Occupy: „Wir sind die 99% – Wofür taugt dann die Demokratie?
Meine Übersetzung des Statements der amerikanischen Freunde des GegenStandpunkt von Ruthless Criticism, auf den Kowalski schon hingewiesen hatte:
„Aus Empörung über die das schwere Los, das die überwältigende Mehrheit tragen muß und über die Bevorzugung einer kleinen Elite von Banken und Konzernen durch die Regierung rufen die Demonstranten „Wir sind die 99%!“ – um damit zum Ausdruck zu bringen, dass die übergroße Mehrheit nichts zu sagen hat, während eine winzige Minderheit der Nation ihren Weg vorgibt. Das ist zweifellos richtig, aber was für Schlussfolgerungen ziehen die Occupy-Protestler daraus?
Daß so was doch eigentlich gar nicht wahr sein kann! Sie haben einen langen Katalog von Beschwerden veröffentlicht und auf ihrer offiziellen Webseite kann man hunderte von individuellen Geschichten des Elends und der Verzweiflung nachlesen. Sie nehmen an, dass all dies auf einen Verstoß gegen „unser System“ zurückzuführen sei, wo es doch die Aufgabe der Regierung sei, dafür zu sorgen, dass es allen Menschen gut geht. Aber zeigt die Armut der Massen nicht, dass die Annahmen der Occupy-Protestler daneben liegen könnten, dass die Aufgabe der Macht in der Demokratie etwas komplett anderes ist? Legt nicht schon die Tatsache, dass die Demonstranten, nur um Gehör zu finden, auf öffentlichen Plätzen kampieren müssen und dies nur tun können, solange die Behörden dies überhaupt zulassen, nahe, „so sieht Demokratie eben aus“?
Ganz offensichtlich liefert das Leben im Kapitalismus den Leuten allerhand Gründe für Proteste. Aber die Protestierenden sehen in allem nur einen Skandal und wollen nicht begreifen, dass die Wiederbelebung der Wirtschaft es erfordert, dass die Bevölkerung dafür verarmt werden muß. Statt desen geben sie der Gier der 1% die Schuld, perfekt symbolisiert durch die Wall Street. Gemäß den Occupy-Protestierern gehen die Sünden der „Konzernmächte der Welt“ weit darüber hinaus, Rettungsgelder bekommen zu haben: „Sie“ führen Zwangsenteignungen bei Wohnhäusern durch, sie zerstören die Umwelt und vergiften vorätzlich Nahrungsmittel, unterminieren das Tarifvertragsrecht, verlagern Arbeitsplätze ins Ausland, kürzen die Löhne, usw. usw. Aber was soll man aus all diesen üblen Erfahrungen für Schlüsse ziehen?
Occupy antwortet: „Der Profit steht über den Menschen“ Wollen sie damit sagen, dass das Wohlergehen der großen Mehrheit der Menschen einfach nicht zussammengeht mit der Wirtschaftsordnung, wo es darum geht, aus Geld mehr Geld zu machen? Oder glauben sie, dass das Spezialinteresse einer winzigen Minderheit eine ansonsten unzertrennliche nationale Gemeinschaft zerstört? Offensichtlich halten die Protestierenden das zweite für richtig: Die Gier der Reichen und einer mächtigen kriminellen Minderheit hat ihren amerikanischen Traum zerstört, in dem die Reichen und Mächtigen schon reich und mächtig sein dürfen, aber letztlich das Volk herrschen soll.
Das ist einer der Gründe, warum, bei all dem öffentlich geäußerten Verdächtigungen, dass da eine neue Generation von „Hippies“ und anderen Unerwünschten heranwachsen könnte, diese Bekundungen vom Glauben an den Amerikanischen Traum den Protesten ein erstaunliches Ausmaß an Symphatien eingebracht haben. Auch wenn Politiker sicherlich nicht erfreut sind, Demonstrationen auf den Straßen zu sehen, so ist dies doch der unerschütterliche Galuben an „das System“, auf dass sie setzen, wenn sie predigen, dass die Banken „systemische Bedeutung“ haben und dass es „unglücklicherweise notwendig“ sei, vom Rest der Bevölkerung Opfer zu verlangen. Es ist natürlich ein böser Scherz,, wenn die Regierung die Rettung der Banken als eine pure Notwendigkeit verkauft, die letztlich genau den Menschen nützen würde, die dafür mit einem gerüttelt Maß an Austeritätsmaßnahmen bezahlen müssen.
Es ist aber so, dass dieser böse Witz mehr als nur ein bisschen Wahrheit in sich hat: die Regierung rettet nicht die Banken und und verhängt eine massive Sparpolitik für die Menschen, weil korrupte Politiker ihren Auftraggebern einen Gefallen tun müssen. Der Grund liegt darin, dass der Profit weit mehr ist als das Spezialinteresse der Reichen und Mächtigen. Er ist nicht weniger als der Reichtum kapitalistischer Nationen. So sieht der Reichtum aus, für den die Menschen arbeiten, wenn sie jeden Morgen in die Fabriken und Büros gehen. Genau so funktioniert „unser System“ und „unsere Wirtschaft“.: Es gibt keine Arbeitsplätze, keinen Lebensunterhalt, keine Zukunft, wenn die Firmen nicht aus ihrem Geld mehr Geld machen können. In „unserem System“ mag das Profitmachen die Menschen ruinieren, aber die Menschen können nicht leben, wenn die Kapitalisten keine Gewinne machen.
Es ist also schon richtig, dass die Politiker, wenn sie die Finanzmacht der Banken wiederherstellen während sie den Staatshaushalt zusammenstreichen, dass sie damit nicht den Interessen „der 99%“ dienen. Was aber falsch ist, ist, dass dies in irgendeiner Weise einen Widerspruch zur Demokratie darstellt. Schließlich hat jeder Staatsbürger, reich oder arm, das gleiche Recht, die Politiker zu wählen und zu ermächtigen, die dann alles tun, was in ihrer Macht steht, um die schädliche Sorte Wohlstand zu befördern, der die Basis „unseres Systems“ ist. So sieht Demokratie dann aus.“
Veranstaltung am Mittwoch, 07. Dezember 2011 ab 20 Uhr
im Stadtteilladen Zielona Gora, Grünberger Str. 73, Berlin-Friedrichshain:
Occupy-Bewegung – Politik als Ich-AG? Kritik und Perspektiven
Von/mit: IK, IL und TOP
Ebenfalls Berlin, anderes Thema: 17.12.2011 um 19 Uhr im Mehringhof:
TREND Teach-in in Kooperation mit NEA
Rechtspopulismus und die Linke
Gerhard Hanloser (Sozialwissenschaftler)
Bernhard Schmid (Jurist)
Attila Steinberger (Publizist)
Moderation: Georg Klauda & Karl-Heinz Schubert