsache, dass sich die GSPler, wenn sie gerade dabei sind, irgendwas über den Kapitalismus zu erzählen, ungern gleichzeitig über eine Alternative unterhalten, kann ich nicht drauf schließen, dass ihre Kritik an dieser Gesellschaft deswegen falsch sein soll.

  13. Kozel
    13. Juli 2009, 17:39 | #13

    Der Traum von Befreiung durch direkten und gerechten Tausch:

    http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=19219&type=0

    Veranstaltungsbericht der Rosa-Luxemburg-Stiftung vom 8. Juli 2009 mit Audio-Mitschnitt des Vortrags von Nadja Rakowitz, u.a. mit Ausführungen zu Gesells Schwundgeldtheorie.

  14. Kozel
    15. Juli 2009, 00:18 | #14

    Zum besseren Verständnis der Begegnungsarten und zur Abschreckung:

    Über den oben erwähnten Veranstaltungsbericht zum Vortrag der Nadja Rakowitz, u.a. mit Äußerungen zum Gesellschen Schwundgeld,

    http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=19219&type=0

    hat es dann in einer zugehörigen Mailingliste den unten einkopierten Meinungswechsel gegeben.

    Kein Kommentar.

    Aber ohne verallgemeinern zu wollen, könnte ich dem stinksauren Agitator durchaus auch schon einmal begegnet sein.

    13.07.09 23:58 Uhr

    Und stimmt das nun, was die Nadja Rakowitz sagt? Ich meine nein, sie
    liegt sogar total neben der Kappe, wenn sie vermutet der Witz an der
    Kritik des Kapitals sei ungefähr das: „Doch schon Marx wusste: die
    Gesellschaft der einfachen Warenproduzenten als Grundlage einer
    krisenfreien Wirtschaft gibt es nicht.“ — Kaum ist Krise, gibt es das
    Ideal der krisenfreien Wirtschaft, und Soziologen von der RLS, die
    Vorträge dazu machen. Und dann macht ihr das mit, fangt einen Diskurs
    darüber an, was man tun müsste, z.B. mehr Demokratie in der Wirtschaft,
    glatt so, als wäre der Kapitalismus ein großes Missverständnis. Das
    ärgert mich zutiefst, ihr sitzt doch die ganze Zeit rund um das Buch
    herum, das den ganzen Scheiß erklärt. Schaut ihr da gar nicht rein? Oder
    seid ihr schon so versaut vom Soziologiestudieren, dass ihr das auch
    noch locker einordnen könnt, in so spannende Fragen wie ob Gesellschaft
    überhaupt möglich ist? — ich glaube ja beides.

    stinksauer, St.

    14.07.09 09:46 Uhr

    Lieber St., liebe Alle,

    die Liste wurde eigentlich nicht eingerichtet, um seinen Ärger
    loszuwerden oder deutlich zu machen, dass man über irgendetwas
    stinksauer ist. Sie wurde eingerichtet, weil jenseits der Kapitalkurse
    ein Bedürfnis besteht, über das marxsche Kapital zu diskutieren. Wenn
    Du die Dokumentation des Satelliten-Seminars gelesen hast, dann hast
    Du sicher auch gelesen, was diese Form der Seminare soll.

    Wir können hier gerne über Nadjas Thesen diskutieren oder über das
    Verhältnis des marxschen Kapitals zur Krise. Aber dann bitte auch
    richtig und mit ein paar Argumenten oder Thesen und keinen
    Anfeindungen. Als Kapitallektürekurs in der rls lesen wir gemeinsam
    das Kapital (was eine Antwort darauf wäre, ob wir da ab und an mal
    reingucken) und sind nicht für das Programm der rls verantwortlich.
    Das zum einen. Ebenso wenig ist diese Liste ein Teil des rls-
    Programms, sondern ist völlig autonom. Und auf der Liste sind weit
    mehr Leute als in den Kapitalkursen der rls.

