MASCH: Thesen (Teil 1) zum Kapitalismus
[Ich habe erst jetzt, lange nach dem wie immer mühsamen Abtippen, gemerkt, daß der Referent seinen Vortrag (sogar mit Fußnoten) schon auf seiner eigenen Webseite veröffentlicht hatte. Bis auf ein paar Übergänge hat er sich bei der Tagung weitgehend an sein Manuskript gehalten, soweit ich das überhaupt überprüft habe. Ich laß es jedenfalls hier auch stehen.]
Das Referat zur Übergangsgesellschaft hatte folgenden einführenden Teil:
„Einige Vorbemerkungen:
Du hältst die Vorstellung von Mats für unrealistisch. Du hast davon gesprochen, dass sein Revolutionskonzept ja gewissermaßen unterstellen würde, dass die Revolution vom Himmel fällt, daran glaubst du nicht, also wendest du dich einer anderen Themenstellung zu. Wenn man einen globalen Währungsschnitt verlangt, oder eine Bankenreform, oder irgendwelche Sozialreformen, die man für den nächsten logischen Schritt hält, dann wird man da ja wohl auch unterstellen, dass sich die Leute darüber einigen können. Also entweder wirklich die Bevölkerungen oder die Staaten untereinander oder die kapitalistischen Unternehmer einerseits und die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer auf der anderen Seite, alle diese jetzt bestehenden Bevölkerungsgruppen und Institutionen müssten sich einigen, damit diese Konzepte realisierbar wären. Wenn diese Form der weltweiten Einigkeit hergestellt werden kann, dann sehe ich nicht ein, warum nicht auch eine Revolution durchsetzbar wäre. Deren Voraussetzung ist allemal, dass die Leute sich erst einmal über die Urteile den Kapitalismus betreffend einigen können, also eine vernünftige Kritik an diesen Verhältnissen ist vorausgesetzt. Und dann natürlich der gemeinsam gefasste Wille, diese Verhältnisse über den Haufen zu schmeißen, und dann muß man sich dafür entsprechend organisieren. Wenn man das alles hinbekommt, wenn man das alles will, dann macht man die Revolution, dann fällt die nicht vom Himmel.
Damit zum Vortrag:
Nicht nur bürgerliche Kretins, sondern auch Linke haben aus dem Scheitern des Realsozialismus und dem weltweiten Sieg des Kapitalismus den falschen Schluß gezogen, die Marxsche Gesellschaftstheorie und deren politische Konsequenzen seien praktisch widerlegt. Seit Jahrzehnten suchen Linke nach einem „Dritten Weg“, der eine Aufhebung des Kapitalismus und die Verwirklichung eines „demokratischen Sozialismus“ ohne Weltrevolution erlaubt und einigen schwebt als Ziel sogar eine gelungene Synthese von Sozialismus und Marktwirtschaft vor. (Das haben wir ja heute gehört.) Ich sehe nicht ein, warum die Marxsche Theorie, welche die Notwendigkeit der revolutionären Aufhebung der Marktwirtschaft begründet, modifiziert, überwunden oder gar fallen gelassen sollte und werde das begründen, indem ich eben jene Theorie in geraffter Form darstelle.
Mein Vortrag gliedert sich in drei Teile: Kapitalismus, Kommunismus, Übergangsgesellschaft.
Das Thema der Tagung, die Ökonomie der Übergangsgesellschaft, steht logisch notwendig am Schluß. Aus der Kritik des Kapitalismus ergibt sich qua Negation die Aufstellung der Prinzipien der Kommune. Erst wenn Status quo und Ziel bestimmt sind, lassen sich Bestimmungen über den möglichen Weg von hier nach dort begründen. Und – das sage ich vorweg – viel positive Bestimmungen zur Übergangsgesellschaft werde ich nicht machen.
