Freerk Huisken beim Konkret-Kongreß 1993 beim Podium „„Come together“ (Rassismustheorien)
Bei crull ist jetzt auch noch der Redebeitrag von Freerk Huisken beim Konkret-Kongreß 1993 bei der Podiumsdiskussion „Come together“ Rassismustheorien) gepostet worden:
„Ein neues Asylrecht wird verabschiedet, das Asylanten noch rücksichtsloser ausgrenzt. Neonazis und andere Freunde eines sauberen Deutschland zünden Unterkünfte von Asylbewerbern und Türken mit Inhalt an, und die schweigende Mehrheit guter Deutscher kann ihre Sympathie nicht für sich behalten. Grund genug, sich aufzuregen. Grund genug, sich die Frage vorzulegen, was in Deutschland los ist.
Die zur Zeit unter Linken beliebteste Antwort auf diese Frage lautet: Der Rassismus ist los.Überall könne man ihm begegnen. Bei den Rechtsextremen und an den Stammtischen sowieso. Zudem sei deutsche Politik von ihm durchdrungen, und selbst die Antirassisten hätten so ihre „Schwierigkeit, nicht rassistisch zu sein“. Die Diagnose ist damit ziemlich fertig: Wenn in Deutschland wieder gewaltsamer Diskriminierung – und das gilt fälschlicherweise vielfach als Begriff von Rassismus – das Wort geredet wird, sind die Grundwerte der Demokratie, die sich doch der Gleichbehandlung und -berechtigung verschrieben habe, in Gefahr. Und da die Politiker sich diesem Angriff der Straße auf die Demokratie seit geraumer Zeit beugen würden, sei eine Tendenz zur Faschisierung mit Händen zu greifen.
Mit dieser Antwort gilt die kleine und die große Politik als ziemlich weitgehend erklärt: Warum fackeln Neonazis Asylanten ab? Weil sie Rassisten sind! Warum klatschen Bürger Beifall? Weil sie rassistischem Gedankengut anhängen! Warum findet das neue Asylrecht eine Mehrheit? Weil in Bonn Rassisten die Politik bestimmen bzw. weil Politiker opportunistisch vor Rassisten zu Kreuze kriechen! Warum droht uns ein neuer Faschismus? Weil überall Rassismus am Werk ist! Das ist in linken Kreisen der politische Kern der aktuellen Bestandsaufnahme. Kurzum, alles ist gleichermaßen Rassismus: Nationalismus ist Rassismus, Ungleichheit ist Rassismus, dito Gewalt, Ausgrenzung usw. Mehr an Klärung wird selten für nötig gehalten, um zum „Tun“ von „was“ aufzufordern: Parteinahme für Opfer und Kampf gegen Neofaschismus rangieren dabei ganz oben. Den Anfängen soll wieder einmal gewehrt werden.
Nichts ist damit erklärt. Natürlich soll nicht bestritten werden, daß die „Ausländerfeindlichkeit“ der Neonazis rassistisch ist, daß kein Ausländer vor rassistischer Anmache der guten Deutschen sicher ist, daß nicht nur Lummer und Stoiber über ein Repertoire an rassistischen Urteilen verfügen, mit dem der Revanchismus von Sudeten- und anderen Deutschen gefüttert wird, und daß deutsche Außenpolitik gegenüber so manchem Ausland rassistisch begründete Forderungen vom Stapel läßt. Nur taugt diese Bestandsaufnahme eben nicht als ihre eigene Erklärung. Die Diagnose, es seien eben Rassisten am Werk, gibt sich mit der Antwort zufrieden, daß die Täter eben so seien, rassistisch nämlich. Dabei wäre gerade zu klären, welche Absichten, welche politischen Zwecke, welche Interessen es sind, die mit der mehr oder weniger gewaltsamen Ausgrenzung von Asylbewerbern verfolgt, die mit rassistischen „Argumenten“ als dringend gebotene Abwehrmaßnahmen vorgestellt werden und die im deutschen Volk ihre Nachahmer finden.Weder der Einsatz der demokratischen Staats- noch der von rechtsextremer Privatgewalt ist Selbstzweck. Es sei denn, man würde alle Täter kurzerhand zu Triebtätern erklären. Dabei glaubt der kritische Geist doch Politikern kein Wort, die ihre Asylpolitik beispielsweise mit humanistischen Anliegen begründen. Wenn sie erklären, sie wollten Ausländer durch Abschiebung vor deutschem Volkszorn retten, oder wenn Faschos mit der Beteuerung Punkte zu machen versuchen, ihnen läge auch an der Bewahrung der kulturellen Identität der Ausländer, dann weiß er zwischen Taten,.den mit ihnen verfolgten Absichten und den Schönfärbereien wohl zu unterscheiden. Wenn jedoch Rassismus im Spiel ist, fällt alles in eins: Begründung rassistisch, Tat rassistisch, Interesse rassistisch!