    Beste Grüße,
    I., Moderator Mailingliste

    14.07.09 09:57 Uhr

    Am 13.07.2009 um 23:58 schrieb St.:

    “Und stimmt das nun, was die Nadja Rakowitz sagt? Ich meine nein, sie liegt sogar total neben der Kappe, wenn sie vermutet der Witz an der Kritik des Kapitals sei ungefähr das: „Doch schon Marx wusste: die Gesellschaft der einfachen Warenproduzenten als Grundlage einer krisenfreien Wirtschaft gibt es nicht.“ — Kaum ist Krise, gibt es das Ideal der krisenfreien Wirtschaft … .“

    Hallo St.,

    ich glaube, da hast du etwas „in den falschen Hals“ gekriegt. Ich
    kenne zwar eure Diskussion nicht. Aber der Text will doch darauf
    hinaus, dass Markt, Geld und Krise untrennbar sind und dass Gesell
    z.B. behauptet, durch „gerechte Geldverhältnisse“ sei das zu ändern,
    also Krisen und Wertvernichtung abzuwenden. Dem widerspricht der
    Text, aber nicht weil es um eine krisenfreie Wirtschaft ginge. Was
    ist daran falsch?

    W.

  15. Schwarz
    22. Juli 2009, 08:41 | #15

    Zur evtl. Erweiterung des Papiergeld-Horizontes ein Beitrag von Nestor, betitelt mit:

    „Kann Marx zum Verständnis der aktuellen Wirtschaftskrise beitragen?“

    auf seiner Seite:

    http://fuerwahrheitundrecht.blogspot.com/.

    LUXEMBURGER ANARCHIST

    FÜR WAHRHEIT UND RECHT

    JULI 21, 2009

    Kann Marx zum Verständnis der aktuellen Wirtschaftskrise beitragen?
    (Number 8 in a series)

    Offensichtlich wird bei der Lektüre des Briefes an Danielson (siehe vorangegangene Abschnitte) nicht zuletzt auch, dass der alte Marx kein Freund des Papiergeldes ist – gemeint sind damit nicht Banknoten im Allgemeinen, sondern nicht durch ein Edelmetall (Gold, Silber) gedecktes Geld. So unterstreicht er dass sein „ehemaliger intelligenter Kritiker“ Illarion Ignatjewitsch Kaufman (der liberale Petersburger Ökonom Kaufman hatte 1872 in einer russischsprachigen Kritik des ersten Bandes des Kapitals Marx‘ Buch, im Unterschied zu den anderen russischen Rezensenten, nicht als bloßen Angriff auf die unmenschlichen Verhältnisse im britischen Fabrikwesen aufgefasst, sondern als grundsätzliche Untersuchung des Transformationsproblems, das sich beim Übergang von einer Gesellschaftsform in eine anderen stellt), „alles andere als originell“ sei, lobt jedoch dessen „Polemik gegen das Papiergeld“ (die Theorie und Praxis des Bankgeschäftes Kaufmans ist meines Erachtens leider nur auf Russisch erschienen, so dass ich mangels Sprachkenntnisse nicht nachschauen kann, wie Kaufmans Polemik konkret ausschaut); MEW, 34, S.375.

    Auch scheint ihm die Überlegenheit der USA gegenüber dem Zarenreich u.a. darin zu liegen, dass dort der Staat „vom Papiergeld losgekommen“ ist, „wenn auch in höchst infamer Weise zum Vorteil der Gläubiger und auf Kosten des menu peuple“, (vergleiche hierzu Murray Rothbard, A History of Money and Banking in the United States: The Colonial Era to World War II, Ausgabe 2002, S.156-159), während in Rußland „keine Fabrik so gut [geht] wie die Papiergeldfabrik“; MEW, 34, S.374.