Zunächst zum Kapitalismus:
Der hat politische Voraussetzungen: Die entwickelte kapitalistische Produktionsweise ist bestimmt durch die Trennung der ökonomischen und der politischen Herrschaft. Die bürgerliche Staatsgewalt tritt als politische Macht der Gesellschaft gegenüber und unterwirft die Individuen verbindlichen Regeln ihres gesellschaftlichen Verkehrs miteinander: Freiheit, Gleichheit und Privateigentum. Ich zitiere aus dem Grundgesetz, Artikel 2 Absatz 1: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsgemäße Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ Die Freiheit der Person wird vom bürgerlichen Staat generell garantiert, jeder darf über sich selbst verfügen, ist keinem einzelnen andere hörig, und zugleich auf die Bedingungen eingeschränkt, nicht gegen die Rechte anderer und gegen die Verfassung zu verstoßen. Die Rechte anderer sind in vom Staat erlassenen Gesetzen bestimmt. Vor dem Gesetz sind, gemäß Artikel 3 Satz 1 Grundgesetz alle Menschen gleich, Privilegien, Sonderrechte bestimmter Bevölkerungsklassen sind abgeschafft.
Der Gebrauch der freien Willkür richtet sich immer auf ein bestimmtes Material. Sind die Subjekte vom Zugriff auf das Material ausgeschlossen, dann können sie ihre Zwecke nicht verwirklichen, dann können sie nicht leben. Indem der bürgerliche Staat in Artikel 14 Grundgesetz das private Eigentum gewährleistet, zwingt er die Insassen seiner Gesellschaft, sich wechselseitig vom Zugriff auf das Material ihrer Willkür auszuschließen. Jeder verfügt nur über das rechtliche Seine, und der Gebrauch von Dingen, die sich in fremder Hand befinden, ist an deren Erlaubnis gebunden. Durch die Eigentumsgarantie in Artikel 14 Grundgesetz bekommt die in Artikel 2 geregelte Freiheit der Person den näheren Inhalt, dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit eines jeden am Eigentum der anderen ihre Schranke hat.
Diese Rechtsbestimmungen nötigen die Individuen, sich ökonomisch als Privateigentümer zu betätigen und ihre Bedürfnisse als rechtlich sanktionierte Interessen gegeneinander geltend zu machen. Auf der Grundlage der entwickelten gesellschaftlichen Teilung der Arbeit gelangen sie an das Material ihrer Zwecke nur durch den Tausch auf dem Markt. Das dort geltend Prinzip ist das „do ut des“, ich gebe, damit du gibst. Neben ihrem Charakter, zur Befriedigung eigener Bedürfnisse zu dienen, sofern ihre Gebrauchsgestalt das überhaupt zulässt, bekommt die Habe eines jeden damit den Charakter eines Fonds tauschbarer Güter, die eingesetzt werden, um fremdes Gut zu erwerben, die Güter werden Waren. Neben ihrem Charakter, Gebrauchswerte zur Befriedigung eines bestimmten Bedürfnisses zu sein, erhalten sie den Charakter von Werten, privaten Teilprodukten der gesellschaftlichen Gesamtarbeit, Privatreichtum, der als Zugriffsmittel auf fremden Reichtum im Austausch dient. Das allgemeine Tauschmittel, in das die Waren sich verwandeln müssen, um als universelles Zugriffsmittel auf fremden Reichtum zu dienen, ist das Geld, und in bestimmten Geldgrößen hat der Warenreichtum sein Maß.
Zweck der Produktion für den Markt – das sei allen Marktsozialisten hinter die Ohren geschrieben – ist nicht die Befriedigung fremder Bedürfnisse sondern ihre Ausnutzung zum Gelderwerb. Während in früheren Epochen die Masse der Menschen durch Subsistenzarbeit die Mittel ihrer Reproduktion schuf und im wesentlichen nur das Mehrprodukt der Gesellschaft in den Austausch einging, beruht die entwickelte kapitalistische Produktion darauf, dass tendenziell alles Produkt der Gesellschaft für den Markt produziert wird. Historische Voraussetzungen dafür waren zum einen die Vernichtung der bäuerlichen Subsistenzwirtschaft durch gewaltsame Vertreibung der Bauern von der Scholle, zum anderen die Auflösung der feudalen Gefolgschaftsverhältnisse, der Leibeigenschaft und der Zünfte und die Herstellung der Gewerbefreiheit, welche die allgemeine Konkurrenz ermöglichte. Sie schufen auf der einen Seite eine Masse von Habenichtsen, Proletariern, die weder über Produktionsmittel noch über Lebensmittel verfügten. Auf der anderen Seite traten diesen die Grundbesitzer, Kaufleute und reicheren Handwerksmeister gegenüber, die über die sachlichen Bedingungen der Produktion und über größere Geldvermögen verfügten.