Offenkundig diktiert wieder einmal Moral die falschen Gedanken, wird die Erklärung von Rassismen durch ihre moralische Begutachtung ersetzt. Nach Gründen für die bösen Taten mag man nicht suchen, denn die kann es dafür nicht geben. Das Böse hat keine Ratio! Wo Gewaltausübung und „Diskriminierung“ entdeckt werden, ist eben Unmoral am Werk. Die Frage nach dem „Warum“ deutscher Asylpolitik wird ins rhetorische „Wie kann sie nur?“ übersetzt und gilt damit als hinreichend bedacht. Die Rassisten sind Verbrecher, vergehen sich an Menschenwürde und Gleichberechtigung, den Insignien wahrer Demokratie. Gewalttätige Antidemokraten, also gleich doppelt böse sind sie folglich. So werden denn die Asylgesetze zu Verfehlungen erklärt. Man gibt sich zufrieden mit der Feststellung, daß sie nicht sind, was man sich von der deutschen Politik wünscht. Die Chance auf konstruktive Einmischung in die Innen- und Außenpolitik der Nation möchten sich die enttäuschten Demokratie-Idealisten eben nicht verbauen. Daher treten sie ein: Für eine humane Asylpolitik! Für den Erhalt des alten Artikel 16! Schutz der Ausländerwohnungen! Für ein Einwanderungsgesetz! Und auf jeden Fall für die doppelte Staatsbürgerschaft … So findet eine rechte Geisterdebatte statt. Deutsche Asylpolitik, die Durchsetzung ihrer Maßstäbe nach innen, die Gefolgschaft deutscher Bürger und die durchaus nicht erwünschten rechtsextremistischen „Auswüchse“ der von oben inszenierten Asylanten-raus-Kampagne (siehe z.B. den Rühe-Brief) werden als Abweichung von Demokratie erörtert, die rassistische Begründung politischer Anliegen wird als ihr Inhalt und Zweck begriffen, so daß letztlich auch nicht mehr unterschieden werden kann, wo der Rassismus tatsächlich die Politik bestimmt und wo er allein der Titel für eine andere, z.B. imperialistische Sache ist.
Die Geisterdebatte beginnt mit der bekannten Verurteilung der deutschen Asylpolitik: gänzlich inhuman und ausländerfeindlich sei sie.Ein befremdlicher Befund: Wie soll eigentlich Ausländerpolitik freundlich und human abgewickelt werden? Ist doch bereits die ganze Sortierung nach In- und Ausländern das Resultat der oft genug kriegerisch ausgetragenen imperialistischen Konkurrenz von Staatsgewalten.Und ist doch deswegen – kodifiziert im Ausländerrecht – jeder Ausländer erst einmal verdächtig, aus Loyalität zu seinem „Herrn“ in der Fremde zu einem Ärgernis zu werden. Siehe Solingen. Denkt man bei freundlicher Ausländerpolitik statt an Krieg oder sonstige Drangsalierung etwa an Verträge, in denen immer das drinsteht, was die überlegene Staatsmacht einer unterlegenen und d.h. vor allem ihren Bürgern aufdrücken kann? Oder denkt man an die freundliche Begrüßung „politisch Verfolgter“ , die das Material für wenig freundlichen Umgang mit den „Unrechtsregimen“ sind, aus denen sie kommen? Die Mittel der Durchsetzung nationaler Interessen gegenüber dem Ausland und dessen Mannschaften sind eben notwendig „unfreundlicher“ Natur. Die Geisterdebatte ist dagegen von dem unermüdlichen Versuch gekennzeichnet, sie mit Idealen wie Völkerfreundschaft, Multikultur oder anderen schlichten Umkehrungen geläufiger Staaten- und Menschensortierungen („come together“) zu blamieren.