    In Marx‘ theoretischem Gerüst kommt ungedecktes Papiergeld hingegen eigentlich nicht vor. In seiner Darlegung der Funktion des Geldes als Zirkulationsmittel in Kapital, Band 1, definiert Marx Papiergeld lediglich als Geld- oder Goldzeichen: „Sein Verhältnis zu den Warenwerten besteht nur darin, daß sie ideell in denselben Goldquantis ausgedrückt sind, welche vom Papier symbolisch sinnlich dargestellt werden. Nur sofern das Papiergeld Goldquanta repräsentiert, die, wie alle andren Warenquanta, auch Wertquanta, ist es Wertzeichen“ (S.142 der Ausgabe Hamburg, 1890). Marx setzt dabei „der Vereinfachung halber, Gold als die Geldware voraus“ (S.109). Die Geldware Gold hat dabei als Geld eine doppelte Funktion: einerseits ist es „Maßstab der Preise“, andererseits dient es als „Maß der Werte“. Maß der Werte kann es laut Marx nur deshalb sein, „weil es selbst Arbeitsprodukt, also der Möglichkeit nach ein veränderlicher Wert ist“ (S.113). Hier würde also der „Geldwert“ ebenfalls die in ihm enthaltene „gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit“ beinhalten; die Variationen dieser würden den „Wert“ des Goldes bzw. Geldes bestimmen, der zugleich als Wertmesser gegenüber allen anderen Waren dient: steigt der Wert der Geldware an, bei gleichbleibenden Warenwerten, würden die Preise folglich fallen und umgekehrt. Inflation und Deflation erscheinen so bei Marx letztendlich als Folge der Schwankungen des Wertes des Goldes als „Arbeitsprodukt“. Die zur Verfügung stehende Quantität, d.h. die Geldmenge, spielt dabei für Marx, im krassen Gegensatz zur klassischen politischen Ökonomie oder auch zu Milton Friedman, keine Rolle, im Gegenteil: „Preise sind also nicht hoch oder niedrig, weil mehr oder weniger Geld umläuft, sondern es läuft mehr oder weniger Geld um, weil die Preise hoch oder niedrig sind“ (Zur Kritik der politischen Ökonomie. Einleitung, MEW, 13, S.86).

    Nun kann man sich fragen, wie der Wert des Geldes, der als Maß aller anderen Werte fungieren soll, bei Marx „konstituiert“ werden soll. An einer anderen Stelle von Kapital Band I schreibt Marx über das Messen des Wertes folgendes: „Ein Gebrauchswert oder Gut hat also nur einen Wert, weil abstrakt menschliche Arbeit in ihm vergegenständlicht oder materialisiert ist. Wie nun die Größe seines Werts messen? Durch das Quantum der in ihm enthaltenen ‚wertbildenden Substanz‘, der Arbeit. Die Quantität der Arbeit selbst mißt sich an ihrer Zeitdauer, und die Arbeitszeit besitzt wieder ihren Maßstab an bestimmten Zeitteilen, wie Stunde, Tag usw.“ (S.53). Es folgt die Unterscheidung zwischen konkreter individueller Verausgabung und abstrakter Arbeit: nicht die reale Zeit, die der einzelne Arbeiter bei der Produktion einer Ware vertrödelt,wird betrachtet, sondern das „Quantum“ der „gesamtgesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit“ zur Herstellung der Ware. Man kann hieraus zwei Schlussfolgerungen ziehen:

    1) der Wert des Goldes als Geldware wird bestimmt durch die zu seiner Gewinnung aufgebrachten gesamtgesellschaftlichen Arbeitszeit (idem für nicht durch Edelmetall gedecktes Papiergeld?)

    2) da Geld als Maß der Werte fungiert, und Marx zugleich schreibt, dass die Grösse des Werts durch das Quantum der in ihm enthaltenen Substanz, der Arbeit, gemessen wird, kann man schliessen – nein, nicht dass Geld = Arbeit ist – dass sich dieses Quantum Arbeit notwendigerweise in Geldform ausdrückt.