Frei von den feudalen Banden der alten Ständegesellschaft und zugleich frei von allen Mitteln der Reproduktion bleibt den Habenichtsen seitdem keine andere Wahl, als ihre Arbeitskraft gegen Lohn zu verkaufen. Die monopolistische Verfügungsgewalt der Vermögenden über die Reproduktionsmittel der Gesellschaft begründet die moderne Form der absoluten Armut der Massen, ihren Ausschluß von allen Reproduktionsmitteln, und damit das Klassenverhältnis von Proletariat und Bourgeoisie oder die ökonomische Herrschaft des Kapitals.
Wurden deren Voraussetzungen in vorbürgerlichen Verhältnissen geschaffen, so erzwingt heute der bürgerliche Staat dieses Klassenverhältnis. Indem er mit seinem Gewaltapparat für Freiheit, Gleichheit und Privateigentum aller seiner Bürger einsteht, verewigt er das Monopol der Vermögenden über die Produktions- und Lebensmittel der Gesellschaft, und macht dadurch die Armut der Massen funktional für die Mehrung des Reichtums der Vermögenden. Denn der Erwerb von Lebensmitteln ist dem Proletariern nur möglich, wenn sie vorher ihre Arbeitskraft verkaufen, und die Arbeitskraft ist nur verkaufbar, wenn ihre Käufer sie gewinnbringend anwenden, also zur Mehrung ihres Eigentums ausbeuten können.
Und damit bin ich bei den ökonomischen Gesetzen des Kapitals:
Der Wert der Waren ist Marx zufolge bestimmt durch das Quantum gesellschaftlich notwendiger Arbeit, das zu ihrer Reproduktion verausgabt werden muß. Auch der Wert der Ware Arbeitskraft ist bestimmt durch deren Reproduktionskosten. Die Arbeiter müssen zu ihrer Reproduktion eine bestimmte Menge an Lebensmitteln (Nahrung, Kleiddung, Wohnung usw.) konsumieren. Der Wert der Lebensmittel, welche die Arbeiterklasse täglich verbraucht, ist der Tageswert der Gesamtarbeitskraft der Gesellschaft. Teilt man ihn durch die Anzahl der Lohnabhängigen, so erhält man den Tageswert einer Durchschnittsarbeitskraft, von dem die individuellen Löhne mehr oder weniger abweichen. Die Conditio sine qua non der Lohnarbeit ist, dass sie rentabel angewandt wird. Indem die Arbeitskraft über die zur Reproduktion ihres eigenen Wertes notwendige Arbeit hinaus angewandt, also Mehrarbeit verrichtet wird, entsteht Mehrwert. Das vorgeschossene Kapital verwertet sich, weil die vom Kapital angewandte Arbeit mehr Wert schafft, als für den Kauf der Arbeitskraft gezahlt werden musste. Daß dieser Effekt eintritt, ist Voraussetzung der Anstellung der Lohnarbeiter. Sie können ihre Arbeitskraft nur verkaufen, wenn sie durch ihre Arbeit das Eigentum ihrer kapitalistischen Anwender vermehren.
Das Recht des Kapitalisten, auf Aneignung des Mehrwerts ist in dem allgemeinen Grundsatz des Privatrechts begründet, dass dem Eigentümer einer Sache die Freiheit zu ihrem unbeeinträchtigten Gebrauch einräumt. Inhalt des Arbeitsvertrags ist die Übereignung des Rechts auf Gebrauch der Arbeitskraft an den Kapitalisten für eine bestimmte Zeitdauer. Ist das Recht auf Gebrauch für diese Zeit abgegeben worden, dann gehört auch das Produkt dieser Arbeit und dessen in Geld realisierter Wert nicht dem Arbeiter sondern dem Kapitalisten. Zitat Marx: „Der Arbeitsprozess ist ein Prozess zwischen Dingen, die der Kapitalist gekauft hat, zwischen ihm gehörigen Dingen. Das Produkt dieses Prozesses gehört ihm daher ganz ebenso sehr als das Produkt des Gärungsprozesses in seinem Weinkeller.“ [K. Marx, Kapital I, MEW 23, 199f.]