Dabei liegen die nationalen Anliegen der Asylpolitik auf dem Tisch, werden von Kinkel, Klose, Kohl und Seiters nicht einmal geleugnet: Das politische Interesse der praktizierenden Nationalisten in Innen- und Außenministerien hat Deutschland ein neues Recht beschert, das – in konsequenter Vollendung der Anliegen des alten Art. 16 II.2. GG – ab sofort den Ausländer überhaupt nur noch dann ins Inland lassen will, wenn er für national-ökonomische Dienste („Gastarbeiter“, polnische Tagelöhnerei, Euro-Lohnarbeiter oder Kapitalimport), für politsche Anliegen („politisch Verfolgte“, wie „Dissidenten“, „Freiheitskämpfer“, oder das diplomatische Corps) und für kulturelle Leistungen (XY spielt, schreibt, heilt oder forscht für Deutschland) benutzbar ist. Wenn nicht, dann gilt eben nur, daß er Ausländer ist, also nach dem Ausländerrrecht in Deutschland nichts verloren hat und oft genug bereits an der Grenze erfahren darf, was der Kern der von westlichen Staaten hergestellten Unterscheidung zwischen In- und Ausländern ist. Der Wunsch von Flüchtlingen nach Sicherheit und ihr offenkundiges Elend zählen bei deutschen Behörden nach wie vor nichts. Das heißt für die weltweit für imperialistische Vorhaben inzwischen absolut überflüssig gemachte Armee von Elendsgestalten, daß sie natürlich gerade in den Metropolen nichts zu suchen hat. Deswegen werden Flüchtlinge auch jenseits der Grenzen der „westlichen Zivilisation“ nicht in Ruhe gelassen. Das neue Konzept der weltweiten „Entsorgung“ des globalen Pauperismus besteht letztlich in der Verpflichtung der Staaten der 3. und 2. Welt, ihren inländischen „Menschenmüll“ nicht zum Störfaktor für imperialistische Betriebsamkeit werden zu lassen. Die Durchsetzung dieses Konzepts ist nicht ohne massiven Eingriff in die Innen- und Außenpolitik von den zu „Nichtverfolger-“ und „sicheren Drittstaaten“ erklärten Ländern zu haben; vom Umgang mit verbleibenden „Verfolger-Staaten“ ganz abgesehen. Mit dieser Asylpolitik mischt Deutschland also kräftig in der Konkurrenz der westlichen Mächte um die „neue Weltordnung“ mit.
Das ist die Sache. Sie folgt keinem rassistischen Interesse, sondern nimmt es imperialistisch in die Pflicht. Rassistisch an ihr sind jene wohlfeilen völkischen Begründungen, die den neuen deutschen Imperialismus für die Mehrheit der Deutschen so unwiderstehlich machen sollen und machen: „Die passen nicht zu uns, vertragen sich nicht mit uns, können sich iher Andersartigkeit wegen nicht integrieren …!“ Diese staatliche „Ausländerfeindlichkeit“, die sich auf ihr Gewaltmonopol verlassen kann und mit ihren Übergriffen auf Asylanten alles in den Schatten stellt, was ein Haufen verrückter Hitlerfans hier gegenwärtig an Leid produziert, wird von deutschen Bürgern geteilt und tatkräftig unterstützt. Sie machen dieses nationale Anliegen zu ihrer Sache. Erfunden haben sie es nicht. Der tätige Nationalismus der Staatsgewalt findet seine Bestätigung im Nationalismus der guterzogenen Bürger. „Asylanten raus!“ lautet ihre Parole, die gerade mit dem Lichterketten-Zusatz, daß man nichts gegen Ausländer habe und sie nicht selbst zu erschlagen gedenke, längst mehrheitsfähig geworden ist; und dies, obwohl diese guten Deutschen weder auf einem polnischen Markt deutsche Nachtsichtgeräte verkaufen werden, noch sich jemals den Kopf über eine euro-gemäße Form der Auflösung Jugoslawiens zerbrochen haben. Daß staatliche Asylpolitik wirklich nicht ihre Sache ist, hält sie nicht davon ab, sich ihr zu widmen, als ginge es dabei um eine Politik, die Schaden von ihnen selbst abwenden will. Sie haben und finden im reichhaltigen öffentlichen Angebot immer wieder neue Gründe, die tauglich sind für die Fundierung ihrer nationalistischen Lebenslüge, die (Ausländer-)Politik würde sich schon irgendwie iher Sorgen annehmen. Dafür werden öffentliche Kampagnen inszeniert: Da gibt es die klassischen Katastrophenszenarien vom „kenternden Boot“, dem Arbeitsplatz- oder Wohnungsklau oder der gestörten Nachtruhe. Zu diesen Begründungen gehört auch offen rassistisches Zeug: Die Asylanten sind dann kriminell, faul und Schmarotzer, geborene Frauenschänder, irgendwie anders, passen deshalb nicht zu uns usw. Das wird nicht geglaubt, weil man vom Wahrheitsgehalt der besonderen Verurteilung überzeugt ist, sondern weil diese umgekehrt zu dem Standpunkt paßt, daß die Asylbewerber hier nichts verloren hätten und mit der Asylpolitik Schaden von den Deutschen abgewendet werde: Am Ausländer stört, so heißt es, die Kriminalität; aber nicht Kriminelle wollen sie außer Landes schicken, sondern Ausländer, an denen dann leicht Kriminelles entdeckt wird – sie müßten ja sonst auch glatt für die Entvölkerung ihrer Heimat eintreten. Der Rassismus liefert also das beliebig ergänz- und reduzierbare Bildmaterial für den nationalistischen Standpunkt, mit dem diese Deutschen ihre Lebenslüge ausstaffieren, irgendwie werde mit der Asypolitik auch ihre Sache verfolgt; dabei läßt sich unschwer das Gegenteil nachweisen. Die Pflege des selbstbewußten Gehorsams geht eben merkwürdige Wege.
