Die SpAD und der kontrafaktische Präsens zu China
Die SpaD, die deutsche Sektion der trotzkistischen International Communist League (Fourth Internationalist), hat in ihrer gerade herausgekommen neuen Ausgabe ihres Theorie-Organs „Spartacist“ einen großen Artikel „Arbeiterinnen und die Widersprüche im heutigen China“. Der fängt gleich so an, daß ich schon keine Lust mehr hatte, weiterzulesen:
Die Stellung der Frauen im heutigen China weist direkt auf die gewaltigen Widersprüche dieser Gesellschaft hin. China ist ein bürokratisch deformierter Arbeiterstaat, den wir Trotzkisten bedingungslos gegen Imperialismus und innere soziale Konterrevolution verteidigen. An der Lage der Frauen Chinas erkennt man die enormen Errungenschaften der Revolution von 1949 gegenüber dem rückständigen alten China, das der Tradition verpflichtet war und vom Imperialismus beherrscht wurde. Die Zerschlagung kapitalistischer Klassenherrschaft schuf die Grundlage für einen ungeheuren Anstieg der gesellschaftlichen Produktion, des Lebensstandards und der Frauenrechte und holte Hunderte Millionen chinesischer Frauen und Männer aus ländlicher Rückständigkeit in die Arbeiterschaft einer zunehmend industrialisierten Gesellschaft.
Der Fortschritt Chinas seit der Revolution 1949 und der anschließenden Kollektivierung der Wirtschaft durch die Enteignung der Bourgeoisie als Klasse zeigt die ungeheure Überlegenheit einer Wirtschaft, wo privater Profit nicht die Triebfeder der Produktion ist.
Wieso den „ist“? Genau das ist doch der Streitpunkt, was für eine klassenmäßige Qualität das hat, was da mittlerweile „ist“. Ja, es stimmt, daß „Hunderte Millionen chinesischer Frauen und Männer aus ländlicher Rückständigkeit in die Arbeiterschaft einer zunehmend industrialisierten Gesellschaft“ geholt worden sind. Aber von wem und wofür? Die VR China ist schließlich nicht mal in Asien das einzige Land, wo so etwas nach dem Zweiten Weltkrieg passiert ist. Südkorea ist mittlerweile auch recht industrialisiert mit einer großen Arbeiterklasse männlich und weiblich. Ist das auch ein Beleg für den fortschrittlichen sozialistischen Charakter dieser Gesellschaft? Oder wie steht es um Taiwan?
Na ja, diese sozialistischen China-Fans – das hat ja auch die Diskussion rund um das Dillmann-Buch gezeigt – haben offenbar einen Begriff von „Sozialismus“, wo Privateigentum und Ausbeutung locker hineinpassen.
irgendwie scheint die SpAD in ihrer „Analyse“ die 1950er und nicht 2010 zu beschreiben
Wie gesagt, ich hab den Artikel noch nicht gelesen, aber der Anfang klingt in der Tat nach den 50ern und nicht nach Gegenwart.
Schon der nächste Passus zeigt eine eindrucksvolle Ignoranz gegenüber der Qualität des chinesischen „Sozialismus“:
Ja, in der VR China gab es Wachstum, das wird von allen anderen Staaten neidvoll bewundert. Das aber zum Zeichen von Sozialismus zu machen, ist schon deshalb blöd, weil es ja selbst in Asien gar kein Unikum der VR Chinas ist. Taiwan hat auch satte Wachstumsraten vorzuweisen, Südkorea ebenfalls. Und auch in diesen eindeutig kapitalistischen Staaten war das Wachstum der kapitalistischen Wirtschaft von den bei der VR China so gelobten sozialen Entwicklungen begeleitet: Proletarisierung der wertätigen Massen, Verstädterung, Einbeziehung der Frauen in die Lohnarbeit, enormes Anwachsen der Industrieproduktion, gestiegene durchschnittliche Gesundheit der Bevölkerung.
Das diese Trotzkisten sich nicht zu schade sind, auf die Armut in der VR China hinzuweisen, weil die Armutsquote (wie auch immer die von bürgerlichen Soziologen zurechtgeschustert werden mag, wahrscheinlich wieder irgendein beliebiges Relativmaß) „nur“ halb so hoch ist wie im schreiend ungleichen, von Massenarmut ganzer Landstriche gekennzeichneteten Indien, das ist schon traurig.
Es spricht auch Bände über eine Gesellschaft, wenn es in ihr, wie in der VR China, massenhaft Unterernährung bei Kindern gibt, also systematisch und nicht zufällig, weil die Eltern krank sind und es keiner merkt, während zur gleichen Zeit dort soviele Rolls Royce wie nirgendwo sonst verkauft werden.
Wenn die IKL dann mal Nachteile sieht, dann nicht für die Werktätigen, sondern für „die Wirtschaft“:
wie nachteilig hat sich eigentlich der vorherige Boom auf die Arbeiter und Arbeiterinnen ausgewirkt, die ihn dank der weisen Führung der KP erarbeiten durften?
All das wird gar nicht dargelegt und erklärt sondern es wird einfach die eigene (semireligiöse) Weltanschauung postuliert:
Da hätte man doch wenigsten eine deskriptive Widerlegung erwarten dürfen, so nach dem Prinzip, die paar Fabriken in Shenzhen und im Perlflußdelta, die machen doch den Kohl nicht fett!
Nein, er war deshalb möglich, weil die straffe politische Herrschaft der KP eine Investitionsquote zu Lasten des privaten und öffentlichen Konsums ermöglichte, die es bisher in der Geschichte noch nie gegeben hat. Wenn Kinder verhungern, dann bleibt eben recht viel für Stahlmeiler übrig, möchte ich da bitter anmerken.
Ja warum eigentlich, wenn diese Typen doch Sozialisten sind? Was sind denn die offensichtlich vorherrschenden Ziele und Zwecke? Wer sind – klassenmäßig – eigentlich die „Armen“ und die „Reichen“, von denen hier für Marxisten beschämend ignorant geredet wird?
Warum das denn? Wenn der „Bäcker“ mit einem Arbeitszettel auf dem Markt trifft…