Verfügt der Kapitalist über den Zweck der Arbeit, ihre Bedingungen, ihre Betätigung, ihr Produkt, und dessen Geldertrag, dann sind alle Rechtsvorstellungen, die dem Arbeiter einen gerechten Anteil an dem von ihm geschaffenen Ertrag zubilligen wollen, illusionär. Durch die Form des Arbeitsvertrags, in dem die Zahlung einer bestimmten Lohnsumme gegen die Ableistung einer bestimmten Stunden- oder Monatsarbeitszeit, oder einer bestimmten Stückzahl vereinbart wird, entsteht der Schein, es würden nicht die Reproduktionskosten der Arbeitskraft, sondern die ganze geleistete Arbeit bezahlt. Das der kapitalistischen Produktion immanente Ausbeutungsverhältnis wird so verschleiert, der Grund der Kapitalverwertung, die Aneignung des Mehrwerts, erscheint nicht mehr. Wieder Zitat Marx: „Auf dieser Erscheinungsform, die das wirkliche Verhältnis unsichtbar macht und grade sein Gegenteil zeigt, beruhn alle Rechtsvorstellungen des Arbeiters wie des Kapitalisten, alle Mystifikationen der kapitalistische Produktionsweise, alle ihre Freiheitsillusionen, alle apologetischen Flausen der Vulgärökonomie.“ [http://www.mlwerke.de/me/me23/me23_557.htm]
Und eine Anmerkung zur Wirtschaftsdemokratie:
Alle modernen Vorstellungen zur Wirtschaftsdemokratie, die eine bessere materielle Versorgung der Arbeiter, kürzere Arbeitszeiten, erträglichere Arbeitsbedingungen, mehr Einfluß der Arbeiter auf die Investitionsentscheidungen oder die Personalpolitik der Betriebe mit rechtlichen Mitteln durchsetzen wollen, ohne das Recht des Privateigentums und seine Garantiemacht, den bürgerlichen Staat, anzugreifen, sind ideologisch falsches Bewusstsein. Indem sie für eine gerechtere Teilung des Profits in Unternehmer- und Arbeiterlohn eintreten, sitzen Wirtschaftsdemokraten dem Schein des Lohnes, er sei Preis der gesamten geleisteten Arbeit, auf. Mit dem Privateigentum anerkennen sie zugleich die Notwendigkeit rentabler Arbeit für das Kapital und die Konkurrenz auf dem Weltmarkt als Grundlage der nationalen Reproduktion, fordern dann aber dazu auf, gemeinsam nach Lösungen für eine gesicherte und nachhaltige Existenz aller zu suchen. Sie verklären den Antagonismus zwischen Proletariat und Bourgeoisie, zwischen den lebendigen Mitteln und den Kommandeuren der kapitalistischen Reichtumsproduktion, indem sie „die Wirtschaft“ zu einer gemeinschaftlichen Veranstaltung der Mitglieder des Gemeinwesens umdeuten, über deren Gestaltung diese auf dem Wege herrschaftsfreier Kommunikation und demokratischer Abstimmung sich einig werden könnten. Über den moralistischen Appell, andere Ziele des Wirtschaftens zu verfolgen, als die, die von Kapital und Staat durchgesetzt sind, kommen solche Konzepte nicht hinaus, mögen sie hinsichtlich der Techniken der demokratischen Entscheidungsfindung noch so ausgetüftelt sein.