Mit irgendeinem vernünftigen materiellen Interesse hat so eine rassistische Zustimmung zu Anliegen der deutschen Nation also gar nichts zu tun.Wer beispielsweise für Arbeitsplatzverluste und Wohnungsnot Ausländer verantwortlich macht und – wenn denn schon fälschlicherweise die Konkurrierenden selbst für den Mangel an jenen Gütern verantwortlich sein sollen, um die sie konkurrieren – nicht jeden Konkurrenten, sei er nun Aus- oder Inländer, der hat die Konkurrenz nationalistisch vorsortiert. Ausländische Konkurrenten sind damit zu Parasiten erklärt, weil sie einen Anspruch geltend machen, der ihnen als Nichtdeutschen nicht zukommt. Jedes Interesse wird also gleich als deutsches Recht bzw. als Recht der Deutschen dekliniert, das Nichtdeutsche nicht besitzen. Dabei ist es im übrigen völlig unerheblich, daß gerade Asylbewerber zu dieser Konkurrenz um Arbeit und Wohnung in der Regel gar nicht zugelassen sind und daß die Inländer dieses eingebildete Recht für sich selbst nicht im entferntesten so vehement einklagen, wie sie die Asylanten-Abschiebung fordern. Es darf deswegen nicht verwundern, daß bereits die Abschiebung der Asylanten Begeisterung auslöst – obwohl sie keinem einzigen Deutschen Arbeitsplatz oder Wohnung einträgt. Dann ist dem erfundenen Recht der Deutschen Genüge getan, als dessen sebstbewußte Vollstrecker gute Deutsche nicht nur der Asylpolitik ihr Placet erteilen, sondern auch schon einmal selbst Hand anlegen. Von wegen „entfremdete Form“ eines berechtigten Protestes! Es ist die rassistische Form von nationalistischem Gehorsam!
Das Muster dieser Rassismen, also der rassistischen Legitimierung von gewaltsamer und folgenschwerer Aus- und Eingrenzung z.B. durch nationale Ausländerpolitik, ist immer das gleiche: Die Opfer sind selbst der Grund für die Mißhandlung, die ihnen angetan wird, weil in ihrer (erfundenen) Natur – in ihrer biologischen, kulturellen oder sonstigen Identität – eine Störung deutscher Belange bzw. von Belangen der Deutschen ausgemacht wird. Die nach gesellschaftlichen Interessen eingerichteten Be- bzw. Ausnutzungsverhältnisse, die den Benutzten schlecht bekommen und deswegen ohne Gewalt nicht durchzusetzen sind, werden als den Opfern wesensgemäße, also quasi natürliche Ordnung vorgestellt. Solche Begründung von nationaler Politik bemüht sich dabei erstens um den Nachweis, daß z.B. der Asylant eine Schädigung der Anliegen von Deutschen ist, und will diesen Nachweis zweitens durch die Konstruktion eines „natürlichen Willens“, eines Willens, den nicht Interesse hervorbringt, sondern Natur diktiert, unwiderlegbar machen. Man tut folglich dem Fremden einen Gefallen, wenn man ihn abschiebt, da er seiner Natur bzw. Identität nach in der Fremde einfach eingehen muß. „Praktisch“ ist das, weil auf diese Weise – rassistisch komplementär – der Inländer bereits damit zufrieden zu sein hat, daß er Inländer, Deutscher, und unter Inländern ist. Das Messen nationaler Politik an distinkten Interessen von Inländern verbietet die rassistische Logik.
