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»Normaler« Kapitalismus — Beispiel NXP Böblingen

11. Mai 2007

In der „jungen Welt“ vom 08.05.2007 ist eine überarbeitete Fassung des Artikels zu NXP Semiconductors erschienen, der zuerst in Radio Lora München vom 30. April 2007 und im Freien Radio für Stuttgart vom 2. Mai 2007 veröffentlicht wurde.
Werksschließungen und Entlassungen sind keinesfalls ein besonderes Merkmal sogenannter Heuschrecken

Im vergangenen Jahr verselbständigte Philips sein Halbleitergeschäft in der Neugründung NXP und verkaufte 80,1 Prozent seiner Anteile an der neuen Firma für sechs Milliarden Euro an ein Investorenkonsortium. Ein »Ausverkauf an Heuschrecken«? Keineswegs: Philips kassierte sechs Milliarden, die es anderweitig wieder gewinnbringend investieren kann, und ist mit knapp 20 Prozent am zu erwartenden Profit des neuen Unternehmens beteiligt. NXP ist die Nummer zwei auf dem europäischen Chipmarkt und produziert in den deutschen Werken nicht mehr nur für Philips, sondern für alle möglichen Abnehmer – in größerem Maßstab und profitabler, was wiederum auch bei Philips die Kosten für die Chips senkt. Alles andere als eine Fehlkalkulation, sondern eine profitable Konzernstrategie.
Ende März 2007 kündigte die Halbleiterfirma NXP an, ihr Böblinger Werk zum Jahresende zu schließen und 550 Mitarbeiter lohn- und brotlos zu machen. Versagen? Gier? Ausverkauf? Nichts davon: NXP befindet das Werk als nicht mehr profitabel genug. Da es der einzige Zweck jedes Unternehmens ist, einen möglichst hohen Profit zu erzielen, ist dies auch nur folgerichtig. Ein Großunternehmen rechnet aus diesem Grund seine Marktstrategien und Standorte ständig durch und nimmt eben auch mal Produkte vom Markt, streicht Standorte und damit den Lebensunterhalt der Belegschaften. Das ist in der herrschenden Wirtschaftsordnung völlig normal und gesetzlich geschützt, daher auch nicht anders zu haben.
Dabei behandelt ein Unternehmen »seine Mitarbeiter« wie alles andere auch: als Kostenfaktor. Dieser Logik wollte sich auch die zuständige Gewerkschaft, die IG Metall, nicht verschließen. 2005 schloß sie mit Philips einen Ergänzungs-Tarifvertrag (ETV) ab. Unter dem Titel »Arbeitsplatzsicherung«, wurden Lohnverzicht und unbezahlte Mehrarbeit vereinbart, als Beitrag der Belegschaft, damit ihre Beschäftigung und der Profit von Philips wieder zusammenpassen. Das Unternehmen schloß den Vertrag jedoch ausdrücklich unter dem Vorbehalt ab, daß keine »wesentlichen Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen oder des Marktumfeldes, erhebliche Auftragsrückgänge oder eine deutliche Unterauslastung der Kapazitäten [eintreten], die eine erhebliche Personalanpassung oder die Aufgabe betrieblicher Organisationseinheiten erfordern«. Somit unterschrieb die IGM einen Tarifvertrag zum »Erhalt von Arbeitsplätzen«, der diesen Erhalt allein von den Profitkalkulationen des Unternehmens abhängig macht.
Den Nutzen hatte allerdings nur das Unternehmen, das in allen Standorten, für die der ETV gilt, mit zunächst gleichbleibender Belegschaft mehr und günstiger produzieren konnte, also die Lohnkosten absolut und pro Stunde gesenkt hat. NXP konnte die eingesparten Kosten dazu verwenden, die Arbeitsproduktivität weiter zu erhöhen, so daß immer mehr Mitarbeiter »zu viel« wurden. Und genau das ist jetzt eingetreten. Ein ganzer Standort – Böblingen – ist für NXP »zu viel«, d. h. für den Gewinn unnötig und somit unprofitabel. Der Verzicht auf Geld und Freizeit in der Hoffnung, dann wenigstens seinen Job zu sichern, bewirkte also das Gegenteil.
Es nützt nichts, sich angesichts der Schließungsankündigung auf die Opfer zu berufen, die man selbst für das Unternehmen gebracht hat und die Betriebsschließung als „unanständig“ oder »ungerecht« zu kritisieren. Diese Beschwerde läßt das Mangement, das 2005 mit der Drohung der Entlassung genau diese Opfer erpreßt hat, kalt. Sein Kalkül ist aufgegangen.
Was kann man jetzt überhaupt noch tun? – Der einzelne Lohnabhängige war ja schon immer den Erpressungen derer, die ihm »Arbeit geben« oder eben nicht, hilflos ausgeliefert. Jetzt aber entzieht der Produktivitätsfortschritt des NXP-Kapitals auch der kollektiven Gegenwehr einer ganzen Belegschaft die Grundlage. Die begrenzte »Gegenerpressung«, die Arbeiter mit der Androhung kollektiver Arbeitsverweigerung durchführen können, beruht auf der Angewiesenheit der Kapitalseite auf die Arbeitsbereitschaft der ganzen Belegschaft. Wenn ein Konzern aber sein Interesse an einem ganzen Standort verliert, weil er durch die Erhöhung der Produktivität aller mehr beschäftigt, als er profitabel ausbeuten kann, dann hat die Belegschaft des Standorts, der geschlossen werden soll, kein Druckmittel mehr, wenn die Belegschaften der anderen Standorte »froh sind, davongekommen zu sein«. Wenn jemand, dann haben sie, deren Arbeitskraft NXP an den anderen Standorten noch für den Profit braucht, noch ein Druckmittel in der Hand: die Verweigerung ihrer »rentablen« Arbeitskraft. Und sie hätten auch einen guten Grund dazu: Ihre arbeits- und damit einkommenslos gemachten Kollegen vergrößern die Reservearmee, mit denen das Unternehmen die Weiterbeschäftigten erpressen kann.
Aber auch ein Kampf der Gesamtbelegschaft von NXP brächte nur vorübergehend Abhilfe. Der Produktivitätsfortschritt des Kapitals entzieht der Hoffnung, Arbeiter könnten einigermaßen sicher von der Lohnarbeit leben, den Boden. Bleibt als Ausweg nur noch die Beantwortung der Systemfrage: Bedingungslose Unterordnung unter die Ansprüche des globalen Geschäfts mit allen Konsequenzen – oder ein Kampf dagegen, der aber nicht mehr auf die verbesserte Fortsetzung des Dienstes am Kapital, sondern auf dessen Abschaffung zielt.

Als Ergänzung dazu möchte ich auf einen früheren Artikel verweisen, der schon einmal auf NPX eingegangen ist, der hier beim GegenStandpunkt zu haben ist, aber mit mehr links auch hier in der „Kommunistischen Internet- Zeitung“ (von einem strammen Stalinisten alter Schule „Trotzkisten sind Konterrevolutionäre“ verantwortet, der manchmal offensichtlich seine Scheuklappen beiseite zu legen in der Lage ist) mit mehr links nach“gedruckt“ worden ist.

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