Zweck des Kapitals ist dessen permanente Verwertung, also die fortgesetzte Aneignung und Rekapitalisierung des Mehrwerts. Das Verhältnis des Mehrwerts zum Wert der Arbeitskraft misst den Grad der Ausbeutung der Arbeit oder die Mehrwertrate, das Verhältnis des Mehrwerts zum Gesamtkapitalvorschuß misst den Grad der Verwertung des Kapitals oder seine Profitrate. Kriterium des Erfolgs der Einzelkapitale ist die gesellschaftliche Durchschnittsprofitrate. Die Beschleunigung der Verwertung im Laufe seiner erweiterten Reproduktion ist nicht nur Ziel des Kapitals an sich, sondern auch das wesentliche Mittel der Einzelkapitale, sich gegen die Konkurrenten durchzusetzen. Neben Lohndrückerei, Extensivierung und Intensivierung der Arbeit ist das wesentliche Mittel der Mehrwertsteigerung für die Einzelkapitale die Erhöhung der Produktivkraft der Arbeit durch Einführung verbesserter Maschinerie. Es läßt sich so mehr Ware pro Zeiteinheit herstellen, die Produktmenge wächst, die Produktionsstückkosten der Waren sinken. Beides erlaubt dem Einzelkapital, die Preise seiner Waren zu senken, Konkurrenten Marktanteile abzujagen und zugleich Extraprofit zu machen, solange die Preissenkung geringer ausfällt als die Kostensenkung. Die technisch rückständigen, zu höheren Kosten produzierenden Betriebe werden so vom Markt verdrängt. Die Konkurrenten müßen nun ebenfalls avancierte Produktionstechniken einführen. Durch Verallgemeinerung der avancierten Technik wächst der Produktionsumfang der gesamten Branche, weitere Betriebe werden vom Markt verdrängt, die Stückkosten und die Preise der Waren sinken allgemein. Indem sich dieser Prozeß in allen Branchen gleichzeitig abspielt, sinken überall die Werte der Waren. Und durch Rationalisierung und Betriebspleiten werden überall Arbeiter arbeitslos gemacht.
Anmerkung zum Preisfall:
Daß die Reduktion der Warenwerte sich nicht im Sinken der Preise ausdrückt, ist der gleichzeitig stattfindenden Geldentwertung geschuldet. So daß die Entwertung der Waren der Erfahrung sich nicht als allseits sichtbares Phänomen darbietet. (Aber die Geldtheorie, die kann ich ja jetzt nicht auch noch machen!)
Entgegen dem bürgerlichen Ideal einer sich selbst tragenden Arbeitsplätze schaffenden Investitionskonjunktur produziert die Steigerung von Produktivität durch Einführung neuer Maschinerie Massenarbeitslosigkeit. Diese erscheint nur dann nicht auf dem nationalen Arbeitsmarkt, wenn die heimische Industrie bei gesteigerter Produktivität mit gleich viel oder gar mehr Arbeitern ihren Weltmarktanteil dermaßen erweitert, dass sehr viel mehr Ware abgesetzt werden kann als zuvor. Das Wachstum der heimischen Industrie geht dann zu Lasten fremden Kapitals und erzeugt im Ausland Pleiten und Massenarbeitslosigkeit. Sinkt der Wert der Waren allgemein, so auch der Wert der Arbeiterlebensmittel, also sinkt der Wert der Arbeitskraft, also die zu deren Reproduktion notwendige Arbeitszeit. Die vom Kapital angeeignete Mehrarbeit wächst.
Der technische Fortschritt des Kapitals bewirkt auf zweifache Weise die Erhöhung der Mehrwertrate, also de Grades der Ausbeutung: Erstens durch die infolge der Freisetzung von Arbeitern verschärfte Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, welche die Löhne drückt, und zweitens durch Mehrarbeit auf Kosten der notwendigen Arbeit, was ebenfalls die Löhne drückt. Die Kapitalakkumulation ist identisch mit der Steigerung des Umfangs der Produktion über die Aufnahmefähigkeit des Marktes hinaus.
Jede industrielle Krise, die durch die massenhafte Unverkäuflichkeit der Waren zustande kommt, sich also als Überproduktion zeigt, hat ihren Grund in der erfolgreichen Akkumulation der Kapitale, die sich jetzt, vom Resultat her, als Überakkumulation darstellt. In der Krise setzen sich wiederum die größten und produktivsten Kapitale durch und kaufen die weniger rentablen Konkurrenten auf, verleiben sich deren produktivste Anlagen ein, legen die relativ unproduktiven still und entlassen deren Belegschaft. Um die überschüssigen Produktionskapazitäten bereinigt, setzen die Krisengewinner dann ihren Ausscheidungskampf in der Konkurrenz fort, erweitern und effektivieren erneut ihre Produktion. Der Fortschritt der Akkumulation des Kapitals ist bedingt durch permanente Steigerung der Produktivkraft der Arbeit, erhöht also beständig den Grad der Ausbeutung, produziert Massenarbeitslosigkeit und intensiviert die Arbeit für die verbleibenden Beschäftigten. Die Akkumulation reproduziert nicht nur die Not der Lohnarbeiter, sich verkaufen zu müssen, also das Klassenverhältnis zwischen Kapital und Proletariat. Mit der Steigerung des Grades der Ausbeutung wächst auch der relative Grad der Armut der Lohnarbeiter relativ auf das durch ihre Arbeit vermehrte Kapitaleigentum. Erfolgreiche Kapitalakkumulation und Elend des Proletariats sind daher identisch.