Die fleißigen Beobachter des Gehorsams der Deutschen – die im Nationalismus dessen bequemste Form entdecken – legen Wert darauf, daß die Bürger ihren Rassismus nicht übertreiben. Er soll sich den Anliegen nationaler Ausländerpolitik anpassen, soll sich von diesen nicht trennen und schon gar kein Eigenleben führen, in welchem dann die rassistische Rechtfertigung eines nationalen Staatsinteresses selbst zum leitenden Interesse und vielleicht sogar völkisch exekutiert wird. An diesem Maßstab orientiert sich die Sortierung zwischen den guten Deutschen und den Neonazis, und ihm folgt die jüngste Kritik der demokratischen Politik an Rechtsextremisten und Neonazis. Mit der Zurückhaltung von deutschen Ordnungsmannschaften gegenüber dem „Asylanten-Verbrennen“ (Hoyerswerda, Lichtenhagen …) war eben dann Schluß, als die Falschen in Mölln auch noch die Falschen anzündeten. Brave, herzensdeutsche Türken und ihre Familien, die sich seit 20 Jahren für deutschen Profit krummgelegt haben und obendrein Bürger eines jüngst zu neuer Bedeutung gekommenen NATO-Partners sind, werden nämlich – zur Zeit und wenn sie keine Kurden sind – explizit von der nationalen „Ausländer-raus-Politik“ ausgenommen: Ihre Bedeutung für die Nationalökonomie hat ihnen das zweifelhafte Kompliment eingetragen, Ausländer 2. statt 3. Klasse zu sein. Das teilen die Neonazis nicht: Sie wollen nicht zwischen brauchbaren und unbrauchbaren Ausländern unterscheiden.
An den Neonazis, diesen radikalsten Gefolgsleuten deutscher Ausländerpolitik, stört also deutsche Politiker die praktizierte Identität von Nationalismus und Rassismus: Den Neonazis sind eben alle Ausländer allein deswegen, weil sie Ausländer sind, eine Gefährdung des deutschen Volkstums. Wie sie zu diesem Urteil gekommen sind, kann jetzt kein Geheimnis mehr sein: Ihnen hat die staatliche Zwangssortierung zwischen In- und Ausländern eingeleuchtet; dieser allererste und profundeste Egalisierungsakt der Staatsgewalt, mit dem der Staat Menschen, die der Reichweite seines Gewaltmonopols unterliegen, zu seinen Bürgern erklärt und sie für sich dienstverpflichtet. Diese Sortierung hat den radikalen Ausländerfeinden so sehr eingeleuchtet, daß sie den von bürgerlichen Staaten in die Welt gesetzten Gegensatz zwischen den Nationalmannschaften glatt zur Natur der Völker erklären, der sie zu ihrem staatlichen Recht verhelfen wollen. Auch dabei haben sie von demokratischer Ausländerpolitik gelernt: Wo das Ausländerrecht eben den Ausländer für minderberechtigt erklärt, da weiß der Neonazi dies als Beleg für dessen Minderwertigkeit zu deuten, der dann die Höherwertigkeit des Deutschtums entspricht. Auf das hat man dann stolz zu sein, es sich selbst zum Anliegen zu machen, es rein zu halten und sich darum zu sorgen, daß dem Staat der Deutschen auch ein ihrer Höherwertigkeit entsprechender Rang zukommt. So nehmen sie die offizielle Parole „Asylbewerber raus!“ begeistert auf und radikalisieren sie ein wenig: Sie propagieren die vollständige Entfernung aller Ausländer von deutschem Territorium – auch solcher, über die deutsche Politik verfügt, daß sie für nationale Belange durchaus einsetzbar oder wegen nationaler Belange zu dulden sind.
Deswegen werden neuerdings Urteile gegen Neonazis nicht zur Bewährung ausgesetzt, deswegen wird das deutsche Volk zu einer Kampagne gegen Rechtsextremismus aufgerufen, soll ideelle Bürgerwehr spielen und jeden einer Gewalttat Verdächtigen denunzieren. Nicht, weil da Rassisten am mörderischen Werke sind, nicht, weil sie Leid über Menschen bringen – wer Asylanten massenhaft an die Stätten ihrer ökonomischen und politischen Drangsalierung zurückkarrt, legt an die eigene Politik nicht den Maßstab an, Leid und Elend zu verhindern –, ruft der demokratische Staat zum Kampf gegen den völkischen Fanatismus des rechtsextremen Rassismus auf, sondern weil der für ihn eine politsche Konkurrenz ist, die zwar machtpolitisch noch keine Gefahr darstellt, die aber seinen inländischen und auswärtigen Anliegen, insbesondere dem deutschen Europaprojekt, gar nicht erst in die Quere kommen soll.