    So sind wir, in verkürzter Form, bei der Lektüre von Marx als einem Vertreter einer „monetären Werttheorie“ angekommen, wie sie ausgehend von Hans-Georg Backhaus‘ „Dialektik der Wertform“ aus von einem Kreis deutscher marxistischer Akademiker vertreten wird, die „ihren“ Marx retten wollen, und zwar nicht nur wegen der vernichtenden Kritik der „bürgerlichen Ökonomisten“ an der Marxschen „Arbeitswertlehre“ (die er für die „Monetaristen“ unter den Marxisten eben nicht vertreten hat), sondern auf Grund der Tatsache, dass der real existierende Kapitalismus mittlerweile ohne jegliche Geldware auskommt, wie Ingo Stützle treffend schreibt: „Aber die Marxsche Werttheorie ist nicht nur ‚klassischer‘ Kritik ausgesetzt (u.a. Böhm-Bawerk 1896), sondern ist auch mit der konkret-empirischen Verfasstheit kapitalistischer Ökonomie konfrontiert. So dominiert in westlichen Industrienationen ein auf keinem Goldstandard mehr beruhendes Geldsystem. Eine für viele MarxistInnen beunruhigende Tatsache, ging doch Marx in seiner Theorie von einer Geldware aus.“

    Heute flutscht die Papiergeldfabrik nicht mehr nur im Zarenreich. Dass Marx sowas ähnliches 1848 selber vorschlug – zumindest trug das Flugblatt Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland auch seine Unterschrift – nämlich die stufenweise Ablösung der Edelmetalle durch die Herausgabe eines gesetzlichen definierten Papiergeldes durch eine zentrale Staatsbank, finde ich allerdings bei keinem der „Monetaristen“ behandelt. Dabei wäre es eine Untersuchung wert, wie Marx von einer Forderung wie der folgenden zu seiner späteren Ablehnung des Papiergeldes gekommen ist:
    „An die Stelle aller Privatbanken tritt eine Staatsbank, deren Papier gesetzlichen Kurs hat.Diese Maßregel macht es möglich, das Kreditwesen im Interesse des ganzen Volkes zu regeln und untergräbt damit die Herrschaft der großen Geldmänner. Indem sie nach und nach Papiergeld an die Stelle von Gold und Silber setzt, verwohlfeilert sie das unentbehrliche Instrument des bürgerlichen Verkehrs, das allgemeine Tauschmittel, und erlaubt, das Gold und Silber nach außen hinwirken zu lassen. Diese Maßregel ist schließlich notwendig, um die Interessen der konservativen Bourgeois an die Revolution zu knüpfen [!].“

    PUBLIE PAR NESTOR A L’ADRESSE 19:50

    LIBELLÉS : KRISE, MARX

  16. Nestor
    23. Juli 2009, 01:34 | #16

    Hallo lieber Namens-Konkurrent!

    Ich verstehe den Sinn deines Beitrages nicht ganz und mache ein paar Angebote, worauf du hinaus wollen könntest.
    Für etwaige Mißverständnisse entschuldige ich mich im Vorhinein und hoffe auf Richtigstellung!

    1. Daß Marx 1848 Staatspapiergeld gefordert hat, macht seine spätere Geldanalyse ungültig bzw. zweifelhaft.
    Also was jetzt? Hat der Marx recht gehabt mit seiner Analyse des Werts? Wenn ja, was soll der Hinweis auf eine Frühschrift? Oder hat er unrecht gehabt? Dann wären doch hier Argumente fällig, warum, und nicht die Ausbreitung der eigenen Belesenheit. Davon kann sich nämlich niemand etwas kaufen.

    2. Geld als Maß der Werte und die Arbeit als Grundlage des Tauschwerts.
    Papiergeld als (staatlich) gesetztes Maß soll einen Widerspruch zu Arbeit als immanentes Maß der Werte darstellen? Warum eigentlich? Daß aller konkreter Reichtum auf Arbeit beruht, läßt sich ja nicht leugnen – oder? Daß es jede Menge fiktiven Reichtum gibt, der keineswegs auf Arbeit beruht – auch nicht. Ein Pfandbrief, eine Aktie ist nicht durch ehrlichen Arbeitsschweiß entstanden, und eine Banknote auch nicht. Warum will man diesen Zetteln dann immer Arbeit unterschieben, das als marxistisch bezeichnen und damit die Tatsache leugnen, wie sehr die Herrschaft des Werts über den Gebrauchswert ein Produkt von Gewalt ist?
    Ja genau, weil jemand, der Geld für eine befreite Gesellschaft, wahre Demokratie usw. retten will, diesen Zusammenhang leugnen muß und dann anfangt, mit der angeblichen Arbeitsweertlehre und Verstößen dagegen herumzufummeln.