Sich selbst überlassen untergrübe die Kapitalakkumulation ihre eigene Grundlage indem Sie die Arbeit der beschäftigten über das physisch tragbare Maß hinaus verlängerte intensivierte und immer mehr Arbeits- und Einkommenslose erzeugte, die Arbeiter also verkümmern und verhungern ließe. Es sind daher kompensatorische Maßnahmen nötig, welche die dauerhafte Brauchbarkeit des Proletariats für die Kapitalverwertung sicherstellen. Und damit bin ich wieder beim Staat: als politischer Garant des Produktionsverhältnisses von Kapital und Arbeit ist der bürgerliche Staat ideeller Gesamtkapitalist. Er schafft aktiv die Bedingungen des dauerhaften rentablen Gebrauchs der nationalen Arbeiterklasse durch das Kapital, indem er beständig reformerisch tätig wird.
Hier nur stichwortartig: die Arbeitsgesetzgebung herrscht dem Kapital Maßnahmen wie die Beschränkung des Arbeitstages und den Arbeitsschutz auf, um eine übermäßige Vernutzung der Arbeitskraft zu verhindern und damit ihre dauerhafte Benutzung zu gewährleisten. Die Sozialgesetzgebung dient dazu, die aus dem Produktionsprozess Ausgeschiedenen, aktuell Unbrauchbaren als genügend ausgebildete und gesunde und minimal versorgte künftig wieder einsetzbare Arbeitskraftreserve der Gesellschaft zu erhalten. Die Umweltschutzgesetzgebung dient dazu, die vom Kapital rücksichtslos als Gratisvoraussetzung seiner Produktion benutzte Natur so zu erhalten, dass sie als Reproduktionsgrundlage der Gesellschaft und Standortbedingung der Kapitalakkumulation tauglich bleibt. Weil alle diese Maßnahmen Kosten verursachen, welche die Akkumulation und die Konkurrenzfähigkeit des nationalen Kapitals belasten, besteht zwischen dem Interesse einer aktuellen Steigerung der Kapitalverwertung und dem einer langfristigen Erhaltung ihrer gesellschaftlichen und natürlichen Bedingungen ein permanenter Widerstreit, so dass im Kapitalismus beständiger Reformbedarf besteht und die gesellschaftlichen Debatten über eine nachhaltige ökonomische, soziale und ökologische Entwicklung nie enden wollen. Aufgabe der Politik ist es, die Reformen so zu gestalten, dass die eigene Nation als profitabler Kapitalstandort hergerichtet wird und dem nationalen Kapital der Weltmarkt als Wachstumsfeld erschlossen wird.
Zweck des Kapitals ist dessen rastlose Verwertung, an den Grenzen des Staates hat es aber eine Schranke. Die kapitalistischen Staaten müssen ihren nationalen Kapitalen den Verkauf von Waren auf dem Weltmarkt und den Zugriff auf fremde Reichtumsquellen erst ermöglichen, indem sie sich in internationalen Verträgen wechselseitig dazu verpflichten, die rechtlichen Bedingungen des grenzüberschreitenden Waren- und Kapitalverkehrs herzustellen. Angefangen der Herstellung der Kompatibilität der Währungen, über Handelsverträge, Zollabkommen und den Erwerb von Lizenzen zur Ausbeutung von Bodenschätzen und zur Anwerbung von Arbeitskräften bis hin zur Stiftung eines internationalen Kreditwesens, dass die Zahlungspflichten von Kapitalien und Staaten regelt, kommt damit allerhand Stoff für die imperialistische Konkurrenz um den Reichtum der Welt zu Stande. Um fremde Souveräne zu Vertragskonditionen zu bewegen, die für die eigene Nation vom Nutzen sind, und den Zugriff des eigenen nationalen Kapitals auf fremde Ressourcen der Akkumulation zu sichern, bedarf eine kapitalistische Nation nicht nur ökonomischer, sondern auch militärischer Macht, mit der im Streitfall der Wille des fremden Souveräns gebrochen und gefügig gemacht werden kann. Das Geschäft auf dem Weltmarkt ist daher notwendig kriegsträchtig, und die Konkurrenz des Geschäfts und die der Waffen setzen sich wechselseitig voraus und bedingen einander.