Ansonsten benutzt deutsche Außenpolitik selbst den völkischen Rassismus als Interventionsrechtfertigung, wenn’s paßt: Wiedervereinigung, d.i. die Herstellung der Volkseinheit, um Deutschland größer und stärker zu machen; Wolgarepublik, das ist der Anspruch auf die Zusammenführung von „Deutschstämmigen“, mit dem ein Mitspracherecht in Rußland formuliert wird … Da ist sie nicht wählerisch: Das Menschenrecht, der Frieden, die neue Weltordnung, unsere historische Verantwortung oder Humanität stehen als Titel nationaler Politik friedlich neben der Selbstbestimmung der Völker Jugoslawiens oder dem Recht der Deutschen auf Einheit. Und jedermann darf sich ganz frei die Begründung heraussuchen, der er Glauben schenken möchte.
Daß die deutsche Demokratie, der Bundespräsident immer an der Spitze, zum „Kampf gegen Rechtsextremismus“ aufruft, das nimmt die deutsche Linke zwar nicht jedem Politiker ab, aber schwer für die Demokratie ein: Rassismus hält sie nämlich, weil er anti-egalitär ist, für einen Gegensatz zur Demokratie und erklärt deswegen den Neofaschismus und Rassismus zum ersten Gegner, dem es mit mehr und radikalerer Gleichheits-Demokratie den Garaus zu machen gilt (U. Osterkamp). Weder demokratischer Praxis noch demokratischer Theorie kann sie diese Lobhudelei des Egalitätsprinzips – diesem angeblichen Naturrecht der Menschen auf Gleichheit – abgeguckt haben. Denn hierzulande wird nicht nur Gleichberechtigung, also die Gleichheit der Chancen und Rechte, hochgeschätzt, sondern zugleich heftig gegen die Gleichheit der Resultate gehetzt, die dann Gleichmacherei heißt und die sich ehemals jeder in Kommunismus übersetzen sollte. Und ist denn die Binsenwahrheit inzwischen völlig in Vergessenheit geraten, wonach der demokratische Rechtsstaat jedermanns Privateigentum gleichermaßen schützt, ob es sich nun um Produktionsmittel, Grundstücke, Aktien oder einen Haufen vergleichsweise armseliger Reproduktionsmittel handelt, und daß gerade so der Kapitalismus läuft und läuft und läuft? Es könnte sich wirklich langsam herumgesprochen haben, daß der rechtlich verbürgte Egalitarismus der Demokratie darin besteht, mittels Gleichbehandlung in schulischer, politischer oder ökonomischer Konkurrenz einige an den Bürgern bestehende oder überhaupt erst an ihnen hergestellte Unterschiede für die Bedienung der Erfordernisse der Klassengesellschaft auszunutzen. „Diskriminierung“, die Herstellung und Wiederherstellung gesellschaftlicher Unterschiede, ist der ganze Witz der bürgerlichen Gleichheit. In Konkurrenzveranstaltungen, in denen tatsächliche Chancengleichheit, gleiche Rechte und Gleichbehandlung herrschen, werden Sieger und Verlierer nach Maßgabe der Interessen des Klassenstaats an Ausgebildeten und des Kapitals an lohnender Arbeitskraft produziert. Dabei zählt nur die Leistung des einzelnen – auch wenn bzw. gerade weil der die Kriterien der Leistungserbringung gar nicht selbst bestimmt, er also über Leistung gar nicht als eigenes Mittel verfügt, sondern nur am Maßstab gleicher Leistung gemessen, mit anderen verglichen und entsprechend behandelt wird.