    Machno läßt grüßen!
    Wie ers mit dem Geld gehalten hat, weiß ich nicht, daß er eigenes drucken wollte, ist mir jedenfalls nicht bekannt.

  17. 23. Juli 2009, 03:03 | #17

    bis eben hätte ich nicht gedacht, dass jemand so was wirklich unironisch bringt

  18. 23. Juli 2009, 10:44 | #18

    @ dem anderen Nestor: nee, der Verweis auf die frühere Stelle soll den späten Marx weder be- noch widerlegen, eher eine andere Fragestellung aufwerfen, nämlich wie Marx von da nach dort kommt.
    Mit der Unterscheidung zwischen fiktivem und konkretem, „auf ehrlichem Schweiss“, beruhendem Reichtum kann ich nun weniger anfangen (Marx hat im Übrigen die Formel „Arbeit ist die Quelle allen Reichtums“ in der Kritik des Gothaer Programms selber zurückgewiesen, für ihn ist dies vielmehr die Natur). Das würde ja unterstellen ein Ding hätte als Ware eine andere Substanz wenn sie vermittels Arbeit produziert wird als ohne (wobei auch bei der Produktion der Ware „Aktie“ durchaus geistige und materielle Arbeitskraft verausgabt wird, wenn vielleicht auch bei weitem nicht so viel wie bei der Produktion eines Automobils). Marx unterstellt dem Geld nun mal deshalb einen „Wert“, weil es selber Arbeitsprodukt sei, und das finde ich zumindest frag- und diskussionswürdig. Für mich hat Geld letztlich bloss einen rein subjektiven Wert (aber gibt es überhaupt sowas wie einen ‚objektiven‘ Wert?), der letztlich – und da kommen wir mit dem Verweis auf die Gewalt der Sache schon näher – auf dem gegenseitigen Einverständnis der Geldnutzer beruht, diesen Wisch Papier oder dieses Stück Metall als Zahlungsmittel zu akzeptieren.

  19. 23. Juli 2009, 12:29 | #19

    @ Nestor76: „Für mich hat Geld letztlich bloss einen rein subjektiven Wert (aber gibt es überhaupt sowas wie einen ‚objektiven‘ Wert?)“

    In einer kapitalistischen Warenwirtschaft, wo alles übers Geld läuft, also über die Bepreisung von so gut wie allem, was irgendwie für irgendwen nützlich ist, davon zu reden, daß die Preiszettel genauso wie die Geldscheine, die man dementsprechend auf den Tisch des Verkäufers legen muß, um an die Waren dran zu kommen, rein „subjektiv“ seien, spricht schon jeder Alltagserfahrung Hohn, da muß jeder zumeist ohne jedes Ansehen der Person, also ganz objektiv den gleichen Betrag auf den Tisch legen, und wird dem Geld als Wertmaßstab in einer Gesellschaft, in der es überhaupt nur um Wert, ganz abstrakten „Reichtum“ als pure Zugriffsmacht geht, in keiner Weise gerecht.

    Es ist dann übrigens schon noch ein Unterschied, ob das Geld „nur“ in Form von irgendwann mal nur noch zerknitterten Papierwischen existiert, oder ob es wie früher zumeist als „echte“ Geldware, der Einfachheit halber die allermeiste Zeit, in der gehandelt wurde, eben als Edelmetallstücke oder schon sehr bald als Edelmetallmünze vorkommt. Wenn die Akzeptanz übrigens nur der staatlichen Setzung, also dessen Polizeigewalt, das bei jedem Kauf auch durchzusetzen, geschuldet wäre, dann kämen diese Preispolizisten auch nicht sehr weit, weil die Wirtschaftsubjekte reihenweise in „echteres“ Alternativgeld in Form von Waren, recht schnell irgendwelchen Standardwaren, greifen würden. In der Schwarzmarktzeit nach 45 war das in Deutschland zumeist das Päckchen Zigaretten oder die Tafel Schokolade.