Damit bin ich bei den politischen Konsequenzen angelangt:
Um überhaupt ihre Interessen im Kapitalismus zu verteidigen, müssen die Arbeiter sich organisieren und den Kampf um Löhne, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen kollektiv führen, und zwar international. Die Losung „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ ist nicht nur ein moralisierende Aufruf, sich in Grußadressen mit den Arbeitern in fernen Ländern ideell zu solidarisieren, sondern drückt die praktische Bedingungen aus, erfolgreichen Klassenkampf zu betreiben. Der revolutionäre Klassenkampf hat den Kampf gegen das Klassenverhältnis zum Gegenstand, der reformistische den Gebrauch der Einkommensquelle Lohnarbeit. Selbst wenn er von politisch Radikalen betrieben wird, wohnt dem Kampf um die Brauchbarkeit der Lohnarbeit als Existenzgrundlage der Arbeiter immer ein affirmatives Moment inne, indem er das Lohnarbeitsverhältnis und also auch den Zweck der Kapitalverwertung als gegebene Voraussetzung anerkennt.
Das einzige Machtmittel, das die Arbeiter haben, um dem Kapital Zugeständnisse abzupressen, ist der Massenstreik. Das Kapital besteht in nichts anderem, als in der Aneignung der Mehrarbeit der Arbeiter, und wenn diese die Arbeit verweigern, wird weder Wert noch Mehrwert geschaffen, der Kapitalzweck also negiert. Eben darin liegt aber auch der Grundwiderspruch der Gewerkschaftsbewegung: Sie anerkennt den Lohn als Quelle der Reproduktion der Arbeiter, muss daher auf das Kapital und dessen Interesse, die Arbeit rentabel zu organisieren, anerkennen. Jeder Streik, jede Lohnerhöhung, oder Arbeitszeitverkürzung mindert den Profit und damit die Konkurrenzfähigkeit der betroffenen Kapitale, gefährdet daher auch die Arbeitsplätze als Quelle des Lohns, um dessen Erhöhung gekämpft wird. Solange die Arbeiter bzw. die sie vertretenden Gewerkschaften sich spalten lassen in nationale, regionale, branchenmäßige, betriebliche Kollektive in Einheimische und Ausländer, in Beschäftigte und Arbeitslose, spielt das Kapital sie gegeneinander aus, indem es den lokalen Belegschaften mit Entlassung oder Abwanderung droht, und sie so zu Lohneinbußen und Arbeitszeitverlängerungen erpresst.
Selbst, um nur den reformistischen Klassenkampf den Zwängen der kapitalistischen Konkurrenz entsprechend adäquat zu führen, gibt es ein einziges Mittel: den Generalstreik! Stünde auch nur einen Tag lang die weltweite Arbeit still, so bräche bei den ökonomisch und den politisch Herrschenden sofort eine Panik aus. Wären sich dann alle Arbeiter darin einig, sage eine Verdreifachung der Löhne oder ihre weltweite Anhebung das Niveau Norwegens zu verlangen, es würde gelingen, weil es keine Streikbrecher gäbe, die das Kapital anstelle der Streikenden einstellen könnte, und weil keine Produktionsverlagerung in Billiglohnländer möglich wäre. Um die Produktionsweise als solche zu retten, verzichtet das Kapital alle Mal auf ein paar Prozentpunkte der Mehrwertrate. Ist eine solche Lohnerhöhung aufgrund der Einigkeit des Proletariats aussichtsreich, dann wäre es aber zugleich dumm, sie zu fordern. Dann sollte man Schluss machen mit dem Lohnsystem, sich die Produktionsstätten und das Distributions- und Kommunikationssystem der Gesellschaft aneignen, und die Staatsmacht, die das bisherige System garantiert und verewigt, in jedem Land stürzen. Da die herrschenden sich das nicht ohne weiteres bieten lassen, wäre dann die Gewaltfrage aufgeworfen. Und zwar durch diejenigen, die Polizei und Armee gegen die Bevölkerung mobilisieren, um das System zu verteidigen.“