Das gesellschaftlich nützliche Resultat dieser Konkurrenz gilt dann als Trennung der „Elite der Hochbegabten“ von den „Unbegabten“, der „Faulen“ von den „Fleißigen“, der „Kriminellen“ von den Gesetzestreuen, der „Führer“ von den zu Führenden usw. Hier ist der erzdemokratische Rassismus kräftig am Werke und will nachweisen, daß der gesellschafliche Gegensatz von Armut und Reichtum entweder eine Sinnestäuschung ist oder völlig in Ordnung geht, da die Verlierer der Konkurrenz es sich auf jeden Fall selbst zuzuschreiben haben, wenn sie es zu nichts bringen, es in ihrer Natur liegt usw. Die Sieger haben zusätzlich noch für die Vorzüge des „Systems“ einzustehen, das deshalb nicht selten als allein menschengemäße Ordnung gilt. Empirisch wird der Rassismus hierzulande allemal fündig: Denn wer von höherer Bildung ausgeschlossen wird, der ist eben wirklich dümmer – gemacht; und wenn die Frau als Gebärmutter für Deutschland gesetzlich festgeschrieben wird, dann darf es nicht wundern, wenn sie tatsächlich nicht zugleich im Berufsleben „ihren Mann steht“. Frauen – und Türken – in Leichtlohngruppen, das ist dann die nächste Anwendung der hierzulande produzierten Unterschiede.
Man muß allerdings aufmerken: Kapitalisten, die Leichtlohngruppen für Fauen vorsehen, handeln nicht aus rassistischen Motiven. Sie greifen vielmehr immer dort zu, wo sie so eine gesellschaftlch produzierte Differenz profitlich einsetzen können. Ansonsten gilt: Warum bei der Ware Arbeitskraft sortieren, wo die Lohnarbeit am Fließband keinen Unterschied nach Rasse, Religion oder Kultur kennt? Hier herrscht allein das Interesse an lohnender Arbeit; weswegen es nur auf Unterschiede ankommt, die per Konkurrenz bzw. Lohnhierarchie hergestellt werden oder sich für sie benutzen lassen. Nach dem Urteil einschlägiger Demokraten hat deswegen Hitler glatt „sinnlosen Rassismus“ praktiziert und Deutschland um die Anwendung höchst brauchbarer Arbeitskräfte betrogen. So etwas wird dann auch offiziell „Diskriminierung“ gescholten und abgeschafft. Die brauchbaren Unterschiede der Lohnhierarchie werden beibehalten und in alle Lohngruppen ganz egalitär Schwarze und Weiße, Juden und Christen, Inländer und Ausländer eingestuft. Es ist eben das gleiche Recht ein „Recht der Ungleichheit, seinem Inhalt nach, wie alles Recht“.
Der politische Kern des Rassismus der gut erzogenen deutschen Bürger ist der selbstbewußte Gehorsam gegenüber dem Staat und seinen tatsächlichen Anliegen. Dieser Gehorsam der Bürger ist, selbst dort, wo er kritisch gegen die Politik auftritt und ihr „Handlungsunfähigkeit“ vorhält, getragen von Sorge um erfundene Anliegen Deutschlands. Der deutschen Führung paßt diese rassistische Parteinahme, die den Staat nicht als Instrument für private Interessen prüft, für zureichend oder unzureichend befunden hat, sondern in der Zugehörigkeit zur deutschen Nation bereits die unbedingte Bedienung jedes privaten Interesses sieht. „Kampf gegen (alltäglichen) Rassismus“ taugt also nur etwas, wenn er den Angriff auf den nationalistischen Gehorsam der Bürger einleitet. Es nützt nichts, den guten Deutschen bei rassistischen Vorurteilen zu „ertappen“, wenn die ohnehin nur eine Tour der meinungsfreien Zustimmung zu Deutschland sind. Der selbstbewußten Eingliedeung in das nationale „Wir“ hat die materialistische Kritik zu gelten. Falsch ist der „Kampf gegen (alltäglichen) Rassismus“ auch als umgedrehter Rassismus, als Gebot von Ausländerfreundlichkeit oder als Plädoyer für eine multikulturelle Gesellschaft. Rassismus mit – gut gemeintem – Rassismus auszutreiben, ist und bleibt Rassismus. Für die Opfer Partei zu ergreifen, statt den Tätern das Handwerk zu legen, ist ohnehin ein Fehlschluß.