  20. 23. Juli 2009, 14:36 | #20

    „Objektiver“ Wert würde ich so auffassen, dass dieser Wert dem Ding bereits anhaftet, bevor es als Ware in die Zirkulation gerät. Das ist meines Erachtens eben nicht der Fall.
    Natürlich braucht es keinen Polizisten um jeden Tausch zu überwachen; die Akzeptanz ist bei jedem einzelnen von uns interiorisiert. Und natürlich braucht es keinen Polizisten um jeden Wechsel Ware gegen Geld zu überwachen, das ist interiorisert. Der Euro ist als Währung jedoch staatlich gesetzt, es stellt sich die Frage ob er auch als Geld akzeptiert würde, wenn kein Staat dahintersteht.

  21. 23. Juli 2009, 15:27 | #21

    Erstens „haftet“ Waren sowieso kein Jota von irgendwas anderem an, als was sie physikalisch, chemisch nun wirklich „objektiv“ auszeichnet. Die Kategorie „Wert“ als etwas zu verfabeln, was man an der Ware ablesen könnte wie deren Raumgewicht z.B., heißt schon dem Warenfetischismus erlegen zu sein.

    Daraus aber zu machen, daß es in dieser Gesellschaft, in der alles Produzieren (also meinetwegen das allermeiste) um Waren produzieren geht, also darum, die zur Warenproduktion eingesetzte Geldsumme mit einem hübschen Profit aus der „Verwertung“, der „Versilberung“, dem Verkauf wieder reinzukriegen, gäbe es den spezifischen Warencharakter Verkörperung von „Wert“ zu sein, erst in und wohlmöglich sogar erst durch die Zirkulation, ist ebenfalls falsch. Es stimmt zwar, daß sich erst im tatsächlichen Verkauf von irgendeinem nützlichen Ding erweist, ob und wieviel „Wert“ da drinsteckt, aber der Wert als gesellschaftlicher Eigenschaft kommt überhaupt nur durch die Aneignung der Resultate der Arbeitskraft derjenigen, die das Zeugs hergestellt haben, in die Welt, also in der Produktion, und sein Maßstab ist die berühmte abstrakte gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit. Der Wert ist doch ein gesellschaftliches Herrschaftsverhältnis auf den Begriff gebracht und nicht eine Eigenschaft wie Rockwell-Härte. Ob und wieviel sich davon in einem bestimmten zum Verkauf bestimmten Ding „materialisiert“ hat, das zeigt in der Tat erst der Markt. Der macht die Preise aber nicht. Es ist eben kein Zufall, daß ein Mittelklasseauto eines beliebigen Herstellers sagen wir mal regelmäßig das 40.000fache eines normalen Frühstücksbrötchens kostet.

    Dein Begriff der Verinnerlichung der Akzeptanz von Geld klingt so, als ob die Leute alle nur mühselig hypnotisiert in ihren Geldbeutel greifen, um ihren Warenkorb zu bezahlen, bzw. als Verkäufer dieses an sich wertlose Papier in die Brieftasche zu stopfen. In einer Warengesellschaft, einer Gesellschaft von lauter Privateigentümern, die gegeneinander ankonkurrieren geht der gesellschaftliche Verkehr all der verschiedenen Tausch-, An- und Verkaufsakte eben vermittelt übers Geld. Und insofern dies die Äquivalente der zu Markte getragenen Waren(werte) darstellt, funktioniert das eben so.

    Deshalb ist deine typische Konstruktion, man nehme eine entwickelte kapitalistische Warenwelt und denke sich zum Spaß mal irgendein Teil des Systems weg (hier den Staat) so witzlos. Denn es gibt das ganze Gewese doch eh nur als Paket. Ohne Staat kein Eigentum, kein Eigentumsrecht, keine doppelt feien Lohnarbeiter, usw. Und ja, ohne Staat auch kein staatlich emittiertes und garantiertes Geld. Wenn man schon die Festung Europa geschleift hat, sollte man tunlichst nicht ausgerechnet den EURO als den realen Herrscher dieser Weltecke stehen lassen. Der sollte dann mit auf den Müllhaufen der Geschichte.

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