„Kampf gegen Rechtsextremismus“ taugt nichts. Als die politische Gefahr in Deutschland gelten ihm die neuen Hitlerjungen, gegen die ausgerechnet mit den Verfassern und Durchsetzern des Asylrechts Koalitionen geschmiedet werden. Dieser Kampf entlastet die machthabenden Polit-Täter, sorgt sich um deutsches Ansehen in der Welt oder trägt mit dem Schutz von Asylantenheimen bestenfalls dazu bei, daß Asylanten unversehrt in heimatliches Elend und Foltergefängnisse abgeschoben werden können. Er mischt sich in die Konkurrenz zwischen zwei bürgerlichen Lagern, zwischen dem etablierten demokratischen und dem um seine Etablierung kämpfenden rechtsextremistischen bis faschistischen Lager ein. Er ergreift damit Partei für eine Variante deutscher Politik, an der in Zukunft die „Welt genesen“ soll – was wie üblich den meisten Deutschen schlecht bekommen wird. Schließlich macht er sich darum verdient, die Erinnerung an eine „historische Verantwortung“ hochzuhalten, die inzwischen längst zum moralischen Titel neuer großdeutscher Militärexkursionen avanciert ist. In Teilen der deutschen Linken scheint man sich inzwischen sicher zu sein, daß deutsche Gewalt nach innen und außen nur jene Anliegen durchsetzt, derentwegen diese kritischen Menschen sie zu Hilfe rufen. Deswegen geht auch der „Kampf der Faschisierung“ daneben, sofern es in ihm um die Verteidigung der Demokratie geht. Die wird dann entweder für ein im Prinzip ziemlich tolles, im Gegensatz zum Faschismus stehendes Wertesystem oder wenigstens für eine Herrschaftsform, die „immerhin besser ist als …“ gehalten. Um Freiheit und Gleichheit versus Unfreiheit und Ungleichheit soll es letztlich gehen und deshalb die Demokratie vor dem Sündenfall der „Diskriminierung“ bewahrt werden, welche sie selbst gerade mittels demokratischer Gleichbehandlung herstellt und benutzt. Dabei ist Demokratie zunächst einmal eine Herrschaftstechnik, die so lange klappt, wie das Volk in seiner überwiegenden Mehrheit die jeweilgen Zwecke der Nation teilt und deswegen damit zufrieden ist, das vorsortierte Herrschaftspersonal mitbestimmen zu dürfen.
Prompt geraten die tatsächlichen politischen Zwecke und Interessen des demokratisch verfaßten Kapitalismus ziemlich aus der Schußlinie der Kritik. Daß Deutschland sich der Sache der souveränen Nation nach dem Abstreifen der „Fesseln der Bündnissouveränität“ etwas anders widmet, als dies bislang geschah, dafür im Inneren neue Anforderungen an die Heimmannschaft stellt und auch in den Verkehrsformen der geliebten rechtsstaatlichen Demokratie so manche Änderung zum Effektiveren hin vornimmt – all das wird dann als Abweichung vom Bisherigen konstatiert, die Trennung von Idealen der Demokratie, des Rechts- und Sozialstaats als Entdemokratisierung und Entrechtung zur Kenntnis genommen. Werden zusätzlich rassistische Töne konstatiert, dann ist die Faschisierung, der endgültige Einbruch des Bösen ins – ziemlich bzw. im Prinzip – Gute ausgemachte Sache.
Und was tun? „Es gibt eine Redensart, daß man nicht nur niederreißen, sondern auch wissen müsse aufzubauen, welche Phrase von gemütlichen und oberflächlichen Leuten allerwege angebracht wird, wo ihnen eine sichtende Tätigkeit unbequem entgegentritt“ (G. Keller) Und überhaupt: Was heißt hier „tun“? Vor die Hand- und Fußarbeit haben die Götter die Kopfarbeit gesetzt. Und außerdem ist die beste Praxis immer noch eine richtige Theorie. Anders gesagt: Die wenigen hier vorgestellten Gedanken damit blamieren zu wollen, daß aus ihnen nicht jene Praxis folgt, die der Kritiker der „unbequemen Sichtung“ für richtig hält, ist albern. Wer dagegen die vorgetragene Sichtung teilt, hat mit der „Praxis“, die gegenwärtig überhaupt nur anstehen kann, kein Problem. Der hat keinen „Praxisdruck“ und weiß sofort, was zu „tun“ ist: Schluß mit dem „Wir“, auch mit dem alternativen „Wir“; Schluß mit der Parteinahme für betroffene Ausländer, mit der Ausländerfreundlichkeit, und Schluß mit der gleichfalls national-moralisch motivierten Verantwortlichkeit für deutsche Täter; schließlich Beendigung der Politisierung jedes Anliegens, also jener vertrauensvollen Berechnung, die im Staat den zuständigen Adressaten für die eigenen Interessen sieht, und vor allem all das weitersagen. Besonders denen, die es nötig haben, weil ihnen die falschen Gedanken nichts nützen, sondern nur Schaden eintragen.“
Quelle: Kongress-Reader »Was tun?« (herausgegeben von Boris Gröndahl und Wolfgang Schneider, Hamburg 1994) auf den Seiten 147-157